Der VW-Konzern hat 2023 einen Rekordgewinn erzielt, ein operatives Ergebnis in Höhe von 22,6 Mrd. Euro:

Im Geschäftsbericht 2023 kann man nachlesen:

„Von Januar bis Dezember 2023 übertrafen die Umsatzerlöse des Volkswagen Konzerns mit 322,3 Mrd. € den Vorjahreswert um 15,5 %. Wesentliche Gründe hierfür waren das gestiegene Volumen sowie die positive Entwicklung in der Preispositionierung und im Mix.“

Dementsprechend wurden Spitzendividenden ausgeschüttet, von 2021 bis 2023 waren es mehr als 22 Mrd. Euro.

2024 schien es zunächst so weiterzugehen. Im ersten Halbjahr 2024 lag das operative Ergebnis des Konzerns bei 10,1 Mrd. Euro. Pressemitteilung am 1.8.2024:

„Die Volkswagen Group erwartet, dass die Umsatzerlöse des Konzerns das Vorjahr um bis zu 5% übertreffen. Die operative Umsatzrendite für den Konzern und den Bereich Pkw wird voraussichtlich zwischen 6,5 und 7% liegen.“

Keine drei Monate später erschüttern, wie aus heiterem Himmel, Nachrichten die Republik, dass der Konzern in der größten Krise seiner jüngeren Geschichte sei. Der Vorstand will mindestens drei Werke in Deutschland schließen und bis zu 30.000 Stellen abbauen, die verbleibenden Beschäftigten sollen bis zu 20 % weniger verdienen. VW wird in den Medien als „Sanierungsfall“ bezeichnet.

Wie passen diese Nachrichten zusammen? Im Wesentlichen dadurch, so die Medienberichte, dass vor allem die Kernmarke VW in der Krise ist, sie sei schon seit Jahren ein „Sorgenkind“. Aber richtig rund läuft es auch bei Audi nicht und auch von der europäischen Autoindustrie insgesamt hört man derzeit wenig Erfolgsmeldungen. Schon in den letzten Wochen haben zudem auch Zulieferer Stellenabbau angekündigt.

In Deutschland gilt die Autoindustrie, wie es so schön heißt, als „Schlüsselindustrie“, mit vielen Zulieferern, die zusammen hunderttausende Menschen beschäftigen und von denen ganze Regionen abhängig sind. Insofern ist es nachzuvollziehen, dass die Politik regelrecht in Panik geraten ist. Friedrich Merz macht die Politik, sprich die Ampel verantwortlich, Markus Söder hat einen „Auto-Marshallplan“ gefordert. Hilft das?

VW hat immer wieder schwere Krisen erlebt, beispielsweise galt das Unternehmen Anfang der 1990er Jahre schon einmal als Sanierungsfall, und der Abgasskandal hat VW vor 10 Jahren auch schwer getroffen. Bisher ging es danach immer wieder aufwärts. Diesmal auch? Wenn ja, wie? Mit weniger Umweltauflagen? Rückkehr zum Russen-Gas? Oder mehr E-Autos? Mit Lohnverzicht und Sozialabbau? Steuersenkungen? Staatshilfen? Können die konkurrierenden Gipfeltreffen von Scholz und Lindner mit den Spitzenvertretern der Wirtschaft Antworten liefern? Fragen zur Mobilität der Zukunft und damit verbunden der Wirtschaftsstruktur Deutschlands gehen uns eigentlich alle an. Wird man uns auch fragen? Sollte man uns fragen?

Kommentare (16)

  1. #1 hto
    wo die wettbewerbsbedingte Symptomatik ...
    30. Oktober 2024

    Sind technokratische Lösungen besser als menschliche?

  2. #2 RPGNo1
    30. Oktober 2024

    Söder fordert einen Auto-Marschallplan. Sein Ratschlag? Der Staat solle einfach alle Antriebsformen massiv subventionieren

    1. Aufhebung des Verbrennerverbotes in der EU und absolute Technologieoffenheit.
    2. Aussetzung aller CO2-Strafzahlungen und keine Zölle auf Autos.
    3. Wiedereinführung der Prämie für Elektroautos in Deutschland und auch für den Export.
    4. Verbilligter Ladestrom für E-Autos in Deutschland und kostenloses Parken für E-Autos in Innenstädten nach bayerischem Vorbild (Bayern plant 3 Stunden gratis)
    5. Ein Transformationsfonds für alle Auto-Zulieferer in Deutschland.

    https://x.com/Markus_Soeder/status/1850917854486442039

  3. #3 Joseph Kuhn
    30. Oktober 2024

    Die Süddeutsche zu VW

    In einem Kommentar zur VW-Krise kann man heute in der Süddeutschen solches lesen:

    “Der Kapitalismus ist gemein. Er fragt nicht danach, wer die Fehler gemacht hat, wer das Chaos verursacht hat.”

    Der Kapitalismus ist nicht gemein und er fragt nach gar nichts. Aber wir können Fragen stellen.

    “Der Kapitalismus blickt immer nur nach vorn.”

    Dann würde er nicht so viel Unheil anrichten. Er blickt nirgendwo hin. Er hat nicht mal Augen. Wir können nach vorn blicken, aber auch zurück, um aus Fehlern zu lernen.

    “Die VW-Arbeiterinnen und -Arbeiter haben über Jahrzehnte hinweg ihre Aufgaben erledigt (…). Das all das nicht funktioniert hat (…), ist nicht ihre Schuld. Ihre Jobs verlieren oder einen Teil ihres Lohns einbüßen werden sie trotzdem.”

    Isso. Ein Naturgesetz. Oder Bosheit, weil der Kapitalismus ja so gemein ist. “Funktioniert” hat das Autobauen bei VW übrigens sehr gut, wo kämen sonst die Dividenden her, zuletzt noch im Sommer mehrere Milliarden?

    “Volkswagen hat sich lange gegen den Kapitalismus gestemmt, zumindest gegen dessen Reinform. Die Marktwirtschaft, wie VW sie lebte, war tatsächlich eine soziale.”

    Ob damit die früheren Geschäfte mit Diktaturen in Südamerika gemeint sind, oder das Brutalo-Management von Lopez? Oder der Abgasbetrug vor 10 Jahren? Dubiose Engagements in der Uigurenregion in China?

    Und was bitte soll die “Reinform” des Kapitalismus sein? Javier Mileis Verständnis von Wirtschaft?

    “Gute Arbeitsplätze sind kein Selbstzweck, es gibt sie nur bei guten Unternehmen – und die müssen am Weltmarkt mithalten können.”

    Friseurläden, Metzgereien und lokal orientierte Landwirte gehören also nicht dazu, Krankenhäuser oder Kommunalverwaltungen schon gar nicht, das sind schließlich eh Kostgänger derer, die echte Leistungen erbringen, auf dem Weltmarkt.

    “Doch jetzt hilft nur: Der Blick nach vorn.”

    Oder doch der Blick zurück, auf Fehler, die gemacht wurden? Blind volle Kraft voraus ist kein Blick nach vorn, sondern dummes Geschwätz, wie der ganze Kommentar in der Süddeutschen. Das ist wirtschaftsjournalistische Phrasendrescherei ohne Sinn und Verstand.

  4. #4 Robert
    30. Oktober 2024

    Hat Söder schon erwähnt, wo die Finanzmittel für diese und andere von ihm geforderte Maßnahmen herkommen sollen? Ich würde in den Medien gerne einmal den Schlusssatz lesen: “Die Frage der Finanzierung ließ Politiker X offen.”.

  5. #5 N
    30. Oktober 2024

    Mit der skandalträchtigen Überschrift VW-Desaster wird man dem tatsächlichen Geschehen nicht gerecht.
    Tatsache bleibt nach google: Seit Januar 2024 wurden in der Europäischen Union insgesamt rund 7,99 Millionen Pkw neu zugelassen. Im selben Zeitraum des Vorjahres waren es rund 7,94 Millionen.
    Der Anteil von Leasingfahrzeugen bei den Neuzulassungen liegt bei 70 %, der Anteil von Geschäftswagen liegt bei über 60 %.

    Das Problem von Umsatzeinbrüchen ist nicht den Fehlern bei VW geschuldet sondern eine Kaufzurückhaltung bei den Firmen europaweit.
    Übrigens liegt Deutschland bei dieser Kaufzurückhaltung noch im unteren Bereich im Vergleich zu anderen EU Ländern.

    Wir haben es mit einer allgemeinen Rezession oder aber nur mit einer Furcht vor einer Rezession zu tun, die bei den Neuzulassungen von KFZ sichtbar wird.

  6. #6 hto
    30. Oktober 2024

    @Kuhn: “Blind volle Kraft voraus ist kein Blick nach vorn, sondern dummes Geschwätz, wie der ganze Kommentar in der Süddeutschen. Das ist wirtschaftsjournalistische Phrasendrescherei ohne Sinn und Verstand.”

    Was Du über den Kapitalismus geschrieben hast ist in Ordnung, aber wo und wie Du die Entwicklung siehst ist mir anhand der Erfahrungen mit Dir hier weiter schleierhaft.

    • #7 Joseph Kuhn
      30. Oktober 2024

      @ hto:

      “Was Du über den Kapitalismus geschrieben hast ist in Ordnung”

      Jetzt werden Sie fast ein bisschen unheimlich.

      “wo und wie Du die Entwicklung siehst ist mir anhand der Erfahrungen mit Dir hier weiter schleierhaft.”

      Noch unheimlicher, wir haben etwas gemeinsam. Die weitere Entwicklung ist mir selbst schleierhaft. Der viel zitierte Spruch, dass wir uns das Ende der Welt eher vorstellen können als ein Ende des Kapitalismus, enthält leider viel Wahrheit.

  7. #8 Staphylococcus rex
    30. Oktober 2024

    Aus meiner Sicht hat VW lange überfällige Strukturreformen verschlafen, deshalb muss es jetzt auf die schnelle und brutale Art gehen. Überkapazitäten von 500 000 Fahrzeugen/Jahr bedeuten immer auch Arbeitsplatzverluste. Die wirklich spannende Frage ist aus meiner Sicht, wie die Lasten dieser Strukturreformen verteilt werden. Die gleiche Bescheidenheit, die von den Mitarbeitern verlangt wird, darf auch den Managern und Eigentümern zugemutet werden. Das bedeutet, dass für einen abgesprochenen Zeitraum alle Gewinne reinvestiert werden sollten. In einer derartigen Situation ist Kooperation für alle Beteiligten die beste Strategie, ein langer Streik würde auch den Managern und Eigentümern schaden.

    Und es würde auch helfen, wenn VW seinen politischen Einfluß dafür nutzen würde, die Rahmenbedingungen für den Wechsel zur Elektromobilität zu schaffen. Wer zu sehr an alten Technologien hängt, sollte sich das Schicksal der Firma Kodak anschauen.

  8. #9 hto
    30. Oktober 2024

    @Kuhn: “Der viel zitierte Spruch, dass wir uns das Ende der Welt eher vorstellen können als ein Ende des Kapitalismus, enthält leider viel Wahrheit.”

    Tja, die Unwahrheit über das “Ende der Welt”, die mit der Fehlentwicklung der Religionen beginnt und in den Glauben an den “freiheitlich”-konfusen Wettbewerb mündet, treibt über die Evangelikalen in den USA mächtige Blüten, so dass die Trump inzwischen überhaupt nicht brauchen.

  9. #10 N
    30. Oktober 2024

    …rex
    “Aus meiner Sicht hat VW lange überfällige Strukturreformen verschlafen”
    und die wären ?
    Eine Überkapazität von 500 000 Fahrzeugen entsprechen etwa 5 % der Gesamtproduktion.
    VW hatte ja mit einem Wachstum gerechnet,
    und es ist noch nicht abzusehen wohin die Reise geht.
    Der zweitgrößte Konzern in Europa ist Stellantis und die ,haben mit desaströßen Einbußen zu kämpfen, weil deren USA Verkauf eingebrochen ist.
    Der nächste ernstzunehmende Konkurrent in Europa ist Renault und die haben tatsächlich das Elektroautogeschaft nicht verschlafen, deren E-Autos sind modern und qualitativ mit den VW s zu vergleichen

    Meine Meinung, solche Katastrophenüberschriften kommen den VW Oberen auch gerade recht, wenn Lohnverhandlungen anstehen.

  10. #11 RPGNo1
    30. Oktober 2024

    @Robert

    Hat Söder schon erwähnt, wo die Finanzmittel für diese und andere von ihm geforderte Maßnahmen herkommen sollen?

    Söder lässt Aiwanger einfach lange genug Stroh fressen, damit der dann Goldstücke von vorne und hinten von sich gibt. 😉

  11. #12 VP
    30. Oktober 2024
  12. #13 Joseph Kuhn
    30. Oktober 2024

    China will E-Autos

    Gewinneinbruch bei VW: https://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2024-10/volkswagen-gewinneinbruch-fast-64-prozent

    Gewinneinbruch bei Mercedes-Benz: https://www.focus.de/finanzen/boerse/quartalszahlen-veroeffentlicht-mercedes-benz-erleidet-massiven-gewinneinbruch-nach-schwachem-absatz-in-china_id_260423720.html

    BMW-Absatz bricht ein: https://www.welt.de/wirtschaft/article253941654/BMW-und-Mercedes-unter-Druck-Absatz-bricht-vor-allem-in-China-ein.html

    Audi-Absatz in China belastet VW: https://www.manager-magazin.de/unternehmen/autoindustrie/volkswagen-konzern-verkauft-im-zweiten-quartal-weniger-autos-audi-absatz-bricht-ein-a-decb73a0-f306-4217-a813-d42272157f42

    Also Schluss mit CO2-Strafen und Verbrenner-Aus. Das wird die Chinesen Mores lehren! Schließlich hat schon Max Weber vor über 100 Jahren gesagt, dass der Kapitalismus “den Lebensstil aller Einzelnen (…) mit überwältigendem Zwange bestimmt und vielleicht bestimmen wird, bis der letzte Zentner fossilen Brennstoffs verglüht ist.” (Die protestantische Ethik I, hg. von J. Winckelmann, 8. Aufl. 1991, S. 188). Daran werden sich auch die Chinesen zu halten haben!

  13. #14 naja
    30. Oktober 2024

    “Der viel zitierte Spruch, dass wir uns das Ende der Welt eher vorstellen können als ein Ende des Kapitalismus, enthält leider viel Wahrheit.”
    Auf der anderen Seite auch wieder nicht. Star Trek zum Beispiel würde ich als ausgezeichnetes Beispiel einer Vorstellung des Endes des Kapitalismus bezeichnen. Ich bin in der Star Trek- Ökonomieie aber nicht wirklich bibelfest, man möge mich korrigieren.

    • #15 Joseph Kuhn
      30. Oktober 2024

      @ naja:

      “Star Trek zum Beispiel würde ich als ausgezeichnetes Beispiel einer Vorstellung des Endes des Kapitalismus bezeichnen.”

      Das umfassende Lehrbuch der Star-Trek-Ökonomie ist leider noch nicht publiziert, das erschwert die praktische Umsetzung doch erheblich. 😉

      Ebenso unbekannt sind die Triebkräfte der Zylonen-Ökonomie. Science fiction hilft also erst mal nicht weiter.

      Hoffentlich fällt uns wenigstens noch etwas besseres ein als Voodoo-Ökonomie nach dem Muster “Die Grünen sind schuld”.

  14. #16 Joseph Kuhn
    30. Oktober 2024

    Ferdinand Dudenhöfer zum Thema

    Interessanterweise kommen in den Krisen-Statements der diversen Experten immer wieder Aussagen zur Funktionsweise des Kapitalismus zum Vorschein, die man sonst nicht so unverblümt hört. Ferdinand Dudenhöfer sagt z.B. in einem ZDF-Interview:

    “In Deutschland, da brechen die Brücken zusammen. In Deutschland ist die Bahn unvorstellbar schlecht. In Deutschland haben wir die höchsten Energiepreise der Welt. Wir könnten das fortsetzen. Also Deutschland ist ein riesiges Sanierungsproblem.”

    Das ist völlig richtig. Jetzt fragt man sich nur, wer in Deutschland den Staat in diese Sanierungsfalle getrieben hat, ob das nicht doch auch etwas mit Steuerpolitik, Schuldenbremse usw. zu tun hat?

    “Und deshalb hat VW in Deutschland ein Problem.”

    Damit wäre die Schuldfrage geklärt. Dass die Auto-Konzerne die Regierung jahrelang angehalten haben, in der EU die Verbrennertechnologie offen zu halten, kein Interesse am Ausbau einer Ladesäuleninfrastruktur hatten, sich trotz aller “De-Risking”-Mahnungen weiter von China abhängig gemacht haben, weil dort die Profite so schön waren usw. usw. – egal, der Staat ist schuld.

    “Die Arbeitsplätze sind ein Problem, das die deutschen Politiker zu lösen haben. Die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie in Deutschland sind nicht das Problem der Autobauer und sind nicht das Problem der Zulieferer.”

    Da fällt jede Maske der Corporate social responsibility. Das hätten Milton Friedman & Co. nicht schöner sagen können. Genauso ist es auch mit den Umweltfolgen des Wirtschaftens. Das ist doch nicht das Problem der Industrie. Wird externalisiert, fertig. Zumindest, so lange sich das mit Hilfe von Lobbyisten und Thinktanks so machen lässt.

    Und am Ende kommt fast schon so etwas wie Investitionslenkung, geradezu sozialistische Schriftzüge an der Wand:

    “Wir brauchen eine langfristig strategische Ausrichtung unserer Industrie- und Forschungspolitik.”

    Da werden stabile Rahmenbedingungen durch Zukunftswissen angemahnt, das der Staat doch, wie es sonst immer heißt, nicht hat, das sei eine “Anmaßung von Wissen” (v. Hayek). Allein das Wort “Industriepolitik” – es gehörte für viele Wirtschaftsvertreter, und gehört es teilweise noch heute, in das Wörterbuch des Teufels, wie “Mitbestimmung” oder “Kündigungsschutz”. Aber wenn man einen Schuldigen braucht …

    Nun denn, vielleicht hätten wir doch alle etwas mitzureden?