Das RKI versteht sich seinem derzeitigen Leitbild zufolge als „das Public Health-Institut für Deutschland“:

Mit diesem Leitbild folgt das RKI einer gesundheitspolitischen Zielsetzung des BMG aus dem Jahr 2007. Ulla Schmidt war damals Gesundheitsministerin. Das wird obsolet sein, sollte Lauterbachs „Gesetz zur Stärkung der öffentlichen Gesundheit“ im Kern unverändert durch den Bundestag kommen.

Wird man im Bundestag, wenn dort der Gesetzentwurf im September beraten wird, auf das Entwicklungsprogramm „RKI 2010“ aus dem Jahr 2007 zurückkommen, als der Bundestag die Absicht des BMG bestätigt hatte, das RKI zu einem „umfassenden Institut für die Gesundheit der Bevölkerung“ auszubauen? Wird die Bilanz zur Umsetzung des Vorhabens im Jahr 2014 noch einmal reflektiert werden? Dort heißt es: „Insgesamt betrachtet ist das Programm RKI 2010 als großer Erfolg zu bewerten.“ War dieser Weg trotzdem falsch und falls ja, warum? Wird es Schlussfolgerungen aus dem von den Wissenschaftlichen Diensten des Bundestags erstellten internationalen Vergleich geben? Oder aus den vielen Stellungnahmen zum Gesetzentwurf?

Wie wird sich in der Bundestagsdebatte die Koalitionsdisziplin auswirken? Und wie das „Strucksche Gesetz“, demzufolge kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es hereingekommen ist, d.h. dass der Bundestag seine Arbeit macht?

Kommentare (16)

  1. #1 Fluffy
    2. August 2024

    “Die Bewegung ist alles, das Ziel ist nichts.”

    Mal sehen,wie die SPD abstimmt.

  2. #2 Joseph Kuhn
    12. September 2024

    Update zum Verfahren

    Mit Schreiben vom 9.9.2024 hat Bundeskanzler Scholz den Regierungsentwurf zur parlamentarischen Beschlussfassung an den Bundestag übermittelt.

    Ob die FDP die Ampel vor der Beschlussfassung sprengt?

  3. #3 Joseph Kuhn
    16. September 2024

    Update zum Verfahren

    Der Bundesrat hat seine Stellungnahme zum Regierungsentwurf abgegeben. Er fordert einen passenderen Namen für das geplante Institut, dessen wissenschaftliche Unabhängigkeit und ein Steuerungsgremium für das Institut, in dem Bund, Länder und Kommunen gleichberechtigt vertreten sind.

    Wissenschaftliche Unabhängigkeit ist ein wichtiger Punkt mit Blick auf das Datengeschäft, es sollen ja keine “gefälligen” Daten produziert werden. Das haben auch einige Fachgesellschaften immer betont. Aber ob man das auch für die Kommunikation im Krisenfall hinkriegt? Zumal sich so etwas nur bis zu einem gewissen Grad formal regeln lässt, der Rest ist gelebte Organisationskultur, da ist das nicht gerade einfach in Behörden, die ja grundsätzlich recht hierarchisch funktionieren.

    Interessant wird auch die konkrete Rolle des Steuerungsgremiums, falls das kommt. Wie kann eine Bundesbehörde über ein Gremium mit Ländern und Kommunen “gesteuert” werden, die im Falle eines Falles keine Verantwortung für die Behörde tragen?

    ———————–
    Aus dem Abgrund:

    • Eine schöne Internetseite gibt es jedenfalls: https://www.bipam.org/
    • Eine Idee für einen anderen Namen gibt es auch. Bisher fehlt das nötige Geld für ein starkes Bundesinstitut, aber jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Daher vielleicht: Hogwarts School of Public Health and Political Arts (HSoPHaPA)

  4. #4 Joseph Kuhn
    26. September 2024

    1. Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag

    Gestern fand die erste Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag statt.

    Karl Lauterbach hat das Institut noch einmal als Lösung für eine im europäischen Vergleich geringere Lebenserwartung in Deutschland sowie der sozialen Ungleichheit der Gesundheit angepriesen. Eine mutige Ankündigung für ein BIPAM mit homöopathischen Ressourcen. Des Weiteren meinte er, die Daten des RKI kämen in den Kommunen nicht an, ebenso sei die BZgA nicht in den Kommunen verankert. Das stimmt erstens so pauschal nicht und zweitens wird das BIPAM am Abstand zwischen Bund und Kommunen auch nicht viel ändern können. Das BIPAM ist keine neue Kommunalverwaltung.

    Die Opposition bringt einige der bekannten und wichtigen Kritikpunkte vor. Herr Kippels von der CDU/CSU-Fraktion hat sich erkennbar eingelesen. Sein Fazit: “Wenn dieses Gesetz die Lösung des Problems ist, hätte ich gerne das Problem wieder zurück.”

    Für die Ampel hat der grüne Abgeordnete Wagner das Konzept verteidigt. Er betont zu Recht die Relevanz der Prävention, denunziert die bestehenden Präventionsangebote und bewirbt das geplante BIPAM wie Lauterbach als Lösung, ein Redebeitrag mit viel Sprechblasen, schade um die Redezeit.

    Der AfD-Abgeordnete Sichert liefert, was die AfD immer liefert. Polemik um der Polemik willen.

    Es sprachen weiter Frau Lütke (FDP), Frau Borchardt (CDU/CSU), Frau Baradari (SPD), Frau Vogler (Linke), Herr Pilsinger (CDU/CSU) und Frau Rudolph (SPD). Erwartbar hat es bei diesem vermurksten Gesetzentwurf die Opposition mit Kritik leichter als die Ampel mit der Verteidigung des Entwurfs.

    Der Gesetzentwurf ist wie geplant zur weiteren Beratung in den Gesundheitsausschuss überwiesen worden. Mal sehen, ob dort noch mehr als beim Namen des Instituts nachgebessert werden kann.

    ———–
    Das Ärzteblatt zur 1. Lesung: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/154525/Opposition-kritisiert-geplante-Aufspaltung-des-Robert-Koch-Instituts

  5. #5 Joseph Kuhn
    30. September 2024

    BIPAM-Origami

    Beim BIPAM hat der Bundestag noch nicht sein letztes Wort gesprochen, aber es gibt schon einen Entwurf eines Organigramms.

    Demnach soll das BIPAM sieben Abteilungen haben: eine Zentralabteilung, eine Abteilung 1: Zentrum für Künstliche Intelligenz in der Public Health-Forschung, eine Abteilung 2: Public Health Data, eine Abteilung 3: Public Health Analytics, eine Abteilung 4: Health Promotion, eine Abteilung 5: Öffentliche Gesundheit und eine (dem Familienministerium zuarbeitende) Abteilung 6: Sexualaufklärung, Verhütung, Familienplanung.

    Warum drei Abteilung englische Namen haben, ist nicht bekannt. Vielleicht, dass nicht alles so altbacken nach Prävention und Aufklärung in der Medizin riecht, wie in einer Drogerie.

    In Abt. 5 – Öffentliche Gesundheit – sind übrigens auch ein Referat “Health in all Policies” und ein Referat “Klimawandel und Gesundheit” vorgesehen. Was die machen sollen, und ohne Geld machen können, wird noch spannend.

    ———————
    Nachtrag 1.10.2024: Eine Kollegin hatte eine sehr berechtigte Nachfrage: Was denn der Unterschied zwischen Public Health und Öffentlicher Gesundheit sei. Ganz einfach: das eine ist englisch, das andere deutsch.

  6. #6 Joseph Kuhn
    9. Oktober 2024

    Das BIPAM im Gesundheitsausschuss

    Im Ergebnis der 1. Lesung am 25.9.2024 im Bundestag wurde der Gesetzentwurf zur weiteren Beratung in den Gesundheitsausschuss überwiesen.

    Dort fand heute die erste Beratung statt, mit dem Beschluss, nächsten Mittwoch eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen durchzuführen. So ganz verstehe ich den Beschluss nicht, es gibt ja Stellungnahmen en masse, aber wenns der Sache dient ….

  7. #7 Joseph Kuhn
    11. Oktober 2024

    Gegenäußerung der Regierung zum Bundesrat

    Die Bundesregierung hat ihre Antwort auf die Forderungen des Bundesrats (siehe Kommentar #3) formuliert: https://dserver.bundestag.de/btd/20/132/2013248.pdf

    Erwartungsgemäß lehnt sie ein gemeinsames Steuerungsgremium ab, ebenso den Verzicht auf die Fachaufsicht im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Arbeit des geplanten Instituts. Mit der Beibehaltung der Fachaufsicht bei der Forschung will sich das BMG vermutlich das Agenda-Setting nicht aus der Hand nehmen lassen, darauf deutet der Hinweis hin, bei Methoden etc. müsse Forschung ja ohnehin zu einem „hinreichenden Grad“ unabhängig sein.

  8. #8 Staphylococcus rex
    11. Oktober 2024

    Hier noch ein aktuelles Statement aus dem Ärzteblatt zu diesem Thema:
    https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/154894/BIPAM-Laender-sehen-sich-nicht-genug-an-Ausrichtung-beteiligt

    Das Organigramm des RKI ist hoch komplex. Aus meiner persönlichen Sicht wäre es sinnvoll, das bisherige RKI in drei Teilstrukturen aufzuspalten (ein auf Infektionen spezialisiertes “Kern-RKI”, ein auf nichtinfektiöse Krankheiten spezialisiertes ÖGD-Institut und ein gemeinsam genutzter Servicebereich (KI etc.)). Diese drei Teilstrukturen sollten auf einem gemeinsamen Campus unter einer gemeinsamen Dachorganisation tätig sein.

    Im Artikel aus dem Ärzteblatt wurde der Vorschlag gemacht, das BIPAM in BIÖG (Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit) umzubenennen.

  9. #9 Joseph Kuhn
    11. Oktober 2024

    Sachverständige im Gesundheitsausschuss am 16.10.2024

    Liste: https://www.bundestag.de/ausschuesse/a14_gesundheit/oeffentliche_anhoerungen/1023166-1023166

    Eine seltsame Sachverständigenliste. Warum bestellen z.B. die Grünen den Intensivmediziner Christian Karagiannidis? Was wird der Marburger Bund beitragen können? Warum hat niemand das Zukunftsforum Public Health eingeladen, oder die DGSMP?

  10. #10 Richard
    14. Oktober 2024

    #9: in der Tat seltsam..
    Werde nachlesen, was insbesondere die Professorin der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover zum Thema beitragen kann. “Viel Lärm um nichts” ? 😉

    • #11 Joseph Kuhn
      14. Oktober 2024

      @ Richard:

      Eva Baumann ist Fachfrau für Risikokommunikation. Sie ist u.a. Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der BZgA und im ExpertInnenrat Gesundheit und Resilienz.

  11. #12 Joseph Kuhn
    16. Oktober 2024

    Anhörung im Gesundheitsausschuss

    Heute fand die öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss statt: https://www.bundestag.de/ausschuesse/a14_gesundheit/oeffentliche_anhoerungen/1023166-1023166

    Wirklich neue Gesichtspunkte zum BIPAM waren nicht zu erwarten und wurden auch nicht vorgebracht.

    Die Sachverständigen haben noch einmal die Trennung von übertragbaren und nicht übertragbaren Krankheiten kritisiert, die nicht ausreichende Berücksichtigung von Health in all Policies, die fehlende Abstimmung der diversen präventionspolitischen Ansätze sowie die spärliche Finanzausstattung, sie haben die Wichtigkeit der wissenschaftlichen Unabhängigkeit nicht nur der Forschung, sondern auch der Gesundheitsberichterstattung und Kommunikation betont, die Wichtigkeit der Evaluation auch von Einzelmaßnahmen, und sie haben unisono den vorgesehenen Namen des Instituts abgelehnt.

    Nicht ganz einig war man sich darüber, ob das BIPAM an sich zielführend sein wird und wie ein Beirat zusammengesetzt sein soll, primär wissenschaftlich oder eher gesellschaftlich.

    Einige Statements bezogen sich auf Punkte, die nicht das BIPAM betreffen, aber in dem Gesetz mitgeregelt werden sollen (Stichwort Apothekenrecht).

    Welche Folgen die Anhörung für den Gesetzentwurf hat, wird man sehen. Vielleicht wird ja wenigstens ein Keim für eine ausbaufähige Public Health-Struktur in Deutschland gelegt und nicht nur mit einem Potemkinschen Dorf die weitere Entwicklung verstellt.

    Interessant am Rande:
    – Wer nicht da war.
    – Wer vom Blatt ablesen musste, d.h. mutmaßlich eine Sprachregelung einzuhalten hatte.
    – Wie viel man in einer Minute Redezeit sagen kann oder sagen könnte.

    ————
    Nachtrag 17.10.2024:

    Bericht des Ärzteblatts über die Anhörung: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/154967/Sachverstaendige-kritisieren-geplante-Finanzierung-fuer-neues-Bundesinstitut-als-unzureichend?rt=d68297622876a70ae30a39028bd58bcf

    Nachtrag 18.10.2024:

    Kurzer Bericht zur Anhörung auf der Bundestagsseite: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1024988

  12. #13 Richard
    17. Oktober 2024

    #12: “Welche Folgen die Anhörung für den Gesetzentwurf hat, wird man sehen.”
    Ja, das wird man genau nachverfolgen müssen, was von der Vielzahl der Stellungnahmen tatsächlich berücksichtigt wird. Die Ansprüche und Erwartungen sind sehr hoch und kaum erfüllbar, aber Sie schreiben ja von einem “Keim”. Interessant, wer von den Politikern gefragt wurde, insbesondere die FDP-Abgeordnete ist mir aufgefallen. Sie hat dabei ihre Präferenzen bzw. Zielgruppen erkennen lassen. Prof. Geene (Berlin School of Public Health) kam wiederholt zu Wort und konnte dadurch die Public-Health-Perspektive einbringen.

  13. #14 Joseph Kuhn
    5. November 2024

    Änderungsanträge zum Gesetz

    Wie das Ärzteblatt meldet, gibt es Bewegung im Parlament:

    “Künftig soll das Institut, das sich um öffentliche Gesundheit kümmern soll, „Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG)“ heißen.”

    Ganz bedeutungslos ist das nicht, Namen von Behörden können Diskurse befördern oder behindern. Aber natürlich wird nicht alles gut, wenn Raider nicht mehr Twix, sondern wieder Raider heißt. Zu begrüßen ist auch die Klarstellung zur wissenschaftlichen Unabhängigkeit, wobei man den Wortlaut sehen muss und normative Unabhängigkeit auch noch keine gelebte Praxis ist. Ob es darüberhinaus substantielle Veränderungen gibt, z.B. beim Geld, geht aus dem Ärzteblatt-Artikel nicht hervor. Offen ist auch nach wie vor, ob das Gesetz noch vor dem Ampel-Aus kommt.

  14. #15 Joseph Kuhn
    6. November 2024

    Ampel aus

    Scholz hat gerade Lindner entlassen. Damit ist die Ampel-Regierung Geschichte. Wie immer es jetzt weitergeht, ob die FDP dem Gesetz danach noch zustimmen wird? Vermutlich nicht.

  15. #16 Joseph Kuhn
    15. November 2024

    Kontinuität der Ungewissheit

    Auf eines können sich die Beschäftigten der BZgA und des RKI verlassen: Es bleibt unklar, ob das neue Institut kommt. Der Tagespiegel Background meldet heute auf der Grundlage interner Mails des Errichtungsbeauftragten an die Beschäftigten, das BMG halte vorerst an seinen Plänen fest. Wie, ob z.B. eine untergesetzliche Regelung angedacht ist, bleibt offen, wie auch alles andere.