Durch die Infektionsschutzmaßnahmen während der Corona-Pandemie wurde nach dem Konzept „flatten the curve“ Zeit bis zur Verfügbarkeit der Impfung gewonnen, aber die Maßnahmen hatten auch einen hohen Preis. In den Pflegeeinrichtungen wurden alte Menschen über Wochen streng isoliert, sie haben in der Folge unter Kontaktarmut und Einsamkeit gelitten; für Kinder und Jugendliche gingen die Infektionsschutzmaßnahmen, vor allem die zeitweise Schließung von Kitas, Schulen und Freizeiteinrichtungen, mit hohen Einbußen an Lebensqualität und vielfach mit erheblichen psychischen Belastungen einher; die Familien insgesamt mussten viel auffangen und wirtschaftlich haben die Infektionsschutzmaßnahmen ebenfalls gravierende Folgen, die noch für Jahre spürbar sein werden.
Über all das ist in den Medien intensiv diskutiert worden, es gab dazu von verschiedenen Institutionen Stellungnahmen und auch der Sachverständigenausschuss nach § 5 (9) IfSG hat zu Teilaspekten davon einen Evaluationsbericht abgegeben.
Weniger bekannt sind die positiven Nebeneffekte der Infektionsschutzmaßnahmen. Ein paar sind in unserem living textbook „Corona verstehen – evidenzbasiert“ aufgeführt. Besonders beeindruckend ist der Rückgang an Schülerunfällen infolge der Schließung der Betreuungseinrichtungen. Die Zahl der meldepflichtigen Schülerunfälle lag 2021 um ca. 40 % unter dem Niveau von 2019.
Bei diesen „Schülerunfällen“ sind auch die Unfälle in den Kitas und den Hochschulen eingeschlossen. Meldepflichtig gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung sind sie, wenn eine ärztliche Behandlung nötig war.
Auch bei den tödlichen Schülerunfällen zeigt sich das gleiche Bild: 2019 gab es 44 tödliche Schülerunfälle (davon 39 Schulwegunfälle), 2020 waren es 27 (24 Schulwegunfälle) und 2021 dann 23 (16 Schulwegunfälle).
Mit dem Rückgang der Schülerunfälle sind auch erhebliche Einsparungen an Kosten für die Versorgung der verunfallten Kinder und Jugendlichen verbunden. Gewinner der Pandemie sind die Unfallversicherungsträger aber nicht. Zum einen stiegen die Unfallzahlen bei den Kindern und Jugendlichen wieder und zum anderen stehen dem hier 2020 und 2021 eingesparten Geld hohe und z.T. auch längerfristige und noch nicht absehbare Ausgaben für beruflich bedingte Covid-19-Erkrankungen bei Erwachsenen gegenüber. In einigen Tätigkeitsfeldern wie dem Gesundheitswesen oder der Wohlfahrtspflege kann Covid-19 unter bestimmten Voraussetzungen als Berufskrankheit anerkannt werden, und wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, unter Umständen als Arbeitsunfall. Mit Stand 31.12.2022 wurden den Unfallversicherungsträgern (ohne Landwirtschaft) seit Beginn der Pandemie 476.948 Verdachtsfälle auf eine Berufskrankheit infolge von Covid-19 gemeldet, 301.188 Fälle wurden inzwischen anerkannt. Bis zum gleichen Stichtag gab es 71.749 Arbeitsunfallmeldungen mit bisher 24.786 Versicherungsfällen infolge von Covid-19. Anzeigen auf Verdacht einer Berufskrankheit infolge einer Impfung gegen Covid-19 gab es übrigens – Stand Dezember 2022 – keine.
Durch Covid-19 haben die Berufskrankheiten einen nie dagewesenen Stand erreicht. Waren es 2019 (wiederum ohne Landwirtschaft) noch 18.156 anerkannte Berufskrankheiten, so waren es 2021 mit 123.626 fast sieben mal so viel. Dabei entfielen 2020 ca. 50 % und 2021 ca. 82 % der anerkannten Berufskrankheiten auf Covid-19. Zwar lagen 2021 die Entschädigungsleistungen der Unfallversicherungsträger mit ca. 11,2 Mrd. Euro noch in etwa auf dem Niveau von 2020 und 2019, aber die beschriebene Entwicklung lässt für die nächsten Jahre steigende Entschädigungsleistungen erwarten.
———–
Edit: Korrektur des Anteils der Covid-BKs an allen BKs 2021
Kommentare (21)