Am 23. Februar 2025 findet die Ampelerbenwahl statt. Aber wen soll man wählen? Zumindest bei den Spitzenkandidaten der bisher in Bund oder Land staatstragenden Parteien – fast alles Männer übrigens, niemand mit Migrationshintergrund, nicht mal ein Franke – fragt man sich schon, wofür sie stehen und für was sie besondere Anerkennung verdienen:

Olaf Scholz

• Für passgenaue Erinnerungslücken in Sachen Warburg-Bank und Cum-Ex?
• Für seine Unterstützung dafür, dass große Immobilienunternehmen keine Erbschaftssteuer zahlen müssen, obwohl der Bundesfinanzhof das fordert?
• Für seine unklare Rolle im Wirecard-Skandal?

Friedrich Merz

• Für vorgespielte Wirtschaftskompetenz, z.B. in Sachen Liquiditätsfalle?
• Für Verdienste um den deutschen Weihnachtsbaum?
• Für seine Wendigkeit beim Thema Schuldenbremse?

Robert Habeck

• Für sein engagiertes Eintreten für die Wissenschaft, wenn es gerade passt?
• Für die gelungene Verängstigung Deutschlands durch sein Heizungsgesetz?
• Für den effektiven Einsatz des Bücklings gegenüber Autokraten?

Christian Lindner

• Für seine Verhaltensstarre in Sachen Schuldenbremse?
• Für Liberalität in kirchlichen Angelegenheiten?
• Für den Mut zum Scheitern selbst beim geplanten Scheitern?

Alexander Dobrindt

• Für seinen Einsatz für die Maut?
• Für eine nachaltige Bahnpolitik?
• Für die schönen Karo-Anzüge, die er mal trug?

Hubert Aiwanger

• Für seinen wunderschönen Dialekt?
• Für das Zurückholen der Demokratie?
• Für seinen Bruder?

Jan van Aken und Heidi Reichinnek

• Für Flexibilität in Sachen Mandatszeitbegrenzung?
• Für gleich zwei ohne Chancen?
• Für ein Gegengewicht gegen drei alte weiße Männer?

Gut, das war ein etwas polemisches Kandidaten-Speed-Dating. Eine gewisse Ratlosigkeit kann ich trotzdem nicht verbergen. Zumal man gerne mit seiner Stimme nicht irgendwas kriegen möchte, auch wenn Anton Hofreiter meint, damit müsse man zufrieden sein.

Aber nicht zur Wahl gehen, macht die Sache nicht besser. Jenseits der Spitzenkandidaten – fast alles Männer übrigens, sagte ich das schon? – kann man sich auch die Wahlprogramme nochmal ansehen, an den Wahlkampfständen mit den tapferen Wahlkämpfer:innen (da werden mehr Frauen dabei sein) reden und vielleicht am Ende noch den Wahl-O-Mat bemühen. Dann sein Kreuzchen machen und sich vornehmen, sich endlich mehr am demokratischen Alltagsgeschäft zu beteiligen als nur mit dem Kreuzchen am Wahltag.

Kommentare (3)

  1. #1 Ludger
    29. November 2024

    Von den aufgeführten Herrschaften kann ich leider nur Herrn Merz wählen, weil die anderen nicht bei mir auf dem Wahlzettel stehen werden.
    Sie zitieren zum Thema Merz die Süddeutsche Zeitung, die sich selber als linkes Gegengewicht zur CSU sieht. Außerdem ein Statement von Herrn Bofinger zu dem bei Wikipedia nachzulesen ist:

    Staatliche Industriepolitik

    Im August 2017 veröffentlichte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung einen Gastbeitrag Bofingers, in dem er unter Berufung auf Mariana Mazzucato die These vertrat, dass staatliche Industriepolitik den technischen Fortschritt mehr fördere als der freie Wettbewerb.[19] Eine Woche später kritisierten die übrigen vier Mitglieder des Sachverständigenrates seine dort geäußerten Thesen und bescheinigten ihm, er verstehe nichts von Ökonomie.

    Ach, in der Demokratie gibt es so viele Meinungen. Man weiß schier nicht, was man glauben soll. Schwierige Entscheidung.

  2. #2 Staphylococcus rex
    29. November 2024

    In der Liste der Kanzlerkandidaten fehlt noch Frau Weidel:
    https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/kanzlerkandidaten-bundestagswahl-100.html
    Man kann sich seine Verwandtschaft nicht aussuchen, aber zumindest hat sich Frau Weidel nach meiner Kenntnis nie in der Öffentlichkeit mit ihrem schwarzbraunen Familienerbe auseinandergesetzt (Quelle: Wikipedia):
    “Weidels Familie stammt väterlicherseits aus Leobschütz in Oberschlesien. Weidels Großvater Hans Weidel war ein promovierter Jurist und NS-Funktionär. Er trat Ende 1932 in die NSDAP und im Januar 1933 in die SS ein. Als „treuer Anhänger der Bewegung“ kandidierte er 1937 auf Empfehlung der NS-Bürgen für das Amt des Landrats in Neustadt.[1] Ab 1941 war er als Heeresrichter einer von 3.000 Richtern der NS-Militärjustiz und ab 1944 Oberstabsrichter.[2] ”
    https://de.wikipedia.org/wiki/Alice_Weidel

  3. #3 Joseph Kuhn
    29. November 2024

    @ Staphylococcus rex:

    “In der Liste der Kanzlerkandidaten fehlt noch Frau Weidel”

    In meiner Liste fehlt sie nicht, sie umfasst nur die Spitzenkandidaten “der bisher in Bund oder Land staatstragenden Parteien”. Dazu gehört die AfD nicht, sie war bisher in keiner Regierung auf Bundes- oder Landesebene beteiligt.

    “Weidels Familie”

    Das passt dann immerhin. Promoviert hat sie bei Peter Oberender, der den Armen mal empfohlen hat, sie könnten ja ihre Organe verkaufen.

    @ Ludger:

    Zumindest hat es immer etwas erheiterndes, wenn sich Mitglieder des Wirtschafts-Sachverständigenrats gegenseitig attestieren, keine Ahnung zu haben. Das legt Fragen zur Wissenschaftlichkeit der Volkswirtschaftslehre insgesamt nahe.