Im Zusammenhang mit der aktuellen Wirtschaftsflaute wird derzeit viel über die Bürokratiekosten diskutiert. Keine Frage, manches an unnötiger Bürokratie könnte man abbauen. Es müssen ja nicht gleich wichtige Arbeitsschutz- und Umweltschutzvorschriften sein, sonst steigen nach einiger Zeit die Kosten an anderer Stelle.
Ein zweites Thema ist letzte Woche hochgekocht: Die Krankenversicherungsbeiträge. Dem sog. „GKV-Schätzerkreis“ zufolge wird der durchschnittliche Zusatzbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung wohl um 0,8 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent ansteigen. Das ist ein ziemlich großer Sprung, der auch die Wirtschaft spürbar belastet.
Karl Lauterbach wirbt daher für seine Reformen – obwohl die nach Ansicht der Krankenkassen die Beiträge eher weiter steigen lassen als sie zu senken. Gut, wenn das BIPAM und das Herzgesetz uns dereinst wirklich viel gesünder machen sollten, dann wird es wohl so kommen, wie es sich Karl Lauterbach wünscht.
Der Gesundheitsökonom Hartmut Reiners, dessen lesenswertes Buch „Die ökonomische Vernunft der Solidarität“ ich hier vor einem Jahr kurz vorgestellt hatte, teilt in einem Kommentar auf Makroskop die Skepsis der Krankenkassen, was Lauterbachs Kostensenkungserwartungen angeht:
„Das ist nicht nur ein frommer Wunsch, sondern auch verlogen, weil er mit seiner Politik den Krankenkassen bewusst zusätzliche Kosten aufbürdet.“
Er weist hier insbesondere auch auf die möglicherweise verfassungswidrige Beteiligung der GKV am Transformationsfonds für die Krankenhausreform hin. Strukturinvestitionen sind eigentlich nicht Aufgabe der GKV. Dass die PKV außerdem gar nicht mitfinanzieren soll, ist nochmal ein ganz pikanter eigener Punkt.
Schließlich kommt Reiners auch noch auf ein Einsparpotential zu sprechen, das Lauterbach, sei es aus Rücksicht auf die PKV, sei es aus Gründen des Koalitionsfriedens, bewusst nicht anspricht:
„Modellrechnungen haben ergeben, dass der durchschnittliche Beitragssatz in der GKV rein rechnerisch um über drei Prozentpunkte sinken würde, wenn alle Deutschen in der GKV versichert wären und die Beitragsbemessungsgrenze auf das in der Rentenversicherung geltende Niveau angehoben würde.“
Heinz Rothgang und Dominik Domhoff kamen beispielsweise zu solchen Befunden, die Studie ist schon etwas älter, aber vom Grundsatz her noch gültig. Reiners fragt sich, ob die Arbeitgeberverbände daher nicht für eine Bürgerversicherung eintreten müssten, damit ihre Belastung durch Sozialabgaben sinkt, und macht das Weltbild der Arbeitgeberseite dafür verantwortlich, dass sie hier gegen ihr ökonomisches Interesse handeln. So könnte man analog zu den Bürokratiekosten auch einmal „Ideologiekosten“ diskutieren. Auch da bieten sich noch viele andere Sparmöglichkeiten.
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