Kann Homöopathie helfen, Antibiotika einzusparen? Das soll eine Studie im Auftrag des Bayerischen Landtags herausfinden. Aber wie könnte ein Studiendesign aussehen, über das zu diskutieren sich lohnt? Schließlich sieht nach vielen, sehr vielen Studien die klinische Evidenz für die Wirksamkeit von Homöopathika so kläglich aus wie die naturwissenschaftliche Plausibilität der Wirksamkeit von Nichts. Die Nutzung des Placeboeffekts käme vielleicht infrage.

Um die Studie gab es von Anfang an viel Streit. Zu Recht. Bei so einer Fragestellung ist gründliches Nachdenken vorher, was ein konkretes Studiendesign erwarten lässt, besser als ratloses Grübeln nachher, was die Daten wohl bedeuten mögen. Vor zwei Jahren gab es zu der Studie sogar eine Kritik in der Zeitschrift „Ethik in der Medizin“. Auch bei anderen Studien stellen sich natürlich immer wieder Fragen, ob Nutzen und Aufwand in einem sinnvollen Verhältnis stehen, aber das macht die Sache nicht besser.

Nach einer coronabedingten Pause kommt die Studie jetzt. Ein Budget von 800.000 Euro steht zur Verfügung und in einem Jahr, am 31.1.2024, soll sie schon fertig sein. Eckdaten gibt es bei ClincalTrials. Karl Lauterbach bezeichnet die Studie als „Ohrfeige“ für die evidenzbasierte Medizin:

„Eine „Studie“ ob Homöopathie Antibiotika ersetzen kann? Grotesk. Eine Ohrfeige für die Evidenz-Basierte-Medizin.“

Was er genau meint, ob er Studien zur Homöopathie allgemein für grotesk hält, oder nur solche zur Wirksamkeit von Homöopathika, oder das spezifische Design dieser Studie, weiß man nicht. Ob er es weiß oder ob er einfach der Opposition eins überbraten wollte, weiß man auch nicht. Die eigentliche „Ohrfeige“ für die evidenzbasierte Medizin ist jedenfalls eher der Fortbestand des Binnenkonsenses im Arzneimittelrecht, mit dem sich die Homöopathen in der Kommission D des BfArM nach eigenen Regeln die Wirksamkeit von Homöopathika bestätigen, als gäbe es keinen anerkannten Stand der Wirkungsforschung mit RCTs als methodischem Goldstandard. Den Binnenkonsens könnte Karl Lauterbach als Gesundheitsminister zur Disposition stellen. Er tut es bisher nicht.

Aber über den Binnenkonsens wurde schon oft genug diskutiert. Was die bayerische Studie angeht, wären Antworten auf ein paar konkrete Fragen interessanter:

1. Wie sieht das konkrete Studienkonzept jenseits der knappen Angaben bei ClinicalTrials aus (dort steht: „No study documents available“) und wer hat es entwickelt?
2. Schöpft die Studie mit dem registrierten Design die bereitgestellten 800.000 Euro aus? Wenn ja, auf Basis welcher Kalkulation?
3. Von welchen Annahmen geht die Stichprobengröße von 220 Probandinnen aus?
4. Die Studie ist – was sie ethisch etwas akzeptabler macht – nicht mehr wie anfangs als Studie zum therapeutischen Vergleich von Antibiotika und Homöopathika bei akuter schwerer Krankheit angelegt, sondern als präventive Studie mit Blick auf Rückfälle bei leichteren Harnwegsinfektionen. Nur: Wie passt eine präventive Studie in die homöopathische Krankheitslehre?
5. Dem Registereintrag zufolge ist Frau Dr. Katharina Gaertner, eine bekannte Homöopathin, „study contact backup“. Sie nimmt also eine steuernde Rolle wahr. Kritisch ist nicht, jemanden „vom Fach“ einzubinden, schließlich soll für jede teilnehmende Frau lege artis das richtige Homöopathikum aus einem Fundus von 140 vorab festgelegten Mitteln gefunden werden. Wofür sie darüber hinaus zuständig ist, wüsste man gerne. Wer weiß es?
6. In der Studie sollen Hochpotenzen (C200 und C1000) zum Einsatz kommen. Aus pharmakologischer Sicht ist die Studie somit als Vergleich Placebo A gegen Placebo B angelegt. Das wäre aber eine unethische und forschungsökonomisch unsinnige Fragestellung. Der Studie liegt somit bereits eine Vorannahme zugrunde, dass Homöopathika grundsätzlich wirksam sein können. Akzeptiert man das einmal, müsste die Stichprobengröße mit hinreichender Verlässlichkeit für einen kleinen Alphafehler (Ablehnung der Nullhypothese) sorgen. Aus der Sicht der Bayesschen Statistik ist sie dazu zu schwach, die a priori-Wahrscheinlichkeit der Nichtwirksamkeit zu groß. Eine schwache Studie mehr wird unabhängig von ihrem Ergebnis die recht gefestigte Evidenzlage nicht verändern können. Was genau erwartet man also von der Studie?
7. Welche Konsequenzen hätte ein Ergebnis, das – z.B. aufgrund des Alphafehlers – den Homöopathika einen schwachen Nutzen für die Rückfallprophylaxe zuschreibt, für das ärztliche Handeln? Sollten dann alle Frauen mit einer entsprechenden Vorgeschichte „prophylaktisch“ Homöopathika einnehmen? Wer trägt die Kosten?
8. Schließt die Studie die Kontrolle von Rebound-Effekten einer vermehrten Antibiotika-Gabe infolge verzögerter Behandlung eines Rückfalls bei Frauen ein, die auf die Wirksamkeit der Homöopathika vertrauen?
9. Wie sieht die ärztliche Aufklärung der Probandinnen im Hinblick auf Aussagen zur Wirksamkeit von Homöopathika aus?
10. Da als Studienbeginn der 15.3.2023 bereits fixiert ist, ist davon auszugehen, dass ein positives Votum einer Ethikkommission vorliegt. Ist die Kommission dabei auf solche Punkte eingegangen? Welches Studienkonzept lag ihr vor und ist das Votum der Ethikkommission einsehbar?
11. Warum hat man die Studie nicht ganz anders angelegt und vom Design daraufhin ausgerichtet, ob eine homöopathische Behandlung, mit ordnungsgemäßer Aufklärung, zu einem Verzicht in typischen Fällen einer unnötigen Antibiotika-Anwendung beitragen kann, d.h. ob man den Placebo-Effekt sinnvoll nutzen kann?

Frage 12 ist eine Gretchenfrage: Wer kann oder will diese Fragen beantworten? Früher oder später werden wir es wissen.

——————-
Nachtrag 23.2.2023: Noch eine Frage, die bei jeder Studienplanung zu klären ist: Wenn es bewährte Vergleichstherapien gibt, warum wird trotzdem nur gegen Placebo getestet? Siehe Kommentar #36 von Ludger.

Kommentare (69)

  1. #1 knorke
    21. Februar 2023

    @Punkt Nummer 6: Najaaa, wenn man den Homöopathen glaubt dann sind höhere Potenzen doch wirksamer als niedrige. Also scheint die Annahme zu sein, dass die Effektgröße hier so hoch ist, dass auch schwache Stichproben den Effekt zeigen können müssten. Macht doch total Sinn 😉 In einer Zuckerwattewelt aus Zuckerkügelchen jedenfalls.

    • #2 Joseph Kuhn
      21. Februar 2023

      @ knorke:

      Wenn die Studie völlig überraschend eine sehr große Effektstärke zeigen sollte, obwohl in der “normalen Wissenschaft” niemand weiß, wie das zu erklären wäre, sollte man zunächst schauen, was mit der Studie nicht stimmt. Und wenn man nichts findet, von mir aus noch mehr Geld verbrennen und eine Replikationsstudie in einem anderen Studienzentrum durchführen. Die vielen Nobelpreise aufgrund einer belegten und starken Wirksamkeit von Nichts kommen jedenfalls nach dieser Studie noch lange nicht.

  2. #3 uwe hauptschueler
    21. Februar 2023

    Wenn es für die Beteiligung an dieser Studie einen Doktor med. gibt, dann hätte ich auch gerne einen, für die Nichtbeteiligung.

  3. #4 knorke
    21. Februar 2023

    @Joseph Kuhn
    Ich weiß – mein Einwand war natürlich als reine Blödelei intendiert.

    In Wahrheit find ich es genial, 800k EUR lockerzumachen für Studien die in ihrer Relevanz schon Fragezeichen produzieren. Ist doch toll, dass das Land Bayern für sowas Geld hat.

  4. #5 Kyllyeti
    21. Februar 2023

    @ Joseph Kuhn

    noch mehr Geld verbrennen

    Ach immer dieser Defätismus.

    Mit dem daraus hergeschüttelten *Penunzium Combustum C200* könnte man nachfolgend doch ganz locker den chronisch angeschlagenen Staatshaushalt sanieren.

  5. #6 Alisier
    21. Februar 2023

    Ihr seid alle unseriös und furchtbar unsachlich. Möge der große Wumpf euch heimsuchen.
    Wollte ich nur mal angemerkt haben.

  6. #7 BPR
    21. Februar 2023

    Primärer Outcome ist eine mit Antibiotika behandelte Infektion der unteren Harnwege im Zeitraum zwischen Studieneinschluss (baseline) und nach 9 Monaten.

    Ethikkommission: Sponsor der Studie ist die TU München, Principal Investigator Prof. Lutz Renders, Leitender Oberarzt der Nephrologie. Zuständig für das Ethikvotum wäre also wohl die Ethikkommission der TUM. Bei ClinicalTrials.gov fand ich kein Votum hinterlegt.

    Futility: Neben dem Votum der Ethikkommission würde mich auch interessieren, was der Landesrechnungshof zu dieser Studie sagt.

    • #8 Joseph Kuhn
      21. Februar 2023

      @ BPR:

      “Futility: Neben dem Votum der Ethikkommission würde mich auch interessieren, was der Landesrechnungshof zu dieser Studie sagt.”

      Vielleicht, dass eine homöopathische Summe stärkere Ergebnisse hätte erwarten lassen?

      Ich frage mich, wie die TU München, die so stolz auf ihren Status als Exzellenzuniversität ist, gerade auch in den Naturwissenschaften, diesen Kurzschluss von Laptop und Lederhose einmal verkaufen wird.

  7. #9 fauv
    21. Februar 2023

    Die rechtliche Situation im Gesundheitswesen mit dem Binnenkonsens beweist, dass wir von einem lobbyfreien Parlament noch weit entfernt sind.
    Aber, in der Politik geht es nicht nur um Vernunft, es geht auch um das Abwägen von Interessen um einen Schaden so gering wie möglich zu halten.
    Also, wie hoch ist der jährliche Schaden, der durch dieVerschreibung von HP Präparaten entsteht ?
    800 000 € für eine Studie ?
    Das ist noch nicht einmal eine Peanut im Vergleich zu 100 000 000 000 € , die demnächst für Waffen ausgegeben werden. Wo bleibt da die Vernunft ?

    Oder geht es um einen Verrat an der Vernunft ? Dürfen wir unsere HP noch behalten ? Als Wissenschaftler und Moralist lautet die Antwort , Nein, Nein.

    Können wir unsere Religion noch behalten. Die ist doch auch nur ein Produkt unserer Vorstellung.
    Ohne Beweis !

    Und können wir die menschenverachtenden Serien wie „Djunglecamp“ noch dulden?
    Und die Menschen, die sich am Boden festkleben, wie dämlich ?

    Also, wieviel Irrationalität sind erlaubt ?

  8. #10 Joseph Kuhn
    21. Februar 2023

    Hintergründe zur Studie

    Etwas verspätet gelesen: Beim Landesverband Bayern des Zentralvereins homöopathischer Ärzte gibt es schon seit ein paar Wochen Hintergrund-Infos zur Studie:

    “Die Ethikkommission und das BfArM haben Ende 2022 grünes Licht gegeben”

    “Dr. Wolfgang Springer, [war] am Zustandekommen der Studie maßgeblich beteiligt”

    “Es zeigt desweiteren, wie enorm wichtig solide politische Kontakte zu Parteien, Abgeordneten, Fraktionen und Sprechern in Gesundheitsausschüssen sind.”

    “Es wurden mehrere Studiendesigns zu dieser Frage eingereicht, unser Studienansatz hat am Ende den Zuschlag erhalten.”

    Damit sind auch einige meiner Fragen beantwortet: Es gibt ein ausgearbeitetes Studienkonzept, es ist nur nicht öffentlich. Es gibt in der Tat ein Votum einer Ethikkommission, es ist nur nicht öffentlich. Es gab auch andere Studienkonzepte, sie sind nur nicht öffentlich. Das Studienkonzept wurde von Homöopathen entwickelt und politische Kontakte waren hilfreich, das immerhin ist öffentlich.

  9. #11 Uli Schoppe
    22. Februar 2023

    @fauv
    21. Februar 2023

    Die rechtliche Situation im Gesundheitswesen mit dem Binnenkonsens beweist, dass wir von einem lobbyfreien Parlament noch weit entfernt sind.

    In der Tat, das es den Binnenkonsens noch gibt beweist das.

    Aber, in der Politik geht es nicht nur um Vernunft, es geht auch um das Abwägen von Interessen um einen Schaden so gering wie möglich zu halten.

    Schaden so gering wie möglich zu halten ist nicht vernünftig?

    Also, wie hoch ist der jährliche Schaden, der durch dieVerschreibung von HP Präparaten entsteht ?
    800 000 € für eine Studie ?

    Generell erst mal der finanzielle Schaden der durch Geld ausgeben für überteuerten Zucker entsteht. Aber darum geht es ganz zuerst mal gar nicht (mal davon ab wieviele Brillen man davon hätte bezahlen können). Es geht darum klare Grenzen zu setzen.

    Das ist noch nicht einmal eine Peanut im Vergleich zu 100 000 000 000 € , die demnächst für Waffen ausgegeben werden. Wo bleibt da die Vernunft ?

    Eine auch in meinen Augen unvernünftige Entscheidung in einer anderen Sache hat mit der Unvernunft im Umgang mit Homöopathie genau wie viel zu tun?

    Oder geht es um einen Verrat an der Vernunft ? Dürfen wir unsere HP noch behalten ? Als Wissenschaftler und Moralist lautet die Antwort , Nein, Nein.

    Das Du Deine HP behalten darfst hat man Dir jetzt aber oft genug erklärt.

    Können wir unsere Religion noch behalten. Die ist doch auch nur ein Produkt unserer Vorstellung.
    Ohne Beweis !

    Ist es 🙂 Und tatsächlich ohne Beweis. und ich sehe in D keine Bestrebungen das GG zu ändern und Dir das zu verbieten. Warum wirfst Du das also in den Raum?

    Und können wir die menschenverachtenden Serien wie „Djunglecamp“ noch dulden?

    Wenn es nach mir geht nein, hat aber mit dem Thema gerade nichts zu tun.

    Und die Menschen, die sich am Boden festkleben, wie dämlich ?

    Die sind gerade nicht dämlich…

    Also, wieviel Irrationalität sind erlaubt ?

    Hast Du konkrete Beispiele für Verbotsbestrebungen bei Irrationalität?

  10. #12 Uli Schoppe
    22. Februar 2023

    @Joseph Kuhn
    21. Februar 2023

    Das Studienkonzept wurde von Homöopathen entwickelt und politische Kontakte waren hilfreich, das immerhin ist öffentlich.

    Ob allen Beteiligten klar ist was sie damit ausgesagt haben?

    • #13 Joseph Kuhn
      22. Februar 2023

      @ Uli Schoppe:

      “Ob allen Beteiligten klar ist was sie damit ausgesagt haben?”

      Vermutlich ist niemandem klar, was damit ausgesagt ist, weil das ein Thema mit sehr vielen Facetten ist, und keine Besonderheit von Homöopathie-Studien. Das Thema aufzuarbeiten, würde ein Buch ergeben und “klar” wäre am Ende wohl trotzdem nichts.

      Es ist ein interessanter Fakt, etwa unter dem Aspekt Lobbyismus, aber weiter kommt man mit konkreten Fragen an das Studienkonzept und später mit Fragen zur Interpretation der Befunde. Spannend wird z.B. auch, wo die Ergebnisse publiziert werden, was das peer review durchgehen lässt usw.

  11. #14 Peter Köhler
    Konstanz
    22. Februar 2023

    Frage an den Mathematiker: Genügen denn die bisher bekannten Details, um die Power der Studie abzuschätzen? Anders gefragt: wie groß müsste der Behandlungsnutzen mindestens sein, um mit mindestens 95% Wahrscheinlichkeit in der Stickprobe gefunden zu werden?

  12. #15 Staphylococcus rex
    22. Februar 2023

    Ich versuche erst einmal das Studiendesign zusammenzufassen: Doppelblindstudie, 220 Teilnehmer, 2 Studienarme. Die Dosierungen C200 oder C1000 teilen sich einen Studienarm. Verblindet ist der “Wirkstoff”, daraus folgere ich, alle Studienteilnehmer bekommen das Ritual aus homöopathischer Anamnese und individueller Therapie.

    Rezidivierende unkomplizierte Harnwegsinfekte als Einschlusskriterium sind sinnvoll, wenn die Probandinnen zu Studienbeginn asymptomatisch sind, habe ich allerdings auch ein Verständnisproblem, welche Symptome nach dem Similaritätsprinzip behandelt werden sollen.

    Grundsätzlich stört mich die geringe Teilnehmerzahl. Eine Randomisierung nach dem Zufallsprinzip kann bei geringen Teilnehmerzahlen zu Ausreißereffekten führen. Erst ab ca. 200 Teilnehmern pro Gruppe hätte ich Vertrauen in die Randomisierung. Wenn schon Geld für diese “Studie” verschwendet wird, dann hätte ich mir 4 Gruppen gewünscht: C200, C1000, offizielles Placebo (C200 und C1000 sind eigentlich auch Placebogruppen) sowie eine Nichtinterventionsgruppe (randomisiert, aber nicht verblindet) ohne homöopathische Intervention zur Messung der Ritualeffekte.

    Es fehlt eine Information, wie die Verblindung gegenüber dem Studienleiter sichergestellt wird (die verschiedenen Varianten der Zuckerkügelchen sollen optisch und geschmacklich identisch sein). Das bringt aber nur etwas, wenn es einen zweiten Studienleiter gibt, der nur für die Zuteilung der Globuli zuständig ist und garantiert, dass die Verblindung erst nach der Erhebung aller klinischen Daten aufgelöst wird.

    Bei einer geringen Teilnehmerzahl und einer ausreichenden Zahl an sekundären Ergebnisparametern besteht immer ein Risiko, dass zufällig ein sekundäres Ergebnis eine Pseudosignifikanz aufweist. Bei Fragestellungen, wo die Verblindung entscheidend ist und die Effektstärke unbekannt ist, würde ich mich weigern, eine Studie mit weniger als 200 Teilnehmern pro Studienarm in einer Ethikkommission zu genehmigen, unabhängig von allen anderen Aspekten.

  13. #16 Ludger
    22. Februar 2023

    Hab ich das richtig verstanden, dass es zwei “Verum”-Gruppen geben soll mit jeweils einer Hochpotenz und keine Kontrollgruppe ohne Therapie oder mit Antibiotikum? Das soll bei einer Probandengruppe getestet werden, deren Zusammensetzung zwangsläufig sehr heterogen sein wird und von denen viele gar nicht therapiebedürftig sind?
    (Zum Nachlesen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin undFamilienmedizin: https://register.awmf.org/assets/guidelines/053-001l_S3_Brennen_beim_Wasserlassen_2018-09-verlaengert_01.pdf )
    Da interessiert mich die genaue Fragestellung, die die Studie beantworten soll. Oder gibt es die erst nach Abschluss der Datenerhebung?

    • #17 Joseph Kuhn
      22. Februar 2023

      @ Ludger:

      Nein, das haben Sie nicht richtig verstanden. Es gibt eine Interventionsgruppe und eine Kontrollgruppe, randomisiert und verblindet, ganz korrekt auf der Ebene.

      Für Sie könnten aber die Einschlusskriterien interessant sein, sind auf der Registerseite ausführlich beschrieben.

  14. #18 Beobachter
    22. Februar 2023

    Es werden 800.000 € für eine völlig intransparente und mehr als fragwürdige Homöopathie-Studie verbrannt, während die steigenden Kosten im Gesundheitssystem auf die GKV-Patienten abgewälzt werden sollen – zumindest nach Vorstellungen gewisser Ökonomen/Lobbyisten:

    https://taz.de/Oekonom-zu-Kosten-im-Gesundheitsystem/!5917795/

    “Ökonom zu Kosten im Gesundheitsystem
    2.000 Euro Selbstbeteiligung?
    Der Ökonom Bernd Raffelhüschen will steigende Kosten auf gesetzlich Versicherte abwälzen. Auch wer raucht oder Ski fährt, soll mehr zahlen, schlägt er vor.
    … ”

    https://de.wikipedia.org/wiki/Bernd_Raffelh%C3%BCschen

    ” … Bekannt zur Rente, speziell zur Altersarmut, ist seine Aussage „Es gibt keine Altersarmut in Deutschland. Sie ist quasi irrelevant.“[15]
    … ”

    https://de.wikipedia.org/wiki/Claudia_Raffelh%C3%BCschen
    (Ehefrau ist FDP-MdB)

  15. #19 Alisier
    22. Februar 2023

    Ja, die gute alte und bewährte Sippenhaft……
    Disclaimer: Nein ich will keinen mitgeben, aber ich finde es schlechterdings unmöglich und daneben so was zu tun.
    Und bei all den Schwierigkeiten die ich mit vielen von der FDP vertretenen Positionen habe: Das geht nicht!
    Einen inhaltliche Auseinandersetzung mit den Positionen von Frau Raffelhüschen würde mich bestimmt interessieren, und darüber sollte man auch reden können.
    Aber irgendwann ist auch genug mit dem Raunen und indirekten Unterstellen. Sowas ist unter der Gürtellinie und hat weder hier noch woanders irgendwas verloren.

  16. #20 Beobachter
    22. Februar 2023

    @ Alisier, # 18:

    Ist das dein Ernst?

    Dich regt weder das viele rausgeschmissene Geld für diese Homöopathie-Studie noch der unsägliche Vorschlag dieses Ökonomen/Lobbyisten noch seine noch unsäglichere Aussage zur Altersarmut auf – aber meine kurze Anmerkung, dass die Ökonomen/Lobbyisten-Ehefrau FDP-MdB ist?

    Und was ist an dieser Feststellung/Tatsache ein “Raunen”, “Sippenhaft” und “unter der Gürtellinie”?

    Bisher hattest du zum Thema nichts anderes zu sagen als (# 6):

    “Ihr seid alle unseriös und furchtbar unsachlich. Möge der große Wumpf euch heimsuchen.
    Wollte ich nur mal angemerkt haben.”

    Eine Anmerkung dazu verkneife ich mir …

  17. #21 Alisier
    22. Februar 2023

    Das ist mein ernst. Und wer das nicht versteht, dem kann ich auch schlecht helfen.

  18. #22 Beobachter
    22. Februar 2023

    Umso schlimmer – für dich …

  19. #23 RPGNo1
    22. Februar 2023

    @Beobachter

    Du verschiebst die Torpfosten bzw. zündest Nebelkerzen. Das Thema in diesem Artikel sind NICHT die (angeblichen) Verfehlungen eines Wirtschaftswissenschaftlers oder seiner FDP-Ehefrau sondern eine unnötige und teure Homöopathiestudie.

    Wenn du über Herrn Raffelhüschen und seine neoliberalen Vorstellungen zur Gesundheitspolitik sprechen willst (und über viele andere Probleme in eben jener Gesundheits-/Sozialpolitik mehr), dann mach deinen eigenen Blog auf. Aber hör bitte auf, anderen Personen ein Thema aufzuzwingen, nur weil du es für relevant erachtest. Und echauffiere dich nicht immer ständig, wenn andere Kommentatoren dich auf deinen schlechten Diskussionsstil hinweisen.

  20. #24 Uli Schoppe
    22. Februar 2023

    7. Welche Konsequenzen hätte ein Ergebnis, das – z.B. aufgrund des Alphafehlers – den Homöopathika einen schwachen Nutzen für die Rückfallprophylaxe zuschreibt, für das ärztliche Handeln? Sollten dann alle Frauen mit einer entsprechenden Vorgeschichte „prophylaktisch“ Homöopathika einnehmen?

    Wenn ich nicht alles grundfalsch verstanden habe: Schliesst der symthomfixierte Ansatz von HP nicht Prophylaxe hier eigentlich aus? Es sind doch gar keine Symthome da denen man ein passendes Zuckerkügelchen zuordnen könnte. Darum ist die Studie doch schon im Ansatz für die Tonne?

  21. #25 Beobachter
    22. Februar 2023

    @ RPG, # 22:

    Ich verschiebe nichts und zünde nichts – ich habe nur einen etwas anderen Blickwinkel als du.

    Wie du nachlesen kannst, ging es mir in # 17 darum, wieder mal feststellen zu müssen, für was in unserem Gesundheitssystem Geld da ist (z. B. für diese Homöopathie-Studie) und für was nicht (z. B. für die medizinische Grundversorgung Armutsbetroffener bzw. wie manche Ökonomen/Lobbyisten/”Experten” das sogar noch auf die Spitze treiben wollen, indem sie die Eigenanteile für GKV-Patienten noch mehr erhöhen wollen, und das auch noch nach Kriterien, die zum Himmel schreien).
    Es ging mir um den Gegensatz, um die völlig unterschiedlichen Welten in unserem Gesundheitssystem – und da kann man nicht oft genug darauf hinweisen.
    Bei der (“Luxus”-) Homöopathie, dem Binnenkonsens, dem entsprechenden Lobbyismus und der besserverdienenden Klientel sticht das halt besonders ins Auge ..

    Für die Gattin des Herrn Raffelhüschen hat sich Alisier so besonders interessiert – nicht ich … 🙂
    Und von “schlechten Diskussionsstilen” wollen wir doch nicht wieder anfangen – oder?

  22. #26 Joseph Kuhn
    22. Februar 2023

    Saalordner-Hinweis

    Mehrere Kommentare wurden nicht freigeschaltet. Bitte sachlich und möglichst auch sinnvoll. Danke.

  23. #27 Ludger
    22. Februar 2023

    @JK #17
    ok,
    Fragestellung: gibt es weniger Rezidive durch eine homöopathische Behandlung?

    Studiendesign: in der Verumgruppe bekommen die Probandinnen Zucker mit nix und in der Kontrollgruppe Zucker ohne nix.

    Einschlusskriterien: u.a. Alter 18 bis kleiner 64 Jahre, z.B.(!) ≥ 2 Harnwegsinfekte in 6 Monaten und / oder ≥ 3 Harnweginfekte in 12 Monaten.

    Ausschlusskriterien: u.a. wiederkehrende Infektionen trotz angemessener Behandlung (multiresistente oder atypische Keime).

    Da gibt es reichlich Fehlermöglichkeiten z.B. durch Unterschiede in der Altersverteilung oder Unterschiede bei der Anwendung der Ausschlusskriterien innerhalb der einzelnen Gruppen.
    Im Falle einer Harnwegsinfektion während der Studie darf die Homöopathiedosis wiederholt werden (!).

    The dosage of the HMP can be repeated or adapted according to the homeopathic treatment principles three times during the course of the study and, in addition, in the event of an acute UTI.

    Und was ist mit Probandinnen in der Plazebogruppe, was bekommen die?
    Solche Regeln werden zu Studienabbrüchen oder zu heimlicher Parallelmedikation führen.

    Ich bin mal gespannt, was bei den kleinen Fallzahlen mit zwangsläufig heterogenen Probandinnen dabei herauskommt.

    • #28 Joseph Kuhn
      22. Februar 2023

      Nur der Vollständigkeit halber:

      “Inclusion Criteria:

      Females, age 18 < 64 years Signed informed consent Documented recurrent UTI (i.e. ≥ 2 UTI in 6 months and/ or ≥ 3 UTI in 12 months) No change of other prophylactic treatment (e.g. Urovaxom, oestrogen) for recurrent UTI for at least three months before baseline No product or dosage change of systemic hormonal treatment (including oral anticonception) for at least three months before baseline Female participants who are not capable of bearing children or who use a method of contraception that is medically approved by the health authority of the respective country. This includes: A woman who is not capable of bearing a child is defined as follows: post-menopausal (12 months natural (spontaneous) amenorrhea or 6 months spontaneous amenorrhea with serum-FSH-values (follicle-stimulating hormone) of >40 mIU/mL); 6 weeks after a bilateral ovariectomy with or without hysterectomy or sterilization by means of tubal ligation
      A woman capable of bearing child is defined as follows: a woman who is physiologically capable of becoming pregnant, including women whose occupation, lifestyle or sexual orientation exclude sexual intercourse with a male partner and women whose partners have been sterilized by vasectomy or other measures.
      Medically-approved methods of contraception can include the following: hormonal contraceptives, intrauterine device and double barrier method. Acceptable preventive measures can include total abstinence at the discretion of the investigator, in cases where compliance is ensured because of the study participant’s age, occupation, lifestyle or sexual orientation. Periodical abstinence (e.g. calendar, ovulation, symptothermal methods or abstinence until the 4th day after the ovulation) as well as coitus interruptus are not acceptable methods of contraception.
      A reliable method of contraception must be used for the entire duration of the study.

      Exclusion Criteria:

      1. Individual symptomatology of the patient indicates the prescription of a HMP which is not available within this clinical trial 2. Pregnancy or breast feeding after pregnancy 3. Women with a complicated urinary tract infection (including infections occurring due to anatomical abnormalities (e.g. an obstruction, renal tract calculi, hydro nephrosis), infections occurring due to an immune compromised state (e.g. HIV, immune suppressive therapy), and recurrent infections despite adequate treatment (multi-drug resistant organisms or atypical organisms)) 4. Surgery of the urinary tract or the pelvic floor 5. Known hypersensivity against the study medication or the recommended on demand medication (Ibuprofen) 6. Homoeopathic therapy for recurrent UTIs during the last 6 months before baseline 7. Postmenopausal woman WITHOUT previous attempt of a therapy with locally applicate (vaginal) oestrogen 8. Serious acute or chronic organic disease or serious mental disorder, including

      diseases requiring immune suppressive therapy
      diabetes mellitus type 1 or 2 with an HbA1c > 7%
      any acute organic failure
      any advanced chronic organic failure (e.g. grade 3 or more)
      active cancer
      active (=clinically unstable) epileptic, cardiovascular or other organic pathology 9. Patients not able to declare meaningful informed consent on their own (e.g. with legal guardian), or other vulnerable patients (e.g. under arrest) 10. Simultaneous participation in any other clinical trial 11. Employees or family members of the sponsor or investigators”

      https://beta.clinicaltrials.gov/study/NCT05545514

  24. #29 schlappohr
    23. Februar 2023

    Ich orakle mal, was diese Studie ergeben wird:

    – Eine totale Wirkungslosigkeit wird nicht herauskommen, weil damit das Konzept der H. endgültig bloßgestellt wäre. Das Design ist vermutlich so ausgelegt, dass dieses Ergebnis nicht herauskommen kann (und aus diesem Grunde wurde das Design auch nicht veröffentlicht, vermute ich mal.)

    – Ebenso wenig wird es ein voller Erfolg werden, weil dann jemand anders die Studie wiederholen würde, mit dem Ergebnis, dass die H. völlig wirkungslos ist. Das Risiko will man nicht eingehen.

    – Das Ergebnis wird wie immer irgendwo kanpp oberhalb des statistischen Rauschteppichs um die 50% herum liegen. Es wird wie immer eine endlose Diskussion darüber geben, ob die paar Ausreißer durch die H.oder den Placeboeffekt verursacht werden, und wie immer wird man auf die H. beharren und die Studie als Erfolg werten. Und wie immer wird man das als gutes Argument sehen, um beim Zaubereiministerium Geld für weitere Studien zu erbetteln.

    • #30 Joseph Kuhn
      23. Februar 2023

      @ schlappohr:

      1. Das Design ist in den für die Wirkungsforschung wichtigen Punkten veröffentlicht.
      2. Der Placeboeffekt kann eigentlich keine Rolle spielen, wenn “informierte” und “uninformierte” Globuli randomisiert und verblindet zugeteilt werden.
      3. Ich wüsste im Moment nicht, wie bei diesem Design ein erwünschtes Ergebnis herbeigeführt werden könnte. Das Problem besteht darin, dass absehbar gar nichts Brauchbares dabei herauskommt und man das Geld besser anders ausgegeben hätte.
      4. Das Geld kommt nicht vom Ministerium, sondern vom Landtag. Wörter wie “Zaubereiministerium” mögen lustig klingen, aber sie führen hier in die Irre.

  25. #31 M. Hahn
    23. Februar 2023

    Frage 4: Wie passt eine präventive Studie in die homöopathische Krankheitsleere?

    Wo nichts ist, passt immer alles.
    Nichts einfacher als das… komm mit!

    Wie wäre es mit dieser Antwort…?
    Homöopathie ist die beste Prävention

    Was hat die Homöopathie zur Prävention zu sagen? Samuel Hahnemann, […] schrieb in seinem Grundlagenwerk „Organon der Heilkunst“ im 4. Paragrafen:
    „Der Arzt ist zugleich ein Gesundheit- Erhalter, wenn er die Gesundheit störenden und Krankheit erzeugenden und unterhaltenden Dinge kennt und sie von den gesunden Menschen zu entfernen weiß.“
    Die Prävention in allen Formen ist fundermentaler Bestandteil der homöopathischen Lehre und Praxis. Wenn sie möglich ist – und sie ist fast immer möglich – gehört ihr der erste Rang, vor der Therapie.

    Soweit zum vierten Funderment der Homöopathie.

    Und Dr. Wiesenauer meint:
    “Auch mit Globuli können Sie vorbeugen.”
    Denn, aufgemerkt:
    Streng genommen handelt es sich bei den Fällen, die Wiesenauer erläuterte, entweder um die Behandlung von

    – gesunden Personen, die eine bestimmte “Krankheitsbereitschaft” – das heißt Disposition oder Diathese – aufweisen,

    oder von

    – Kranken, die symptomlos sind, was auf Allergiker zutrifft.

    Amen. Solch exegetisch feinsinnigen Scharfsinn findet man auch bei Theologen, die störende Widersprüche im Wortlaut der Heiligen Schrift wegerklären.

  26. #33 zimtspinne
    23. Februar 2023

    Es geht dabei aber nicht um diffuse Gesundheitsprävention, sondern zielgerichtete Rezidivprophylaxe. Könnte man auch progressfreie Zeit nennen, bei bestimmter Rezidivwahrscheinlichkeit. Aber keine Ahnung, wie das bei Blasenentzündungen/Harnwegsinfektionen und Homöopathiestudien verwurstelt und gelabelt wird.

    Natürlich wenden viele Konsumenten Globuli präventiv an. Nebulös-präventiv gegen alles und jedes und speziell auch gegen alle schon bekannten Wehwehchen.

    Und Antibiotika als Prophylaxe bei der Neigung zu Blasenentzündungen geben ist ungefähr das gleiche wie prophylaktische Wurmkuren.
    Das macht man höchstens dann, wenn bakterielle Infektionen gänzlich vermieden werden sollen, weil die schnell lebensgefährlich werden o.ä.

    Erhielten einige Probanden also tatsächlich Antibiotika ohne vorhandene bakterielle Infektion? Ich hatte das eben irgendwo in den Kommentaren gelesen, finde es aber nicht mehr.

    Wiederkehrende, auch kleinere, selbstausheilende Blasenentzündungen sollten auch mal einem Arzt vorgestellt werden, um die Ursache dafür zu finden und auch um Schlimmeres auszuschließen (die können sich wohl auch auf andere Organe erstmal relativ unbemerkt ausbreiten oder es kann eine ernsthafte Krankheit dahinterstecken.)

    So oder so nichts für Globuliverteiler aus der Heilpraktikerszene.

    Zur Einsparung von Antibiotika (dort sollte es sowieso mehr um das Resistenzentwicklungsproblem gehen als um Kosten) kann ein einfacher Test aus der Apotheke erste Klarheit schaffen. Auch um Geld für Globuli zu sparen und besser in geeignete Tees usw investieren.
    Ärzte führen zur genaueren Abklärung ja eh immer einen Test auf Bakterien durch, anhand dem sie über die Behandlung AB ja/nein entscheiden.

    Wozu also überhaupt diese Quatschstudie?

    • #34 Joseph Kuhn
      23. Februar 2023

      @ zimstspinne:

      “Es geht dabei … um … zielgerichtete Rezidivprophylaxe.”

      So ist es.

      “Antibiotika als Prophylaxe bei der Neigung zu Blasenentzündungen”

      Wer macht das?

      “Erhielten einige Probanden also tatsächlich Antibiotika ohne vorhandene bakterielle Infektion?”

      Mit Sicherheit nicht, weil die Studie noch gar nicht begonnen hat.

  27. #35 zimtspinne
    23. Februar 2023

    Viell. meint der Bayerische LT das aber auch so:
    Damit weniger quengelnde Patientinnen die gute, teure Gesundheitschipkarte zücken und lieber freiwillig zu Selbstzahlern werden, wurde so eine Studie in Auftrag gegeben.

  28. #36 Ludger
    23. Februar 2023

    @JK.

    “Antibiotika als Prophylaxe bei der Neigung zu Blasenentzündungen”

    Wer macht das?

    aus der oben von mir verlinkten Leitlinie Seiten 119 und 120:

    Empfehlungsgrad B [Wikipedia: Grad B, „Sollte“-Empfehlung: gut durchgeführte, aber nicht randomisierte klinische Studien …]
    Bei häufig rezidivierender Zystitis der Frau sollte nach Versagen von Verhaltensänderungen und nicht-antibiotischen Präventionsmaßnahmen sowie bei
    hohem Leidensdruck der Patientin eine kontinuierliche antibiotische Langzeitprävention über 3 bis 6 Monate eingesetzt werden.
    Evidenzgrad IV [ Wikipedia: Meinungen und Überzeugungen von angesehenen Autoritäten (aus klinischer Erfahrung); Expertenkommissionen] beschreibende Studien]
    Empfehlungsgrad B [Erklärung s.o.]
    Bei häufig rezidivierender Zystitis der Frau im Zusammenhang mit dem Geschlechtsverkehr sollte als Alternative zur antibiotischen Langzeitprävention eine
    postkoitale Einmalprävention erfolgen.
    Evidenzgrad Ib [Wikipedia: Stufe Ib: wenigstens ein ausreichend großer, methodisch hochwertiger RCT]

    Zitat von Seite 118:

    Pflanzliche Harnwegsdesinfizientien
    Einige pflanzliche Harnwegsdesinfizientien wie Bärentraubenblätter, Brunnenkressekraut, Meerrettichwurzel und weißes Sandelholz sind zur
    unterstützenden Behandlung von Harnwegsinfektionen zugelassen. Aufgrund grundsätzlicher indikationsspezifischer Erwägungen eignen sich Bärentraubenblätter und Sandelholz allerdings nicht für eine Langzeittherapie über einen Monat hinaus [480,
    238]. Für Sandelholz wurden Nierenschäden beschrieben [480].
    In einer Plazebo-kontrollierten, doppelblinden, randomisierten Studie mit einem Mischprodukt aus Bärentraubenblättern und Löwenzahnwurzel (UVA-E, Medic Herb AB – Göteborg, Schweden, 3 x 3 Tabletten/Tag über einen Zeitraum von einem Monat) blieben 30 Patientinnen über ein Jahr hinweg rezidivfrei (unter Plazebo nur 5 von 27). In beiden Gruppen traten keine unerwünschten Arzneimittelwirkungen auf [306]. In den deutschsprachigen Ländern ist dieses Präparat nicht erhältlich.
    In einer prospektiven, randomisierten, verblindeten Studie an Patienten mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen wurden jeweils 2 Tabletten Verum (jeweils 80mg Meerrettichwurzelextrakt und 200mg Kapuzinerkressekraut am Morgen und Abend, Angocin Anti Infekt N®) (n=51) oder gleich aussehende Plazebotabletten (n=52) über 3 Monate hinweg verabreicht. Während der Studie sank die Harnwegsinfektionsrate unter Verum auf 0,43 und unter Plazebo auf 0,77. Die Anzahl der unerwünschten Arzneimittelwirkungen unterschied sich zwischen Verum und Plazebo nicht statistisch signifikant [3].

    Forschungsbedarf gibt es also genug. Fragt sich, warum die Bayern unbedingt ihr Geld für Homöopathie ausgeben wollen. Hat es vielleicht was mit der Gesundheitseinstellung der Gebirgsvölker zu tun?

    • #37 Joseph Kuhn
      23. Februar 2023

      @ Ludger:

      Danke für die interessanten Infos. Wenn es sogar evidenzbasierte Methoden der Rückfallprophylaxe gibt, wirksam und praktisch nebenwirkungsfrei, wirft das weitere Fragen zum Ethikvotum auf. Und ebenso zum medizinischen Hintergrund der Studienplanung. Warum wird dann nicht gegen diese Methoden getestet? Projektantrag und Ethikvotum würde man doch zu gerne sehen.

      Habe die Frage als Nachtrag auch oben an den Blogbeitrag angefügt.

      Im Informationsaustausch: Bayern beherbergt nur zum geringen Teil Gebirgsvölker. Schon weit südlich Münchens beginnt das flache Land.

  29. #38 schlappohr
    24. Februar 2023

    @Joseph Kuhn

    1. Das Design ist in den für die Wirkungsforschung wichtigen Punkten veröffentlicht.

    Dann habe ich deine Aussage in #10 falsch verstanden:

    Es gibt ein ausgearbeitetes Studienkonzept, es ist nur nicht öffentlich.

    2. Der Placeboeffekt kann eigentlich keine Rolle spielen, wenn “informierte” und “uninformierte” Globuli randomisiert und verblindet zugeteilt werden.

    Ich denke, dass hier _ausschließlich_ der Placebo-Effekt eine Rolle spielt. Aber natürlich in beiden Gruppen, und taugt daher nicht zur Unterscheidung. Insofern hast du recht.

    4. Das Geld kommt nicht vom Ministerium, sondern vom Landtag. Wörter wie “Zaubereiministerium” mögen lustig klingen, aber sie führen hier in die Irre

    Mit Zauberministerium meinte ich allgemein die Instanz, die diese Studie genehmigt und finanziert. Dass der Landtag im vorliegenden Fall diese Rolle übernimmt, macht die Sache nicht besser.

    • #39 Joseph Kuhn
      24. Februar 2023

      @ schlappohr:

      Veröffentlicht ist, was bei ClinicalTrials eingetragen wurde, siehe Link im Blog. Das reicht, um beurteilen zu können, ob hier grundsätzlich ein geeigneter Ansatz zur Wirksamkeitsforschung vorliegt. Das ist der Fall, es handelt sich ganz mustergültig um ein RCT mit Verblindung.

      Andere wichtige Punkte sind in den Registerangaben aber nicht enthalten, z.B. warum gegen Placebo getestet wird, worauf die Fallzahlberechnung beruht usw.

      Jetzt etwas klarer?

      Eine pragmatische Begründung für Testen gegen Placebo könnte z.B. sein, dass man keine gute Idee hatte, wie man Homöopathika und die Alternativen verblindet geben kann. Oder es gab andere Überlegungen, oder gar keine. Das wüsste man, läge das Konzept vor. So muss man ggf. bis zur Publikation eines Artikels warten.

  30. #40 schlappohr
    24. Februar 2023

    Jetzt etwas klarer?

    Ja, danke. Ich dachte, Studiendesign und Konzept wäre das Gleiche.

    Trotzdem stellt sich die Frage: Wenn die Studie wirklich seriös und ohne “Gemauschel” durchgeführt wird, dann ist doch schon jetzt klar, was herauskommt, nämlich nichts. Das muss den Leuten, die die Studie durchführen, doch selbst klar sein. Es sei denn, sie weisen nach, dass die Homöopathie doch besser wirkt als Placebo, womit kaum zu rechnen ist. Genau so wenig werden sie aus dem Ergebnis den Schluss ziehen wollen, das H. völlig wirkungslos ist. Welchen signifikanten Schluss wird man also aus den zu erwarteten Studienergebnissen ziehen?

    • #41 Joseph Kuhn
      24. Februar 2023

      @ Schlappohr:

      Studiendesign/Studienkonzept: Richtig scharf sind die Begriffe nicht zu trennen.

  31. #42 RainerO
    24. Februar 2023

    @ schlappohr

    Welchen signifikanten Schluss wird man also aus den zu erwarteten Studienergebnissen ziehen? …

    … dass weitere Studien notwendig sind. Das Thema muss am Köcheln gehalten werden, wie schon seit Jahrzehnten.

  32. #43 Udo Endruscheit
    Essen
    24. Februar 2023

    Das Informationsnetzwerk Homöopathie meint:
    „Die Kernfrage ist also, was für einen Erkenntnisgewinn denn eigentlich die projektierte Studie zur Homöopathie, insbesondere mit Blick auf den Auftrag des Landtages, erbringen soll? Vor allem, welche Konsequenzen hieraus erwachsen sollen? Glaubt jemand ernsthaft, die wissenschaftliche Gemeinschaft (z.B. die in Deutschland zum Antibiotikaproblem Forschenden wie das DZIF oder das IMED) würden dieser Untersuchung irgendwelche Relevanz beimessen? Und was wäre mit den Homöopathen selbst, die ihre Studien regelmäßig gar nicht aus Gründen der therapeutischen Praxis durchführen? Wird es nicht allein darauf hinauslaufen, dass der Homöopathie durch diesen ganzen Vorgang – gleich mit welchem Ergebnis – nur wieder Aufmerksamkeit und falsche Reputation zuwächst?“

    Das führt zu tieferen Überlegungen was die Forschungsethik angeht und die Rolle der Ethikkommission (ganz generell bei Homöopathiestudien am Menschen).

    Das 2005 vorgelegte „Handbuch der ärztlichen Ethik“ des Weltärztebundes konkretisiert die Regelungen der Declaration of Helsinki dahin, dass „medizinische Studien an menschlichen Probanden wissenschaftlich zu rechtfertigen sein müssen. Dieses Erfordernis soll Vorhaben ausschließen, die kaum zum Erfolg führen dürften, weil sie z.B. methodisch unzulänglich sind oder, selbst wenn sie Erfolg haben, wahrscheinlich nur belanglose Ergebnisse erbringen dürften. Werden Patienten um die Teilnahme an einem Forschungsvorhaben gebeten, sollte, selbst wenn die Gefahr einer Schädigung äußerst gering ist, doch die Erwartung bestehen, dass bedeutsame wissenschaftliche Kenntnisse erlangt werden können.“

    Word. Auch wenn die gültige Fassung der Declaration of Helsinki nicht mehr redaktionell genau mit dem Ethik-Handbuch der WMA korrespondiert, so ist doch die Präzisierung des „Handbuchs“ ausreichend klar auf deren Grundgedanken bezogen. Ethikkommissionen haben daher nicht allein den Aspekt der „Risikofreiheit“ zu beachten, sondern auch den des zu erwartenden Wissenszuwachses. Bei der Homöopathie kann insofern der Gesamtkonsens aufgrund der Studienlage und der Grundplausibilität nicht unberücksichtigt bleiben, der der Methode die medizinische Relevanz (im Sinne einer spezifischen Wirksamkeit) mit einem denkbar hohen Grad von Gewissheit abspricht.

    Ein ethischer Aspekt dabei wäre auch, dass mit einer homöopathischen Behandlung, gerade auch im Rahmen einer universitär getragenen prospektiven Studie, den PatientInnen falsche Hoffnung gemacht wird. Dass so etwas im Zweifel sogar die Therapieadhärenz beeinträchtigen kann und damit nicht ohne konkrete Folgen bleibt, zeigt eindrucksvoll die Arbeit Johnson SB, Park HS et al. aus 2018 (Complementary Medicine, Refusal of Conventional Cancer Therapy, and Survival Among Patients With Curable Cancers (JAMA Oncol. 2018 Oct 1;4(10):1375-1381. doi: 10.1001/jamaoncol.2018.2487. PMID: 30027204; PMCID: PMC6233773).

    Es gibt also durchaus Maßstäbe, nach denen die Ethikkommissionen sich ein wenig mehr Gedanken bei Homöopathiestudien machen müssten als ein plattes “Ah, Homöopathie – schadet ja nichts”:

    Das hätte auch im vorliegenden Fall gegolten. Ganz besonders weil – wie eingangs dargelegt – diese Studie überhaupt nicht dem Erkenntnisanspruch gerecht werden kann, den der Auftraggeber erwartet.

    • #44 Joseph Kuhn
      24. Februar 2023

      @ Udo Endruscheit:

      Gute Referenzen, danke für die Quellenarbeit.

      Die Wertung „800.000 Euro für Nichts“ hat nachweislich Substanz 😉

  33. #45 Hans-Werner Bertelsen
    Bremen
    26. Februar 2023

    Wie mir der leitende OA der TMU, Nephrologie, Prof Lutz Renders persönlich mitteilte, wurde und wird “Homöopathie” in seiner Abteilung als “add-on” verwendet. Das für mich Erschreckende ist: In der Nephrologie der Müncher Uni-Klinik scheint es offensichtlich keinerlei Bedenken für eine solche Praxis zu geben. Vielleicht traut sich niemand aus dem Kollegium, den leitenden Ärzten zu widersprechen? Aus der Korrespondenz mit Renders kann ich keinerlei Überzeugung für “Homöopathie” entnehmen, die die Entscheidung für die Durchführung einer solchen hirnrissigen “Studie” mit Naivität oder auch Selbsttäuschung erklären könnte. Meine Überzeugung und mein Entsetzen über seine Beteiligung hatte ich Renders daraufhin ausführlich mitgeteilt – offensichtlich bin ich der Einzige, der ihn zu diesem ethischen Tiefflug kritisch befragt hatte. Auch diese Tatsache verwundert mich doch und lässt mich mit vielen Fragezeichen zurück. Auf eine Anfrage in Witten hatte ich bewusst verzichtet, weil mir die Verbindungen und Verklebungen zur “Naturheilkunde”-Szene zu stark sind und mich die dreisten Lügen von Prof. Karin Kraft (Rostock) nachhaltig von der Illusion befreit haben, dass mir von naturheilkundlicher Seite aufrecht geantwortet würde. München habe ich noch Hoffnung – immerhin hatte Prof. Klein von der Pädiatrie nach meiner schriftlichen Intervention sowohl das “Geforsche” mit Zuckerkugeln, als auch die unsägliche “add-on”-Praxis eingestellt. Es wäre m.E. sehr hilfreich, wenn ich nicht der Einzige bliebe, der Prof. Renders vor dieser “Studie” und auch vor dem damit zweifellos verbundenen Renommee-Verlust warnen würde. Vielleicht fühlt sich noch jemand ermutigt? Ich würde mich sehr freuen.

    • #46 Joseph Kuhn
      26. Februar 2023

      @ Hans-Werner Bertelsen:

      Bitte Naturheilkunde und Homöopathie auseinanderhalten. Es reicht, wenn die Homöopathen das gezielt vermischen. In der Naturheilkunde gibt es viele plausible und sogar evidenzbasierte Verfahren.

  34. #47 Ute Parsch
    München
    28. Februar 2023

    Mich wundert der extrem kurze Studienzeitraum. Wenn der Untersuchungszeitraum erst im März beginnt und Ende Dezember schon wieder abgeschlossen sein wird, sind das nicht einmal 9 Monate.

    Und das bei Beschwerden, die nach Studienprotokoll überhaupt nur über einen längeren Zeitraum sauber beurteilt werden können: “per definition ≥ 2 UTI in 6 months and/ or ≥ 3 UTI in 9 months”. Das heißt, dass die Datenerfassung sicher nicht länger erfolgt als dieser Definitionszeitraum – sondern eher kürzer. Nicht einmal über ein Jahr oder über den Winter. MMn liegt hierin eine große Fehlerquelle.

    • #48 Joseph Kuhn
      28. Februar 2023

      @ Ute Parsch:

      Bei der Studiendauer gibt es Diskrepanzen zwischen den Angaben bei ClinicalTrials und den Informationen auf der Seite des bayerischen Gesundheitsministeriums, dort ist als Beginn der 1.1.2021 genannt: https://www.stmgp.bayern.de/gesundheitsversorgung/integrative_medizin/

      Möglicherweise hat sich der Beginn wegen Corona verzögert, oder die Diskrepanz hat einen anderen Hintergrund, ich weiß es nicht.

  35. #49 Hans-Werner Bertelsen
    Bremen
    28. Februar 2023

    @Joseph Kuhn

    Ach, würden es die “Naturheilkundler” auch so sorgfältig trennen. Sie tun es nicht, weil man sich um die selbe Klientel dreht. Prof. Kraft z.B. auf dem Paper der BZÄK auf Seite 3 zeigt: “Es existiert seit vielen Jahren die ärztliche Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren und Homöopathie. Die Fortsetzung der Fortbildungsangebote wird empfohlen, denn die Homöopathie sollte nur durch gut qualifizierte Zahnärzte erfolgen. Die Wirksamkeitsdebatte wird weitergehen.”

    Auch wenn es eine Evidenz für das Wassertreten in Bad Wörishofen gegen einen Pruritus ani geben sollte: Mehr Geschwurbel geht nicht.

    Link zum Dokument

    [Edit: Link repariert, JK]

  36. #50 Beobachter
    28. Februar 2023

    @ Hans-Werner Bertelsen, # 49:

    Muss eine ärztliche Zusatzbezeichnung “für Naturheilverfahren” (immer) auch an “und Homöopathie” gekoppelt sein?

    Es muss doch nicht jeder Arzt mit Zusatzbezeichnung “Arzt für Naturheilverfahren” auch Homöopathie-Befürworter sein bzw. Homöopathie-Leistungen in seinem Leistungs-Angebot haben?

    Und zum “Wassertreten” (zur Durchblutungsförderung in den Beinen) und zu anderen unterstützenden Kneipp-Anwendungen muss man nicht nach” Bad Wörishofen” fahren – das kann man auch zuhause oder im nächstgelegenen Bach oder Baggerseeufer machen.

    Im Übrigen sind Kneipp-Vereine eine gute Sache, denn sie bieten auch viele Möglichkeiten zur schonenden Bewegung an der frischen Luft und in Gruppen an wie z. B. Wandern, Fahrradfahren.
    Das kann man nur begrüßen und unterstützen – und ich finde es grundfalsch und verunglimpfend, solche Angebote/Aktivitäten in einen Topf zu werfen mit Homöopathie-Humbug und -“Schwurbelei”.

    Es ist sehr schade, dass viele “Experten” da überhaupt nicht differenzieren wollen/können …

  37. #51 Hans-Werner Bertelsen
    Bremen
    28. Februar 2023

    @Beobachter

    Die Wirksamkeit von Naturheilverfahren steht doch nicht zur Diskussion. Was ich kritisiere, ist die mangelnde Abgrenzung der NaturheilkundlerInnen von Schwurbelverfahren, so auch der “Homöopathie”.
    Ich persönlich finde Kneipp-Anwendungen hervorragend und wende Sie selbst auch an.

    Aber ich wundere mich seit vielen, vielen Jahren, dass von Seiten der Naturheilkunde keinerlei Kritk zu “Homöopathie” geäußert wird – im Gegenteil: “Homöopathie-Kritik” wird auf das übelste diskreditiert.

    Kostprobe gefällig? Oben erwähnte Naturheilkundlerin Prof. Kraft Uni Rostock:

    “Entschieden verwahren wir uns deshalb gegen totalitäre, verfassungsrechtlich mit dem Grundgesetz kollidierende Denkstrukturen und Machtansprüche, wie sie dem „Münsteraner Memorandum Homöopathie …“

    Noch Fragen?

  38. #52 zimtspinne
    28. Februar 2023

    Sind Naturheilverfahren nicht grundsätzlich Teil und fester Bestandteil der Medizin/EBM!?

    Was genau versteht man überhaupt darunter?

    Nicht alles, was unter Naturheilkunde läuft, ist auch gesichert wirksam. Oder es gibt eine schwache Evidenz usw.

    Sobald Ärzte auf “sanfte Verfahren” abzielen, also beispielsweise bewährte Hausmittel zur Linderung empfehlen, als Stufe 1 oder mildestes Mittel sozusagen, bevor im Bedarfsfall die nächste Stufe gezündet wird, dann läuft das für mich landläufig unter “Naturheilkundverfahrensweise”.

  39. #53 zimtspinne
    28. Februar 2023

    Leider vermischen sich oft einige Verfahren und auch deren Wirksamkeiten oder Nichtwirksamkeiten.

    Auch Phytotherapeutika sind nicht immer gut oder überhaupt wirksam.
    Das gilt für vieles andere ebenso.

    Mein Laienverstand würde an der Stelle auch sagen: Alles, was seine Wirksamkeit belegt hat, RCT wäre ideal, ist automatisch in der “richtigen Medizin” angekommen. Und wird dann auch nicht mehr als naturheilkundlich o.ä. gelabelt. Oder höchstens als Unterkategorie….

  40. #54 Beobachter
    28. Februar 2023

    @ Hans-Werner Bertelsen, # 51:

    ” … Noch Fragen?”

    Ja.

    Warum haben Sie meine beiden Fragen in # 50 nicht beantwortet?

    Warum soll sich denn jeder (Arzt) ausdrücklich gegen Homöopathie und Schwurbelverfahren “abgrenzen”, der sowieso damit nichts am Hut hat und auch ansonsten seine Arbeit möglichst gut, richtig und vernünftig macht?

  41. #55 zimtspinne
    28. Februar 2023

    Noch schnell was anekdotisches dazu:
    Vor paar Jahren begleitete ich eine Bekannte in ein großes Brustzentrum, wo es einen ganz eigenen Bereich “Komplementärmedizin” gab.
    Neugierig ging ich mit hinein (war erlaubt) und fand dort alles mögliche wild durcheinandergewürfelt: von Homöopathieanwendungen über Hilfe zur Selbsthilfe , Ernährungsberatung bis zu Darmsanierung(schwurbel).
    Da ich ein wenig drin war im Thema, teilte ich vieles schon vorab in sinnvoll, kann evtl nutzen/offene Fragen, eher Quark, Quark, totaler Quark ein.

    Dass u.a. die umstrittene Misteltherapie dort wiederum einen eigenen Bereich einnahm, muss ich nicht extra erwähnen….

    Würde mich ja brennend interessieren, wie Beobachter dort auswählt…. oder auswählen würde, falls mal betroffen.

    Ich persönlich würde um den ganzen ganzheitlichen Komplementärbereich einen Bogen machen und versuchen, mich anderweitig zu informieren, zB sind oft Chemoambulanzen sehr fit, was Pro-Tips angeht und dort ist auch Austausch mit anderen Betroffenen eine sinnvolle Möglichkeit.
    Ich wäre zumindest arg überfordert mit alldem…

  42. #56 Hans-Werner Bertelsen
    Bremen
    28. Februar 2023

    Genau das ist der Knackpunkt. Die mangelnde Abgrenzung der Medizin von Geschwurbel. Im Bereich der Praxen ist es oft die pure wirtschaftliche Not, die zu IGeL führt, in den Kliniken existiert zwar dieser direkte Druck nicht, aber man kämpft um “Patientengut”. Wenn eine PatientInnengruppe Geschwurbel aus der Praxis gewohnt ist, dann richten sich Klinikabteilungen ebenfalls auf diese Nachfrage ein (wie einst die Pädiatrie an der LMU, München).

    Die mangelnde Abgrenzung in vielen Bereichen der Medizin ist m.E. der Hauptgrund für eine persistente Nachfrage nach G-Schwurbel und gleichzeitig ein immenser Risikofaktor für die erforderliche Qualität.

    Wer sich dafür interessiert, ich habe dies schon 2015 in der ZEFQ beschrieben:
    https://www.dr-bertelsen.de/documents/Die_Notwendigkeit_einer_Grenzdefinition_im_Bereich_der_aerztlichen_Fortbildung.pdf

  43. #57 Joseph Kuhn
    19. April 2023

    Cranberrys besser als Placebo:

    Die Ärztezeitung macht heute auf eine neue Metaanalyse zur Prävention von Harnwegsrezidiven mit Cranberry-Präparaten aufmerksam: https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD001321.pub6/full

    Subgruppe Frauen: “culture‐verified UTIs in women with recurrent UTIs (8 studies, 1555 participants: RR 0.74, 95% CI 0.55 to 0.99; I² = 54%)

    (Risikominderung also ca. 25 %. I² ist ein Maß zur Bewertung der Heterogenität der Studien und sollte nicht zu groß sein, damit die Daten aus den einzelnen Studien auch quantitativ zusammengefasst werden dürfen; 54 % ist nicht wenig, aber akzeptabel).

    Naturheilkunde wirkt über Placebo hinaus, Homöopathie als arzneiliche Therapie nicht. Daran wird auch die bayerische Homöopathie-Studie nichts ändern, dazu müsste sie eine Revolution der gesamten neuzeitlichen Physik, Chemie und Pharmakologie erzwingen. Ob Homöopathie als Placebotherapie mit den arzneilich wirksamen Cranberry-Präparaten konkurrieren könnte, was eine interessante Fragestellung gewesen wäre, wird in der bayerischen Studie nicht untersucht.

  44. #58 Joseph Kuhn
    16. Juli 2023

    Ein Update mit Pausenzeichen

    Beim Googeln, ob es etwas Neues zur Studie gibt, bin ich in der Tat auf Neues gestoßen, es gibt inzwischen eine Internetseite zur Studie: https://www.ihom.nephrologie.med.tum.de/de.

    Dort erfährt man, dass die Studie die EudraCT-Nr. 2021-002214-14 hat (https://www.ihom.nephrologie.med.tum.de/de/impressum-ihom). Man erfährt außerdem, dass alle Studienteilnehmerinnen leitliniengerecht behandelt werden (https://www.ihom.nephrologie.med.tum.de/de/ablauf#iHOM-Studie), die Gabe von Globuli und Scheinglobuli ist ein add on.

    Und: Man erfährt dort, dass mein Brötchengeber die Förderung verwaltungstechnisch administriert (“Gefördert durch das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. K1-2497-GLB-20-V8-D65260/2020”). Das wusste ich bisher nicht. Wie man sich unschwer denken kann, ist das keine Situation, um unbefangen über Sinn und Unsinn dieser Studie zu sprechen – wegen solcher Konstellationen versuche ich, dienstliche Angelegenheiten und meinen privaten Blog grundsätzlich getrennt zu halten. Daher werde ich die Studie zumindest bis zum Vorliegen einer wissenschaftlichen Publikation nicht mehr kommentieren.

  45. #59 Joseph Kuhn
    19. Oktober 2023

    ADHS-Studie von Gaertner et al. zurückgezogen

    Eine Metaanalyse zur homöopathischen Behandlung von ADHS von Frau Gaertner, die in der bayerischen Homöopathiestudie als „study contact backup“ vorgestellt wird (siehe oben Punkt 5), wurde zurückgezogen: https://www.nature.com/articles/s41390-022-02127-3#additional-information

  46. #60 Karl B.
    17. Januar 2024

    Auf clinicaltrials wurde das Studienende schon im letzten Jahr nach hinten geschoben, in einem Beitrag der WELT ist jetzt sogar von Ende 2025 die Rede: https://blog.gwup.net/2024/01/16/mit-800-000-euro-gegen-die-realitaet-bayerische-globuli-statt-antibiotika-studie-kommt/

    Dann gibt es eine neue Bundesregierung und einen neuen Gesundheitsminister.

  47. #61 Joseph Kuhn
    15. Juni 2024

    Homöopathie in der S3-Leitlinie?

    In einem aktuellen Artikel zur Homöopathie bei Harnwegsinfektionen steht:

    “Gemäß der S3-Leitlinie können zur symptomatischen Therapie der akuten Zystitis mit leichten und mittelschweren Symptomen bei entsprechender Präferenz der Patient*innen auch homöopathische Arzneimittel angewandt werden.”

    Ich kann den Passus in der Leitlinie nicht finden, weder in der noch gültigen Fassung, noch in der in Bearbeitung befindlichen Konsultationsfassung. Kann jemand helfen?

    ——–
    Nachtrag: Vielleicht hat der Autor – in der Sache völlig korrekt – daraus, dass man manchmal nichts geben muss, gemacht, dass man Homöopathika geben kann, also ein substantiiertes “Nichts”.

  48. #62 Joseph Kuhn
    17. November 2024

    Update: Erneute Verlängerung der Studiendauer

    Mit Datum vom 7.11.2024 ist die study completion ein weiteres Jahr nach hinten geschoben worden, auf den 31.1.2026.

    https://clinicaltrials.gov/study/NCT05545514?a=7

    Außerdem wird schon in der vorletzten Revision vom 9.9.2024 Frau Gaertner nicht mehr als Kontaktperson aufgeführt. Sie scheint sich nach Bern zurückzuziehen.

  49. #63 Richard
    19. November 2024

    #62: Artikel bei FAZ Online 19.11.:
    “Homöopathie-Studie des Bayerischen Landtags scheitert”
    https://www.faz.net/aktuell/wissen/medizin-ernaehrung/homoeopathie-globuli-studie-des-bayerischen-landtags-scheitert-110119516.html

  50. #64 Joseph Kuhn
    19. November 2024

    @ Richard:

    Da sind Sie mir mal wieder zuvorgekommen. 😉

    Lt. Herrn Renders kommt die Rekrutierung nicht mehr zustande. Komisch, weil es gerade erst ein Update zur Laufzeit bei clinicaltrials gab.

    Hinnerk Feldwisch-Drentrup hat auch sonst ein paar interessante Infos recherchiert, z.B. dass die Ethikkommission der TU München Bauchschmerzen hatte, das BfARM nicht. Und dass der Studienleiter, Herr Renders, eine Nachbeobachtung der schon rekrutierten Fälle macht. Ob das eine gute Idee ist, wenn er wirklich nur 40 Frauen mit Harnwegsinfektionen gefunden hat?

    Bleibt von den 12 Fragen eine: Ist noch Geld da? Oder noch eine: Warum hat es mit der Rekrutierung nicht geklappt?

    Alles Weitere bleibt wohl abzuwarten: https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/_FAQ/Klinische-Pruefung/Allgemeines/Studienabbruch/faq-liste.html

    [Edit: Kommentar ergänzt]

  51. #65 Norbert Aust
    Schopfheim
    20. November 2024

    Jetzt hat der Spuk also erstmal ein (vorläufiges?) Ende. Aber irgendwie bleibt ein schaler Beigeschmack: Das Ganze ist ja nicht aufgrund irgendeiner besseren Einsicht gekippt, sondern weil man nicht genug Teilnehmer gefunden hat. Hätten sich folglich genügend Teilnehmer gefunden, hätte man wohl fröhlich weitergemacht.
    Sich im Nachhinein zu Bauchschmerzen zu äußern, oder dass man mit der Homöopathie ohnehin ‘nichts am Hut’ hätte, erscheint mir ziemlich billig. Diese Courage hätte es am Anfang gebraucht.

  52. #67 Joseph Kuhn
    22. November 2024

    Studie nicht “abgebrochen”? Heute in der Presse:

    Das Gesundheitsministerium betont, “dass die Studie selbst nicht abgebrochen wurde. Auch, dass das Ziel der Untersuchung verfehlt worden sei, wie die „FAZ“ Renders zitiert, will dieser laut Ministerium nicht gesagt haben. Dass die Rekrutierung beendet wurde, wird jedoch nicht dementiert.”

    https://www.ovb-heimatzeitungen.de/bayern/2024/11/21/wirbel-um-globuli-studie.ovb

    Möglicherweise ein Streit um juristische Details im Zusammenhang mit den Formalitäten einer AMG-Studie, siehe den Link zum BfArM in Kommentar #64?

    Es ist auch im OVB-Beitrag die Rede von der “Nachbeobachtung” der 40 Frauen mit Harnwegsinfektionen. Man wird doch hoffentlich nicht versuchen, daraus etwas für die Frage nach der Wirksamkeit von Homöopathika, dem “Ziel der Untersuchung”, herauszulesen? Interessant wäre aus meiner Sicht dagegen eine Befragung aller 200 teilnahmebereiten Frauen zu ihrer Teilnahmemotivation und ihren Erwartungen. Aber das wäre wohl eine neue Studie.

  53. #68 Joseph Kuhn
    22. November 2024

    Geldverschwendung

    Vor allem über die 800.000 Euro beklagt sich Christian Kreil beim österreichischen Standard:

    https://www.derstandard.de/story/3000000245772/die-zauberlehre-der-politik-ein-teurer-glaube-an-viereckige-raeder

    Recht hat er, auch wenn 800.000 Euro im Vergleich zu anderem rausgeworfenen Geld sogar als homöopathische Summe bezeichnet werden können. Aber wenn man andererseits sieht, wo überall kleinere Beträge fehlen, sei es für sinnvolle Studien, sei es für soziale Belange, sind 800.000 Euro rausgeworfene Steuermittel natürlich ärgerlich.

  54. #69 Joseph Kuhn
    23. November 2024

    Die Studie war eh überflüssig – sagt der Zentralverein der homöopathischen Ärzte

    Auch der Zentralverein der homöopathischen Ärzte hat sich jetzt zum Rekrutierungsende der Studie geäußert.

    Dem FAZ-Artikel schiebt er eine Formulierung unter, die dort gar nicht zu finden ist: “Ein aktueller Zeitungsartikel beschreibt hingegen homöopathische Arzneien als ‘potenziell tödlich'”. Im FAZ-Artikel steht dagegen: “Bei diesen [Homöopathika, JK] werden die Ausgangsstoffe – hierzu zählen auch Kupferarsenit, Tollkirsche oder Kreuzspinnen – stark verdünnt, wodurch sie ihre teils todbringende Wirkung verlieren”. Zwei Sätze, keine Schnittmenge.

    Die Ethikkommission der TU München kommt auch nicht gut weg: Die Ethikkommission sage, es “sei die Statistik ‘nachgeschärft’ worden, um ‘falsch-positive Ergebnisse so gering wie möglich zu halten’. Dies legt das Bemühen der Kommission nahe, die Ausgangsüberzeugung zu bestätigen, dass Homöopathie nämlich gar keine Wirkung über Placebo hinaus haben könne.” Gute Statistik zeugt also aus Sicht des Zentralvereins von Voreingenommenheit. Gut, da könnte sogar was dran sein, aber wissenschaftliches Misstrauen gegen revolutionäre Behauptungen ist eine Tugend, kein Fehlverhalten.

    Irritierender ist allerdings die grundlegende Argumentationslinie der Homöopathen. Sie schreiben erst, die “eigentliche Frage war, ob Homöopathie wirke”, und dann, die Wirkung der Homöopathie über Placebo hinaus sei durch Studien belegt. Wenn das schon belegt ist, wozu war dann diese Studie nötig? Ging es jetzt um die Frage der Wirksamkeit an sich oder um die Möglichkeit, mit weniger Antibiotika auszukommen? Letzteres hätte man anders besser untersuchen können.