Heute Nachmittag gab es wieder einmal eine Markt Schwabener Sonntagsbegegnung, ein Veranstaltungsreihe, die der Markt Schwabener Alt-Bürgermeister Bernhard Winter seit nunmehr 30 Jahren organisiert. Über die eine oder andere Runde habe ich hier im Blog berichtet. Diesmal trafen die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach und Christian Pfeiffer, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, aufeinander. „Zukunft der Gesundheit“ war das Thema.
Die beiden Diskussionspartner haben sich gegenseitig zu ihrer Sicht auf die Prävention und die Versorgungssituation befragt. Für mehr Prävention, beginnend im Kindesalter, haben sich Gerlach wie Pfeiffer ausgesprochen, mit einem leichten Dissens beim Thema Zuckersteuer. Hier war die bayerische Gesundheitsministerin m.E. etwas zu sehr auf Parteilinie, kam von der Zuckersteuer schnell auf das Thema Verbotspolitik und Eigenverantwortung zu sprechen. Auch die Bundespolitik tut sich bei dem Thema bekanntlich schwer. Eigentlich könnte die bayerische Gesundheitspolitik bei der Zuckersteuer mutiger sein. Zuständig wäre ohnehin der Bund, und Großbritannien hat sie 2018 unter konservativer Regierung mit gutem Erfolg eingeführt, es geht also nicht um sozialistisches Teufelszeug.
Zum Stichwort Überlastung des Gesundheitssystems wurden unterschiedliche Lösungsansätze angesprochen. Einigkeit gab es bei der Befürwortung eines Primärarztsystems. Das ist ein sinnvolles Instrument der Patientensteuerung. Die künftige Koalition will es auch einführen: „Zu einer besseren und zielgerichteten Versorgung der Patientinnen und Patienten und für eine schnellere Terminvergabe führen wir ein verbindliches Primärarztsystem bei freier Arztwahl durch Haus- und Kinderärzte in der HzV und im Kollektivvertrag ein“ – mit Ausnahmen in begründeten Fällen.
Positiv gesehen wurden auch die MVZs, etwa was eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben bei den Ärzt:innen angeht. Investorengeführte MVZs wurden allerdings kritisch kommentiert, als Rosinenpicker im System. 80 % der investorengeführten MVZs in Bayern säßen in München, so Pfeiffer, und sie nehmen weniger klassische Hausarztaufgaben wahr als andere Hausarztpraxen.
Natürlich ging es auch um das leidige Thema Bürokratie. Hier sprach Gerlach gute Praxisbeispiele beim Entlassmanagement von Krankenhäusern und bei der Vermeidung von Doppelkontrollen in der Pflege durch den MDK und die Heimaufsicht an. Über verallgemeinerbare Fallbeispiele kann bei diesem Thema vermutlich mehr erreicht werden als über pauschale Bürokratieschelte – zumal die „Bürokratie“ ein Janusgesicht hat, sie ist auch unverzichtbarer Teil von Transparenz, Rechenschaftsfähigkeit und Qualitätssicherung.
Ein weiterer Diskussionspunkt waren technische Lösungen. Sie haben, so die Diskutanten, Potential, aber sind kein Allheilmittel. Videosprechstunden beispielsweise sind hilfreich und zeitsparend, wenn man die Patient:innen schon kennt, aber sie können den persönlichen Kontakt nicht ganz ersetzen. In der Medizin, und erst recht in der Psychotherapie, geht es immer auch um eine menschliche Beziehung.
Aus dem Publikum wurden weitere wichtige Themen eingebracht, z.B. die Notwendigkeit, gut über die manchmal komplexen Versorgungsstrukturen, etwa bei der psychosozialen Versorgung von Kindern und Jugendlichen, zu informieren, was eventuell eine öffentliche Aufgabe sein könnte, oder das schwierige, aber unverzichtbare Zusammenspiel von ambulanter und stationärer Versorgung, z.B. in der Nachsorge nach Operationen.
Das leidige Thema „ePA“ (die elektronische Patientenakte) kam nur am Rande zur Sprache – aber das wäre vielleicht auch ein abendfüllendes Thema gewesen. Auch die aktuelle Bundespolitik blieb weitgehend außen vor, vieles ist hier auch noch nicht spruchreif.
Das Konzept der Veranstaltung, Menschen und Positionen in einen Austausch zu bringen, ist diesmal wieder sehr gut gelungen, mit vergleichsweise wenig Sprechblasen, keinen unnötigen parteipolitischen Schuldzuweisungen und einer immer wieder treffsicheren Benennung von Handlungsanforderungen für die Zukunft der Gesundheit. Mal sehen, wie die neue Bundesregierung die Sache angeht.
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