Vor kurzem hat die Bundesregierung ihren „Gleichwertigkeitsbericht“ veröffentlicht. Eine Interpretation prozentualer Veränderungen aus dem Bericht durch Wirtschaftsminister Habeck im Fernsehen hatte ich in einem Blogbeitrag aufgegriffen. Sie war etwas leichtfertig.

Ein aufmerksamer Leser hat im Bericht etwas mindestens genauso Interessantes gefunden: Die Darstellung zur Hausarztdichte (Abb. 31) war evident falsch:

Demnach hätte in Berlin ein Hausarzt gerade mal einen Einzugsbereich mit 5 Menschen gehabt. Am Nachmittag des 4. Juli sah die Sache im Bericht dann so aus:

Karte, Tabelle und Verteilungsdiagramm waren wie am Vormittag, aber die Beschriftung der Abbildung war geändert. Für Berlin hätten die Daten jetzt halbwegs gepasst, aber offensichtlich waren die Daten insgesamt nach wie vor Murks. Die Karte passt eher zur Traktordichte als zur Hausarztdichte.

Heute sieht es im Bericht an der Stelle nun so aus:

Nun sind auch Karte, Tabelle und Verteilungsgrafik geändert. Aber die Karte kann nach wie vor nicht stimmen. Da hätte z.B. die Region um München eine deutlich schlechtere Hausarztversorgung als die ostbayerische Grenzregion zu Tschechien oder viele Kreise in Thüringen und Sachsen-Anhalt.* [cave, siehe Nachtrag]

Wie wird die Darstellung wohl morgen aussehen, oder, falls am Wochenende alles bleibt, wie es ist, am Montag? Die Geschichte erinnert ein bisschen an den Lauterbachschen Klinikatlas, der auch das Schicksal der Verschlimmbesserung durchlebt.

Einen Korrekturhinweis im Bericht habe ich nicht gefunden. Vielleicht sind auch andere Darstellungen im Fluss. Die Medien zitieren die Daten, und sie zitieren unter Umständen falsche Daten. Die Pressestelle des Wirtschaftsministeriums hatte ich heute angeschrieben, dass man doch ein Erratum im Bericht vermerken sollte, damit die Änderungen nachvollziehbar sind, aber ich habe noch keine Antwort erhalten.

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* Nachtrag 6.7.2024:
Womöglich stimmen die Daten in der Karte jetzt doch. Für Bayern habe ich es jetzt einmal überprüft, da passt das Bild. Hier ist überraschenderweise tatsächlich die Hausarztdichte in der Grenzregion zu Tschechien etwas besser als im Umland Münchens. Ob z.B. Baden-Württemberg mit Hausärzten wirklich schlechter versorgt ist als große Teile Ostdeutschlands, müsste man auch einmal prüfen, das sind dann ja interessante Befunde. Vielleicht ist die Korrekturfolge von Abb. 31 damit doch beendet. Und passenderweise muss ich mich dann bei meiner Kommentierung zu Version 3 auch einmal korrigieren.

Kommentare (6)

  1. #1 rolak
    6. Juli 2024

    Isses nich herrlich^^ 😀

    • #2 Joseph Kuhn
      6. Juli 2024

      @ rolak:

      … in dem Fall handelt es sich wohl nicht um einen Ausdruck des Fehlerrelativitätsgesetzes, sondern um eine ganz besondere Form der Fehlerfortpflanzung. Da sind sicher wie beim immer wiederkehrenden Blutfleck im “Gespenst von Canterville” gespenstische Kräfte am Werk.

      Was mir gerade auch auffällt: Die schon im letzten Blogbeitrag monierte sprachlich unsinnige Mehrzahl “je Hausärztinnen und Hausärzte” in der Überschrift, die nach der ersten Korrektur Einzug in den Bericht gehalten hat, ist in der gerade aktuellen Version 3 korrigiert. Fehlerfrei korrigiert! Chapeau!!

      Und, siehe Nachtrag im Blogbeitrag, womöglich stimmen jetzt sogar die Daten mit dann – für zumindest mich – durchaus unerwarteten Befunden.

    • #3 rolak
      6. Juli 2024

      Wohl so eine Art Fehlerteufelchen mit erworbener Redaktions-Immunität in Form eines Gestalt- bzw FehlerWandlers. Zu bedauern ist der arme Mensch, der mit den erkannten Fehlern – ach, sowas forciert hier in der Gegend seit Jahrzehnten ein ‘wat hä metde Hängk opstellt, schmeißter mit die Fott öm!’
      Das redaktionelle Analogon einer MagicCandle?

      [disclaimer: link wg erstes passendes SuchErgebnis]

  2. #4 Joseph Kuhn
    6. Juli 2024

    Hausarztdichte und Erreichbarkeit

    Interessant ist der Vergleich von Abb. 30 und 31. Zwar gibt Abb. 30 nicht die Erreichbarkeit speziell von Hausärzten wieder, sondern von “verschiedenen medizinischen und pflegerischen Versorgungseinrichtungen”, aber das Bild ist stellenweise regelrecht invers zu Abb. 31. In Baden-Württemberg beispielsweise gibt es demnach weniger Hausärzte, aber man ist viel schneller in einer Versorgungseinrichtung als im Osten Deutschlands. Was bedeutet das? Vielleicht erfährt man darüber mehr im Gutachten zum Bericht, das demnächst veröffentlicht werden soll.

    Und wie Abb. 30 wohl nur für Hausärzte aussähe? Oder Abb. 31 für die “verschiedenen medizinischen und pflegerischen Versorgungseinrichtungen”?

  3. #5 Joseph Kuhn
    6. Juli 2024

    Ergänzend:

    Ein Kollege hat mir gerade gesagt, dass die Bedarfsplanungs-Richtlinie des G-BA früher in ländlich geprägten Kreisen mehr Hausärzte pro Einwohner vorgesehen hatte als in Großstädten. Hintergrund sei die Vermutung gewesen, dass in Großstädten ein größerer Anteil der Versorgung von anderen Facharztgruppen übernommen wird als in ländlich geprägten Regionen. Inzwischen haben alle Mittelbereiche dieselbe Norm für Hausärzte.

    Eine Karte der KBV mit den Versorgungsgraden bei den Hausärzten kann man hier ansehen: https://gesundheitsdaten.kbv.de/cms/html/17016.php

    Mein Anliegen hier war die stillschweigende Änderung der Grafiken im Gleichwertigkeitsbericht. In die Geheimnisse der Bedarfsplanung und der Mitversorgung mit Blick auf regionale Zusammenhänge oder auf Kompensationsmöglichkeiten durch alternative Angebote habe ich nur sehr begrenzt Einblick und kann dazu nicht allzuviel beitragen. Ein spannendes Thema ist es auf jeden Fall.

  4. #6 Sabine F.
    10. Juli 2024

    Aus dem Bericht wird nichts folgen, weil der Bundeshaushalt dafür keine Spielräume mehr hat.