Der ExpertInnenrat „Gesundheit und Resilienz“ der Bundesregierung hat heute zwei neue Stellungnahmen veröffentlicht, die dritte und vierte bisher.

Während die dritte, recht prägnante Stellungnahme mit dem Titel „Gesundheit: Ganzheitlich denken, vernetzt handeln“ das Thema Gesundheit in einen größeren Rahmen stellt, auf gesellschaftliche Rahmenbedingungen abhebt, konzentriert sich die vierte Stellungnahme vor allem auf die individuelle Ebene.

Sie trägt die Überschrift „Stärkung der Resilienz des Versorgungssystems durch Präventionsmedizin“ und wirbt für mehr Prävention. Mehr Prävention ist gut und wenn der ExpertInnenrat mit seinem Plädoyer in der Politik mehr Gehör finden sollte als die vielen anderen Stimmen, die das auch fordern, umso besser.

Der Titel der Stellungnahme ist interessant: Ziel ist die Resilienz des Versorgungssystems, nicht die der Menschen? Aber das ist vielleicht nur unbedacht formuliert, in der Stellungnahme geht es überwiegend doch um die Gesundheit der Menschen.
Dazu stehen in dem Papier viele Punkte, denen man nur zustimmen kann, und bei ähnlichen Papieren schon oft zugestimmt hat, z.B. dass die Impfquoten verbessert werden sollten, mehr Bewegung gut tut, ebenso der Verzicht auf Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum, oder dass nosokomiale Infektionen verringert werden könnten. Manches ist auch von so grundsätzlicher Wahrheit, dass man selbst nach längerem Nachdenken auf kein Gegenargument kommt:

„Präventionsmedizin und Gesundheitsförderung können Morbidität und Versorgungsbedarf verringern, die Lebensqualität erhöhen und damit individuelles Leid minimieren.“

Oder:

„Die physische und psychische Resilienz und Selbstwirksamkeit von Patienten kann sich durch die Befähigung zur Übernahme von mehr Verantwortung für die eigene Gesundheit – im Zusammenwirken mit verhältnispräventiven Maßnahmen – verbessern.“

Als aktuelle Herausforderungen des Gesundheitssystems werden fünf Punkte benannt: 1. Demographischer Wandel und Multimorbidität, 2. Gesundheitliche Risiken im Kindes- und Jugendalter, 3. Arbeitsausfall durch Krankschreibungen, 4. Arbeitsausfall durch Erwerbsminderung und Berufsunfähigkeit und 5. Strukturelle Probleme im Versorgungssystem (hier werden z.B. steigende Krankenkassenbeiträge, vermeidbare Krankenhausbehandlungen oder ökonomische Fehlanreize angesprochen, und, was immer das sein mag, die „sektorale Selbstverwaltung“). Ob das wirklich die aktuellen Herausforderungen sind, darüber mag man diskutieren können. Andere würden vielleicht auf den Pflegenotstand hinweisen, die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels, die ausstehende Krankenhausreform oder die überfällige Überwindung der Sektorengrenzen, falls das nicht mit der „sektoralen Selbstverwaltung“ gemeint war. Aber gut, auch die vom ExpertInnenrat angesprochenen Punkte sind natürlich wichtig.

Eingestreut in den Text sind jeweils einzelne Daten, thematisch selektiv, meist ohne Quellenangabe. So erfährt man z.B., dass Jüngere ein höheres Frühberentungsrisiko haben als Ältere:

„Die Wahrscheinlichkeit einer Berufsunfähigkeit bevor das Rentenalter erreicht wird, ist bei jüngeren Altersgruppen deutlich erhöht. Während heute 50-jährige Frauen mit einer Wahrscheinlichkeit von 29 Prozent und Männer mit 34 Prozent vor dem Renteneintritt berufsunfähig werden, sind die prognostizierten Wahrscheinlichkeiten bei den 20-Jährigen ungefähr 1,25-mal so hoch (20-jährige Frauen: 38 Prozent, 20-jährige Männer: 43 Prozent).“

Woher auch immer die konkreten Daten sind, unplausibel ist das nicht. Die 20-Jährigen haben schließlich eine 30 Jahre längere Expositionszeit gegenüber Frühberentungsrisiken als die 50-Jährigen. Wer mit 50 arbeitet, kann nicht mehr mit 30 infolge eines Arbeitsunfalls frühberentet werden. So wie gewiss niemand mehr von den Leser:innen hier am plötzlichen Kindstod stirbt. Vielleicht ging hier aber auch nur ein Satz verloren, der zum Verständnis der Passage nötig wäre, die Stellungnahme wirkt insgesamt etwas mit der heißen Nadel gestrickt.

Oder, um die Bedeutung der Herausforderung Nr. 3, „Arbeitsausfall durch Krankschreibungen“, und die besondere Betroffenheit des Gesundheitswesens zu unterstreichen:

„Der Krankenstand ist auf einem historischen Höchststand. Die höchsten Krankenstände werden aktuell bei Beschäftigten im Gesundheitswesen beobachtet.“

Der erste Satz ist den Daten der KM1/13-Statistik des BMG zufolge falsch. Die Krankenstände waren in den 1970er und 1980er Jahren noch etwas höher als heute. Immerhin, für die letzten 30 Jahre stimmt es. Ob der zweite Satz stimmt, hängt davon ab, welche Daten man in welcher Branchendifferenzierung man heranzieht. So einfach ist das nämlich mit dem Krankenstand nach Branchen über die Kassenarten hinweg gar nicht. Auch egal, die Pflegekräfte haben wirklich hohe Krankenstände, wen wundert’s.

Was folgt nun aus den Beratungen des ExpertInnenrats? Mehr Forschung natürlich, auch wenn wiederholt betont wird, wie viel Evidenz schon vorhanden ist. Aber ob man wirklich Zigarettenautomaten und Alkohol an Tankstellen 24/7 braucht, als ob das lebenswichtige Produkte sind, muss vielleicht doch noch genauer untersucht werden. Ebenso, ob Pflegekräfte durch eine gesunde Ernährung vor Burnout zu schützen sind. Das war zugegeben polemisch, selbstverständlich gibt es Bedarf an Forschung auch in der Prävention.

Des Weiteren sagt uns der ExpertInnenrat:

„Schlüssel für erfolgreiche Prävention und Gesundheitsförderung ist eine zielgruppengerechte Kommunikationsstrategie und ihre Evaluation. Dazu empfehlen wir die Einrichtung eines Runden Tisches Prävention mit ExpertInnen und Betroffenen aus allen beteiligten gesellschaftlichen Bereichen.“

Soll nicht gerade ein ganzes Bundesinstitut für diesen Zweck gegründet werden? Und gibt es nicht eine Nationale Präventionskonferenz sowie ein Nationales Präventionsforum? Eine Bundesvereinigung für Prävention und Gesundheitsförderung noch dazu. Da ging es dem ExpertInnenrat vielleicht wie der Bundesregierung, als sie den ExpertInnenrat berufen hat: „Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründ‘ ich einen Arbeitskreis“.

Kommentare (16)

  1. #1 Joseph Kuhn
    20. September 2024

    Zum Passus mit der Berufsunfähigkeit

    Ein Kollege hat dazu eine Idee für den vielleicht fehlenden Satz, festgemacht an der Formulierung mit den “prognostizierten Wahrscheinlichkeiten”: Dass sich die 1,25 mal so hohe Wahrscheinlichkeit auf die heute 20-Jährigen bezieht, wenn sie dereinst 50 sind.

    Das wäre denkbar, aber ich glaube nicht, dass man ein soziales Ereignis wie die “Berufsunfähigkeit” (vielleicht ist auch “Erwerbsunfähigkeit” gemeint) für 30 Jahre auch nur halbwegs valide vorhersagen kann. 1934 hat der bräunliche Demograf Friedrich Burgdörfer sein Buch “Volk ohne Jugend – Geburtenschwund und Überalterung des deutschen Volkskörpers” veröffentlicht. Da kamen 30 Jahre später erst mal die geburtenstarken Jahrgänge. Selbst ein demografischer Trend ist über so lange Zeit kaum verlässlich zu bestimmen.

  2. #2 Joseph Kuhn
    22. September 2024

    Zum ExpertInnenrat:

    Bei der Apotheken-Umschau gibt es einen Podcast mit Susanne Moebus und Wolfgang Hoffmann, zwei Mitgliedern des ExpertInnenrats.

    Die beiden machen auf die Bedeutung gesunder Lebensverhältnisse aufmerksam, gut so, und begründen auch, warum man aus ihrer Sicht auch schon oft Gesagtes wieder sagen muss.

    Mir würden auch ein paar Gründe einfallen, warum man manchmal oft Gesagtes nicht noch einmal sagen muss und vor allem, warum die vierte Stellungnahme nicht gut ist.

    Die beiden neuen Stellungnahmen sind 22:22 abgestimmt worden. Bis vor kurzem waren es 23 Mitglieder. Eins fehlt neuerdings, Gabriele Meyer, sie steht nicht mehr auf der Mitgliederliste.

  3. #3 Richard
    23. September 2024

    alles schon gelesen und gehört…
    auch nicht neu und immer wieder konstatiert: wir haben kein Erkenntnis- sondern ein Umsetzungsproblem. Hochkarätige Wissenschaftlerinnen/Expertinnen forschen und publizieren zu diesen Themen, sodass die theoretischen Grundlagen vorhanden sind. Aber was passiert in der Praxis? Dieses Gremium erscheint mir verzichtbar…

  4. #4 Fluffy
    27. September 2024

    Während heute 50-jährige Frauen mit einer Wahrscheinlichkeit von 29 Prozent und Männer mit 34 Prozent vor dem Renteneintritt berufsunfähig werden, sind die prognostizierten Wahrscheinlichkeiten bei den 20-Jährigen ungefähr 1,25-mal so hoch (20-jährige Frauen: 38 Prozent, 20-jährige Männer: 43 Prozent).

    Es ist wohl genau so, wie oben erklärt.

    Die 20-Jährigen haben schließlich eine 30 Jahre längere Expositionszeit gegenüber Frühberentungsrisiken als die 50-Jährigen. Wer mit 50 arbeitet, kann nicht mehr mit 30 infolge eines Arbeitsunfalls frühberentet werden.

    Oder auch Birnen mit Äpfeln vergleichend: Ein heute 20-Jähriger wird im Durchschnitt 83 Jahre, ein 100-Jähriger wird 103 Jahre alt. Das heiß ja auch nicht, die Jungen sterben heutzutage früher als die Alten.
    Um die Zahlen anschaulicher zu machen, sollte man sie in einen etwas anderen statistischen Kontext bringen. Man kommt ungefähr auf die Zahlen, wenn man annimmt, dass von den 20-50-Jährigen pro Jahr ca 0.5% frühberentet werden und von den über 50-Jährigen ca 2%.

  5. #5 Joseph Kuhn
    30. September 2024

    Kritik des EBM-Netzwerks

    “Die Empfehlungen des ExpertInnenrats entbehren (…) nicht nur der Evidenz, sie basieren auf keinem erkennbaren methodischen Verfahren und sie reflektieren nicht den präventionspolitischen Rahmen in Deutschland. Aus Sicht des EbM-Netzwerks verletzt die Stellungnahme des ExpertInnenrats „Gesundheit und Resilienz“ wichtige Grundprinzipien einer wissenschaftlich fundierten, nachvollziehbaren Positionierung und ist ungeeignet, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in wissenschaftliche Empfehlungen zur Vorbereitung politischer Entscheidungen über die Gestaltung des Gesundheitssystems zu fördern”

    https://www.ebm-netzwerk.de/de/veroeffentlichungen/pdf/20240930-stn-gesundheit-resilienz.pdf

  6. #6 zimtspinne
    30. September 2024

    Wo sind denn die Herzsachen hin? Oder fallen die unter einen der fünf Punkte? Oder ist das noch ein anderes Präventionsvorhaben?

    In der regionalen Zeitung war letzte Woche ein fast ganzseitiger Artikel über eine Nachbarstadt (größer als meine, also größere Kleinstadt), mit dem Titel sinngemäß: Demnächst nur noch zwei Hausärzte in X?

    Das sind die echten Probleme… unter anderem.

    • #7 Joseph Kuhn
      30. September 2024

      @ zimtspinne:

      “Wo sind denn die Herzsachen hin? Oder fallen die unter einen der fünf Punkte? Oder ist das noch ein anderes Präventionsvorhaben? “

      Die Frage ist so berechtigt wie unbeantwortbar. An zwei Stellen werden die Herz-Kreislauferkrankungen in der Stellungnahme des ExpertInnenrats kurz angesprochen, aber als Handlungsfeld werden sie nicht explizit aufgeführt. Wie sich die Stellungnahme zum geplanten Herzgesetz verhält, ist unklar, außer, dass beide in Richtung einer individuellen und medizinischen Prävention orientieren.

      “Hausärzte … Das sind die echten Probleme… unter anderem.”

      Ja, in der medizinischen Versorgung bräuchte es einen neuen Anlauf für ein sektorenübergreifendes Konzept. Vermutlich sollte der Hinweis auf die “sektorale Selbstverwaltung” in der Stellungnahme des ExpertInnenrats dieses Thema adressieren. Zur sektorenübergreifenden Versorgung gibt es allerlei Ansätze, auch aktuell, im Zuge der angestrebten Ambulantisierung bisher stationärer Behandlungen. Aber es geht eher inkrementell voran.

      Eine andere Frage ist die nach der Rolle der Hausärzte in der Prävention jenseits von Früherkennung und Impfen, z.B. was die Effizienz der “ärztlichen Präventionsempfehlungen” angeht usw.

  7. #8 Staphylococcus rex
    30. September 2024

    Das Problem der fehlenden Hausärzte ist aus meiner Sicht nicht so einfach lösbar. Was wir derzeit erleben ist eine Abstimmung mit den Füßen. Ein niedergelassener Hausarzt ist auch ein Unternehmer, der sich mit der Übernahme der Praxis verschuldet und deshalb auf viele Jahre an die Praxis gebunden ist und in dieser Zeit den Widrigkeiten des politischen, wirtschaftlichen und geografischen Umfeldes ausgeliefert ist.

    Mittlerweile spielt auch das geografische Umfeld eine Rolle, Landflucht und Überalterung der Bevölkerung sind in Kleinstädten und der Provinz alltägliche Realität. Meine Großeltern lebten in einer Kleinstadt in Thüringen, vor der Wende ca. 10 000 EW, aktuell ca. 8 000 EW. Das klingt harmlos, aber in den letzten Jahrzehnten hat diese Kleinstadt das Krankenhaus, das Kino, das Postamt und weitere Teile der städtischen Infrastruktur eingebüßt.

    Das politische Umfeld hat für Hausärzte viele Facetten, aber eine Digitalisierung, von der die Kassen mehr profitieren als die Ärzte und die Regelungen des kassenärztlichen Notdienstes sind weitere wesentliche Entscheidungskriterien.

    Selbst das wirtschaftliche Umfeld ist nicht gerade rosig. Einerseits ist es eine Zumutung, dass ein freier Berufsstand bei der Frage Inflationsausgleich seit Jahrzehnten als Bittsteller auftreten muss. Andererseits gibt es gerade Erleichterungen für die Hausärzte bei der Entbudgetierung und bei der Anhebung der Honorare. Da der gesamte Topf aber gedeckelt ist, zahlen die Fachärzte im allgemeinen und die technischen Fächer (Radiologie und Labor) im besonderen dafür die Zeche. Vertrauen in eine nachhaltige Gesundheitspolitik läßt sich so nicht aufbauen.

  8. #9 zimtspinne
    30. September 2024

    Auf Nachfrage bei meiner KK bei einem Termin erhielt ich die Auskunft, es seien bereits Fangprämien Anreize gesetzt…. tjo.

  9. #10 smoeb
    1. Oktober 2024

    noch zur Sache mit dem Exp.Rat beim Kanzler und der Stellungnahme zu Gesundheit aus Sicht einer Verfasserin

    Ich kann die Enttäuschung sehr wohl verstehen – beim Schreiben ging es mir ähnlich: Alles schon gesagt, nix Neues, keine originellen Ideen, wozu das Ganze, es fehlt doch an der Umsetzung. Aber inzwischen bin ich überzeugt, dass ein Grund für die mangelnde Umsetzung – neben dem Einfluss starker Lobbygruppen, die gegen Public Health arbeiten – das mangelnde Verständnis von Gesundheit im breiteren Sinne ist. Seit fast 80 Jahren steht vor allem die Medizin mit ihren (bedeutenden) biomedizinischen Erfolgen im Mittelpunkt, überall. Somit denken wir fast automatisch an Krankheit und Medizin, wenn wir von Gesundheit sprechen. Und dann kommt es eben zu solch komischen Gesetzen wie dem GHG oder zu irren Vorstellungen wie „Zur Prävention und Früherkennung kardiologischer und tabakassoziierter Erkrankungen will die Bundesregierung durch neue pharmazeutische Dienstleistungen die Apotheken einbinden.“ Das BMG ist vollauf damit beschäftigt, unser Krankheitsversorgungssystem zu steuern, was ja auch eine enorme Herausforderung ist. Aber es gibt kein Ministerium, das sich explizit darum kümmert, Public Health (PH) orchestriert oder systematisch vorantreibt. Das RKI, das hier auf einem sehr guten Weg war, wird gerade von diesem BMG zerschlagen – und dieser Weg ist nun erst einmal blockiert.
    Vor diesem Hintergrund halte ich den Rat am KA nicht für überflüssig. Es ist zugegebenermaßen nur ein minimini Baustein, um endlich ein echtes PH-System in Deutschland aufzubauen. Die Arbeit im ExpRat hat mir aber gezeigt, dass außerhalb unserer PH-Blase kaum etwas über die Bedeutung von Public Health bekannt oder verstanden wird. Deshalb sind solche Papiere – vielleicht öde, langweilig (aber mit hoher Motivation) geschrieben – weiterhin notwendig, um es wieder und wieder und wieder und wieder zu adressieren. Welche andere Option, Idee, Alternativen haben wir?

    • #11 Joseph Kuhn
      1. Oktober 2024

      @ smoeb:

      Die Diagnose ist sicher richtig. Public Health ist ein Stiefkind der Gesundheitspolitik und das unermüdliche Werben für Public Health ist eine notwendige Sisyphosarbeit in unserem Bereich. Insofern ist dein Engagement gut und wichtig (gleichwohl muss, wer immer auf die Idee gekommen ist, Karl Lauterbach 2020 mit der Salomon-Neumann-Medaille der DGSMP zu ehren, eine Vorliebe für Holzwege haben – oder ein hoffnungsloser Optimist sein).

      Aber ob ein Papier weiterhilft, das vor allem aus undurchdachten Sprechblasen und Handlungsfeldern, die willkürlich ausgewählt erscheinen, besteht? Das die Schnittstellen zu den vorhandenen präventiven Institutionen nicht einmal benennt, geschweige denn konstruktive Vorschläge dazu macht?

      An wen richtet sich so ein Papier, wer soll es lesen, wer wird es lesen, wer rezipiert es in seiner Arbeit, wer soll daraus Konsequenzen ziehen (oder vielleicht auch lieber nicht, weil es keine konzeptionelle Linie hat)?

      Eine Alternative wäre z.B. ein besseres Gesetz zur Stärkung der öffentlichen Gesundheit. Die vierte Stellungnahme enthält dazu – nichts. Ergo auch keine hilfreiche Anregung für die Abgeordneten, die den Gesetzentwurf gerade im Gesundheitsausschuss behandeln. Eine verschenkte Chance.

  10. #12 Richard
    2. Oktober 2024

    #11: völlig d’accord!
    “Das die Schnittstellen zu den vorhandenen präventiven Institutionen nicht einmal benennt, geschweige denn konstruktive Vorschläge dazu macht?”
    Ich vermisse z.B. die Erwähnung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, der gerade in der Provinz und fernab von Public Health-Lehrstühlen und -Instituten versucht, sich der Themen Gesundheitsförderung und Prävention anzunehmen. Erfreulicherweise gibt es ja jetzt Bestrebungen eines besseren Zusammenwirkens mit Public Health, wobei ich aber immer wieder feststellen muss, dass die Basis bzw. die Akteure “an der Front” wenig Gehör finden, wie ich gerade wieder bei der Diskussion über die “Coronaaufarbeitung” merke.. Aber wir schreiben halt nicht oder haben nicht so viel Zeit, Erfahrung oder Lust, um wissenschaftliche Artikel und Bücher zu schreiben….

  11. #13 Joseph Kuhn
    8. Oktober 2024

    Datenlage

    Dem EBM-Netzwerk wurde auf seine Kritik an der Stellungnahme eine mit Referenzen unterlegte Version der Stellungnahme übermittelt, einschließlich der Quellen für die beiden im Blogbeitrag monierten Informationen.

    1. Zur Berufsunfähigkeit: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/28002/umfrage/wahrscheinlichkeit-der-berufsunfaehigkeit-bis-zur-rente-mit-65/.

    Demnach trifft meine Vermutung aus dem Blogbeitrag zu, nicht die Vermutung des Kollegen, die ich in Kommentar #1 wiedergegeben habe.

    2. Krankenstand: DAK-Gesundheit; Krankenstand 2023 weiter auf Rekordniveau; Pressemitteilung; 19. Januar 2024.

    Die Quelle ist in zweifacher Hinsicht problematisch: Es sind Daten einer einzelnen Krankenkasse mit ihrem spezifischen Versichertenklientel, also für numerische Aussagen über “den Krankenstand” nur eingeschränkt geeignet, und es sind Daten, die historisch nicht allzu weit zurückreichen, also für Aussagen über historische Höchststände nicht geeignet.

    Für die fünf Handlungsfelder gibt es keine Referenz, wie sie ausgewählt wurden, bleibt nach wie vor unklar.

    Dafür sind manche Selbstverständlichkeiten referenziert, z.B. die Aussage, eine “konsequente Umsetzung von Präventionsmedizin und Gesundheitsförderung kann die Krankheitslast und Kosten für das Versorgungssystem senken und Unternehmen durch Senkung des Krankenstandes entlasten”: S Hildebrandt, T Dehl, K Zich, HD Nolting; DAK Gesundheitsreport 2023; April 2023. Referenz schlägt gesunden Menschenverstand – eine gedankenlose Ritualisierung wissenschaftlicher Quellenarbeit.

  12. #14 RGS
    8. Oktober 2024

    Am 16.10., 15-16:30 Uhr lädt der Gesundheitsausschuss des Bundestags zu einer Expertenanhörung zum „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der öffentlichen Gesundheit“ ein.
    Die Anhörung soll voraussichtlich im Parlamentsfernsehen übertragen werden.

    Ich hoffe, dass da noch schlagkräftige Punkte kommen, die die Parlamentarier dann noch im Entwurf ändern pro Public Health.

  13. #16 Joseph Kuhn
    13. Oktober 2024

    „Sektorale Selbstverwaltung“

    Beim Observer Gesundheit ist heute ein Beitrag von Robert Paquet über das Verhältnis der Kassenarten zum GKV-SV erschienen: https://observer-gesundheit.de/gkv-spitzenverband-vor-kuenftigen-herausforderungen/

    So könnte man die Kritik des ExpertInnenrats an der „sektoralen Selbstverwaltung“ auch lesen. Aber von einigen Ausnahmen abgesehen, dürfen die meisten Mitglieder des ExpertInnenrats dazu, was Robert Paquet beschreibt und was das für die Resilienz des Gesundheitswesens bedeutet, nur bedingt diskussionsfähig sein.