Seit kurzem gehen Meldungen von einer unerklärlichen Übersterblichkeit im Herbst durch die Medien. Mitte September begann in Deutschland eine Phase der Übersterblichkeit. 10 % gemessen am Median der Vorjahre im September, 19 % im Oktober, so das Statistische Bundesamt in seiner Mitteilung vom 22. November 2022. Die Corona-Sterbefälle erklären die Übersterblichkeit allem Anschein nach nicht. Aber woran liegt es dann?
Das Unerklärliche fordert zum Spekulieren heraus. Und die einschlägig erleuchteten Kreise sehen natürlich die „Giftspritze“ am Werk, also die Impfungen. Eine solche Übersterblichkeit gebe es sonst nur im Krieg, schreiben manche. Vor nicht langer Zeit haben die gleichen Leute einen Rückgang der Geburtenzahlen mit den Impfungen in Verbindung gebracht – bis zum folgenden Wiederanstieg der Geburten. Wie es scheint, geht die geheimnisvolle Herbst-Übersterblichkeit bereits wieder zurück. Ein bisschen sollte man noch abwarten, bis die Nachmeldungen der Sterbefälle auch eingerechnet sind. Aber wenn sich die Sterbefallzahlen demnächst normalisieren, müssen die Freunde der These, dass böse Mächte mit den Impfungen die Bevölkerung dezimieren wollen, wohl zur nächsten Geschichte weiterziehen. Sie müssen sich nicht sorgen, da wird sicher was kommen.
Trotzdem bleibt die Frage, ob man die Herbst-Übersterblichkeit als besondere Entwicklung ansehen muss, die eine Erklärung verlangt, oder ob sie eher unter die Rubrik kurzzeitiger Schwankungen zu subsumieren ist, medienvergrößert, verursacht wodurch auch immer. Wenn im nächsten Jahr auch die zugehörigen Todesursachen statistisch ausgewertet sind, ist man vielleicht schlauer.
Bei Euromomo, wo die Sterbefälle für die europäischen Länder grafisch aufbereitet werden, kann man in einer interaktiven Europakarte die Übersterblichkeit der einzelnen Länder im Zeitverlauf durchlaufen lassen. Man sieht, wie mal dieses, mal jenes Land eine mehr oder weniger größere Übersterblichkeit aufweist. Analytisch ist diese Art der „Guckst-du-hier-Statistik“ natürlich nicht gerade state of the art, aber gegenüber den Behauptungen der Impfquerdenker funktioniert sie nach dem Motto „auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil“ ganz gut: Der schnelle Wechsel der Übersterblichkeiten bei den europäischen Ländern passt einfach nicht zur Impfthese. Mehr muss man dazu nicht sagen.
Szenenwechsel: In China fing – vermutlich – alles an. In China schien dann nach den rigiden Maßnahmen der Regierung die Epidemie für lange Zeit unter Kontrolle. Bis jetzt. Jetzt gehen die Fallzahlen steil nach oben. Omikron ist offensichtlich mit Lockdowns nicht gut einzudämmen, dafür scheint es zu ansteckend und der Impfschutz der Bevölkerung zu gering. Sollte sich das Virus in China epidemieartig ausbreiten, könnten durch die damit einhergehenden massenhaften Mutationsgelegenheiten im schlimmsten Fall auch üblere Virusvarianten ausgebrütet werden. Dann hätten wir vielleicht hierzulande demnächst wieder eine coronabedingte Übersterblichkeit. Und manche würden auch das sicher mit den Impfungen erklären.
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Nachtrag, um Missverständnisse zu vermeiden:
Natürlich haben die Impfungen mit der Übersterblichkeit zu tun. Nur andersrum, als manche meinen: https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/2798990
Und noch ein Nachtrag, für eine kleine Déjà-vu-Erfahrung:
“Die rätselhafte Übersterblichkeit im Herbst”: https://www.welt.de/wissenschaft/plus235925374/Uebersterblichkeit-2021-Warum-starben-im-Herbst-so-viele-Menschen-in-Deutschland.html
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