Christian Lindner will eine radikale Wirtschaftswende, kein Weiter-so. Ein Weiter-so will aber eigentlich niemand, weder die Gewerkschaften noch die Autofirmen noch die Fridays for Future. Die Frage ist also nicht Weiter-so – ja oder nein, sondern in welche Richtung sollen tiefgreifende Reformen gehen.
Christian Lindner hat vor ein paar Tagen in der Sendung „Caren Miosga“ empfohlen, mehr Musk und Milei zu wagen und es danach bekräftigt. Man konnte zunächst noch meinen, er habe sich in einem akuten emotionalen Aufruhr nach dem Rauswurf aus der Ampel und dem Kommunikationsdesaster um die D-Day-Geschichte vielleicht nur im Ton vergriffen, oder wolle eine Ablenkungsdiskussion anzetteln, aber er scheint es doch ernster mit den beiden Herren zu meinen. In einem Video auf Icks wendet er sich an Friedrich Merz und wirbt noch einmal für die beiden, auch wenn er sich “nicht jede Meinung von denen abschauen” will.
Musk und Milei stehen aber nicht einfach für radikale wirtschaftliche Reformen, sondern für radikale wirtschaftliche Reformen ohne Rücksicht auf Soziales und Demokratie. Sie wollen nicht mehr Demokratie wagen, sie stehen nicht für mehr bürgerliche Freiheit, sie stehen auch nicht für Wettbewerb, sondern im Gegenteil sehen sie die Demokratie wie auch den Wettbewerb explizit als Einschränkungen der Macht der Superreichen. Man kann die vielseitigen Bemühungen dieser Leute in dieser Richtung gut belegt nachlesen, z.B. in Quinn Slobodians „Kapitalismus ohne Demokratie“.
Entweder hat Lindner also den liberalen Kompass verloren oder er will die FDP gezielt radikalisieren, anders als die österreichische FPÖ nicht nationalliberal bis nationalkonservativ, sondern libertär bis autoritär. Eine solche libertäre Partei könnte auch aus Sicht von geldigen Leuten hierzulande, etwa Müllermilch-Müller oder Zitelmann, durchaus attraktiver sein als eine AfD in der Schmuddelecke, sei es im Parlament oder auch außerhalb.
Die Demokratie in Deutschland bräuchte allerdings eine liberale, auch bürgerrechtlich engagierte Partei. Gegen radikale wirtschaftliche Reformen wäre nichts einzuwenden – wenn damit auch eine echte Verbesserung von Infrastruktur (Bahn usw.), Wohnungsbau, Pflegenotstand usw. einherginge, also eine Reform nicht in der Richtung, für die Milei oder Musk stehen, sondern eher in die Gegenrichtung.
Lindner hat aber vermutlich bewusst nicht gesagt, wir brauchen mehr “New Deal”. Mag sein, dass ihn die erlebte Machtlosigkeit beim Rauswurf aus der Ampel getriggert hat, aber ihn scheint das Machtmenschentum von Milei und Musk doch auch als solches zu faszinieren. Eine FDP, die dem folgt, wäre nicht mehr die FDP der bürgerlichen Freiheit und des wirtschaftlichen Wettbewerbs, wie man sie über viele Jahre der alten Bundesrepublik kannte. Es wäre eine FDP, der es egal ist, dass Art. 1 des Grundgesetzes die Menschenwürde schützt, nicht die Dividenden und schon gar nicht eine Übermenschenwürde der Oligarchen. Die FDP wird sich entscheiden müssen, ob sie für sich selbst mehr Musk und Milei oder mehr New Deal wagen will.
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