Vielleicht ist es Ihnen auch schon aufgefallen: Seit gestern kann man ohne Account bei twitter nicht mehr mitlesen. Auch Hintereingänge, die auf manchen Seiten empfohlen werden, sind z.T. schon geschlossen.
Ein belangloses Detail aus der Welt von Musks erratischem Geschäftsgebaren? Oder ein Mosaikstein in einem größeren Bild, in dem Musk die Freiheit, die er vorgibt zu verteidigen, und für sich exzessiv in Anspruch nimmt, für andere nach eigenem Gutdünken eingrenzt? Wie Medien vor kurzem berichtet haben, zahlt Musk auch keine Miete mehr für twitter-Büroräume, oder die vertraglich vereinbarten Abfindungen für die gekündigten Mitarbeiter. Es wird kolportiert, Musk sage, er arbeite auf einer „Null-Kosten-Basis“. Anders formuliert: Er geht davon aus, dass seiner Exzeptionalität Tribut der Normalsterblichen gebührt, dass Regeln und Gesetze für das Volk, aber nicht für ihn gelten. Und ein bisschen bestaunen wir das ja durchaus ganz ehrfurchtsvoll. Musks Mega-Factory in Brandenburg, Spacex, und irgendwie auch sein Starlink-Projekt. Stand heute kreisen schon über 3.000 Starlink-Satelliten die Erde, über 12.000 sollen es werden, im mehr oder weniger rechtsfreien Raum des Weltalls. Mögen manche über möglichen Weltraumschrott und Störungen astronomischer Forschungen klagen, Musk, den Star am Unternehmerhimmel schert das nicht.
Dieses Selbstverständnis teilt er mit Leuten wie Prigoschin. Mit seinem Firmenimperium und seiner international agierenden Privatarmee steht auch er außerhalb unserer Normalität mit Kampf um Kita-Plätze, Wohnungsnot und Pflegemisere. Angeblich haben auch große Unternehmen wie Gazprom in Russland eigene Privatarmeen, in Länder wie Libyen oder Somalia und andere Gegenden mit Warlords gar nicht erst zu schauen.
An Prigoschin sieht man gerade noch etwas: Diese besondere Spezies der Gesetzlosen wird nicht durch den Rechtsstaat reguliert, sondern durch Ihresgleichen. Sie haben ein Verhältnis untereinander wie Raubtiere, die sie ja auch sind.
Auch Trump oder Putin sehen die Welt mit Musks Augen. Auch sie stehen außerhalb des Rechts, oder nach eigenem Empfinden – über dem Recht. Wahlen, Steuerpflichten, Vorschriften über die Amtsführung, alles egal. L’État, c’est moi. Die absolutistische Maxime kehrt als egomaner Anspruch selbsternannter Auserwählter wieder, demonstrativ zur Schau gestellt mit ihren Superyachten. Oder mit Märschen auf Moskau oder das Capitol.
In der Demokratie hat jeder eine Stimme, seine Stimme. Wenn Trump sagt, “I am your voice“, ist das keine Fürsorglichkeit für die Schwachen, sondern die populistische Enteignung ihrer Stimme. Große Ungleichheiten sind undemokratisch, sie schaffen verschiedene Welten für staatsbürgerlich gleiche Menschen. Wir dürfen nicht nur auf nationale Abhängigkeiten von Russland, China oder den USA schauen, wir müssen auch darauf achten, welche Abhängigkeiten von den Übermächtigen entstehen. Anfang des Jahrtausends gab es weltweit gut 500 Milliardäre, heute sind es mehr als 2.500. Das spiegelt nicht nur einen Zuwachs an allgemeinem Reichtum wider, sondern auch einen Zuwachs an Macht für einige Wenige. Aiwangers Forderung aus seiner Erdinger Rede, die schweigende Mehrheit müsse sich die Demokratie zurückholen: hier wäre sie richtig adressiert. Aber Aiwanger und Musk – das sind ebenfalls verschiedene Welten und vielleicht ist das auch gut so.
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