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Gestern hat Trump wieder ein Dekret erlassen: “Restoring truth and sanity to American history”. Im Original alles in Großbuchstaben. Selbstverständlich.

Nach Trump sei in den letzten zehn Jahren die Geschichte Amerikas umgeschrieben worden:

„Over the past decade, Americans have witnessed a concerted and widespread effort to rewrite our Nation’s history, replacing objective facts with a distorted narrative driven by ideology rather than truth. This revisionist movement seeks to undermine the remarkable achievements of the United States by casting its founding principles and historical milestones in a negative light.“

Die letzten 10 Jahre: Das ist der Zeitraum seit Beginn seiner ersten Präsidentschaft. Man hätte es ihm noch einmal sagen sollen. Die „konzertierte Anstrengung“ meint vermutlich den „deep state“, und natürlich Staatsfeinde, z.B. Professor:innen, die die bemerkenswerten Erfolge Amerikas unterminieren wollen.

Man soll die Geschichte Amerikas also nicht so negativ sehen. Der Völkermord an der indigenen Bevölkerung, die Sklaverei und der fortdauernde Rassismus – nur ein Vogelschiss in der amerikanischen Geschichte, die bis Cäsar und zu den Pharaonen zurückreicht.

Besonders die “Smithsonian Institution“ liegt Trump am Herzen. Ihre Museen sollen Amerikas Glanz und Gloria widerspiegeln, kein Denkmal der Schande sein. Sein Vize Vance höchstpersönlich bekommt da einen verantwortungsvollen Job: „The Vice President (…) shall work to effectuate the policies of this order through his role on the Smithsonian Board of Regents”, und zwar explizit auch im Zoo von Washington. Zwar ist nicht anzunehmen, dass Vance die Infotafeln im Zoo persönlich inspizieren muss, das darf er „through his role“ delegieren, aber immerhin werden da mal kluge Prioritäten für das Amt des Vizepräsidenten der USA gesetzt.

Auch Ausstellungen, die zu sehr die „achievements of women“ im American Women’s History Museum feiern, soll es nicht mehr geben, und es soll geprüft werden, ob seit 1.1.2020 z.B. Statuen historischer Persönlichkeiten zu Unrecht entfernt wurden. Joe Biden trat sein Amt zwar erst im Januar 2021 an, aber vielleicht ist der Termin für Trump einfach ein Synonym für „the past decade“.

Das Dekret kritisiert des Weiteren “the view that race is not a biological reality but a social construct”. Die Rassentheorie feiert Auferstehung. Wer, mit gesundem Volksempfinden, wollte auch daran zweifeln. Man sieht es doch, es gibt Menschen mit unterschiedlicher Hautfarbe. Manche sehen sogar orange aus. Und manche schnackseln gerne, wie manche wissen.

Eigentlich sollten sich jetzt Historiker:innen zu Wort melden, oder Feministinnen, oder Biolog:innen. Die Affen im Zoo von Washington werden es eher gelassen hinnehmen. Die Menschen, auch die in Amerika, stammen nicht von ihnen ab.

Kommentare (11)

  1. #1 naja
    29. März 2025

    Wir können nur hoffen, dass die obersten Rassisten in den USA sich so sehr im Micromanagement von Ausstellungen und Infotafeln in Zoos verstricken, dass sie vergessen, Kanada und Grönland zu annektieren.

    Dass sie es für ein (maskulines?) achievement halten und wichtig genug oben auf der Agenda zu stehen, wenn sie Ausstellungen über achievements von Frauen im dafür eigens erdachten Museum canceln, macht mich ratlos. Es ist unglaublich “petty”. Aus ihrer eigenen Sicht müsste es noch viel belangloser sein. Demnächst kommt ein präsidentieller Erlass darüber, ob Kinder in der KiTa die Schuhe ausziehen sollen oder nicht.

    Wenigstens kann sich jetzt wirklich niemand mehr über zu viel politische Korrektheit echauffieren?

    • #2 Joseph Kuhn
      29. März 2025

      @ naja:

      “Demnächst kommt ein präsidentieller Erlass darüber, ob Kinder in der KiTa die Schuhe ausziehen sollen oder nicht.”

      Das ist erst als Übernächstes dran. Vorher kommt das Verbot von Kurzhaar-Frisuren für Frauen. Aber wir haben ja bei uns auch kulturkämpferische und prioritätsgesättigte Disziplinierungsmaßnahmen, mit denen wir durchaus wettbewerbsfähig sind.

  2. #3 Ron
    29. März 2025

    Es werden sukzessive weitere Schritte auf dem Weg zu einer Diktatur des weißen Heteromannes folgen. “Rassentrennung” und Geschlechtertrennung sind seit Jahren erklärte Ziele interessierter Bewegungen. Diese sind jetzt an der Macht und nutzen die Gunst der Stunde. Es ist doch nur noch eine Frage der Zeit, bis erste Bundesstaaten entsprechende Forderungen für das Bildungssystem stellen. Berufsverbote könnten dann ein nächster Schritt sein. Das Wahlrecht einkassieren der übernächste. Das Traurige ist, die amerikanische Zivilgesellschaft wird das geschehen lassen, da sie offensichtlich zu dumm, unfähig und unwillig ist, die Demokratie zu verteidigen. Vermutlich werden sich privilegierte schwarze Männer und weiße Frauen auch noch hinstellen, um diese tiefen Einschnitte in die Menschenrechte zu begrüßen und zu verteidigen.

  3. #4 naja
    29. März 2025

    @ Ron
    Ich hoffe, dass die Kräfte der Selbsterhaltung des politischen Systems (Autopoiesis) unterschätzt werden.
    Was in den USA passiert, ist bedenklich.
    Für die USA ist vor allem bedenklich, dass die internationale aber zum Teil auch nationale Intelligentia das stinkende Schiff verlässt.
    Ich dachte Elon Musk, will gebildete Immigranten?
    Bei aller Kritik an Wokeness habe ich noch nicht gehört, dass unwoke Wissenschaftler bestimmte Länder verlassen, weil Freiheit und Unabhängigkeit der Wissenschaft nicht mehr gegeben sind. Vielleicht liegt das aber auch an den Medien, die ich konsumiere. Ich glaube allerdings, dass MAGA-Menschen dachten, die Welt geht unter als Obama gewählt wurde. Machen wir jetzt das selbe?
    Ist es naiv, zu denken, die amerikanische Demokratie sei am Ende, weil Trump wiedergewählt wurde? Oder ist es naiv zu denken, dass die amerikanische Demokratie diese Angriffe überlebt?

  4. #5 Ichbinich
    29. März 2025

    @naja

    “Ist es naiv, zu denken, die amerikanische Demokratie sei am Ende, weil Trump wiedergewählt wurde? Oder ist es naiv zu denken, dass die amerikanische Demokratie diese Angriffe überlebt?”

    Ich vermute leider es ist wie überall. “Man überschätzt, was man in einem Jahr erreichen kann aber unterschätzt, was man in 10 Jahren erreichen kann”

    Ich glaube daher, es wird in den nächsten Jahren schon genug Resilienzen geben und die. Demokratie geht nicht so schnell unter.
    Aber die ganzen Zerstörungen, die er anrichtet werden langfristig sehr negative Folgen haben.
    Denn so eine Behörde kann man schnell zerschlagen bzw. deutlich reduzieren und damit nicht mehr arbeitsfähig machen.
    Aufbauen ist deutlich aufwendiger….

  5. #6 RPGNo1
    30. März 2025

    Ein Kommentar von René Pfister

    Donald Trump ist ein genialer Wahlkämpfer und ein miserabler Politiker. Seine geradezu magische Fähigkeit, die Stimmung im amerikanischen Volk zu erspüren, stand schon in seiner ersten Amtszeit in scharfem Gegensatz zu seinem Unvermögen, das Weiße Haus halbwegs ordentlich zu führen. Mit anderen Worten: Wir sollten nicht Trumps Talent unterschätzen, sich selbst ein Bein zu stellen.
    […]
    Es ist – zugegebenermaßen – keine sehr erhebende Aussicht, dass die größte Hoffnung auf einen Kollaps der »MAGA«-Bewegung darin besteht, dass sich der mächtigste Mann der Welt selbst diskreditiert. Trump ist noch vier Jahre im Amt, in denen er sehr viel zerstören kann – nicht zuletzt die amerikanische Demokratie selbst. Aber für die Gegner des Präsidenten beginnt der Weg zur Macht mit der kalten Analyse einer derzeit eher unerfreulichen Wirklichkeit.

    https://archive.is/Bf48L

  6. #7 Balanus
    10. April 2025

    @Joseph Kuhn

    Eigentlich sollten sich jetzt Historiker:innen zu Wort melden, oder Feministinnen, oder Biolog:innen.

    Es müssten schon woke Wissenschaftler:innen sein, aber die halten mehrheitlich derzeit die Füße still—außer, sie verlassen das Land.

    • #8 Joseph Kuhn
      10. April 2025

      @ Balanus:

      “Es müssten schon woke Wissenschaftler:innen sein”

      Warum?

  7. #9 Balanus
    10. April 2025

    Warum woke?

    Na, damit Trump widersprochen wird und er nicht auch noch durch Anti-Wokeness-Kämpfer Zuspruch erfährt. Was den einen als biologisches Faktum gilt, wird von anderen gerne in Frage gestellt oder schlicht bestritten. Eindrücklich zu sehen nicht nur bei der Frage nach der Existenz menschlicher Rassen, sondern z.B. ebenso bei der biologischen Vielfalt im Zuge der sexuellen Ausdifferenzierung, gerade auch beim Menschen.

    • #10 Joseph Kuhn
      10. April 2025

      @ Balanus:

      Ich glaube, bei den angesprochenen Themen wäre Widerspruch unabhängig von woke/nichtwoke angesagt.

  8. #11 Balanus
    13. April 2025

    Okay, einverstanden, Mir ist ohnehin nicht klar, was genau im rechtskonservativen Lager so alles unter „woke“ verortet wird. Da hat mir auch CCs Rant*) gegen den US-amerikanischen „Wokeness/CSJ-Aktivismus“ nicht wirklich weiter geholfen.

    Nichtsdestotrotz scheint mir gewiss, dass insbesondere in der Rassenfrage (biologisch existent oder nur ein soziokulturelles Konstrukt) auch Biologen nicht davor gefeit sind, die Interpretation der Befunde anhand der jeweiligen Grundeinstellung vorzunehmen (für manche halt „woke“, „antiwoke“, oder irgendetwas dazwischen, soweit ich diese Begriffe eben verstehe).

    *) https://scienceblogs.de/bloodnacid/2025/04/02/war-on-wokeness-von-duesteren-prognosen-und-ueberschiessenden-pendeln/?all=1