Im Wahlkampf spitzen Parteien ihre Positionen zu. Die Frage ist, wie kenntlich wird durch die Zuspitzungen das, was sonst eher verborgen bliebt. Dass sich die FDP unter Christian Lindner weit von der alten liberalen Linie entfernt hat, die Freiheit nicht nur als Freiheit der Unternehmer und Besserverdiener verstanden hat, sondern als Freiheit aller Bürger:innen, ist allerdings ohnehin nicht verborgen geblieben. Die FDP ist erklärtermaßen einseitig wirtschaftsliberal geworden.
Vor kurzem hat er dann auch noch damit geliebäugelt, etwas „mehr Musk und Milei“ zu wagen. Nachdem kurz danach Musk gezeigt hat, was er mit Mileis Kettensäge vorhat und zudem nicht auf Lindners Liebeswerben einging, sondern demonstrativ der AfD unter die Arme griff, war von Anleihen bei Musk erst einmal nichts mehr zu hören.
Doch jetzt ist Lindner wieder da. Er will einer SPIEGEL-Meldung zufolge mehrere Ministerien zusammenlegen. Ob das die Arbeit dort effizienter macht, sei dahin gestellt. Wenn man die richtige Unternehmensberatung beauftragt, wird man vielleicht ein passendes Gutachten bekommen, aber hat Lindner wenigstens so eins? Oder hat er einfach einmal „ein wenig Musk und Milei“ gewagt? Bei den nachgeordneten Behörden will er noch kräftiger zulangen, das Umweltbundesamt beispielsweise will Lindner ganz abschaffen. Trump said? Aber er geht noch viel weiter und will in den nächsten Jahren 20 % der Beschäftigten in der Verwaltung abbauen. Das ist nicht „ein wenig Musk und Milei“, das ist ein Kettensägenmassaker in Reinform.
In Deutschland gibt es ca. 5 Mio. Beschäftigte im öffentlichen Dienst. 20 % wären eine Million. Das wird er nicht gemeint haben und Lindner ist erfahren genug, Grenzverschiebungen des Zumutbaren auszutesten. Das macht man, indem man so formuliert, dass man sich je nach öffentlicher Reaktion zurückziehen kann: „Das war nicht gemeint“. Lindner spricht allgemein von der „Verwaltung“. Darunter kann sich jeder vorstellen, was ihm gefällt. Polizei, Lehrer:innen und Kita-Erzieher:innen: auf Nachfrage sicher nicht gemeint. Aber Schulämter? Umweltämter? Gesundheitsämter? Finanzämter? Arbeitsagenturen? Das RKI? Oder das Beschaffungsamt der Bundeswehr? Das Kraftfahrtbundesamt? Das Bundesamt für Soziale Sicherung? Das Statistische Bundesamt? Der Bundesrechnungshof? Die Zollverwaltung? Oder die Krankenkassen? Die Rentenversicherung? In Lindners Bundesfinanzministerium wären 20 % weniger übrigens ein Personalabbau von gut 400 Stellen. In den letzten drei Jahren hat er damit nicht angefangen.
Wie viele Beschäftigte sind von seinen Plänen betroffen? 200.000? 500.000? Wo genau will er 20 % des Personals einsparen und wie kommt er auf diese Zahl? Weil in den letzten 5 Jahren im Aufgabenbereich „Politische Führung und zentrale Verwaltung“ ca. 20 % Personal dazugekommen sind, wie Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen?
Oder hat er die Zahl einfach gegriffen? Die „Bombenabwurfmethode“ hat bei schlechten Verwaltungsreformen Tradition: Einen radikalen Schnitt machen, mit niemandem vorher sprechen. Nach einem alten Unternehmensberaterspruch darf man ja die Frösche nicht fragen, wenn man den Teich trockenlegen will – ein entlarvender Spruch, was den Blick auf die betroffenen Menschen angeht. Frösche haben keine Rechte, nicht mitzureden und nichts beizutragen. Wenn man verbrannte Erde zurücklassen will, ist das sogar erfolgreich. Dann muss man auch nicht darüber nachdenken, wie viele Gesetzesänderungen so eine Radikalreform nach sich ziehen würde. Musk eben. Aber eine Verwaltungsreform, die mehr Qualität für die Bürger:innen bringen soll, mehr Effizienz, kann man so nicht anlegen. Dazu muss man in die einzelnen Aufgabenbereiche hineinschauen, mit den Stakeholdern zusammen Ziele definieren, dazu dann die Ressourcen bestimmen und dann schauen, ob man mehr oder weniger Personal braucht, und was sonst noch nötig ist. Langwierig.
Christian Lindner braucht das alles offensichtlich nicht, ihm reicht die Kettensäge. Seinesgleichen braucht auch keine Ämter, die nur alles aufhalten. Was man braucht, kauft man sich einfach. Vielleicht kriegt er ja nach der Wahl einen Job bei Elon Musk und darf amerikanische Behörden plattmachen.
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Disclaimer: Ich habe das alles nicht so gemeint.
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