Das Deutsche Ärzteblatt wartet heute mit der Meldung auf: „Männer im Alter gesünder als Frauen”. Das lässt aufhorchen, denn bekanntlich sterben Männer früher als Frauen und haben auch in jeder Altersgruppe höhere Sterberaten als Frauen, darüber hatten wir hier schon diskutiert.
Früher sterben passt nicht ganz so einfach zu besserer Gesundheit. Liest man weiter, was das Ärzteblatt schreibt, stellt man fest: Es geht um die „beschwerdefreie Lebenserwartung”, das sind die Jahre, die ohne ernstere gesundheitliche Einschränkungen verbracht werden können. Das Ärzteblatt greift dazu Daten auf, die das Europäische Statistische Amt gerade auf einer Tagung in Paris veröffentlicht hat. Männer im Alter von 65 Jahren haben demnach im EU27-Durchschnitt noch eine fernere Lebenserwartung von 17,4 Jahren, davon 8,7 Jahre beschwerdefrei. Frauen im Alter von 65 Jahren haben noch eine fernere Lebenserwartung von 21 Jahren, davon laut Ärzteblatt aber „nur 8,8 Jahre in guter gesundheitlicher Verfassung”. Daraus die Botschaft zu machen, dass Männer im Alter gesünder seien als Frauen, ist schon eine eigenwillige Interpretation der Daten. Schließlich haben Frauen etwas mehr an beschwerdefreier Lebenserwartung, dann folgen bei den Frauen zwar mehr Jahre mit gesundheitlichen Einschränkungen, aber nur deswegen, weil die Männer vorher sterben. Gesundheit im Alter durch frühen Tod? James Dean hätte das sicher gut gefunden.
Davon abgesehen, stellt sich ohnehin die Frage, wie verlässlich die Berechnung der beschwerdefreien Lebenserwartung im Geschlechtervergleich ist. Hierzu werden nämlich Befragungsdaten zu gesundheitlichen Einschränkungen mit der Lebenserwartung kombiniert. Viele Studien zeigen aber übereinstimmend, dass Frauen generell häufiger gesundheitliche Beschwerden angeben als Männer. Ob das eine unterschiedliche Häufigkeit von Beschwerden anzeigt oder eine unterschiedliche Sensibilität für Beschwerden, ist nicht so ganz klar. Außerdem ist davon auszugehen, dass ein Teil der betroffenen Frauen nicht schwer krank ist, sondern mehr oder weniger stark unter altersentsprechenden Zipperlein leidet.
Das Ärzteblatt referiert des Weiteren die beschwerdefreie Lebenserwartung in verschiedenen europäischen Ländern – da schneidet Deutschland deutlich schlechter ab als der europäische Durchschnitt. Aber auch hier gilt: Der Vergleich ist nicht unproblematisch, weil die Wahrnehmung von Beschwerden je nach kulturellem Hintergrund unterschiedlich sein kann und die Fragen zudem national jeweils etwas anders gestellt wurden. Dennoch ist die beschwerdefreie Lebenserwartung ein wichtiger Indikator im Ländervergleich, als eine Art Benchmark. Da wären Verhältnisse wie in Norwegen schön: Die 65-jährigen Frauen haben dort noch eine Lebenserwartung von 21,2 Jahren, davon 15,7 Jahre beschwerdefrei, bei den Männern sind es immerhin 18 Jahre, davon 14,5 beschwerdefrei. Ähnliche Zahlen hat Schweden vorzuweisen. Deutschland liegt in etwa auf dem Niveau von Slowenien und Portugal.
Geht man davon aus, dass das nicht alles Methodenartefakte sind, kann Deutschland bei der Lebensqualität seiner Älteren also noch zulegen – man will ja schließlich etwas von seiner Rente haben.
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