Heute hat die Bundesregierung ihren „Gleichwertigkeitsbericht 2024“ vorgestellt. Im Fernsehen hat Wirtschaftsminister Habeck dazu auf einer Erklärtafel eine Grafik präsentiert, nach der das BIP je erwerbstätiger Person in den 10 % der wohlhabendsten Kreise zwischen 2012 und 2021 um 22 % zugenommen hat, in den 10 % der am wenigsten wohlhabenden Kreise dagegen um 30 %. Stolzes Fazit: Diese Kreise holen auf, die Ungleichheit hat abgenommen.
Kann man so sehen. Aber ob diese Schlussfolgerung wirklich gerechtfertigt ist, hängt unter anderem von den absoluten Zahlen ab, vom Zeitraum der Veränderungen, vom Nenner der Raten und davon, was man unter „Aufholen“ versteht.
Im Gleichwertigkeitsbericht findet man die Daten zu der Geschichte auf Seite 15:
Das BIP je erwerbstätiger Person ist in den unteren 10 % der Kreise von 47.656 Euro auf 61.923 Euro gestiegen, also um 14.267 Euro. In den oberen 10 % der Kreise von 85.320 Euro auf 104.174 Euro, also um 18.854 Euro. 2012 betrug der Unterschied zwischen den oberen und unteren Kreisen 37.664 Euro, 2021 waren es 42.251 Euro. Das ist die eine Seite. Die andere Seite: Das Verhältnis zwischen oben und unten hat sich zwischen 2012 und 2021von 1,8 auf 1,7 reduziert, der relative Abstand hat abgenommen. Jetzt kann man diskutieren, ob die unteren Kreise aufholen oder nicht.
Etwas heikel ist auch die Bezugsbasis „je erwerbstätige Person“. Was ist, wenn das BIP je erwerbstätiger Person in den unteren Kreisen nur stärker gestiegen ist, weil dort immer mehr Beschäftigte abgewandert sind und die ansässigen Betriebe das einigermaßen durch Automation ausgeglichen haben? Die Wertschöpfung könnte dann dort sogar gesunken sein, obwohl sich das BIP je erwerbstätiger Person erhöht hat. Hier wäre es informativ, wenn man auch das BIP je Einwohner:in hätte.
Und last but not least: Wenn es so weitergeht, dass sich das BIP-Verhältnis der beiden Kreistypen weiter verringert, werden sie eines Tages wirklich aufgeholt haben. Man könnte dann bestenfalls noch diskutieren, ob hier statistisch eine „Regression zur Mitte“ in Rechnung zu stellen ist oder ob das keine angemessene Betrachtung ist, weil es auf die realökonomischen Gründe ankommt. Aber wenn die Veränderungsdaten nicht stabil sind, wird es mit den Prognosen schwierig. Sicher ist nur, wenn eine Schnecke ihr Tempo einmalig um 50 % erhöht, wird sie einen Hasen, selbst wenn der mit gemütlichem Tempo weiterhoppelt, nie einholen.
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