Deutschland ist kein Vorreiterland der Prävention. Das zeigen Ländervergleiche immer wieder. Heute hat die AOK zusammen mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum den „Public Health-Index 2025“ veröffentlicht. Er betrachtet vier für die Prävention relevante Handlungsfelder: Tabak, Alkohol, Ernährung und Bewegung. Dies bildet das Präventionsniveau eines Landes zwar nur partiell ab, hier wären z.B. auch die Verkehrssicherheit, der Arbeitsschutz, die Lebensmittelmittelsicherheit oder, man erinnere sich an die Pandemie, der Infektionsschutz relevant, aber das sei einmal dahingestellt. Man kann die vier Felder entweder als Proxy für das Präventionsniveau insgesamt nehmen oder eben für sich genommen als relevante Einflussgrößen auf die Gesundheit.
Für die vier Handlungsfelder wurden anhand ausgewählter Präventionsaspekte Scores gebildet und am Ende eine Rangreihe von 18 europäischen Ländern gebildet. Deutschland schneidet sehr schlecht ab: Platz 17 von 18, nur die Schweiz ist schlechter.
In diesem Ländervergleich steckt eine Menge Arbeit, und wie gesagt, dass Deutschland in der Prävention Nachholbedarf hat, zumindest in diesen vier Bereichen, ist bekannt. Möge der Ländervergleich also das Bundesgesundheitsministerium zu mutigeren Schritten in der Prävention bewegen. Damit ließe sich sicher Geld in der Kranken- und Pflegeversicherung sparen, auch wenn niemand so genau weiß, wie viel bei welcher Präventionspolitik.
Das AOK/DKFZ-Papier leitet allerdings mit einem Narrativ ein, das man seit einiger Zeit immer wieder hört, auch der frühere Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat es am Ende seiner Amtszeit wiederholt bemüht: Deutschland gebe in Europa am meisten für Gesundheit aus und habe doch nur eine mittelmäßige Lebenserwartung. In den Gesundheitswissenschaften ist man sich eigentlich ziemlich einig, dass die Lebenserwartung nur zum geringeren Teil ein Produkt des Gesundheitswesens ist und mehr von den Lebensumständen, vor allem der sozialen Lage, und darüber vermittelt auch vom Gesundheitsverhalten abhängt. Das führt dann durchaus wieder zu den im AOK/DKFZ-Papier betrachteten Handlungsfeldern zurück, weil hier wichtige Einflussfaktoren auf die Lebenserwartung angesprochen sind.
Da liegt die Frage nahe, wie der PH-Index mit der Lebenserwartung und den Gesundheitsausgaben zusammenhängt. Dazu habe ich im Folgenden die relevanten Daten zusammengestellt: Den PH-Index aus dem AOK/DKFZ-Papier; die Lebenserwartung ebenfalls aus diesem Papier, ergänzt um die Daten der drei Nicht-EU-Länder Norwegen, Großbritannien und Schweiz, für die der Index berechnet wurde, aber im Papier keine Lebenserwartung angegeben ist, und die Gesundheitsausgaben. Hier habe ich von der OECD allerdings Daten in US-Dollar nach Kaufkraftparität genommen, um mir die Ergänzung für die Nicht-EU-Länder einfacher zu machen. Die Tabelle sieht dann so aus:

Wie hängt nun der PH-Index mit der Lebenserwartung zusammen? Das Ergebnis ist ernüchternd: Die beiden Merkmale korrelieren mit -0,18. Mit anderen Worten: Sie hängen praktisch nicht zusammen. Da wartet wohl noch etwas analytische Arbeit auf die Autor:innen. Further research is needed.
Betrachtet man als nächstes den Zusammenhang des PH-Index mit den Gesundheitsausgaben, so ergibt sich eine Korrelation von -0,34. Je höher der Index, desto niedriger die Gesundheitsausgaben. Das könnte man durchaus so interpretieren, dass gute Prävention in den vier Handlungsfeldern Geld im Gesundheitswesen spart. Ob es so ist? Further research is needed.
Sehr hoch korrelieren die Gesundheitsausgaben mit der Lebenserwartung: 0,81. Das scheint auf den ersten Blick der eingangs berichteten gesundheitswissenschaftlichen Bewertung, dass die Lebenserwartung nicht primär dem Gesundheitswesen geschuldet ist, zu widersprechen. Aber hier wird ein Confounding sichtbar, d.h. wohlhabende Länder haben gute Lebensbedingungen, das steigert die Lebenserwartung, und sie können natürlich auch mehr Geld für ihr Gesundheitswesen ausgeben. Daher muss man auch nicht befürchten, dass ein höherer PH-Index, korrelierend mit niedrigeren Gesundheitsausgaben, die Lebenserwartung senkt. Weltmeister beim Geldausgeben im Gesundheitswesen sind übrigens die USA, bei einer recht miserablen Lebenserwartung.



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