Klimastatistik

Friedrich Merz neigt auch im Kanzleramt noch immer zu steilen Thesen. Vor kurzem hatte er eine absurde Rechnung zur Rolle Deutschlands bei der Bekämpfung des Klimawandels aufgemacht: Weil Deutschland nur 2 % der Treibhausgase weltweit beisteuere, würde es, selbst wenn wir morgen gar nichts mehr emittieren, am Lauf der Dinge nichts ändern. Eine Argumentation, die man identisch anbringen könnte, wenn es um den Beitrag der eigenen Stimme zum Wahlergebnis bei Bundestagswahlen geht oder um den Beitrag der eigenen Steuer zum Steueraufkommen des Landes. Trittbrettfahrer beim Impfschutz argumentieren übrigens auch so, vom Impfen könnte er also auch noch abraten, auf eine Impfung mehr oder weniger kommt es bei der Impfquote der Bevölkerung schließlich wirklich nicht an.

Man kann darauf nur eines sagen: Was, wenn alle so denken? Davon, dass nicht alle so denken, hängen Wahlergebnisse, Steuern, Impfschutz und eben auch der Klimaschutz ab. Gemeinschaftliche Erfolge erzielt man oft nicht durch individuellen Egoismus, auch wenn schlichte wirtschaftsliberale Geister das Wirken der unsichtbaren Hand des Marktes gerne so verstehen: Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an alle gedacht. Ob Merz je von spieltheoretischen Szenarien wie der „Tragik der Allmende“ gehört hat? Vermutlich ja. Gehört und gleich verdrängt, bevor man noch ins Nachdenken kommt.

Sozialversicherung

Jetzt hat er sich zu einem anderen Aspekt des Zusammenspiels von Solidarität individuellem Vorteil geäußert, dem dualen Krankenversicherungssystem. Kurz zur Erinnerung: In Deutschland sind ca. 90 % der Bevölkerung in der GKV, ca. 10 % in der PKV. Die Hälfte der PKV-Versicherten sind Beamte, denen die Beihilfe bei den Prämien zur Seite steht, die vor allem im Alter ziemlich hoch werden können. Privat Versicherte sind im Durchschnitt wohlhabender als GKV-Versicherte, und dem Zusammenhang von sozialer Lage und Gesundheit folgend, auch gesünder. Manche Hochrisikogruppen wie Bürgergeldempfänger sind ganz überwiegend in der GKV – für die wenigen in der PKV nimmt die PKV für sich in Anspruch, besonders solidarisch zu sein. Ansonsten verweist sie gerne auf die Ärzte, die von ihr profitieren.

Ein Nebeneinander von gesetzlicher und privater Vollversicherung mit der damit verbundenen Risikoselektion gibt es in Europa sonst nicht und auf der Welt nur als seltenste Rarität. Das PKV-System gilt auch nicht als besonderes effizient, die Verwaltungskosten sind, auch wenn man sie nicht gut beziffern kann, vermutlich höher als in der GKV.

Sozialversicherungsstatistik

Das Ärzteblatt berichtet jetzt davon, was Friedrich Merz letzten Freitag in der Bundespressekonferenz zum dualen Versicherungssystem gesagt hat:

„Wenn man sich die Beitragszahlen genauer ansehe, würde man erkennen, dass Menschen, die privatkrankenversichert seien, „einen weit überproportionalen Beitrag für das System leisten“, sagte Merz. „Wenn Sie den Mercedes verbieten, wird der Golf teurer“, prognostizierte er die Folge einer möglichen Zusammenlegung beider Versicherungen.

„Das kann man machen. Nur zu glauben, dass nur die einfache Lösung darin besteht, mal eben die Zahl der Beitragszahler zu erhöhen, ist ein gewaltiger Irrtum“, so der Kanzler. Beitragsbemessungsgrenzen anzuheben oder Teile der Versicherung nicht mehr zu erlauben, würden kein einziges Problem beseitigen, erklärte er.“

Das hat er „erklärt“, aber nicht im Sinne von Erklären, warum es so sein soll, sondern im Sinne von Erklären als Behaupten, dass es so sei.

Zunächst zum „weit überproportionalen Beitrag“ der PKV für das System: Im Jahr 2023 lagen die bundesweiten Ausgaben für die Kranken- und Pflegeversicherung der Gesundheitsausgabenrechnung des Statistischen Bundesamtes zufolge bei ca. 378 Mrd. Euro. Auf die PKV entfielen ca. 40,9 Mrd. Euro, ein Anteil von 10,8 %. Im gleichen Jahr waren ca. 74,3 Mio. Menschen gesetzlich versichert, ca. 8,7 Mio. privat, oder ca. 10,5 % der Gesamtversichertenzahl. Ob 10,8 % gegenüber 10,5 % nun „weit überproportional“ sind oder nicht, darf jeder selbst entscheiden. Wer in absoluten Eurosummen rechnet, wird vielleicht etwas mehr Sympathie für die Rechenkünste von Merz aufbringen können.

Weiter: Wenn die privat Versicherten das aktuelle Prämienaufkommen in die GKV einbringen würden, oder gar einkommensabhängige Beiträge zahlen würden, warum würde das System dann teuer? Wenn man einen Liter Wasser in ein 5-Liter-Becken kippt, wird es dann weniger? Verlieren würden die Arztpraxen, die sich gegenwärtig stark durch PKV-Versicherte finanzieren, weil dann nicht mehr wenige privat Versicherte im Krankheitsfall viel Geld mitbringen würden, sondern viele gesetzlich Versicherte etwas mehr. Um beim Gießkannenbild zu bleiben: Wenn das Wasser der 1-Liter-Kanne bisher für die besonders schönen Blumen reserviert war und die neue große Kanne gleichmäßig auf alle Blumen verteilt wird, werden die besonders schönen Blumen wohl etwas weniger bekommen.

Aber warum sollte das System insgesamt verlieren? Weil, wenn man den Mercedes verbietet, der Golf teurer wird, so Merz. Das ist die in Autometaphern übersetzte Trickle-Down-Theorie. Geht es den Reichen gut, fallen auch Brosamen für den anderen ab. Unter den Reichen und ihren politischen Freunden ist der Glaube an diese Theorie weit verbreitet, und vor allem möchten sie, dass die weniger Begüterten daran glauben. Die Wissenschaft ist skeptisch, was an dieser Idee wirklich dran ist, und im Fall der Versicherungssysteme versteht man gar nicht, wie das gehen soll.

Ganz besonders merkwürdig ist das duale Versicherungssystem in der Pflege – da sind die Leistungen gleich, nur die Einnahmen infolge der Risikoselektion nicht. Mercedes und Golfklasse halt.

2020 hatte die Bertelsmann-Stiftung noch einmal eine Analyse in Auftrag gegeben, was es denn für die Finanzierung der Krankenversicherung bedeuten würde, wenn man eine Bürgerversicherung einführt. Das Ergebnis war, wie schon bei einer ganzen Reihe von früheren Untersuchungen: Der allgemeine Beitragssatz könnte etwas sinken, wenn auch nicht viel. Kombiniert mit einer Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze kommt etwas mehr in die Kassen, von bis zu 3 Prozentpunkten ist die Rede.

Dass die Einführung einer Bürgerversicherung rechtlich nicht einfach ist, etwa mit Blick auf das Eigentum an den Altersrückstellungen, ist unstrittig. Schrittweise umzusetzen, wäre sie aber, z.B. indem neue Beamte nicht mehr über das Beihilfesystem in die PKV geführt werden, manche Bundesländer bieten solche Modelle bereits an. Vielleicht könnte man auch einen Risikostrukturausgleich zwischen PKV und GKV entwickeln, idealerweise unter Berücksichtigung aller Einkommen. Aber dann würden am Ende alle Toyota fahren, und das geht eben nicht.

Kommentare (26)

  1. #1 wereatheist
    21. Juli 2025

    Selbstverständlich kennt der Friederich die tragedy of the commons.
    Und schließt daraus, dass es keine commons zu geben hat, sondern dass Alles möglichst privatisiert und profitorientiert bewirtschaftet werden muss.

  2. #2 Richard
    22. Juli 2025

    für mich stellt sich die Frage: ist das Festhalten an diesem System – PKV und GKV mit einer Vielzahl von konkurrierenden Kassen und teuren Verwaltungsapparaten – das Ergebnis eines erfolgreichen Lobbyismus oder glaubt man, dass Änderungen zu schwierig und dem Wahlvolk nicht zuzumuten sind? Ich tendiere zu Antwort 1…

    • #3 Joseph Kuhn
      22. Juli 2025

      @ Richard:

      Vermutlich von Beidem was. Aber mich wundert, wie ignorant angesichts der enormen aktuellen Finanzierungsprobleme die Regierung gegenüber dem Abbau von Ideologiekosten ist, vom dualen Versicherungssystem bis hin zu den diversen Steuerverzichten. Wer versteht denn beispielsweise, dass jemand, der in München ein Mietshaus geerbt hat, hohe Erbschaftssteuern zahlen musss und manchmal deswegen die Mieten erhöht werden müssen, dass aber keine Erbschaftssteuer anfällt, wenn mehr als 300 Wohnungen vererbt werden, obwohl der Bundesfinanzhof das für unzulässig erklärt hat? Oder, wenn man sich richtig gruseln will, warum das CumEx-Treiben so zaghaft aufgeklärt und verfolgt wird.

  3. #4 Oliver Gabath
    22. Juli 2025

    Weil Deutschland nur 2 % der Treibhausgase weltweit beisteuere, würde es, selbst wenn wir morgen gar nichts mehr emittieren, am Lauf der Dinge nichts ändern.

    Wäre ein Treppenwitz der Geschichte, wenn unserer Gesellschaft diese Einstellung in zwei oder drei Jahrzehnten auf die Füße fällt. China hat gute Chancen dieses Jahr den Peak erreichen. Würde mich nicht wundern, wenn der chinesische Staat Mittelfristig eine Klimaabgabe auf ausländische Unternehmen einführt.

    In diesem Zusammenhang: Gab es eigentlich mal eine Zeit, in der wir als Gesellschaft nicht so phlegmatisch waren? Ich bin ja jetzt auch schon über 40 und ich kenn’s nicht anders.

  4. #5 naja
    22. Juli 2025

    @Oliver Gabath
    Ich (auch ü 40) bin der Meinung, dass es diese Zeit gab.
    Es gab Zeiten, da stand Deutschland gut da, was Windräder und Solarenergie angeht, fast schon so Start-up mäßig. Auch die Preise waren da richtig fortschrittlich.
    Ich finde sogar, wenn man den Anfang der Ampel mit dem Anfang der kleinen Groko vergleicht, hat sich einiges verschlechtert, wenn man die Schwierigkeiten im Umgang mit Problemen wie Ukraine-Krieg vs. Wahl neuer Richter des BVerfG vergleicht.
    Andererseits sind eine Reform des Rentensystems und Gesundheitswesens Evergreens, an die ich mich seit frühester Kindheit erinnere.
    Und war Inhalt des Kyoto Protokolls nicht eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990?

  5. #6 Ichbinich
    23. Juli 2025

    @Oliver Gabath

    Gehe auch fest davon aus, dass das so oder so Ähnlich passieren wird.
    Bei allen Zukunftstechnologien sind wir leider viel zu zögerlich bzw. würgen sie bewusst ab.
    Das haben wir schon bei solar und Windkraft so gemacht, und derzeit sieht es so aus als wiederholen wir genau diese Fehler wieder bei Elektrolyse etc. Ganz zu schweigen von KI Anwendungen und Software-Themen…

    Offenbar sind wir in Europa nicht in der Lage dazu, Visionen zu entwickeln und stringent zu verfolgen.

    Aber um ganz ehrlich zu sein: die Regierung tut hier nur das, was die Gesellschaft will. Wir sind hier zu gesättigt und offenbar nicht willens, Veränderungen zu akzeptieren, geschweige denn aktiv zu treiben….

    Und da schließt sich der Kreis zu den Sozialversicherungen. Auch hier gibt’s mal wieder nen Arbeitskreis in der Regierung, als ob die Probleme und mögliche Lösungen nicht schon seit Jahren auf dem Tisch liegen….
    Aber umsetzen will es keiner, weil er die Quittung der Wähler fürchtet. Und wahrscheinlich hat er damit sogar Recht….
    Und so taumeln wir weiter in Richtung Zukunft und warten solange erstmal ab. Vielleicht gibt’s ja noch irgendeine Zaubertechnologie oder so die uns rettet…

  6. #7 Oliver Gabath
    23. Juli 2025

    @ichbinich
    Sehe ich ähnlich. Das Medianalter liegt in der EU bei knapp 45, in Deutschland knapp über 45 Jahren. Die Medieanalter der Wähler noch mal 10 Jahre drüber. Ich glaube, dass sich daraus eine Menge erklärt. Die Parteien machen halt Politik für die Mehrheit ihrer Wähler.

    In diesem Zusammenhang: Was ist eigentlich der Ursprung des Beihilfesystems für Beamte? Für mich sieht das aus wie ein Kompromiss aus dem schlechtesten Zweier Welten.

    • #8 Joseph Kuhn
      23. Juli 2025

      @ Oliver Gabath:

      “Was ist eigentlich der Ursprung des Beihilfesystems für Beamte?”

      Beamte sind bekanntlich nicht sozialversicherungspflichtig. Da sie das Krankheitsrisiko so wenig wie andere Beschäftigte individuell tragen können, versichern sie sich privat und im Lauf der Zeit, im Grunde nach dem Krieg, hat sich das Beihilfesystem als eine Art Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung entwickelt, aber bezogen auf die Arztrechnungen, nicht die Versicherungsprämien. Die PKV kann Tarife unter Berücksichtigung der Beihilfeleistungen kalkulieren, die GKV darf das nicht, was Beamte de facto in die PKV zwingt (so das Prinzip, Details mal außer Acht).

      Das Problem ist nicht die Beihilfe, sondern das duale Versicherungssystem an sich. Die Diskussion darüber ist allerdings politisch so verbarrikadiert, dass Reformen nicht nur sachliche, sondern auch ideologische Hürden zu überwinden haben. Ökonomisch macht das duale System keinen Sinn, es ist nicht grundlos quasi eine deutsche Besonderheit.

  7. #9 Bernd Nowotnick
    23. Juli 2025

    Zu: „In diesem Zusammenhang: Was ist eigentlich der Ursprung des Beihilfesystems für Beamte?“
    Es sollte eigentlich gerechterweise, wie bei den Arbeitern und Angestellten, aus dem Umlageverfahren der Sozialversicherung und der Rentenversicherung gespeist sein.

  8. #10 Staphyloccus rex
    23. Juli 2025

    @ Joseph Kuhn, der o.g. Diskussionbeitrag ist vielschichtig, eine Antwort ist nur auf einzelne Aspekte möglich. Beim aktuellen CO2-Ausstoß mag Deutschland mit lediglich 2% dabei sein, aber es gibt auch die “historische CO2-Schuld” und wenn wir hier das Verursacherprinzip einbeziehen, dann ist Deutschland mit seiner langen Industrietradition mit einem wesentlich höheren Prozentsatz dabei. Über Feinheiten, ob der CO-Verbrauch bei der Produktion oder beim Konsum gezählt wird, möchte ich hier nicht diskutieren.

    Hilfreich bei Veränderungen sind Rückkopplungsprozesse, die Wohlverhalten belohnen. Bei der Überfischung können Fangquoten und Schutzgebiete innerhalb weniger Jahre zu einer teilweisen Besserung der Situation führen. Regionale Kooperation wird hier innerhalb überschaubarer Zeiträume belohnt und dies ist sehr förderlich für die Compliance.

    Das CO2, welches jetzt in der Luft ist, wird dort noch lange bleiben. Und weil sich CO2 schnell und gleichmäßig verteilt, kennt die Natur kein individuelles Verursacherprinzip. CO2-Zertifikate und Emissionshandel sollen für Verantwortlichkeiten sorgen, funktionieren derzeit aber eher schlecht als recht.

    Damit landen wir bei der Spieltheorie und der “Tragik der Allmende”. Regionale Regeln und Kooperationen sind vorhanden, aber nur begrenzt wirksam. Der “große Wurf” erfordert eine überregionale bzw. weltweite Kooperation und verbindliche Regeln und als Grundlage eine regelbasierte Weltordnung. Davon sind wir derzeit leider mehr denn je entfernt.

  9. #11 Doe
    24. Juli 2025

    Welch ein Glück, dass es die PKV gibt. Welch ein Glück , dass es (noch)ein Beamtentum gibt.
    Welch ein Glück , dass es die Bundesländer gibt, die diese Fakten rechtlich unterschiedlich begründen.

    So bleiben die Begründungen für ein Solidarprinzip und für ein betriebswirtschaftliches Denken immer aktuell .
    Das Soldidarprinzip findet seine Grenze bei der Finanzierbarkeit, das betriebswirtschaftliche Denken findet seine Grenze bei der Akzeptanz der öffentlichen Meinung.

    Fazit : ein Beitrag mit Tiefgang.

    • #12 Joseph Kuhn
      24. Juli 2025

      Ähem.

  10. #13 Staphylococcus rex
    25. Juli 2025

    In der Diskussion um eine mögliche Einheitsversicherung bei der Gesundheitsvorsorge vermisse ich eine umfassende Betrachtung. Es geht fast ausschließlich um die Finanzen der GKV. Unterrepräsentiert sind Auswirkungen auf des Verhalten ehemaliger PKV-Patienten und auf die Konsequenzen für Leistungserbringer.

    Nur als Beispiele: ehemalige PKV-Patienten haben bereits durch ihre Bildung und ihre Netzwerke einen bevorzugten Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen. Sie werden perspektivisch in einer Einheitsversicherung Geld kosten. Ob die zukünftigen Ausgaben für ehemalige PKV-Versicherte vergleichbar sind mit GKV-Versicherten, da fehlt mir eine saubere Analyse. Wenn dort durch Anwendung des WANZ-Prinzips Leistungen gekürzt werden, dann öffnet dies Tür und Tor für private Zusatzversicherungen. Dies ist einerseits gut, weil derartige Zusatzversicherungen für die Leistungserbringer die Zumutungen durch Kostendämpfungsmaßnahmen reduzieren und andererseits Investitionen in neue Technik ermöglichen. Derartige Zusatzversicherungen stellen andererseits wieder die Ungleichheit her, die als ein Hauptargument für die Abschaffung der PKV dient.

    Für Leistungserbringer bedeutet eine Einheitsversicherung, dass das WANZ-Prinzip flächendeckend angewandt wird. Eine Kompensationsmöglichkeit durch die PKV entfällt. Die Verteilungskämpfe innerhalb des Systems werden in Zeiten knapper Kassen neue Dimensionen erreichen. Das Streikverbot von Kassenärzten wird u.a. mit der Alternative eine privatärztlichen Tätigkeit begründet. Ohne die Alternative einer privatärztlichen Tätigkeit sind niedergelassene Ärzte nur noch Angestellte der Einheitsversicherung und ohne Beamtenstatus kann ihnen dann niemand mehr das Streikrecht verwehren.

    Eine Einheitsversicherung ist nicht per se schlecht, aber angesichts der umfangreichen Wechselwirkungen müssen alle wesentlichen Gruppen in das Konzept einbezogen werden.

  11. #14 Staphyloccus rex
    25. Juli 2025

    Des Einfluss einer Einheitsversicherung auf die bisher bestehenden Kostendämpfungsmaßnahmen sehe ich bisher nicht ausreichend beleuchtet. Ein unüberlegtes Handeln kann hier durchaus zum Systemcrash führen. Bei allen großen Reformvorhaben spielen Schlagworte wie Konvergenzphase etc. eine wichtige Rolle.

    Eine Einheitsversicherung hat durchaus ihren Charme, aber auf dem Weg dahin sollte man auf diesen Begriff und das damit verbundene politische Minenfeld verzichten und einfach mal die Hausaufgaben machen, also GKV und PKV jeweils getrennt reformieren und bei den Reformen die Kompatibilität zu einer Einheitsversicherung im Kopf behalten. Viele der hier genannten Kritikpunkte kann man dann im Rahmen eines schrittweisen Reformprozesses aus dem Weg räumen. Bei guter Vorarbeit sollten sich dann auch die politischen Widerstände reduzieren.

    Und wenn z.B. in der GKV Elemente der PKV wie Altersrückstellungen oder bei elektiven Eingriffen mögliche Limits bei der Kostenübernahme eingeführt werden, wäre das wirklich Teufelswerk?

    Ob Friedrich Merz bei dieser Problematik für sich den Status eines “Experten” in Anspruch nehmen darf, darüber möchte ich lieber nicht streiten.

    • #15 Joseph Kuhn
      25. Juli 2025

      @ Staphyloccus rex:

      “Einheitsversicherung … sollte man auf diesen Begriff … verzichten”

      Ich habe ihn nicht eingeführt. 😉

      Der Begriff ist irreführend, weil es nicht um eine “Einheitsversicherung” analog der Rentenversicherung geht, sondern um das weltweit ziemlich einmalige duale System. Im GKV-System wäre mehr qualitätsorientierter Wettbewerb sogar wünschenswert, das Leistungsspektrum von Krankenversicherungen ist schließlich ganz anders als das der Rentenversicherung. Zusatzversicherungen wird es übrigens immer geben, die kann man ja nicht verbieten, so wie sich auch insgesamt soziale Ungleichheit nicht durch Verbot beseitigen lässt.

  12. #16 Doe
    25. Juli 2025

    …rex
    “GKV und PKV jeweils getrennt reformieren”

    Das ist praktisch nicht möglich. Die Versicherer der PKV sind auch internationale Konzerne.

    Das Solidarsystem hat seine Grenze schon überschritten, mit der Folge dass die Ärzteversorgung auf dem Lande immer mehr verdünnt wird, und in den Städten die Wartetermine schon eine Zumutung darstellen.

    Was jetzt den Herrn Merz betrifft, sein Beispiel mit dem Mercedes und dem Golf , das trifft den Kern der Problematik. Und hierbei kommt niemand auf die Idee , ungleiche Einkommensverhältnisse als ungerecht hinzustellen. Ein Arzt ist nun mal stärker belastet mit einem Anrecht auf den 24 h Tag. Dem gönnt man den Mercedes.

  13. #17 Uli Schoppe
    26. Juli 2025

    @Doe
    25. Juli 2025

    Was jetzt den Herrn Merz betrifft, sein Beispiel mit dem Mercedes und dem Golf , das trifft den Kern der Problematik.

    Nein, tut es nicht. Der Versuch das auf eine Neiddebatte herunterzubrechen:

    Und hierbei kommt niemand auf die Idee , ungleiche Einkommensverhältnisse als ungerecht hinzustellen. Ein Arzt ist nun mal stärker belastet mit einem Anrecht auf den 24 h Tag. Dem gönnt man den Mercedes

    ist irgendwie nicht zielführend und hat nichts mit dem trickle down Ansatz von Herrn Merz zu tun…

  14. #18 Doe
    27. Juli 2025

    zu #17
    Uli Schoppe,

    Freu dich, du hast Recht, wenn du behauptest, die soziale Gerechtigkeit bleibt bei der gegenwärtigen Politik auf der Strecke.
    Die Brotstückchen, die auf den Boden fallen und das Wahlvolk ernährt wenn die CDU regiert, das ist Politphilosophie.
    Und sie verschweigt, dass die Arbeitnehmer den Mehrwert erarbeitet haben und nicht die Politfunktionäre der CDU.

    Aber… es war die Wirtschaftspolitik der CDU , die das Wirtschaftswunder ermöglicht hat.
    Man versteht dann auch, warum die Erbschaftssteuer so niedrig ist, man gab dem Mittelstand und der Industrie die Möglichkeit zu investieren. Und dazu braucht es Kapital.

    Jetzt, 75 Jahre nach Kriegsende ist Deutschland saturiert. Alle haben einen Kühlschrank und alle haben ein Auto.
    Jetzt ist die Situation anders. Wer Kapital hat und nicht in Miete wohnt, der vermehrt sein Kapital, selbst wenn e r schläft, der Mieter, der verliert jeden Monat an Kapital, weil die Mieten nicht gedeckelt sind.

    Herr Kuhn will ja das Solidarsystem retten , indem er in Betracht zieht die kapitalstarke PKV mit der kapitalschwachen GKV zusammenzulegen. Zumindest ist das eine Überlegung wert.

    Bei genauerem Hinsehen beginnt aber Sozialpolitik nicht am Punkt Null (frei nach Norbert Blüm)
    die notwendigen Reformen müssen politisch durchsetzbar sein.
    Und Herr Merz ist für deine Überlegungen da nicht geeignet. Bei dem muss die Bilanz stimmen , egal, wo das Geld herkommt, egal wie lange die “Werktätigen” dafür arbeiten müssen.

  15. #19 Uli Schoppe
    1. August 2025

    Merz Vergleich berücksichtigt einfach grundlegende Unterschiede nicht. Er stimmt ja nicht mal für Autos. So funktioniert die Preisbildung am Automarkt einfach nicht…

    Eigentlich ist er so absurd das es mich gruselt. Ich wäre wirklich gespannt auf eine Analyse die belegt das das doch geht.

    Was soll denn aus der PKV nach “unten” ^^ in die GKV durchrieseln, das die Preisbildung dort entscheidend beeinflusst?

    Der Vergleich hinkt einfach.

  16. #20 Doe
    1. August 2025

    zu #19
    Uli Schoppe,
    “Was soll denn aus der PKV nach “unten” ^^ in die GKV durchrieseln, das die Preisbildung dort entscheidend beeinflusst?”

    Damit triffst du den Kern deZusammenwirkens von GKV und PKV.
    Ein niedergelassener Arzt ist froh um jeden Privatpatienten. Bei dem kann er seine Leistungen voll abrechen und auch darüber hinaus.
    Und er kann sich damit das lang geünschte Ultraschallgerät anschaffen, das dann wiederum dem Kassenpatienten zugute kommt.
    Es sind die Geräte, die durchrieseln.

    Was den Herrn Merz betrifft, der schwimmt einfach nur mit. Auf die Preisbildung für Autos hat er nur indirekt Einfluss , indem er Absichtserklärungen abgibt.
    Würde er z.B. anordnen, dass im Regierungsviertel in berlin nur E-Autos zugelassen sind, dann wäre das schon einmal ein Fortschcritt.

    • #21 Joseph Kuhn
      1. August 2025

      @ Doe:

      “Es sind die Geräte, die durchrieseln.”

      Eher der Kalk. Warum, steht oben im Blogbeitrag.

  17. #22 Doe
    2. August 2025

    zu #21
    Die Anzahl der Privatversicherten in Prozent mit den prozentualen Beiträgen in Prozent zu vergleichen beinhaltet Ungenauigkeiten.
    Privat Versicherte reichen oft ihre Rechnungen nicht bei ihrer PKV ein, sie erhalten dann eine Rückvergütung.
    Zweitens gibt es Privatversicherte mit 50 % Kostenerstattung, mit 30 % Kostenerstattung und solche mit nur 20 % Kostenerstattung. Und so sind dann auch die Beiträge absolut nicht über die Anzahl der Privatversicherten ermittelbar.
    Die Anzahl der Versicherten in Prozent mit den Aufwendungen in Prozent zu vergleichen ist ungenau.

    Was die Behauptung von Herrn Merz bezüglich den Folgen einer Zusammenlegung beider Versicherungssysteme betrifft, das sind nur politische Argumente, die sachlich auch nicht zu beweisen sind.

    • #23 Joseph Kuhn
      2. August 2025

      @ Doe:

      Für den Finanzierungsanteil der PKV sind Ihre Überlegungen irrelevant. Es zählt, was die PKV ausgibt. Dass es Versicherte mit unterschiedlichen Prämien gibt, spielt dabei keine Rolle. Sie argumentieren in etwa so, dass es unterschiedlich große Kartoffeln gibt und man daher die Verkaufsmenge nicht in kg angeben kann.

      Ihr Mitteilungsbedürfnis ist ersichtlich nach wie vor groß, dafür gebe ich Ihnen hier ja auch immer wieder Raum, aber vielleicht ist für Sie der Seniorennachmittag doch der bessere Ort.

  18. #24 Doe
    2. August 2025

    XXX

    [Kommentar gelöscht. Machen Sie mal wieder Pause, es tut Ihrem Zerebrum gut. JK]

  19. #25 Libertador
    7. August 2025

    Dass Beamte in der PKV und nicht in der gesetzlichen Versicherung sind, ist irgendwie ein komischer Treppenwitz. Ist auch ein ziemlich bürokratischer Akt, da dadurch 4 Stellen bei Abrechnungen beteiligt sind: Die Arztpraxis, der Versicherungsnehmer, die Beihilfe und die PKV. Aber die Bürokratie fällt nicht so sehr auf, da eine der Stellen das in der Freizeit macht.

    Meine Frau ist als Beamtin dabei und wirklich toll ist das nicht, das man ein paar mal im Jahr machen darf. Dabei entstehen halt Fehler und mehrere Runden, weil viele Stellen involviert sind und eine Stelle als Laie das orchestrieren darf. Immerhin sieht man dadurch, welche Späße manche Ärzte machen. Bei einer 30 Minuten Zahnreinigung werden zusätzlich ein 25 Beratungsgespräch und ein Hallo durch den Zahnarzt als Arztgespräch berechnet. Der Arzt fand es nicht so toll, dass meine Frau der Rechnung widersprochen hat.

  20. #26 Staphylococcus rex
    7. August 2025

    @ Libertador, möglicherweise ist das Beispiel der Zahnarztrechnung nicht ganz so trivial wie es scheint. Weil eine Reform der GOÄ seitens der Politik über Jahrzehnte verschleppt wurde (die aktuelle Neuregelung ist aus Sicht der Leistungserbringer alles Andere als ideal), mußte in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten die GOÄ sehr kreativ ausgelegt werden, um auf kostendeckende Einnahmen zu kommen. Im Ärzteblatt gab es über Jahre hinweg große Kommentarspalten, welche Auslegungen statthaft sind und welche nicht.

    Ob es sich im konkreten Fall um versuchten Abrechnungsbetrug handelt oder um einen unorthodoxen Inflationsausgleich, das kann ich aus der Ferne nicht beurteilen. Zumindest sollten mögliche Ungereimtheiten bei der Rechnung mit dem Patienten sauber kommuniziert werden.

    Wenn die neue GOÄ als Rechtsverordnung beschlossen ist, sollte die Zeit für kreative Rechnungen beendet sein.
    https://www.bundesaerztekammer.de/themen/aerzte/honorar/goae-novellierung