Gerade durften wir bestaunen, wie das BMG im Petitionsausschuss des Bundestags die Absicht Karl Lauterbachs, die Homöopathie als Satzungsleistung der Kassen zu streichen, aus welchen Gründen auch immer selbst diskreditiert.

In zeitlicher Koinzidenz, sicher Zufall, kann man heute beim Münchner Merkur einen Beitrag über die homöopathische Behandlung von Pollenallergien lesen. Die Zeitung schreibt dazu, dass sie „Produktvergleiche und Deals“ erstellt, dafür bezahlt wird, aber für die Leser:innen sich nichts ändert.

Was konkret ändert sich nicht? Soll das heißen, dass es trotzdem ein redaktionell sorgfältig erstellter Beitrag ist? Zumal, wenn darüber steht “Produktempfehlung“. Wer etwas empfiehlt, hat es doch sicher geprüft. Oder ist es am Ende doch dasselbe wie eine normale Werbeanzeige? Nur getarnt als redaktioneller Beitrag, sogar mit zwei Namen. Und was ändert sich durch solche Formate für die Auftraggeber? Dass sie den Tücken des Heilmittelwerbegesetzes entgehen, weil sie ja gar nicht selbst werben?

Weiter unten auf der Seite wird z.B. Histaminum hydrochloricum D12 beworben, gegen Juckreiz und Ausschlag bei Pollenallergie. Bei DHU steht dazu: „Registriertes homöopathisches Arzneimittel, daher ohne Angabe einer therapeutischen Indikation“.

Dito wird Galphima glauca D12 auf der Seite beworben, „gegen kleine und große Reizungen“, ebenfalls ein registriertes Mittel, für das keine therapeutische Indikation angegeben werden darf. Was genau ändert sich also nicht für die Leser:innen?

Die Hersteller nutzen viele solcher Werbeumwege, auch Apotheken lassen sich dazu einspannen, oder man nutzt Kundenbewertungen für die jeweiligen Produkte. Medienpartnerschaften sind Teil einer ganzheitlichen Strategie (hier passt das Adjektiv mal wirklich), die von aktivistischen Therapeuten und ihren Verbänden über glaubensfeste Kunden, Stiftungsprofessuren, der Produktion vermarktungsunterstützender Studien bis hin zu politischen Netzwerken reicht. Der „Binnenkonsens“ im Arzneimittelrecht, die Apothekenpflicht der Mittel, die Kassenfinanzierung und bis vor kurzem die flächendeckende Verankerung der Homöopathie in den ärztlichen Weiterbildungsordnungen Möglichkeit für Ärzt:innen geben dem Ganzen einen höchst seriösen Anschein.

Klar, wenn man Nichts verkaufen will, muss man findig sein. Aber eigentlich sollte man meinen, dass die Hersteller Werbung im rechtlichen Graubereich nicht nötig haben. Irgendetwas ändert sich für die Leser:innen dadurch wohl doch.

Kommentare (20)

  1. #1 PDP10
    5. Juni 2024

    Ich bin bisher in meinem Leben glücklicherweise von jeglichen Allergien verschont geblieben, kenne aber Leute mit heftiger Pollenallergie, vulgo: Heuschnupfen.
    Das Teilwort “Schnupfen” redet einem da ja ein, dass das nichts gravierendes wäre. Ab und zu mal im Jahr ein paar Wochen Symptome und dann ist wieder gut.
    Die Allergiker, die ich kenne würden dem allerdings heftigst widersprechen. So eine Allergie ist eine ernst zu nehmende Sache und “Heuschnupfen” beispielsweise kann langfristig ein allergisches Asthma auslösen. Und das ist nun wirklich kein Spaß mehr.

    Das möchte ich mal sehen, wie jemand dann einen Asthma-Anfall mit Globuli behandelt!

    Nein, Quatsch natürlich. Das möchte ich nicht sehen. Das wäre Lebensgefährlich.

    Auch hier wieder: Der Glaube an diesen Unfug ist keineswegs Harmlos. Ebensowenig die Werbung dafür.

    Die EU hat dafür gesorgt, dass man endlich nicht mehr auf beliebiges Zeugs medizinische Wirkungsversprechen draufschreiben darf ohne dass es dafür Beweise gibt. Ich frage mich, wann die endlich hin gehen und diesem unfassbar albernen “Binnenkonsens” in Deutschland das Genick brechen. Zeit wärs.

  2. #5 RPGNo1
    6. Juni 2024

    Manchmal kommt mir Homöopathie wie die griechische Hydra vor. Du schlägst einen Kopf ab und zwei wachsen nach. Wo ist denn eine brennende Fackel, wenn man sie mal benötigt?

  3. #6 Bernd Nowotnick
    6. Juni 2024

    Zu: „Wer etwas empfiehlt, hat es doch sicher geprüft. Oder ist es am Ende doch dasselbe wie eine normale Werbeanzeige?“ handelt es sich sowohl in der Medizin wie auch in allen anderen Bereichen, um Interressenlagen oder zum teil sogar um Heimtücke, was manchmal nicht nur durch Wirkungslosigkeit sondern auch gewaltige Nebenwirkungen einher geht und meiner Meinung nach daher noch schwerer wiegt, was hier wohl nicht gegeben ist.

    • #7 Joseph Kuhn
      6. Juni 2024

      @ Bernd Nowotnik:

      Dass alles, was wirkt, auch Nebenwirkungen haben kann, ist eine medizinische Binse. Die Existenz von Nebenwirkungen, auch ernster Nebenwirkungen, sagt über den Nutzen eines Verfahrens recht wenig aus.

  4. #8 Staphylococcus rex
    6. Juni 2024

    Nach dem ersten Durchlesen wollte ich hier einige spitze Bemerkungen zum Thema product placement loswerden, aber streng genommen ist das product placement als solches hinreichend klar gekennzeichnet.

    Wir alle kennen den Spruch “Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.” Ich weiß nicht, wie naiv man sein muss, um nach Annahme einer Provision eine redaktionelle Unabhängigkeit anzunehmen. Ohne redaktionelle Unabhängigkeit ist dies aber kein eigenständiger redaktioneller Artikel, sondern eine redaktionell überarbeitete kommerzielle Werbung.

    Wie bereits von Joseph Kuhn angesprochen, darf bei registrierten homöopathischen Arzneimitten nicht mit der Indikation geworben werden. Im Heilmittelwerbegesetz im §5 gibt es dazu eine klare Ansage:
    https://www.gesetze-im-internet.de/heilmwerbg/BJNR006049965.html

    Mit dem Hinweis auf die Provision umgeht die Zeitung zwar den Vorwurf der Korruption, liefert damit aber eine Steilvorlage für eine Abmahnung wegen fragwürdiger Praktiken in Bezug auf das Heilmittelwerbegesetz.

  5. #9 M. Hahn
    7. Juni 2024

    Dieser Fachartikel auf der Seite “Wissen” entstand mit Unterstützung künstlicher Intelligenz, sowie durch investigative Home-Office-Recherche des Autors bei Wikipedia.
    Für Sie ändert sich deswegen nichts.
    Die befürchtete Preiserhöhung unserer Zeitung konnten wir durch diesen lean journalism abfedern.

  6. #10 Joseph Kuhn
    7. Juni 2024

    Nur nebenbei:

    Ganz unter auf der Merkurseite steht noch:

    “Liebe Leserinnen und Leser, wir bitten um Verständnis, dass es im Unterschied zu vielen anderen Artikeln auf unserem Portal unter diesem Artikel keine Kommentarfunktion gibt.”

    Warum nicht? Haben sich das die Sponsoren verbeten?

  7. #11 Omnivor
    Am 'Nordpol' von NRW
    7. Juni 2024

    @JK #7

    Dass alles, was wirkt, auch Nebenwirkungen haben kann, ist eine medizinische Binse.

    Deshalb haben einige Beipackzettel von “Nichts” auch Hinweise auf Nebenwirkungen.

    Nebenwirkungen: Wie alle Arzneimittel kann auch dieses Arzneimittel Nebenwirkungen haben, die aber nicht bei jedem auftreten müssen. Es können allergische Hautreaktionen (Überempfindlichkeitsreaktionen) auftreten. Setzen Sie das Arzneimittel dann ab und wenden Sie sich an Ihren Arzt. Hinweis: Bei der Anwendung von homöopathischen Arzneimitteln können sich vorhandene Beschwerden vorübergehend verschlimmern (Erstverschlimmerung). In diesem Fall sollten Sie das Arzneimittel absetzen und Ihren Arzt befragen.

    Und ich dachte immer Erstverschlimmerung beweist die Wirksamkeit des “Nichts”.

  8. #12 Naja
    10. Juni 2024

    In unserem Käseblatt häufen sich die ganzseitigen Anzeigen. Neulich hat es eine Firma m. E. nach übertrieben und konkrete Wirkversprechen abgefeuert, natürlich in Bezug auf Krebsvorbeugung. Das hat mich geärgert und ich habe es die Verbraucherzentrale meines Bundeslandes geschickt. Kurz darauf kam ein freundliches Schreiben, dass sie es an die Abteilung “Rechtsdurchsetzung” gegeben haben.

    Es kann also jeder etwas tun.

    • #13 Joseph Kuhn
      10. Juni 2024

      Gut so!

  9. #14 RGS
    11. Juni 2024

    Das Beispiel der Werbung im Merkur zeigt, dass solcherart Medien weiter an Vertrauenswürdigkeit verlieren.

  10. #15 Joseph Kuhn
    14. Juni 2024

    Zufallsfund aus den Paralleluniversen der Werbung

    Eine Apothekerin (!) wirbt ganz offen für die völlig absurden Produkte ihres Arbeitgebers und gibt an: “Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.”

    https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/html/10.1055/a-0551-6873

  11. #16 Udo Endruscheit
    Essen
    23. Juni 2024

    Pressebeschwerde ist eingereicht. Das geht zu weit – und es gibt längst Präzedenzfälle, wo sich der Presserat ganz klar gegen solche “Synthesen” aus Werbung und Redaktion ausgesprochen hat. Ich finde diese “Präsentation” im Münchner Merkur selbst im Vergleich zu früheren Fällen (Focus, Stern, Brigitte, Eltern, elle) außerordentlich dreist. Der Presserat griff auch das Unterlaufen des HWG seinerzeit auf, indem er von einem “Suggerieren einer Wirkung” sprach und diese als tadelnswert befand.

  12. #17 Spritkopf
    21. Juli 2024
    • #18 Joseph Kuhn
      21. Juli 2024

      @ Spritkopf:

      Es wird Wallfahrten zu Sankt Lucha geben.

      Der sieht das ja als gentechnischen Eingriff: “Wenn wir als Grüne die Homöopathie in Frage stellen, dann berührt das unsere programmatische DNA”.

      Den Hinweis Luchas sollte man übrigens ernst nehmen: Wie gefährlich ist es eigentlich, mit den “geistartigen Kräften” Hahnemanns zu spielen? Was können die alles anrichten? Von Heidegger wissen wir, dass das Nichts nichtet, es bedroht alles Dasein. Im großen Gleichgewicht der Welt hat die Beschwörung von Geistern immer einen Preis. Yin und Yang. Ich sage nur Crowdstrike. There is no free lunch. 😉

      Etwas ernster: Die Vorstellung einer Verkörperung geistartiger Kräfte gehört zum Inventar jedweder Volksreligion: https://www.sueddeutsche.de/panorama/reliquien-kult-katholische-kirche-carlo-acutis-herz-deutschland-tournee-lux.A42GvDfNXjNYccKpvLNNzy?reduced=true. Säkularisiert eben „Glücksbringer“, Sternbilder oder Globuli. Wenn Unsichtbares und Ungreifbares sichtbar und greifbar wird, wird es überzeugender. Was man sehen und anfassen kann, ist schließlich keine Einbildung.

  13. #19 Spritkopf
    21. Juli 2024

    Die katholische Kirche, die mit dem Herz eines toten 15jährigen Jungen wirbt – das finde ich einfach nur widerwärtig. In meinen Augen ist das eine Art von Kindesmissbrauch.