Die Todesursachenstatistik leidet nach wie vor darunter, dass die Todesbescheinigungen in Deutschland auf der Grundlage unterschiedlicher Bestattungsgesetze der Länder und nicht in elektronischer Form erfasst und übermittelt werden. Das kostet – neben der unvermeidlichen Qualitätssicherung – Zeit. Die Todesursachstatistik 2024 liegt daher noch nicht vor, damit auch nicht die Zahl der dort erfassten Suizide. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist den Todesbescheinigungen noch nicht allzu weit vorangekommen.

Etwas schneller ist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), die in Bayern auch Suizide und zu einem kleinen Anteil auch die Suizidversuche ausweist. Bei den Suizidversuchen werden in der PKS nur die Fälle erfasst, bei denen die Polizei hinzugezogen wird, ein kleiner Teil der Suizidversuche, aber für Trendaussagen sind die Daten trotzdem hilfreich.

Der PKS zufolge gab es in Bayern 2024 insgesamt 75 Suizide weniger als 2023. Die Daten der vollendeten Suizide stimmen in der Regel gut mit der Todesursachenstatistik überein, d.h. es ist zu erwarten, dass die Todesursachenstatistik für Bayern einen ähnlichen Trend zeigen wird. Kleinere Differenzen gibt es z.B. aufgrund von Suiziden bayerischer Bürger:innen außerhalb Bayerns und anderer methodischer Unterschiede der beiden Statistiken.

Auch bei den polizeilich erfassten Suizidversuchen verzeichnet die PKS einen Rückgang: 96 weniger als 2023.

Allerdings sieht man, dass es bei den jungen Erwachsenen bei den Suiziden wie bei den Suizidversuchen eine Zunahme gab. Hier könnten u.a. die psychischen Belastungen der Coronakrise eine Rolle spielen.

2023 waren die Zahlen in Bayern gegenüber dem Vorjahr rückläufig, im Bundesdurchschnitt nicht. Ob das 2024 wieder so ist, bleibt abzuwarten. Unabhängig davon verharren die Zahlen auf einem hohen Niveau, was die Dringlichkeit eines Suizidpräventionsgesetzes unterstreicht. Ein Gesetzentwurf ging mit dem Ende der Ampelregierung in die Warteschleife, dem Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD zufolge soll es aber kommen, einschließlich bundesweiter Krisendienste. Am besten würde dieses Gesetz in eine Strategie zur Förderung der psychischen Gesundheit eingebettet, aber vermutlich stehen derzeit andere Vorhaben auf der To-Do-Liste des Bundesgesundheitsministeriums weiter oben und die Wiederbelebung des alten Gesetzentwurfs wäre doch immerhin ein kleiner Schritt nach vorn.

Kommentare (6)

  1. #1 Robert
    19. Juni 2025

    Ich fände es wichtig, Suizide zu kategorisieren. Wer totkrank ist und unter Schmerzen leidet sollte anders betrachtet werden als ein rein psychisch bedingter Selbstmord.

  2. #2 zimtspinne
    19. Juni 2025

    @ Robert

    “Psychisch” todkrank gibt es auch. Anorexia nervosa mit der höchsten Letalität oder Mortalitätsrate unter allen psychiatrischen/psychischen Erkrankungen.
    Für den Anteil an Suiziden müsste ich nachschauen, er wird aber bei den Todesursachen regelmäßig mit genannt. Ob auch richtig erfasst, ist hier die Frage.
    Im Grunde läuft ja fortdauernde Anorexie mit Behandlungsverweigerung bzw auch Behandlungsabbruch auf Verlangen immer auf Suizid hinaus.

  3. #3 Joseph Kuhn
    20. Juni 2025

    @ Robert:

    Ursachenforschung ist wichtig, aber man darf nicht vergessen, dass die Todesursachenstatistik auf den Todesbescheinigungen beruht und gerade bei Suiziden die Angehörigen nicht zu Studienobjekten gemacht werden sollten.

    @ Zimtspinne:

    Die Todesursachenstatistik weist 2023 51 Sterbefälle infolge von Anexoria nervosa aus. Das ist aber keine Teilmenge der Suizide und bei den Suiziden in der Todesursachenstatistik gibt es bisher keine Zusatzinformation dieser Art.

  4. #4 zimtspinne
    21. Juni 2025

    In der Todesursachenstatistik sollten die Kausalketten einsehbar oder auslesbar sein.

    Jedenfalls hatte ich an so etwas gedacht:
    https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-642-74271-2_9

    Chronischer Suizid bzw Suizidalität geht in passive Sterbehilfe über.
    In manchen Fällen sind psychische Erkrankungen, die eigentlich heilbar sind, unheilbar.
    Ich wollte darauf hinaus, dass es dieses “todkrank” mit “Schmerzen” eben auch bei psychischen Erkrankungen gibt. Und leider gar nicht mal so selten.

    • #5 Joseph Kuhn
      21. Juni 2025

      @ zimtspinne:

      Die Etikettierung der Anorexia nervosa als “chronischer Suizid” in dem von Ihnen verlinkten Beitrag ist eine psychiatrische Wertung des Krankheitsbildes, mit der Todesursachenstatistik hat das nichts zu tun.

      In der Todesursachenstatistik wird bei Krankheiten das sog. “Grundleiden” dokumentiert, bei Unfällen oder Suiziden die “äußere Ursache”. Mehr dazu kann man z.B. im Schwerpunktheft 12/2019 des Bundesgesundheitsblatts nachlesen.

      In der ärztlichen Todesbescheinigung, der Dokumentation der Leichenschau, die der Todesursachenstatistik zugrundeliegt, soll die Kausalkette abgebildet werden, aber auch das geschieht mehr schlecht als recht, siehe dazu den Artikel von Hamann et al. in dem erwähnten Heft des Bundesgesundheitsblatts. Aber für die aktuelle Todesursachenstatistik ist das irrelevant.

      Das ausstehende Suizidpräventionsgesetz sieht eine erweiterte Suizidsurveillance vor, vielleicht hat man dann bessere Routinedaten. Bis dahin bleibt man auf mehr oder weniger gute Studien angewiesen.

  5. #6 Doe
    25. Juni 2025

    Zimtspinne
    “Chronischer Suizid ” dazu zählt auch die Drogenabhängigkeit, die der Definition nach eine psychische Erkrankung ist.

    Joseph Kuhn
    Statt Surveillance ist mehr Handlung gefragt.
    Der Hamburger Hauptbahnhof hat eine offene Drogenszene, wo sich die Fixer auf der Engangstreppe eine Spritze setzen und die Masse der Touristen läuft unbeteiligt vorbei. Das ist nicht mehr makaber, das ist die Bankrotterklärung der Wohlstandsgesellschaft.