Organisationen stehen immer vor einer zentralen Frage: Wie kommen die Ziele der Organisation und die ihrer Mitglieder zusammen? Das gilt für Unternehmen ebenso wie für Parteien, Fußballvereine oder Mönchsorden. Auf der theoretischen Ebene befassen sich damit unterschiedliche Disziplinen, z.B. die Motivationspsychologie, die Organisationssoziologie oder die Betriebswirtschaftslehre, und letztlich, auf der gesellschaftlichen Ebene, auch die Demokratietheorie.

Der Bielefelder Soziologe Stefan Kühl schreibt seit Jahren Bücher zu diesem Thema. Gerade hat er wieder eines veröffentlicht: „Führung und Gefolgschaft. Management im Nationalsozialismus und in der Demokratie“. Es ist als Suhrkamp-Taschenbuch erschienen und kostet in Papier 24 Euro, als e-book ist es einen Cent billiger. Warum nicht zwei Cent, weiß ich nicht. Meine 7-Zeilen-Rezension:

Kommentare (7)

  1. #1 Ludger
    3. August 2025

    Die Idee der “Gefolgschaft” ist aus der Naziideologie des “Führerprinzips” entstanden. Dazu ein Zitat aus Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BChrerprinzip

    Das Führerideal sollte dabei auch auf die jeweils tiefere Ebene in der Hierarchie ausstrahlen. In diesem Sinne wurde das diktatorische Führerprinzip bei der Reorganisierung von Unternehmen im Laufe der nationalsozialistischen Gleichschaltung angewendet, zum Beispiel in den Betrieben, deren Leiter zu „Betriebsführern“ umbenannt und mitsamt den Arbeitnehmern als „Gefolgschaft“ in Massenorganisationen eingegliedert wurden.

    Das ist natürlich urgermanisch, wie wir von Tacitus (!) wissen. Siehe Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Gefolge

    Der Begriff Gefolgschaft […] wurde zunächst verwendet, um den lateinischen Begriff comitatus zu übersetzen, der aus der Germania des Tacitus (Kapitel 13 und 14) bekannt war. Man verstand darunter im engeren Sinne bei germanischen Stämmen eine freiwillige, durch Treueid gefestigte Vereinigung erprobter Männer und wehrfähiger Jünglinge um einen charismatischen oder berühmten Führer […].

  2. #2 hto
    wo der zeitgeistlich-reformistische Kreislauf ...
    3. August 2025

    Führung ist die falsche Bezeichnung, denn der Weg der Führer geht hauptsächlich über die Knochen derer die Gefolge sind, so daß der Großteil es überhaupt nicht schafft dem zu folgen – dumm gelaufen!? 😉

  3. #3 Bernd Nowotnick
    4. August 2025

    Zu: „Motivationspsychologie, die Organisationssoziologie oder die Betriebswirtschaftslehre“: Geld und Geldpolitik regulieren schon lange Machtverhältnisse und sortieren Beziehungen. Staaten nutzen Geldpolitik zur Stabilisierung ihrer Volkswirtschaft und neben militärischer Macht und Handelsbeschränkungen auch zur Durchsetzung geostrategischer Interessen. Im Privatbereich befriedigt Geld basale sowie luxuriöse Bedürfnisse und Wünsche und dient schlicht dem Lebenserhalt, pq − qp = h/2πi, Ort und Impuls lassen sich nicht auf klassische Weise fassen, also hinter die Fassade sehen.

  4. #4 Staphylococcus rex
    5. August 2025

    In meiner Wahrnehmung geht es hier um die Frage, in welchem Spannungsverhältnis kooperatives und egoistisches Handeln bei der Gestaltung der Leitungstätigkeit zueinander stehen. Kooperatives Handeln ist zweifellos gut für die jeweilige Organisation, es verkürzt Entscheidungswege und erhöht die Schlagkraft der jeweiligen Organisation.

    Kooperatives Handeln beeinträchtigt aber auch die eigene Karriere, insbesondere wenn aufstiegsorientierte Selbstdarsteller sich im Team befinden. In kleinen Organisationen kann man Blender und Selbstdarsteller kontrollieren, ab einer gewissen Größe der Organisation haben diese einen Selektionsvorteil. Ende der 80-er Jahre, das ist auch der Beginn der Globalisierung, vermutlich ist der Konkurs der Harzburger Akademie kein Zufall.

    In der Gegenwart haben wir in Bezug auf egoistisches und kooperatives Handeln ein gewisses Gleichgewicht. Reine Selbstdarsteller sind auf die Leistung Anderer angewiesen und müssen punktuell kooperatives Verhalten zeigen, um die geforderte Leistung dauerhaft zu erbringen. Echte Leistungsträger achten sehr genau darauf, mit wem sie kooperieren. Beides führt dazu, dass kooperatives Verhalten nicht mehr bedingungslos erbracht wird, sondern sich auch geschlossene Gruppen “Seilschaften” beschränkt. Berufliche Netzwerke wie Linkedin verstärken aus meiner Sicht dieses Trend.

  5. #5 André
    9. August 2025

    Zum exakt gleichen Thema:
    Gehorsam macht frei – Eine kurze Geschichte des Managements von Hitler bis heute
    Johann Chapoutot, Propyläen Verlag, 2021

    • #6 Joseph Kuhn
      9. August 2025

      @ André:

      Chapoutot kommt mit mehreren Publikationen bei Kühl vor. Wobei Kühl anders als Chapoutot nicht nur die Kontinuitäten “von Hitler bis heute” hervorhebt.

  6. #7 Fluffy
    9. August 2025

    Schließe mich den Ausführungen von #4 voll und ganz an, wie gerade bei der Nominierung des Richterposten zu sehen war. Nach außen hin Anschein der Kooperation nach innen Sabotage und Intrige zwischen Schwarz und Rot. Trotz der sofort offensichtlichen schwachsinnigen Argumentation, angeschrieben aus einem Buch oder einer Arbeit, die in der Zukunft erschienen ist. Klassischer Fall von Präkognition.
    Die Kandidatin kostet es die Karriere, die Gegenseite profitiert.
    ich hätte mir gewünscht, die Kandidatin hätte den Abstimmungsprozess auf die Spitze getrieben, so bewahrheitet sich mal wieder:
    Der (die) Klügere gibt, die Dummen feiern es als Sieg.