Das Mammografie-Screening-Programm ist immer wieder einmal in der Diskussion gewesen. Mal sprachen die Daten sehr dafür, mal nicht so sehr. Jetzt gibt es eine neue Studie, die zeigt, dass das Screening die Brustkrebs-Sterblichkeit wohl in der Tat deutlich senkt. Zwar ist es kein RCT, das ist bei dem Thema kaum umzusetzen, die Studie hat allerdings versucht, Teilnahmeeffekte abzuschätzen und zu korrigieren.

Das BMG ist verständlicherweise über das Ergebnis der auch von ihm geförderten Studie erfreut und schreibt auf Linkedin:

Die Mitteilung des BMG ist allerdings etwas unpräzise. Der erste Absatz, in dem von einer Senkung der Zahl der Todesfälle bei 50- bis 69-jährigen Frauen um 20-30% die Rede ist, würde in einer ganz strengen Lesart bedeuten, dass durch das Screening die Gesamtsterblichkeit der Frauen in der Altersgruppe erheblich sinkt. Das wird natürlich kaum jemand so verstehen. Naheliegender ist das Missverständnis, dass durch das Screening die Zahl der Brustkrebssterbefälle in der Bevölkerung um 20 bis 30 % sinken würde. Auch das behauptet die Studie aber nicht, sie sagt, wie im zweiten Absatz korrekt formuliert, dass die Brustkrebssterblichkeit bei den Teilnehmerinnen des Screenings um 20 bis 30 % niedriger ist. Eine gute Nachricht, die zur Teilnahme motivieren kann, auch wenn vielleicht durch therapeutische Fortschritte in den letzten Jahren der Screeningeffekt inzwischen etwas geringer ausfällt. Solche Studien sind zwangsläufig immer ein Blick zurück in die Vergangenheit.

Für eine informierte Entscheidung der Frauen zur Teilnahme wäre aber nicht nur die relative Risikoreduktion wichtig, sondern auch die absolute. Diese Information gibt Elke Nekolla vom Bundesamt für Strahlenschutz gut nachvollziehbar in ganzen Zahlen so an: “Von 1.000 Frauen zwischen 50 und 69 Jahren, die nicht zur Früherkennung gehen, sterben 19 irgendwann an Brustkrebs. Von 1.000 Frauen, die zehn Jahre lang jedes zweite Jahr teilnehmen, sterben 13 bis 15. Also werden vier bis sechs gerettet.” Das ist beachtlich, auch wenn es mehr Leben rettet, schnell wieder mit dem Rauchen aufzuhören.

Des Weiteren wären natürlich auch die Nebenwirkungen des Screenings wichtig, z.B. falsch positive Befunde, unnötige Biopsien oder strahleninduzierte Tumoren, also der „Preis“ der geretteten Leben. Und nicht zu vergessen, siehe oben, auch der Effekt des Screenings auf die Gesamtsterblichkeit gehört dazu, weil ein Teil der Frauen, die nicht an Brustkrebs sterben, im Beobachtungszeitraum an anderen Ursachen sterben.

Eine Linkedin-Mitteilung des BMG muss nicht unbedingt den Ansprüchen an eine gute Gesundheitsinformation entsprechen, die Botschaft ist wichtig: Mammografie rettet Leben. Da, wo man sich direkt an die Frauen wendet, müssen aber alle Aspekte rein, die für eine informierte Entscheidung der Frauen, ob sie teilnehmen wollen oder nicht, nötig sind.

Kommentare (8)

  1. #1 yerainbow
    yerainbow.wordpress.com
    12. Juli 2025

    viel interessanter wäre eine Studie über Ultraschall-Untersuchungen
    gern auch im Vergleich mit Mammographie

    dürfte deutlich besser ausfallen bei geringerer Strahlenbelastung

    • #2 Joseph Kuhn
      12. Juli 2025

      @ yerainbow:

      Ich bin kein Mediziner und bei dem Thema kein Fachmann. Die Deutsche Krebsgesellschaft schreibt: “Ergänzend zur Tastuntersuchung und Mammographie kann eine Ultraschalluntersuchung wertvolle Zusatzinformationen liefern. Als alleinige Methode zur Brustkrebsdiagnose ist sie jedoch nicht treffsicher genug.”

  2. #3 Soisses
    14. Juli 2025

    Danke, Joseph, für die gute Nachricht, sie macht die Entscheidung pro Teilnahme leichter und lässt sich gut weitergeben. Und lehrreich ist sie für die Wissenschaftskommunikation.

  3. #4 Staphylococcus rex
    14. Juli 2025

    Für die persönliche Risikobewertung spielen Zahlen wie NNT (numbers needed to treat) und NNH (numbers needed to harm) eine wichtige Rolle. Aus den o.g. Zahlen läßt sich ableiten, dass ca. 200 Screenings in der Risikogruppe notwendig sind, um einen Todesfall zu verhindern.

    Natürlich gibt es auch ungewünschte Effekte (Strahlenbelastung, Folgediagnostik bei falschpositiven Screeningbefunden), die dürften in ihrem Gesamteffekt hinter den gewünschten Effekten zurückstehen.

    Angesichts knapper Kassen bei der GKV hoffe ich, dass jetzt keine allzu lauten Rufe kommen, das Screening abzuschaffen. Wenn man die Gesamtkosten für das Screening und die Folgediagnostik zusammen rechnet, dürften die Kosten pro gewonnenem Lebensjahr vergleichsweise moderat ausfallen.

    Ist zwar etwas off topic, aber nach meiner Einschätzung ist auch im Gesundheitswesen das Pareto-Prinzip (80/20-Regel) anwendbar. Vorbeugemaßnahmen sollten in der Regel zu der Gruppe gehören, wo man mit 20% Aufwand 80% des Effekts erreichen kann.

    @ Joseph Kuhn, Danke für die schöne Darstellung dieser Problematik.

  4. #5 Uli Schoppe
    16. Juli 2025

    @Staphylococcus rex
    14. Juli 2025

    Angesichts knapper Kassen bei der GKV hoffe ich, dass jetzt keine allzu lauten Rufe kommen, das Screening abzuschaffen.

    Bevor ein Mißverständnis aufkommt: Das unterschreibe ich sofort.
    Jede Frau hat schliesslich das Recht nicht an Brustkrebs zu sterben. Das persönliche Risiko ist für mich als Mann natürlich geringer aber nicht 0. Und ich fände das wirklich nicht besonders reizvoll.
    Genauso wenig die Idee das ich an etwas sterben soll um Kosten zu senken …

    Was ich nicht verstanden habe (ich bin wirklich schlecht im Lesen von medizinischen Studien ^^):
    Sinkt eigentlich jetzt die Gesamtssterblichkeit oder nicht?

  5. #6 Staphylococcus rex
    16. Juli 2025

    @ Uli Schoppe, Statistik ist nicht meine Paradedisziplin. Meine Antwort wird also etwas defensiv ausfallen: Der Screeningzeitraum ist die Altersgruppe von 50-69 Jahren, im o.g. Text steht nicht, ob die vermiedenen Todesfälle sich auf den Screeningzeitraum oder auch auf einen Nachbeobachtungszeitraum beziehen.

    Ab dem Alter von ca. 60 Jahren steigt das allgemeine Sterberisiko. Ein Effekt signifikanter auf die Gesamtsterblichkeit in der Altersgruppe 50-60 wäre möglich, in höheren Altersgruppen dürfte der relative Effekt auf die Gesamtsterblichkeit geringer ausfallen. Für derartige Fragen ist Joseph Kuhn in jedem Fall der bessere Ansprechpartner.

  6. #7 Joseph Kuhn
    19. Juli 2025

    @ Uli Schoppe, Staphylococcus rex:

    “Sinkt eigentlich jetzt die Gesamtssterblichkeit oder nicht?”

    Vermutlich ja, in kleinerem Umfang, aus den von Staphylococcus rex genannten Gründen. Eine Modellierungsstudie hat das mal 2018 versucht abzuschätzen und kam auf eine erwartbare Reduktion von 1-3 %. Das klingt wenig, ist aber gemessen an der hohen absoluten Zahl alles andere als nichts.

    Dass es keine Absenkung der Gesamtsterblichkeit gibt, wäre hochgradig unplausibel. Dann müsste die Reduktion der Brustkrebssterblichkeit vollständig durch zwei Effekte kompensiert werden. Erstens tödliche Nebenwirkungen der Mammografie, vor allem durch strahleninduzierte Tumoren. Das würde man sehen. Zweitens durch andere “zufällige” Todesursachen im Beobachtungszeitraum, ein in der Tat relevanter Effekt. Aber das würde voraussetzen, dass die vermiedenen Brustkrebssterbefälle im Kollektiv gar keinen Lebenszeitgewinn gebracht hätten, also zeitneutral z.B. durch Herzinfarkte o.ä. ersetzt wurden. Das ist logisch mehr oder weniger ausgeschlossen.

    “Nachbeobachtungszeitraum”

    Der ist etwas inhomogen. Bei den Kassendaten ist die Rede von einem “maximalen Nachbeobachtungszeitraum von 10 Jahren”, insgesamt von “ca. 10 Jahren”.

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    Nachtrag: Man könnte natürlich diskutieren, ob mit den gleichen Aufwendungen wie für das Mammografiescreening die Gesamtsterblichkeit der Frauen durch einen konsequenten Nichtraucherschutz nicht stärker gesenkt werden könnte. Aber das ist eine rein hypothetische Option.

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    Noch ein Nachtrag, zur Gesamtsterblichkeit: Die “Unstatistik des Monats” vom 17.7.2025 ist sehr kritisch, was den Nutzen des Screenings angeht und kommt zum Fazit: “Mammographie-Screening rettet kein Leben.” So weit würde ich nicht gehen, aber eine etwas vorsichtigere Berichterstattung über den Nutzen wäre durchaus geboten.

  7. #8 Fluffy
    20. Juli 2025


    dass durch das Screening die Zahl der Brustkrebssterbefälle in der Bevölkerung um 20 bis 30 % sinken

    Das klingt ermutigend aus der subjektiven medizinischen Sicht.
    Aus meiner ebenfalls subjektiven eher nicht medizinischen Sicht möchte ich folgendes anmerken.
    Von 1000 nicht gescreenten Frauen sterben 19 an Brustkrebs. Die restlichen 871 sterben allerdings auch, so dass sich für mich das Risiko an Brustkrebs zu sterben zu 1.9% ergibt.
    Dem gegenüber stehen 15 Todesfälle durch Brustkrebs in der Screeninggruppe, das sind 1,5%.
    Ich vermindere also mein Sterberisiko
    um 0.4 %. Das klingt für mich jetzt nicht so wahnsinnig viel. Woher kommen nun die 20-30%,
    ?
    sind es 19/15 – 1= 0.27 oder 27%
    oder 1 – 15/19 = 0.21 bzw 21%
    Das erste ist wohl die Chance für ungescreente Frauen an Brustkrebs zu sterben ist um 27% hoher als für gescreente,
    und die zweite Zahl, das Risiko für gescreente Frauen an Brustkrebs zu sterben ist 21% geringer als bei ungescreenten. Das klingt zwar paradox, scheint aber richtig zu sein. Aber ich schon immer Probleme mit Prozenten von Prozenten