Drei Parteien bilden die derzeitige Bundesregierung, zweieinhalb davon spielen mehr oder weniger offen mit dem Ende der Koalition, am lustvollsten die FDP mit ihrem enfant terrible Wolfgang Kubicki. Wobei es die FDP seit Lindners „Lieber nicht regieren als falsch regieren“ auch am schwersten hat, die Koalition gegen populistische Versuchungen zu verteidigen. Schon zu Jahresbeginn haben sich ihre Mitglieder nur knapp für einen Verbleib in der Regierung ausgesprochen.

Wenn es jetzt also zu Ende geht, fragt sich, was der neue Anfang sein könnte. Ein Zauber wird ihm wohl nicht innewohnen. Auch ein Bundeskanzler Merz wird einer Koalition mit programmatischen Disharmonien vorstehen, sei es eine Neuauflage des früher „Große Koalition“ genannten Bündnisses mit der SPD, sei es Schwarz-Grün, was aber der Schattenkanzler Söder immer wieder ausschließt. Und womöglich reicht es für Merz mit zwei Parteien nicht einmal. Dann lernt auch Merz das politische Drei-Körper-Problem mit seinen Unberechenbarkeiten kennen.

Absehbar wird in einer Regierung Merz die Migrationspolitik – zumindest rhetorisch – verschärft, dem Klimawandel noch etwas untätiger zugesehen, in der Sozialpolitik werden die Weichen auf „Gürtel engerschnallen“ gestellt – also für die kleinen Leute, an die Vermögenden und Besserverdiener wird sich eine Regierung Merz noch weniger herantrauen wie der Cum-Ex-Kanzler Scholz. Dafür kommt die Rente mit 70 und den Bürgergeld-Müßiggängern wird strenger auf die Finger geschaut. Und natürlich wird die gesellschaftliche Spaltung energisch mit dem Weihnachtsbaum bekämpft.

Und sonst? Wird in der Gesundheitspolitik, womöglich weiterhin unter einem Minister Lauterbach, dann die Krankenhausreform besser laufen? Die Pflege wirklich aus ihrem jahrzehntelangen Notstand befreit? Wird Merz für ausreichend Kita-Plätze und für Schulen so gut wie beispielsweise in Dänemark sorgen? Ob sich der Fachkräftemangel mit weniger Einwanderung, nur durch mehr Kinder, die schnell erwachsen werden, beseitigen lässt? Ob die außenpolitischen Antworten auf den Ukrainekrieg, die iranischen Provokationen oder Orbans Eigenleben überzeugender ausfallen? Wird die Bahn, ohne Scheuer und Wissing, pünktlich fahren? Gut, das war ein Witz. Irgendwo wird es schon hingehen mit der neuen Regierung, zur Not halt nach dem Motto „lieber regieren als nicht regieren“.

Kommentare (11)

  1. #1 penso positivo perché son vivo
    8. September 2024

    wieder ein gute Laune Stück !

  2. #2 Naaja
    9. September 2024

    Niedergang überall, auch bei scieneblogs.

    • #3 Joseph Kuhn
      9. September 2024

      @ Naaja:

      Gibt es auch ein Argument dazu?

  3. #4 libertador
    9. September 2024

    Ich vermute vor allem Änderungen in der medialen Debatte. Mein Eindruck ist, dass die Union es sehr erfolgreich schafft mediale Dauerempörung über die Ampel zu etablieren, völlig unabhängig von sachlichen Diskussionen. Diese Dauerempörung auch im medialen Mainstream wird vermutlich deutlich verstummen, da es unter einen Union-Regierung keinen so medial erfolgreichen Akteur mehr gibt.

    Das wird die Probleme und auch die mediale Rolle von BSW oder AfD nicht ändern, aber diese ist mehr Nische als die Rolle der Union. Die Union ist direkt in den kompletten Angriffsmodus gewechselt nach der Abwahl und traf mit der uneinigen Ampelkoalition auf ein leichtes Opfer.

  4. #5 Naaja
    Magdeburg
    9. September 2024

    “Gibt es auch ein Argument dazu?”

    Ja, es gibt nur noch sehr wenig fachliche Beiträge.

  5. #6 RGS
    9. September 2024

    @Naaja
    Es gibt hier viele fachliche.Beiträge. Zu welchem Thema soll es denn sein?

  6. #7 RGS
    9. September 2024

    Merz wird dann die Hampelregierung anführen. Seine Gestik erinnert mich immer an die Figuren der Augsburger Puppenkiste.

    Rhetorisches Gehampel bei der Migration wurde ja schon genannt. Aber auch beim Klima, bei der Gesundheit, bei der Sozialpolitik erwarte ich nichts. Und die Bildungs- und Bahninfrastruktur lässt die Union weiter verrotten, wie schon 16 Jahre unter Merkel.

  7. #8 Staphylococcus rex
    9. September 2024

    Die Ampel hat sich bisher nicht mit Ruhm bekleckert und ist deshalb ein billiges Ziel für (durchaus berechtigte) Kritik. Nur was soll eine neue Regierung anders machen, wenn es zumindest in der Öffentlichkeit keine Konzepte gibt, welche die Probleme wirklich lösen? Aus meiner Sicht sind die zwei größten Problembaustellen die unkontrollierte Zuwanderung und die Haushaltspolitik.

    Beim Thema Zuwanderung vermisse ich ein klares Konzept und wirksame Steuerungsinstrumente. Es gibt aus meiner Sicht drei Gründe, um nach Deutschland zu kommen, erstens als politischer Aktivist auf der Grundlage persönlicher Verfolgung, zweitens als politischer/Kriegsflüchtling aufgrund einer Gruppenzugehörigkeit und drittens als Armutsflüchtling, um sich eine neue Existenz aufzubauen. Politische Aktivisten gibt es nach meiner Einschätzung nur sehr wenige, die Masse der Zuwanderung gehört zur zweiten und dritten Gruppe, wobei die Grenzen zwischen diesen beiden Gruppen fließend sind. Ich würde hier ein transparentes Punktesystem bevorzugen, anhand dessen sich jeder die Bleibeperspektive selbst ausrechnen kann. Für Spracherwerb und berufliche Tätigkeit sollte es viele Pluspunkte geben, für Straftaten und für das Abtauchen in die Illegalität entsprechend viele Minuspunkte. Ich finde es beschämend, wenn Familien abgeschoben werden und die Kinder von der Schule geholt werden, weil sie sich nicht verstecken. Ich findes es beschämend, wie die afghanischen Ortskräfte nach dem Abzug der Bundeswehr im Stich gelassen wurden.

    Für die Integration und für das Selbstwertgefühl eines Menschen ist die Erwerbsbiografie aus meiner Sicht enorm wichtig. Wer wie der Täter von Solingen in die Illegalität abtaucht, hat damit keine Chance auf eine Erwerbsbiografie. Auch ist das Asylrecht aus meiner Sicht kein absolutes Grundrecht, sondern eine Form von Gastrecht, welches an Bedingungen (Wohlverhalten) gebunden ist. Aktuell habe ich den Eindruck, dass beim jetzigen System der Zuwanderung die falschen Personen belohnt bzw. bestraft werden.

    Beim Haushalt haben wir ein anderes Problem. Im Normalfall muss der Haushalt aus den laufenden Mitteln bestritten werden. Neuschulden sind eine Belastung für die Zukunft und an sehr strenge Ausnahmeregeln gebunden. Nur haben wir gerade keinen Normalfall. Der Ukrainekrieg (und die anderen politischen Instabilitäten), die Dekarbonisierung der Wirtschaft und die Überalterung der Gesellschaft verbinden sich zu einem perfekten Sturm. Finanzminister Lindner hat keine Chance, seine Aufgaben zu meistern, solange keine nachhaltige Lösung für seine Finanzierungsprobleme gefunden wird. Das Geld muss von den Starken der Gesellschaft kommen, es steht nur die Frage woher. Die Idee eines Sondervermögens hat durchaus ihren Reiz, um regulären Haushalt und Sonderaufgaben zu trennen. Allerdings sind Sondervermögen zum jetzigen Zeitpunkt gleichbedeutend mit Sonderschulden.

    Nach dem zweiten Weltkrieg gab es den Lastenausgleich als einmalige Vermögensabgabe, aber damals handelte es sich um eine einmalige Abgabe zur Bewältigung eines zurückliegenden Ereignisses, während wir jetzt nicht wissen wie lange die aktuellen Herausforderungen andauern werden. Nach den Wiedervereinigung gab es den Solidaritätszuschlag auf die Einkommenssteuer, nur trifft diese am schwersten die Teile der Gesellschaft, die ihr Einkommen wirklich versteuern und läßt aus meiner Sicht zu viele Schlupflöcher für die wirklich Reichen. Ich persönlich würde eine (ggf. befristete) Zusatzabgabe auf die Erbschaftssteuer bevorzugen, bei der gegenwärtigen demografischen Situation sollte dies gut steuerbar sein.

    Ich erwarte nicht, dass meine Ideen hier allgemeine Zustimmung finden, aber vielleicht können sie zum Nachdenken anregen und zur Frage, wieviel Substanz es in den Verlautbarungen der politischen Parteien zu finden gibt.

  8. #9 penso positivo perché son vivo
    9. September 2024

    Migrationdebatte … klaro … davor gibt es keine Fluchtmöglichkeit:

    “Ich würde hier ein transparentes Punktesystem bevorzugen, anhand dessen sich jeder die Bleibeperspektive selbst ausrechnen kann.”

    Wenn diese “leistungsgerechte” – “Bleiben muss sich wieder lohnen!” – “Perspektive” eingeführt wird, gilt sie dann auch für Cum-EX-Scholz, BlackRock-Merz und Hast-du-nicht-gesehen-Lindner?

    Und all die anderen bräsigen “Bio-Deutschen”?

  9. #10 RGS
    9. September 2024

    Die Neuverschuldung des Bundes ist laut Schuldenbremse pro Jahr auf 0,35% des BIP begrenzt.
    Knapp 15 Mrd. € Neuverschuldung sind also aktuell regulär erlaubt.
    Die Schuldenbremse gehört reformiert.

    Die Energiekrise fossiler Energieträger halte ich für eines der Probleme, die nicht angegangen werden.
    Die mangelnde Energiesicherheit und die Preisvolatilität stellen massive Bedrohungen für unsere Gesellschaft dar.
    Aktuell sichern vor allem die USA militärisch unsere fossile Energieversorgung, neben den europäischen Nachbarn die uns mit Gas versorgen.
    Der Aufwand für die militärische Sicherung der Energieversorgung wird steigen.

    Daher wäre eine der wichtigsten Aufgaben unsere Abhängigkeit von Öl und Gas zu reduzieren.

    Darüber müsste Konsens bestehen. Tut es aber nicht.

    Investitionen in Erneuerbare Enregieen und Energieeffizienz wären dringend nötig. Wir vergeuden auch immense Energiemengen, weil wir Abwärme zu wenig nutzen.

    Im Verkehrs- und Gebäudesektor müssten aus Gründen der Energiesicherheit massive Investitionen getätigt werden. Es fehlt aber allerorten der Wille.

    So werden wir in den nächsten Energieschock laufen früher oder später.
    Ich halte das für ein Versagen der gesamten Elite dieses Landes.

  10. #11 Joseph Kuhn
    12. September 2024

    Die FDP zaudert beim Absprung

    Nach Kubicki hat gestern auch Generalsekretär Djir-Sarai ein Ende der Ampel in Aussicht gestellt: “Es gibt keine Ampel in der Migrationspolitik. … Wir sind bereit Eins zu Eins umzusetzen, was die Union gesagt hat.”

    Der baden-württembergische FDP-Fraktionschef Rülke, FDP-Präsidiumsmitglied, schlug in die gleiche Kerbe: “Wir fordern, dieses Thema auf Bundesebene zeitnah abzustimmen und durchzusetzen, auch wenn es zur Schicksalsfrage der Bundesregierung wird.”

    Heute ist die FDP aber zurückgezuckt und hat gemeinsam mit den anderen Ampelparteien eine Abstimmung über einen Unionsantrag zum Migrationsthema abgelehnt.

    Die Ampel flackert ersichtlich, ebenso der Blinker der FDP. Bei Neuwahlen wäre sie ohne eine massive Leihstimmenkampagne der Union derzeit nicht mehr im Bundestag, eine aktuelle INSA-Umfrage taxiert die FDP auf gerade noch 3 Prozent. Als Akronym für Fast Drei Prozent will die FDP aber nicht in Neuwahlen gehen.