Sie haben es vielleicht nicht bemerkt, aber gestern ist die 5. Stellungnahme des ExpertInnenrats „Gesundheit und Resilienz“ veröffentlicht worden. Es geht um Klimawandel und Gesundheit.
Das Grundproblem bei dem Thema steht schon in den ersten zwei Sätzen der Stellungnahme:
„Der Klimawandel ist die zentrale Herausforderung für unsere Gesundheit im 21. Jahrhundert. Das Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Gesundheit entwickelt sich in Deutschland jedoch nur zögerlich.“
Ebenso zögerlich entwickelt sich nämlich auch das Verständnis dafür, dass man wirklich etwas tun muss – und vielleicht entwickelt sich dieses Verständnis im Moment sogar zurück: Kaputte Infrastruktur, Ukrainekrieg, Nahost-Krieg, Wohnungsnot usw. – man hat gerade andere Sorgen, in der Bevölkerung wie in der Politik.
Die Stellungnahme beschreibt sehr verständig eine umfassende Perspektive auf den Zusammenhang von Klimawandel und Gesundheit. Die Empfehlungen sind auch nicht verkehrt. Sie reichen von der stärkeren Verankerung gesunder Umwelten als Staatsaufgabe in den Rechtsnormen über den Vorschlag einer interministeriellen Arbeitsgruppe beim Bundeskanzleramt bis hin zu einem themenspezifischen Berichtswesen und mehr interdisziplinärer Forschung.
Reizthemen wie die Zukunft des Klima- und Transformationsfonds, der zögerliche Ausstieg aus den fossilen Energien, Konsequenzen aus dem Klimaschutzurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021, die Debatte um das „Verbrenner-Aus“ oder – es wäre zumindest ein Symbol von ernsthafter Handlungsbereitschaft – ein Tempo-Limit, kommen in der Stellungnahme nicht vor. Ebenso werden die bei diesem Thema eminent wichtigen Fragen der internationalen Zusammenarbeit nicht angesprochen. Kapitalismuskritik war von einem Regierungsgremium ohnehin nicht zu erwarten.
Die „zentrale Herausforderung für unsere Gesundheit im 21. Jahrhundert“ wird ein bisschen nach dem Motto abgehandelt, entschuldigen Sie bitte, wir hätten ein wichtiges Anliegen, aber wir wollen nicht stören. Das wird nicht reichen, wenn der ExpertInnenrat meint, „dass wir dringend ein schnelles und solidarisches Handeln von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft benötigen, um die Klimaziele zu erreichen und die Folgen des Klimawandels zu bewältigen.“
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Zum Weiterlesen:
• Weltklimarat: Berichte des IPCC
• Ulrike Hermann (2022) Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden. Köln.
• Jörg Alt (2022) Widerstand! Gegen eine Wirtschaft, die tötet. Münsterschwarzach.
• Nancy Fraser (2023) Der Allesfresser. Wie der Kapitalismus seine eigenen Grundlagen verschlingt. Frankfurt.
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