Am 23. Februar 2025 findet die Ampelerbenwahl statt. Aber wen soll man wählen? Zumindest bei den Spitzenkandidaten der bisher in Bund oder Land staatstragenden Parteien – fast alles Männer übrigens, niemand mit Migrationshintergrund, nicht mal ein Franke – fragt man sich schon, wofür sie stehen und für was sie besondere Anerkennung verdienen:

Olaf Scholz

• Für passgenaue Erinnerungslücken in Sachen Warburg-Bank und Cum-Ex?
• Für seine Unterstützung dafür, dass große Immobilienunternehmen keine Erbschaftssteuer zahlen müssen, obwohl der Bundesfinanzhof das fordert?
• Für seine unklare Rolle im Wirecard-Skandal?

Friedrich Merz

• Für vorgespielte Wirtschaftskompetenz, z.B. in Sachen Liquiditätsfalle?
• Für Verdienste um den deutschen Weihnachtsbaum?
• Für seine Wendigkeit beim Thema Schuldenbremse?

Robert Habeck

• Für sein engagiertes Eintreten für die Wissenschaft, wenn es gerade passt?
• Für die gelungene Verängstigung Deutschlands durch sein Heizungsgesetz?
• Für den effektiven Einsatz des Bücklings gegenüber Autokraten?

Christian Lindner

• Für seine Verhaltensstarre in Sachen Schuldenbremse?
• Für Liberalität in kirchlichen Angelegenheiten?
• Für den Mut zum Scheitern selbst beim geplanten Scheitern?

Alexander Dobrindt

• Für seinen Einsatz für die Maut?
• Für eine nachaltige Bahnpolitik?
• Für die schönen Karo-Anzüge, die er mal trug?

Hubert Aiwanger

• Für seinen wunderschönen Dialekt?
• Für das Zurückholen der Demokratie?
• Für seinen Bruder?

Jan van Aken und Heidi Reichinnek

• Für Flexibilität in Sachen Mandatszeitbegrenzung?
• Für gleich zwei ohne Chancen?
• Für ein Gegengewicht gegen drei alte weiße Männer?

Gut, das war ein etwas polemisches Kandidaten-Speed-Dating. Eine gewisse Ratlosigkeit kann ich trotzdem nicht verbergen. Zumal man gerne mit seiner Stimme nicht irgendwas kriegen möchte, auch wenn Anton Hofreiter meint, damit müsse man zufrieden sein.

Aber nicht zur Wahl gehen, macht die Sache nicht besser. Jenseits der Spitzenkandidaten – fast alles Männer übrigens, sagte ich das schon? – kann man sich auch die Wahlprogramme nochmal ansehen, an den Wahlkampfständen mit den tapferen Wahlkämpfer:innen (da werden mehr Frauen dabei sein) reden und vielleicht am Ende noch den Wahl-O-Mat bemühen. Dann sein Kreuzchen machen und sich vornehmen, sich endlich mehr am demokratischen Alltagsgeschäft zu beteiligen als nur mit dem Kreuzchen am Wahltag.

Kommentare (40)

  1. #1 Ludger
    29. November 2024

    Von den aufgeführten Herrschaften kann ich leider nur Herrn Merz wählen, weil die anderen nicht bei mir auf dem Wahlzettel stehen werden.
    Sie zitieren zum Thema Merz die Süddeutsche Zeitung, die sich selber als linkes Gegengewicht zur CSU sieht. Außerdem ein Statement von Herrn Bofinger zu dem bei Wikipedia nachzulesen ist:

    Staatliche Industriepolitik

    Im August 2017 veröffentlichte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung einen Gastbeitrag Bofingers, in dem er unter Berufung auf Mariana Mazzucato die These vertrat, dass staatliche Industriepolitik den technischen Fortschritt mehr fördere als der freie Wettbewerb.[19] Eine Woche später kritisierten die übrigen vier Mitglieder des Sachverständigenrates seine dort geäußerten Thesen und bescheinigten ihm, er verstehe nichts von Ökonomie.

    Ach, in der Demokratie gibt es so viele Meinungen. Man weiß schier nicht, was man glauben soll. Schwierige Entscheidung.

  2. #2 Staphylococcus rex
    29. November 2024

    In der Liste der Kanzlerkandidaten fehlt noch Frau Weidel:
    https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/kanzlerkandidaten-bundestagswahl-100.html
    Man kann sich seine Verwandtschaft nicht aussuchen, aber zumindest hat sich Frau Weidel nach meiner Kenntnis nie in der Öffentlichkeit mit ihrem schwarzbraunen Familienerbe auseinandergesetzt (Quelle: Wikipedia):
    “Weidels Familie stammt väterlicherseits aus Leobschütz in Oberschlesien. Weidels Großvater Hans Weidel war ein promovierter Jurist und NS-Funktionär. Er trat Ende 1932 in die NSDAP und im Januar 1933 in die SS ein. Als „treuer Anhänger der Bewegung“ kandidierte er 1937 auf Empfehlung der NS-Bürgen für das Amt des Landrats in Neustadt.[1] Ab 1941 war er als Heeresrichter einer von 3.000 Richtern der NS-Militärjustiz und ab 1944 Oberstabsrichter.[2] ”
    https://de.wikipedia.org/wiki/Alice_Weidel

  3. #3 Joseph Kuhn
    29. November 2024

    @ Staphylococcus rex:

    “In der Liste der Kanzlerkandidaten fehlt noch Frau Weidel”

    In meiner Liste fehlt sie nicht, sie umfasst nur die Spitzenkandidaten “der bisher in Bund oder Land staatstragenden Parteien”. Dazu gehört die AfD nicht, sie war bisher in keiner Regierung auf Bundes- oder Landesebene beteiligt.

    “Weidels Familie”

    Das passt dann immerhin. Promoviert hat sie bei Peter Oberender, der den Armen mal empfohlen hat, sie könnten ja ihre Organe verkaufen.

    @ Ludger:

    Zumindest hat es immer etwas erheiterndes, wenn sich Mitglieder des Wirtschafts-Sachverständigenrats gegenseitig attestieren, keine Ahnung zu haben. Das legt Fragen zur Wissenschaftlichkeit der Volkswirtschaftslehre insgesamt nahe.

  4. #4 Robert
    29. November 2024

    An sich wählt man ja Parteien, keine Personen. Zu Wünschen übrig lässt weniger das staatliche System an sich, sondern eher die Prozesse, durch die Kandidaten in den Parteien nach oben gelangen. Warum Scholz? Warum März? Beide Parteien scheinen wie an Leichen gekettet, oder sagen wir mal etwas, das sie nicht gerade vorwärts zieht.

  5. #5 RPGNo1
    29. November 2024

    Warum es nicht einmal mit einer demokratischen Kleinpartei versuchen? Bei der Europawahl bin ich diesen Weg gegangen, weil mich keine der etablierten Parteien (dazu zähle ich auch die Linkenabspaltung BSW) überzeugt.

  6. #6 PDP10
    29. November 2024

    @Joseph Kuhn:

    wenn sich Mitglieder des Wirtschafts-Sachverständigenrats gegenseitig attestieren, keine Ahnung zu haben. Das legt Fragen zur Wissenschaftlichkeit der Volkswirtschaftslehre insgesamt nahe.

    Wenn das gegenseitige Vorwerfen von Inkompetenz unter Wissenschaftler/innen schon ein Kriterium wäre um die Wissenschaftlichkeit einer Wissenschaft in Frage zu stellen müsste man selbige bei so ziemlich jeder Wissenschaft in Frage stellen. Jüngstes Beispiel im Bereich Medizin beispielsweise der Beitrag von Herrn Sönnichsen nebenan.

    Aber davon ab:

    Ergänzend zu deinen Vorschlägen am Ende des Textes: Man könnte sich beispielsweise mal ansehen wer so als Direkt Kanditat/in für die Erststimme auf dem Wahlzettel aufgestellt ist und mal gucken ob man mit denen persönlich (Gott bewahre! Schräger Vorschlag, ich weiß!) reden kann – und sei es nur auf einer öffentlichen Veranstaltung in einem Bierzelt oder so. Das wären ja dann die Leute von denen eine/r dann im Bundestag sitzt. Ziemlich direkte Ansprache mit der Möglichkeit zum Erkenntnisgewinn, finde ich.

    Eine zweite Sache, die mir noch einfällt ist ein Ausschlusskriterium. Man wählt nicht aus Protest Faschisten oder Populisten. Wer Faschisten oder Populisten wählt, wählt nicht Protest sondern Faschisten und Populisten. Wer natürlich unbedingt Faschisten und Populisten wählen will, kann das von mir aus gerne tun. Muss sich dann hinterher aber bitte nicht beschweren nach dem allseits beliebten, deutschen Motto “ich hab ja nix gewusst!”.

    • #7 Joseph Kuhn
      30. November 2024

      @ PDP10:

      “Wenn das gegenseitige Vorwerfen von Inkompetenz unter Wissenschaftler/innen schon ein Kriterium wäre um die Wissenschaftlichkeit einer Wissenschaft in Frage zu stellen müsste man selbige bei so ziemlich jeder Wissenschaft in Frage stellen. Jüngstes Beispiel im Bereich Medizin beispielsweise der Beitrag von Herrn Sönnichsen nebenan.”

      Ein interessanter Punkt. Einerseits, natürlich, touché. Andererseits, vielleicht sind die Fälle nicht gleichgelagert, weil der Dissens im einen Fall auf unterschiedliche Schulen (Neoklassiker, Keynesianer, …) zurückgeht und der Schulenstreit in einen persönlichen Kompetenzvorwurf übersetzt wird, im anderen Fall der Dissens identitätspolitische Hintergründe hat, gar nicht unterschiedliche Schulen oder gar unterschiedliche Wissenschaftsparadigmen (wie z.B. zwischen behavioristischer und subjektwissenschaftlicher Psychologie).

      Aber die Diskussion sollte man drüben führen.

      “Man wählt nicht aus Protest Faschisten oder Populisten.”

      Meine Empfehlung wäre es jedenfalls nicht. Aber faktisch es leider oft so.

  7. #8 PDP10
    29. November 2024

    @RPGNo1:

    Warum es nicht einmal mit einer demokratischen Kleinpartei versuchen?

    Da bin ich ziemlich Zwiespältig. Eigentlich ist das eine verschenkte Stimme. Möglicherweise ist das sogar eine Stimme, die man einem Wahlsieger geschenkt hat, den man nicht haben wollte. (Das trifft übrigens auch auf Nichtwählen zu).
    Andererseits habe ich bei der Europawahl Volt gewählt, weil die die einzige Partei waren, die klar für Europa eingetreten sind und nicht für nationale und Klientelinteressen. Immerhin sitzen jetzt 5 Abgeordnete von denen im Europaparlament. Die Stimme war also nicht verschenkt. Allerdings nur, weil es bei der Europawahl keinen 5% Hürde gab.

  8. #9 RGS
    30. November 2024

    Tja, das Personal. Mit Ole Scholz tue ich mich schwer. Der sagt nicht was er will oder er weiß es nicht.
    Merz ist auch altes Denken. Lindner ist für mich verbrannt.
    Bei der SPD hoffe ich irgendwie noch auf Klingbeil. Er war immerhin der Wahlkampfmanager von Scholz, der ihn zum Kanzler gemacht hat. Das hatte keiner gedacht.
    „Mein Platz ist in Bayern-Söder“ hat ja bis 2019 – „als die Welt noch in Ordnung war“ – Richtung Grüne geschaut. Im Angesicht der Ampel musste er das drehen. Das wirkt natürlich sehr nach Fähnchen im Wind. Aber vielleicht ist da noch was zu hoffen.
    Die FDP -oder gar Lindner- hat Agnes S-Z in die EU entsorgt. Sie kann immerhin deutlich Position beziehen.
    Wüst wäre für mich der bessere Kanzlerkandidat der CDU gewesen oder auch Daniel Günther.
    Habeck hatte leider zu schlechte Berater für die Energiewende. Aber da ist bei den andren Parteien auch nichts besseres zu erwarten.

  9. #10 Spritkopf
    30. November 2024

    @PDP10

    dem allseits beliebten, deutschen Motto “ich hab ja nix gewusst!”.

    Welches jetzt gerade nochmal eine Schraubendrehung weiter angezogen wurde:

    “Wir und Nazis?? Neiheiiiin!!”

  10. #11 Naaja
    1. Dezember 2024

    Wer wirklich denkt, dass der Merz ihm was schenken wird, der soll mal überlegen, was er früher von der CDU geschenkt bekommen hat.

  11. #12 RPGNo1
    1. Dezember 2024

    @PDP10

    Eigentlich ist das eine verschenkte Stimme.

    Ich geb dir Recht. Einerseits.

    Andererseits wäre es eine echte Protestwahl, siehe deine Ausschlusskritierium in #6.

    Und andererseits: Die Piraten haben es Anfang der 2010 Jahre vorgemacht, wie man als kaum bekannte Partei in Landtage einzieht. Wenn sie es nicht vorgezogen hätten, sich in endlosen Nabelschauen und Flügelkriegen selbst zu zerstören, hätten wir heute eventuell eine echte liberale Alternative als Gegenpol zum BCL (Bündnis Christian Lindner).

  12. #13 Tina
    2. Dezember 2024

    Nachdem ich gestern Abend Christian Lindner bei Miosga gesehen habe, frage ich mich ernsthaft, wie die anderen in der Koalition es drei Jahre lang mit diesem Mann und seiner Partei ausgehalten haben. Eine übermenschliche Leistung…

    Der Auftritt von Lindner war fast schon zum Fremdschämen, wenn man denn Mitleid mit ihm hätte. Was hier nicht der Fall ist. Lindner hat permanent versucht, sich rauszureden, war dabei komplett unglaubwürdig und auch noch reichlich aggressiv. Dazu wie immer ignorant und arrogant. Einfach furchtbar und streckenweise kaum mitanzusehen.

    So richtig schlimm wurde es, als er anfing, über Bürgergeldempfänger zu sprechen. Ahnungslos und kaltschnäuzig wie nur irgendwas. Und als absolutes Highlight kam dann gegen Ende noch die Aussage von ihm, man müsse mehr Milei und Musk wagen. Also Anarchokapitalismus und rechtslibertäre Oligarchie aus Süd- und Nord-Amerika. Wtf!
    Wenn das seine politischen Freunde sind, dann gute Nacht FDP. Herr Baum müsste eigentlich schon längst ausgetreten sein.

    • #14 Joseph Kuhn
      2. Dezember 2024

      @ Tina:

      Auffällig fand ich, wie selbstmitleidig er war, eine sichtlich gekränkte Diva. Neben dem D-Day-Fiasko macht ihm vermutlich auch zu schaffen, dass ihm bei seinem zentralen Thema, Festhalten an der Schuldenbremse, auch viele “liberale” Ökonomen nicht folgen. Schularick hat ihn gestern ja sogar explizit als “Sicherheitsrisiko” bezeichnet.

      Interessant sind in dem Zusammenhang auch die Leserreaktionen nach Artikeln zur Miosga-Sendung in der WELT und in der ZEIT, beides Medien aus dem liberalen oder “bürgerlichen” Spektrum. Die Leser:innen des WELT-Artikels kritisieren eher Miosga, die der ZEIT eher Lindner.

      Das zeigt die Zerrissenheit im liberalen Spektrum, daher ist vermutlich auch die Diskussion um die Führungsrolle Lindners noch nicht vorbei.

  13. #15 Tina
    2. Dezember 2024

    @Joseph

    Lindner wirkt schon irgendwie angefasst, gekränkt. Finde es schlimm, dass er so aggressiv um sich schlägt, nach unten tritt, die Verantwortung für das unsägliche D-Day-Papier auf Mitarbeiter schiebt, sagt, er hätte es nicht “zur Kenntnis genommen” (haha!), was extrem unglaubwürdig ist und er auch ansonsten keinerlei Einsicht zeigt. Im Gegenteil, der ganze Auftritt gestern strotzte nur so von Selbstgerechtigkeit und Arroganz.

    Wenn man dann noch die Aussagen von Merz, Spahn und Linnemann z.B. zum Thema Bürgergeld gehört hat, kann es einen richtig gruseln. Man stelle sich vor, die würden es schaffen, eine Koalition zu bilden.
    Warum nur sind so oft solche kaltschnäuzigen Gestalten in solchen Positionen und haben Macht?

    Kommentare unter WELT-Artikeln lese ich nur ganz selten, eigentlich fast nie. Man muss sich ja noch eine gewisse Lebensfreude erhalten ;-).

    Um mal den Bogen zu schlagen, zu der Frage “Was soll man diesmal wählen?” meine Meinung: Eine Partei, die für einen starken Sozialstaat steht und mit aktivem staatlichem Handeln dafür sorgt, dass endlich in großem Stil in unsere Infrastruktur investiert wird. Das sind für mich aktuell die beiden wichtigsten Themen, mal so ganz knapp, Umweltschutz finde ich natürlich auch wichtig. Die allermeisten Parteien kommen für mich eh nicht Frage (rechts, libertär, populistisch und dergleichen) und am Ende bleibt immer nur eine übrig, die ich schon ewig wähle. Nicht immer begeistert, aber doch mehr als nur das kleinste Übel für mich. Hätte mir aber einen anderen Kanzlerkandidaten gewünscht (also Pistorius statt Scholz), weil ich Beliebtheit für nicht ganz unwesentlich halte, wenn man bei Wahlen gut abschneiden will.

  14. #16 naja
    2. Dezember 2024

    @Tina
    Die Wahlentscheidung sah und sieht bei mir ähnlich aus. Ich finde es dieses Mal aber besonders unangenehm, Steigbügelhalter für Merz zu wählen.

    Als Lindner Jamaica hat platzen lassen (um sich dann 4 Jahre später auf die für die FDP wesentlich schwierigere Ampel einzulassen, was auch schon imho kein Geniestreich war), hat Steinmeier an die SPD appelliert, sich wieder auf die Groko einzulassen, damit es keine Neuwahlen geben muss. Man kann der SPD viel vorwerfen, Verantwortung übernimmt sie und beisst auch mal in extrem saure Äpfel.

    Der Drops ist zwar gelutscht, aber ich finde, Steinmeier hätte auch an die CDU/CSU appellieren können, bis September 2025 als Juniorpartner eine Koalition mit der SPD einzugehen. Besonders wenn Söder alles andete sowieso ausschließt.

    Es hätte mich wirklich interessiert, was die gesagt hätten.

    • #17 Joseph Kuhn
      2. Dezember 2024

      @ naja:

      “Es hätte mich wirklich interessiert, was die gesagt hätten.”

      a) Solange der Wowereit sich mir nicht nähert, ist mir das egal?
      b) Besser nicht regieren, als falsch regieren?
      c) Politik bedeutet, was zu machen und nicht, Sprüche zu klopfen?
      d) Wer Lösungen in der Vergangenheit sucht, vergeht sich an der Zukunft unseres Landes?

  15. #18 RPGNo1
    2. Dezember 2024

    @Joseph Kuhn

    Die WELT ist konservativ, teils auch populistisch und libertär, wie man in der Coronapandemie sehen konnte, als immer wieder maßnahmenkritsche und coronaskeptische Positionen der FDP (über Kubicki) bzw. auch der AfD vertrten wurden.

    Die Zeit hingegen ist linksliberal und progressiv eingestellt. Letzteres bringt ihr immer wieder Vorwürfe aus rechter Ecke ein, sich den “Woken” anzudienen.

    • #19 Joseph Kuhn
      2. Dezember 2024

      @ RPGNo1:

      In der Tendenz könnte man das so einordnen. Lindner hat die FDP zwar in den Bundestag zurückgeführt, aber den ZEITnahen Flügel der Liberalen vernachlässigt. Das hat der FDP nicht gutgetan. Schade, weil die großen politischen Strömungen – liberal, konservativ, sozial, ökologisch – eigentlich alle für den politischen Diskurs notwendig sind, wenn sie nicht ideologisch dogmatisch werden.

  16. #20 Tina
    2. Dezember 2024

    @naja

    Man weiß nicht, was die konkret gesagt hätten, aber dass sie als Juniorpartner in einer GroKo zur Verfügung gestanden hätten, halte ich für nahezu ausgeschlossen. Man will ja schließlich mit Merz die Wahl gewinnen.

    Dass man letztlich Steigbügelhalter wählt, ist leider ein Problem und der schwache Trost ist, dass dann zumindest noch ein soziales Gegengewicht in einer Koalition vorhanden wäre und sich CDU / CSU nicht ganz so austoben könnten. Eine Koalition der Union mit der FDP fände ich mit dem derzeitigen Spitzenpersonal und der politischen Ausrichtung ziemlich alptraumartig. Bei einer Koalition mit den Grünen wäre ich mir nicht sicher, wie sozial sie sind oder sein wollen oder können, wenn es darum geht, ihre Prioritäten durchzusetzen. Und bei einer Dreierkonstellation von Union, FDP und Grünen, was die CSU ja ausgeschlossen hat (aber gut, der Söder wechselt ja gerne mal seine Positionen), würde ich allen Beteiligten von Herzen ganz viel Spaß wünschen…

    Die anderen Parteien sind für mich sowieso nicht wählbar und eine Kleinstpartei, die absehbar an der 5-Prozenthürde scheitern wird, kommt für mich auch nicht infrage, weil ich mit meiner Stimme etwas Konkretes bewirken und sie nicht verschenken will. Bleibt halt nur wieder die SPD.

  17. #21 Naaja
    2. Dezember 2024

    Wer jemals die Kommentare bei welt.de gelesen hat, weiß, dass da nichts mit liberal ist. Da regiert Hass und Hetze.

  18. #22 Tina
    2. Dezember 2024

    @Joseph

    Das zeigt die Zerrissenheit im liberalen Spektrum, daher ist vermutlich auch die Diskussion um die Führungsrolle Lindners noch nicht vorbei.

    Von mir aus kann die FDP mit Lindner gerne mit drei oder vier Prozent an der 5-Prozenthürde scheitern. Wer Milei (Kettensäge!) und Musk (Trumpunterstützer!) zum Vorbild hat, sollte von möglichen Machtpositionen sehr weit ferngehalten werden. Dass die FDP vor der Wahl noch großartig ihren derzeitigen Kurs ändert, glaube ich nicht. Ich vermute, die ziehen das jetzt so durch.

    • #23 Joseph Kuhn
      3. Dezember 2024

      @ Tina:

      “Wer Milei (Kettensäge!) und Musk (Trumpunterstützer!) zum Vorbild hat, sollte von möglichen Machtpositionen sehr weit ferngehalten werden.”

      Das ist zwar richtig, aber ob Lindner wirklich die beiden als Vorbild hat? Ich glaube eher, da er emotional die Balance verloren hat, hat er auch hier den Ton nicht getroffen. Ob sich dabei psychoanalytisch gesehen trotzdem irgendwelche radikallibertären Triebe offenbaren, sei dahingestellt. Unter Anspannung und Druck versagt sein Kommunikationstalent, das war auch früher schon so, man erinnere sich beispielsweise an seinen peinlichen Auftritt bei den Bauernprotesten (“Ich bin neben Wiesen, Feldern und dem Wald aufgewachsen”). Bei Miosga war es extrem ausgeprägt, und es geht weiter, jetzt in den Erklärungen zum Thema Buschmann als zweite Wahl.

      Er bekommt im Moment kommunikativ keinen festen Boden mehr unter die Füße und verliert immer mehr an Glaubwürdigkeit. Rücktrittsforderungen aus der Partei erhöhen den Druck auf ihn weiter. Vielleicht liegt die Linke mit ihrer Bananen-Uhr prognostisch gar nicht so falsch.

      Mein Favorit für die Wahl wäre ja nach wie vor die KBJP, zumindest ist mir die Forderung nach der Wiedereinführung des 19. März als gesetzlicher Feiertag sehr sympathisch. Aber die altbayerische Ausrichtung der Partei finde ich als Franke problematisch, schon das Akronym ist fränkisch eine Herausforderung und die ausschließliche Ausrichtung auf “Josef” mit “f” im Parteinamen finde ich persönlich diskriminierend. Man muss nicht unbedingt gendern, aber “f” und “ph” müssten doch im Parteinamen gleichberechtigt sichtbar sein, bevor ich meiner Sympathie näher trete.

  19. #24 Tina
    3. Dezember 2024

    @Joseph

    Vielleicht ist es auch so, dass wir nun den authentischeren Lindner zu sehen bekommen. Denn auch wenn er erkennbar nicht die Wahrheit sagt, zeigt er doch mit seinen Auftritten viel mehr von sich und seinen Ansichten als es im Normalbetrieb hinter einer glatteren Fassade der Fall ist.

    Wenn jemand in einer Krise keine Verantwortung übernimmt und sich nur herauszureden versucht, eifrig nach unten tritt und dann auch noch Aussagen macht wie die, dass man mehr Milei und Musk wagen sollte, ist so ein Verhalten und sind diese Gedanken ja nicht vom Himmel gefallen, sondern waren schon da.

    Die libertäre Strömung ist destruktiv. Es gab ja auch mal den sozialliberalen Flügel in der FDP, der aber nur noch in Resten vorhanden zu sein scheint. Von Vorteil ist, dass die FDP derzeit bei nur drei oder vier Prozent liegt und es nicht so aussieht, dass es hier zu einer neuen Massenbewegung kommt. Dazu profitieren einfach zu wenige von dieser Marktradikalität.

    19. März? Braucht Bayern wirklich noch einen Feiertag mehr?
    Guck mal, wie wir hier im Norden darben! 😉

    • #25 Joseph Kuhn
      3. Dezember 2024

      @ Tina:

      “Die libertäre Strömung ist destruktiv.”

      Ihre Personifizierungen wie Hoppe, Thiel, Musk, Friedmann jr. usw. auf jeden Fall. Diese Leute lehnen die Demokratie als Hindernis freien kapitalistischen Wirtschaftens ausdrücklich ab. Insofern ist das libertäre Denken aber auch eine Herausforderungen für die Staatstheorie, ähnlich wie anarchistische Strömungen von links.

      “Braucht Bayern wirklich noch einen Feiertag mehr?”

      Es geht um den 19. März. Da stellt sich die Frage gar nicht. Es fragt doch auch niemand, ob in Bayern morgens die Sonne aufgehen soll. Natürlich dürfen andere Bundesländer nachziehen. Bayern ist ja immer Vorbild. Auch die Sonne geht hier übrigens sonniger auf. Aber wie gesagt, ich stehe der KBJP aufgrund der oben angesprochenen Probleme nicht vorbehaltlos positiv gegenüber.

  20. #26 Tina
    3. Dezember 2024

    @Joseph

    Sie lehnen ja nicht nur die Demokratie ab, sondern vertreten auch noch jede Menge andere gruselige Positionen.
    Unverzeihlich, was Lindner da gesagt hat. Ich finde, das ist noch gar nicht ausreichend öffentlich gewürdigt worden.

    • #27 Joseph Kuhn
      3. Dezember 2024

      @ Tina:

      “Sie lehnen ja nicht nur die Demokratie ab, sondern vertreten auch noch jede Menge andere gruselige Positionen.”

      In der Tat. Kurz dazu gab es vor einem Jahr nebenan mal was (Friedrich Nietzsche als ökonomischer Ratgeber).

      Man weiß halt nicht, ob Lindner meinte, was er sagte und weiß, was er meint. Vielleicht hat er auch gar nicht zur Kenntnis genommen, was er sagte und würde es auch nicht billigen. Aber ihn dazu einmal zu befragen, wäre natürlich schon eine gute journalistische Sache.

      “Ich finde, das ist noch gar nicht ausreichend öffentlich gewürdigt worden.”

      Aber es kommt, siehe z.B. in der Morgenpost oder in der taz oder …

      Womöglich redet sich die FDP auch bei dieser Sache weiter in den Sumpf. Buschmann bemüht sich jedenfalls schon darum, wenn er alles wegwitzeln will und auch Lindner trifft wieder nicht den Ton: “Ich bin mir im Klaren über die Scharfkantigkeit dieser beiden Personen”. Wer hier von “Scharfkantigkeit” schwafelt, ist sich entweder über nichts im Klaren oder provoziert Zweifel an der “Lauterkeit” seiner Motive (auch eine aktuelle Selbstetikettierung Lindners).

  21. #28 Tina
    3. Dezember 2024

    Ein frisch erschiener Artikel beim Spiegel:

    https://www.spiegel.de/politik/deutschland/leutheusser-schnarrenberger-nennt-milei-und-musk-als-vorbilder-absolut-indiskutabel-a-4da43763-b239-4029-a2aa-ef875b4c0636

    “»Wir sollten in Deutschland ein klein bisschen mehr Milei oder Musk wagen«, hatte FDP-Chef Christian Lindner am Sonntagabend in der ARD-Sendung von Caren Miosga vorgeschlagen. Er begründete damit sein wirtschaftspolitisches Reformprogramm für die vorgezogene Bundestagswahl. Bei einer Pressekonferenz am Montag verteidigte er die Aussage nochmals.

    »Ich bin mir im Klaren über die Scharfkantigkeit dieser beiden Personen«, sagte er. Es gebe da durchaus Problematisches. »Aber was mich beeindruckt, ist die Kraft zur Disruption, eine Wende herbeizuführen, wenn ein Abstieg droht. Und das fehlt uns in Deutschland«, sagte Lindner. ”

    Lindner ist also beeindruckt. Eine Distanzierung von seiner Äusserung bei Miosga müsste anders aussehen. Ich denke, er meint es ernst.
    Man wird sehen, wie viel die anderen liberalen Kräfte in der FDP wie Frau Leutheusser-Schnarrenberger noch bewirken können.

  22. #29 Tina
    3. Dezember 2024

    Da hat sich jetzt mein Post mit deinem überschnitten.

    • #30 Joseph Kuhn
      3. Dezember 2024

      … nix passiert, keine Schnittwunden.

  23. #31 Spritkopf
    3. Dezember 2024

    keine Schnittwunden.

    “Just a flesh wound!”

  24. #32 Tina
    4. Dezember 2024

    Herr Baum hat sich zu Wort gemeldet:

    https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-12/gerhart-baum-kritisiert-fdp

    “”Eine Partei mit einem Prozent Sachkompetenz und vier Prozent Wähleranteil”, so beschrieb Baum die Partei. “Schlimmer noch: Sie hat eine Koalition und ein ganzes Land in Geiselhaft genommen. Da stimmt keine Relation mehr.” Freiheit sei unlösbar verknüpft mit Verantwortung und Schutzaufträgen für Schwächere und Minderheiten, mahnte der frühere Innenminister.”

    Der Gegensatz zu Lindner und seinen Gefolgsleuten könnte kaum krasser sein.
    Man stelle sich einmal vor, was die Ampelkoalition alles hätte erreichen können, wenn in der FDP Menschen von der Statur eines Gerhart Baum in politischer Verantwortung gestanden hätten.
    Tja, nun ist es zu spät.

    • #33 Joseph Kuhn
      4. Dezember 2024

      @ Tina:

      Die D-Day-Geschichte wird für die FDP zum kommunikativen Krebsgeschwür. Jetzt sagt der zurückgetretene Bundesgeschäftsführer Reymann, das Papier habe er “für sich” gemacht, es sei eine “persönliche Aufzeichnung”: https://www.n-tv.de/politik/Lindner-Vertrauter-Reymann-entschuldigt-sich-fuer-D-Day-Papier-article25408363.html

      Man fragt sich, wie ein Papier, das man “für sich” macht, dann in die Öffentlichkeit kommt. Und ob die angeblich auch existierenden Papiere für andere Szenarien auch von ihm “für sich” sind. Das ist alles so unglaubwürdig, dass es gepaart mit der von Lindner in dieser Sache in Anspruch genommenen “Lauterkeit der Motive” nur noch peinlich ist.

  25. #34 naja
    4. Dezember 2024

    Es ist nicht nur das D-Day-Papier. Auch ohne dieses Papier wäre die FDP die Opposition in der Koalition gewesen, da sie unliebsame und unausgegorene Projekte an die Presse durchgestochen hat.

    Die FDP hat als Partei versagt. Eine FDP, die Verantwortung übernimmt, wäre nicht mit Lindner gegangen, sondern mit den Bürgern geblieben. Eine FDP, die sich fest im demokratischen Parteienspektrum verordnet, hätte nicht den Krieg in der Ukraine gegen den Sozialstaat aufgerechnet.

    Schon dass die FDP derart fixiert darauf war, dass die Kindergrundsicherung nicht durchkommt, war ein Armutszeugnis.

  26. #35 RPGNo1
    4. Dezember 2024

    Die Bundes-FDP krankt daran, dass sie seit 2013, als sie aus dem Bundestag flogen, komplett auf Christian Lindner setzt. Eine Spitze ohne jedwede Breite.

    Gut, es gibt noch Wolfgang Kubicki, der aber lieber aus dem Schatten heraus die Strippen zieht, weil ihm sicher bewusst ist, dass ihn viele Leute außerhalb der Partei nicht mögen oder sogar ganz ablehnen.

    Agnes Strack-Zimmerman hingegen wurde erst durch den Ukrainekrieg bekannt, weil sie Scholz Feuer unter dem hinter Hintern machte. Das war es auch, ich weiß sonst gar nichts über sie. Aber durch ihren Weggang nach Brüssel spielt Strack-Zimmermann in der Bundespolitik keine relevante Rolle mehr.

    Aktuell muss man konstatieren, dass die FDP mehr Ähnlichkeit mit dem Team Kurz (nannte sich die ÖVP nicht so inoffiziell während Kurz’ Amtszeit als österreichischer Bundeskanzler?) oder dem Bündnis Sarah Wagenknecht hat als mit einer lebendigen liberalen Partei.

  27. #37 N
    4. Dezember 2024

    Wir brauchen Leute mit Führungsqualitäten und den richtigen Sachkenntnissen. Moralische Qualifikation ist auch erwünscht. Und da gibt es nur eine Partei, die SPD.

  28. #38 Joseph Kuhn
    4. Dezember 2024

    Weitere Ungereimtheiten:

    Bei „Maischberger“ hat gerade Dagmar Rosenfeld, die Ex von Lindner, eine interessante Frage gestellt: Warum hat der Bundesgeschäftsführer, also der Autor des D-Day-Papiers, den Generalsekretär öffentlich ins Messer laufen lassen mit dessen Behauptung, der Begriff D-Day sei nicht verwendet worden. In der Tat seltsam.

  29. #39 Joseph Kuhn
    6. Dezember 2024

    Nächste Stufe der FDP-Selbstentfremdung

    Lindner scheint es mit dem Hinweis auf Musk und Milei doch ernster zu meinen. In einem Video auf Icks wendet er sich an Friedrich Merz und wirbt für die beiden, auch wenn er sich “nicht jede Meinung von denen abschauen” will.

    Beide stehen nicht einfach für radikale wirtschaftliche Reformen, sondern für radikale wirtschaftliche Reformen ohne Rücksicht auf Soziales und Demokratie. Demokratie sehen sie sogar explizit als Hindernis für die Wirtschaft.

    Entweder hat Lindner den liberalen Kompass verloren oder er will die FDP gezielt radikalisieren, anders als die FPÖ nicht nationalliberal, sondern libertär. Eine libertäre Partei könnte aus Sicht von Leuten wie Müllermilch-Müller oder Zitelmann durchaus attraktiver sein als eine AfD in der Schmuddelecke, im Parlament oder auch außerhalb.

    Die Demokratie in Deutschland bräuchte allerdings eine liberale, bürgerrechtlich orientierte Partei. Und gegen radikale wirtschaftliche Reformen wäre auch nichts einzuwenden, wenn damit auch eine echte Verbesserung von Infrastruktur (Bahn usw.), Wohnungsbau, Pflegenotstand usw. einherginge, also eine Reform nicht in die Richtung, in die Milei oder Musk weisen, sondern in die Gegenrichtung, oder in Richtung “New Deal”. Art. 1 des Grundgesetzes schützt die Menschenwürde, nicht die Dividenden.

  30. #40 Joseph Kuhn
    10. Dezember 2024

    Praktikant Reymann

    Lindner bezeichnet das D-Day-Papier jetzt als “Praktikantenpapierchen”. Das stimmt sicher, aber man soll eben die Position des Bundesgeschäftsführers trotz Fachkräftemangel nicht mit einem Praktikanten besetzen, sondern die Sache Profis überlassen.

    Ansonsten weiter viel mimimi, auch Merkel habe “offene Feldschlacht” gesagt, und Scholz “Bazooka”, das sei nicht kritisiert worden, wie ungerecht, das Wort “D-Day” bedeute nur Entscheidungstag, den anderen gehe es nicht um ethische Maßstäbe, sondern um Macht usw. – Lindner jammert vor sich hin. So langsam tut er mir leid, vielleicht muss ihn Scholz mal in den Arm nehmen und ihm sagen, dass er es so doch gar nicht gemeint hat.