Die Coronakrise ging und geht mit erheblichen psychischen Belastungen einher. Immer wieder wird dabei auch die Frage nach der Entwicklung der Suizide gestellt. Viele Krisen ziehen – mit mehr oder weniger zeitlichem Abstand – einen Anstieg der Suizidraten nach sich. Bei der Coronakrise war dies bisher nicht der Fall. Hier spielen vermutlich auch die vielen wirtschaftlichen Hilfen eine Rolle. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie sich die Zahl der Suizide in Zukunft weiterentwickelt, zumal auf das Ende der Coronakrise keine sorglose Zukunft zu folgen scheint.
Vor einer Woche wurde die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) in Bayern veröffentlicht. In Bayern gibt es in der PKS auch Daten zu Suiziden und Suizidversuchen. Die PKS wird deutlich früher veröffentlicht als die Todesursachenstatistik (TUS), so dass man in Bayern jetzt schon Daten für das Jahr 2022 hat. Die Zahl der Suizide in der PKS stimmt im Großen und Ganzen recht gut mit der in der TUS überein. Das ist auch zu erwarten, da die Polizei immer eingeschaltet wird, wenn der leichenschauende Arzt eine unklare oder eine unnatürliche Todesursache, z.B. einen Suizid, feststellt, d.h. beide Statistiken sind von der Datengenese her eng verbunden.
Bei den Suizidversuchen liefert die PKS nur einen kleineren Ausschnitt des Geschehens, da bei vielen Suizidversuchen nur ein Arzt gerufen wird, oder ein Krisendienst, oder man kommt direkt in die Notaufnahme des Krankenhauses, ohne dass die Polizei beteiligt ist. Hier ist daher nicht das absolute Niveau der Zahlen interessant, sondern z.B. Trend, Altersverteilung, Motive usw.
2022 hat sich der PKS zufolge der leichte Anstieg der Suizidversuche seit 2020 fortgesetzt und 2022 gab es gegenüber 2021 zudem auch einen sichtbaren, wenngleich keinen dramatischen Anstieg der Suizide: Die PKS verzeichnet 208 Suizide mehr als im Vorjahr, ein Anstieg um 13 %.
Die Altersverteilung der Suizide und Suizidversuche ist im Wesentlichen gleichgeblieben und hat sich auch gegenüber dem Vor-Pandemiejahr 2019 nur marginal verändert. Suizide gibt es vor allem bei den Älteren, Suizidversuche mit Einschaltung der Polizei vor allem im mittleren Erwachsenenalter.
Von besonderem Interesse ist oft die Entwicklung bei den Heranwachsenden. Gegenüber 2021 gab es 2022 in der Altersgruppe unter 18 einen leichten Rückgang von 24 auf 18 Fälle, in der Altersgruppe 18 bis unter 21 Jahren blieb die Zahl mit 33 Suiziden gleich. Bei den Suizidversuchen ging die Zahl in der Altersgruppe unter 18 um 17 Fälle zurück, von 258 auf 241. In der Altersgruppe 18 bis unter 21 gab es eine relativ starke Zunahme um 55 Fälle, von 194 auf 249. Zwar gibt es bei den vergleichsweise kleinen Fallzahlen immer wieder stärkere Schwankungen, aber auch psychiatrische Kliniken berichteten, dass sie im Gefolge der Coronakrise mehr suizidale Heranwachsende mit schwererer Symptomatik zu versorgen haben.
Insgesamt also eine verhaltene Entwicklung. Wie sich die eingetrübte Weltlage auf das Gemüt der Menschen auswirkt – vom Ukrainekrieg bis zum immer mehr ins Alltagsbewusstsein dringenden Klimawandel und den wirtschaftlich unsicheren Zukunftsperspektiven, wird man sehen. Dass sich die Zahlen von alleine wieder auf den langfristigen Trend sinkender Suizidzahlen zubewegen, darauf sollte man sich jedenfalls nicht verlassen, mehr Anstrengungen zur Suizidprävention sind geboten.
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Wenn Sie Suizidgedanken haben, können Sie sich in Bayern rund um die Uhr unter der kostenlosen Rufnummer 0800-655 3000 an die bezirklichen Krisendienste wenden, und bundesweit unter den kostenlosen Rufnummern 0800-1110111 oder 0800-1110222 oder 116 123 an die Telefonseelsorge.
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