Die Skeptikerbewegung hat als Nachlese zu ihrer diesjährigen Konferenz das Vortrags-Video von David Bardens online gestellt. Man erinnert sich: das ist der junge Arzt, der Stefan Lanka auf Auszahlung von 100.000 Euro für den Nachweis des Masernvirus verklagt hat. Lanka leugnet, dass Masern durch Viren verursacht werden und hatte 2011 ein Preisgeld für den Virennachweis ausgesetzt. David Bardens hatte ihm Studien zum Nachweis des Masernvirus geschickt, Lanka wollte nicht zahlen, 2014 kam es zum Gerichtsprozess, ein Gutachter, Prof. Podbielski aus Rostock, wurde bestellt, 2015 wurde Lanka zur Zahlung des Preisgeldes verurteilt. Er wollte in Berufung gehen, ob er es getan hat, weiß ich nicht. Auch davon abgesehen dürfte eine geringe Zahlungsbereitschaft vorliegen.
Der Vortrag von David Bardens ist aus mehreren interessant. Bardens stellt zwei Kinder vor, die an Masern erkrankt sind, eines inzwischen an der Spätfolge SSPE gestorben, das andere zum Pflegefall geworden. Aufrüttelnd, eine bewährte, aber eine riskante Strategie in wissenschaftlichen Diskursen, weil auch ein noch so grausames Schicksal natürlich nur die kasuistische Beweiskraft eines Falles hat – aber auch dessen Überzeugungskraft. Dann schildert Bardens seine Prozessgeschichte mit Lanka, bis hin zu den Morddrohungen, die er erhalten hat, und dass er deswegen derzeit Personenschutz bekommt. Impfgegner sind wahrlich nicht immer Vertreter einer sanften Medizin. Sehr interessant sind auch die kurzen Nachrichten aus der Gedankenwelt Lankas. Stefan Lanka ist ein regelrechtes Lehrbeispiel für psychologisch unheimliche Gedankenverstrickungen, das man nicht zu früh als „seltsam“ oder gar als „bekloppt“ beiseite legen sollte.
Lanka ist promovierter Biologe und hat früher, so heißt es, selbst mit Viren geforscht. An naturwissenschaftlicher Bildung fehlt es ihm sicher nicht. Das sollte uns, gerade die strammen Naturwissenschaftler unter uns, skeptisch stimmen, was unsere Immunität gegenüber dem Absonderlichen angeht. Es kann uns alle erwischen. Lanka ist vermutlich inzwischen hermetisch eingeschlossen im confirmation bias, von außen kaum mehr zu erreichen. Er macht nicht den Eindruck, also ob er seine Gedankenwelt nur aus kommerziellen Interessen vorspielt, er ist wahrscheinlich wirklich überzeugt davon, was er sagt.
Lanka ist kein Esoteriker. Er spricht nicht von Geistern und geheimen Wissen, nicht davon, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als sich unsere Schulweisheit träumen lässt. Er bemüht vielmehr gerade die Wissenschaft, oder besser gesagt, den Anspruch wissenschaftlich vorzugehen – in pseudowissenschaftlicher Manier. Empfehlenswert ist die Lektüre von Lankas Stellungnahme zum Gutachten von Prof. Podbielski, nachzulesen auf seiner Internetseite (die ich nicht verlinke). Lanka fordert dort die Einhaltung wissenschaftlicher Standards, verwendet dies dann aber in einer seltsamen Weise gegen den ihm nicht genehmen Erkenntnisstand der Wissenschaft und gegen die Offenheit, die man mitbringen muss, wenn man nicht die Decke der Überzeugungen schützend (?) über seinen Kopf ziehen will. Ganz ähnlich hat die Tabaklobby mit ihrer sog. “Brüsseler Deklaration” ein scheinbares Bekenntnis zum wissenschaftlich korrekten Arbeiten abgelegt – um genau dies zu unterminieren. Bei der Tabaklobby wird es nicht wenige geben, die wissen, was sie tun – etwa die Akteure im industriellen Umfeld, aber auch viele, die wie Lanka glauben, was sie sagen.
In geistige Sackgassen führen vermutlich so viele Wege wie es auch sonst unterschiedliche Lebenswege gibt. Eigenartig ist allerdings, wenn ausgerechnet wissenschaftliche Standards dabei zu einer Art Talisman werden, mit dem eine nach eigenem Ermessen vom rechten Weg abgekommene Wissenschaft gebannt werden soll. Da hat man es mit den Zeugen Jehovas der Wissenschaft zu tun.
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