Die Medien berichten gerade über den neuen BARMER-Arztreport 2025, erstellt vom renommierten aQua-Institut. Die Schlagzeilen sind recht alarmistisch. Die Tagesschau titelt z.B. „Hautkrebs-Diagnosen steigen massiv“, der Deutschlandfunk “Zahl der Hautkrebs-Diagnosen ‚explosionsartig‘ gestiegen“.
Grundlage für diesen Alarmismus ist die Überschrift der Pressemitteilung zum BARMER-Arztreport: „Hautkrebsdiagnosen explosionsartig auf Vormarsch“. Anschließend kann man dort lesen, was die Überschrift mit Daten zu unterlegen scheint:
„Die Anzahl der Menschen mit der Diagnose schwarzer Hautkrebs hat sich in Deutschland seit dem Jahr 2005 mehr als verdoppelt. Bei weißem Hautkrebs haben sich die Fallzahlen sogar nahezu verdreifacht.“
Diese Aussage ist richtig, aber missverständlich. Viele Medien haben sie unhinterfragt in einem Kontext übernommen, der ein stark steigendes Hautkrebsrisiko nahelegt. Dem ist aber nicht so. Die zitierte Sentenz der BARMER bezieht sich auf die Zahl der Menschen, die mit einer Diagnose C43 (schwarzer Hautkrebs) oder C 44 (weißer Hautkrebs) leben. Die Zunahme der Menschen mit einer Hautkrebsdiagnose hat mehrere Gründe: Die Alterung der Bevölkerung (Krebs nimmt im Alter zu), eine bessere Diagnostik, auch durch das 2008 eingeführte Hautkrebsscreening sowie bessere Behandlungsmethoden. Auch schwarzer Hautkrebs ist, wenn er frühzeitig erkannt wird, sehr gut behandelbar. Man muss somit zwischen den Menschen, die mit der Erkrankung leben (Prävalenz) und denen, die daran neu erkranken (Inzidenz) unterscheiden, des Weiteren zwischen der Entwicklung der absoluten Fallzahlen und der Entwicklung der Krankheitsraten.
Was das Hautkrebsrisiko angeht, muss man statt der absoluten Fallzahlen altersstandardisierte Raten ansehen, also Fallzahlen bezogen auf die Bevölkerung und bereinigt von Veränderungen des Altersaufbaus der Bevölkerung im Lauf der Zeit. Beim Robert Koch-Institut gibt es dazu Zahlen zu den Neuerkrankungen auf der Basis der Krebsregister, der besten dafür verfügbaren Datenquelle, und Zahlen zu den Sterbefällen auf der Basis der Todesursachenstatistik. Die Todesursachenstatistik ist mit Blick auf die Zuordnung von Sterbefällen zu den verursachenden Krankheiten nicht unproblematisch, aber man kann davon ausgehen, dass der Trend zuverlässig abgebildet wird. Man sieht, dass es bei der Rate der Neuerkrankungen 2008 einen sprunghaften Anstieg gab, also mit der Einführung des Hautkrebsscreenings. Bei der Sterbefällen verlaufen die Kurven über die gesamten letzten 20 Jahre unauffällig:
Der schwarze Hautkrebs ist dabei für die überwiegende Zahl der Sterbefälle verantwortlich, der weiße Hautkrebs wurde lange Zeit gar nicht zuverlässig erfasst.
Zu den Sterbefällen sind beim Statistischen Bundesamt auch schon neuere Daten bis einschließlich 2023 verfügbar, ohne grundlegende Änderung des Trends:
Im BARMER-Arztreport selbst werden auch die altersstandardisierten Raten berichtet, es gibt auch viele weitere interessante Analysen. Die Presse hätte es also nicht schwer gehabt, sich jenseits des Pressematerials die Sachlage genauer anzusehen und die Daten besser einzuordnen.
Für die Hautkrebs-Prävention zu werben, ist natürlich unstrittig sinnvoll. Im Wesentlichen geht es dabei um das Vermeiden von Sonnenbrand im Kindesalter und bei besonders exponierten Berufen. Bei der Hautkrebs-Früherkennung sind die Verhältnisse übrigens komplizierter. Früherkennung an sich ist wichtig, wie gesagt, der schwarze Hautkrebs ist in frühen Stadien gut behandelbar, aber wie erfolgreich das anlasslose bevölkerungsweite Screening ist, ist nicht so klar. Der BARMER-Report empfiehlt denn auch (Seite 33), die Krankenkassendaten zu nutzen, um „besonders gefährdete Versicherte gemäß § 25b SGB V gezielt im Hinblick auf eine Teilnahme am Hautkrebsscreening anschreiben, was die Effektivität des Hautkrebsscreenings erhöhen könnte.“ Man bemerke den Konjunktiv, der Erfolg wäre mit geeigneten Methoden der evidenzbasierten Medizin zu untersuchen.
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