Schwangerschaft ist längst ein Fall für die Medizin, nicht nur, weil es eine ICD-Hauptgruppe „Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett“ gibt. Bei ca. 40 % der Schwangeren ist im Mutterpass eine Risikoschwangerschaft dokumentiert – z.B. weil die Mutter über 35 Jahre alt oder adipös ist oder früher einen Kaiserschnitt hatte. Ein Drittel der Entbindungen in Deutschland erfolgt inzwischen durch Kaiserschnitt. In der Klinik werden dann sogar bei ca. 70 % der Frauen bestimmte anamnestische Schwangerschaftsrisiken festgestellt. Dass den Schwangeren hierzulande eine gute medizinische Betreuung zur Verfügung steht, ist ein wesentlicher Grund dafür, dass die Säuglingssterblichkeit in Deutschland heute fast um den Faktor 100 (!) niedriger liegt als Ende des 19. Jahrhunderts. Ob wirklich alle Leistungen, die den Schwangeren angeboten werden, notwendig sind, darüber kann man natürlich streiten – und man tut es gerade auch wieder einmal anlässlich einer Studie des Gesundheitsmonitors der Bertelsmann-Stiftung zur Häufigkeit der Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft.

Trotz aller medizinischer Aspekte: Die Schwangerschaft ist bekanntlich keine Krankheit, sondern eine besondere Lebenslage. Auf diesen Unterschied machen die Hebammen zu Recht immer wieder aufmerksam. Den Hebammen kommt in einer achtsamen Begleitung der Schwangeren, der Nachsorge und neuerdings auch (wieder) in der Betreuung von Familien in schwierigen Verhältnissen („Familienhebammen“) eine kaum zu überschätzende Bedeutung zu. Dass manche Hebammen einer unangemessenen Medikalisierung der Schwangerschaft mit einem ebenso unangemessenen esoterischen Brimborium begegnen wollen, ist bekannt, aber das spricht nicht gegen die Rolle der Hebammen an sich, schließlich kommt auch niemand auf die Idee, die Kinderärzte als Berufsstand zu diskreditieren, nur weil viele Kinderärzte homöopathisch orientiert sind. Noch ein Satz zur laufenden Diskussion um die steigenden Haftpflichtprämien für freiberuflich tätige Hebammen: Das geht nicht etwa darauf zurück, dass fahrlässige Hebammen immer mehr oder ganz viele Schäden verursachen würden. Zwischen 2006 und 2011 gab es nach Auskunft der Versicherungswirtschaft insgesamt nur etwa 100 Personenschäden, mit jährlich im Durchschnitt 12 schweren Personenschäden (Schadenssumme über 100.000 Euro). Aber die Schadenssummen steigen.

Soviel zur Vorrede. Hebammen sind also ein wichtiger Berufsstand, wenn es um die Gesundheit „rund um die Geburt“ geht. Vor einiger Zeit hatten wir hier auf Gesundheits-Check über die Zahl der Heilpraktiker in Bayern und Deutschland diskutiert, weil es eine Diskrepanz zwischen den Meldedaten der bayerischen Gesundheitsämter und den aus der Gesundheitspersonalrechnung des Statistischen Bundesamtes für Bayern zu schätzenden Zahlen gibt. Warum, ist nach wie vor nicht wirklich klar. Bei den Hebammen sind die Daten dagegen stimmig. Der Gesundheitspersonalrechnung des Statistischen Bundesamtes zufolge gab es 2011 in Deutschland ca. 21.000 Hebammen. Korrekt müsste man sagen: und Entbindungspfleger. Das ist die Berufsbezeichnung für die männlichen Hebammen. Ich weiß nicht, ob es welche gibt, wenn ja, sind es rare Exemplare. In der Satzung des Bundes freiberuflicher Hebammen heißt es daher: “Der Begriff ‚Hebamme‘ schließt sein männliches Pendant, den ‚Entbindungspfleger‘, gedanklich mit ein. Lediglich wegen seiner zahlenmäßig geringen Bedeutung und aufgrund besserer Lesbarkeit wird auf seine ausdrückliche Nennung verzichtet.”

Die 21.000 Hebammen für Deutschland passen in der Größenordnung gut zu den Zahlen aus anderen Datenquellen, dürften also Pi mal Daumen ganz brauchbar sein. Auf Bayern übertragen kommt man auf gut 3.000 Hebammen, das entspricht den Meldedaten der Gesundheitsämter. Insofern kein Aufreger. Interessant ist aber die zeitliche Entwicklung der Zahl der Hebammen. Sie ging in Bayern im 20. Jahrhundert bis etwa 1980 zurück, seitdem steigt sie.

Hebammenentwicklung

Was die letzten Jahre angeht, zeigt sich der Anstieg analog auch in der Gesundheitspersonalrechnung des Statistischen Bundesamtes, die Zahl hat bundesweit von ca. 16.000 im Jahr 2000 auf die genannten ca. 21.000 im Jahr 2011 stetig zugenommen. Ob es früher bis 1980 wie in Bayern einen Rückgang gab, weiß ich nicht. Aber dass die Entwicklung in Deutschland gänzlich anders verlief als in Bayern ist nicht anzunehmen. Für die Wende 1980 dürfte ohnehin eine starke strukturelle Veränderung verantwortlich sein, z.B. in Vorwegnahme der Neufassung des Hebammengesetzes 1985. Ich habe dazu aber beim Googeln auf die Schnelle nichts gefunden. Wer weiß mehr?

Kommentare (33)

  1. #1 BreitSide
    Beim Deich
    16. August 2015

    Wau, in 20 Jahren eine Verdreifachung! Und das bei sinkenden Geburtenzahlen?

    Die Esoterisierung der Hebammenschaft siehst Du nicht so kritisch?

    • #2 Joseph Kuhn
      16. August 2015

      “eine Verdreifachung! Und das bei sinkenden Geburtenzahlen”

      Und vorher ein Rückgang bei steigenden Geburtenzahlen. Übrigens hat auch die Zahl der Kinderärzte trotz sinkender Geburtenzahlen zugenommen – zu Recht (seit Anfang der 1990er um 2/3). Den Bedarf kann man nicht nur an den Geburtenzahlen festmachen.

      “Die Esoterisierung der Hebammenschaft siehst Du nicht so kritisch?”

      Doch, klar, steht doch da.

      • #3 BreitSide
        Beim Deich
        16. August 2015

        Klar, Du hast es angesprochen. Aber verhältnismäßig milde. Sollte wohl nicht das Hauptthema sein.

  2. #4 Catweazle
    16. August 2015

    Das die Versicherungsfälle so gering sind liegt wohl eher daran, das die Hebammen sämtliche Risikofälle an die Krankenhäuser weiterreichen können.
    Den starken Anstieg der Hebammen in den letzten 30 Jahren würde ich mal den zusätzlichen Einkommensmöglichkeiten als Heilpraktiker bzw. der Quackerei wie z.B. Homöopathie zuschreiben. Gerade wer bei der Geburt auf Hebammen setzt ist ja letztendlich “alternativ” vorbelastet und von daher leicht empfänglich für Zuckerkügelchen und allerlei andere Scharlatanerieprodukte. So lässt es sich denn auch als Hebamme noch gut (über)leben, trotz der gesunkenen Geburtenraten.

    • #5 Joseph Kuhn
      16. August 2015

      “Das die Versicherungsfälle so gering sind liegt wohl eher daran, das die Hebammen sämtliche Risikofälle an die Krankenhäuser weiterreichen können.”

      Nein. Die Krankenhäuser übernehmen z.T. die Versicherungsprämien, wenn sie freiberuflich tätige Hebammen als Beleghebammen nutzen.

      “Gerade wer bei der Geburt auf Hebammen setzt ist ja letztendlich “alternativ” vorbelastet”

      Nein. Bei jeder Geburt muss eine Hebamme dabei sein (sog. “Hinzuziehungspflicht” lt. Hebammengesetz).

  3. #6 Alisier
    16. August 2015

    Mir ist bewusst, dass es sich um Anekdoten handelt, und mache auch darauf aufmerksam, damit niemand auf die Idee kommt, sie als schlagendes Argument zu nutzen, aber:
    meine Erfahrungen mit Hebammen, die Hausgeburten anbieten sind ohne Umschweife als desaströs zu bezeichnen. Wenn es nur um Esoterik ginge, wäre es nicht ganz so schlimm, aber es geht um einen Berufsstand, der sich seit den 80gern neu erfunden hat, und unter der Flagge “weise Frauen zeigen den unmenschlichen Schulmedizinern, wos langgeht” versucht hat, den großen Reibach zu machen, indem eine große Gruppe die Unwissenheit und vor allem die Unsicherheit vieler Neueltern ausnutzt, Vertrauen missbraucht und Macht ausübt.
    Ich bin tatsächlich der Meinung, dass kein Mensch die esoterisch bewegten, jede evidenzbasierte Medizin verachtenden “weisen Frauen” braucht. Und je früher sie verschwinden, desto besser.
    Das Netz, das zwischen homöopathiegläubigen Hebammen, Heilpraktikern und anderen Brimboriumanbietern gewebt wurde, ist inzwischen ein undurchdringliches, klebriges Gewebe geworden, in dem sich sehr viele Jungeltern verfangen. Und da geht immer noch keiner ran.
    Zur Erklärung: Nachdem eine Hebamme versucht hat uns massiv über den Tisch zu ziehen, habe ich durch viele (sehr viele) Gespräche mit Eltern von Neugeborenen feststellen müssen, dass die Masche weitverbreitet ist, und immer noch verfängt. Ich würde mir wünschen, dass diese Art von Vertrauensmissbrauch endlich geahndet wird. Hebammen sind nicht heilig, sondern viel zu oft lediglich naturwissenschaftlich unterbelichtet. Wenn dann noch kriminelle Energie dazukommt
    ( wie beim sogenannten KISS-Syndrom), muss Schluss sein.

    • #7 Joseph Kuhn
      16. August 2015

      “Hebammen sind nicht heilig, sondern viel zu oft lediglich naturwissenschaftlich unterbelichtet.”

      Wer ist schon heilig? Gut, die Ärzte haben es zu Halbgöttern in weiß gebracht, aber sonst?

      Bei aller berechtigten Kritik an den esoterischen Anwandlungen mancher Hebammen: man sollte das Kind nicht mit dem Bad ausschütten. Also: das esoterische Gehabe kritisieren, die hilfreichen Leistungen anerkennen. Wie bei den Ärzten, die hohen Kaiserschnittraten sind ja auch nicht unbedingt das Gelbe vom Ei (zumal sie mit einem stark erhöhtem Infektionsrisiko einhergehen). Auch hier: Kritisieren, was nicht gut ist, anerkennen, was gut ist und dazu beiträgt, dass die Säuglingssterblichkeit so niedrig ist.

  4. #8 Alisier
    16. August 2015

    Nachtrag: dass ich nicht die Beleghebammen meinte, sollte klar geworden sein.

    • #9 Joseph Kuhn
      16. August 2015

      Damit die Größenordnungen klar werden: 98 % der Geburten finden in Krankenhäusern statt. Hausgeburten sind die absolute Ausnahme, in Großstädten spielen noch Geburtshäuser eine gewisse Rolle, auch da ist oft ein Arzt anwesend (oder in Reichweite).

  5. #10 Alisier
    16. August 2015

    Es geht mir um klare Betrugsfälle, Joseph. Und um die Tatsache, dass verunsicherte Jungeltern den weisen Frauen verständlicherweise an den Lippen hängen.
    Wieso man das Kind mit dem Bade ausschüttet, wenn man Betrug moniert, solltest du vielleicht dann auch noch erklären.

    • #11 Joseph Kuhn
      16. August 2015

      @ Alisier: In Kommentar #6 schreibst Du: “es geht um einen Berufsstand, der sich seit den 80gern neu erfunden hat, und unter der Flagge “weise Frauen zeigen den unmenschlichen Schulmedizinern, wos langgeht” versucht hat, den großen Reibach zu machen”. Das nenne ich das Kind mit dem Bade ausschütten. Betrug und esoterische Scharlatanerie sind nicht zu verteidigen, weder bei den Hebammen noch sonstwo. Aber ich denke, an dem Problem muss man gemeinsam mit den Hebammen arbeiten, ähnlich wie das RKI und andere beim Thema Hebammen und Impfen.

  6. #12 Alisier
    16. August 2015

    Und zu “heilig”: nachdem die Versicherungsprämiendiskusson losging, gab es zig Solidaritätsaufrufe für die Freiberuflichen. Kritische Nachfragen gab es kaum.
    Manche verdienen richtig Geld mit der Angst der Eltern, und um die geht es mir. Da gehe ich nämlich an die Decke.

    • #13 Joseph Kuhn
      16. August 2015

      Bei den Versicherungsprämien geht es zunächst einmal um die steigenden Ausgaben bei Personenschäden durch Fehler im Handeln der Hebammen. Inwieweit hier das Thema Esoterik überhaupt eine Rolle spielt, wäre zu klären, ich weiß es nicht. Vielleicht hat das eine mit dem anderen gar nichts zu tun?

  7. #14 Alisier
    16. August 2015

    Ok, mit den “weisen Frauen” meinte ich die, die sich mit dieser Aura umgeben, um fragwürdigen Geschäften nachzugehen.
    Und die Ausbildung ist esoterikverseucht: da frage ich mich dann auch, wie man das zusammen mit den Verantwortlichen lösen soll.
    Ansonsten sind wir nicht weit auseinander.

  8. #15 Alisier
    16. August 2015

    Zu #13 :
    Wenn eine Hebamme erst zig Akupunkturnadeln setzt, bevor sie dann endlich den Arzt ruft, aber auch nur, weil ich Druck mache, haben wir vielleicht einen Zusammenhang bei diesem konkreten Beispiel.

  9. #16 Ludger
    16. August 2015

    Zur Häufigkeit der Ultraschalluntersuchungen: Die Frauen erwarten das. Die Krankenkassen wollen das nicht bezahlen, weil eine Verminderung des Risikos , einen intrauterinen Fruchttod (IUFT) zu haben, durch regelmäßige Ultraschalluntersuchungen in Studien nicht nachgewiesen werden konnte. (Eine ähnliche Argumentation gibt es bei der nicht nachweisbaren Verbesserung der Prognose eines Ovarialkarzinoms durch US-Screening.) Formal: Der fehlende Nachweis einer Wirkung ist ungleich dem Beweis einer fehlenden Wirkung. Wer anders argumentiert, begeht einen logischen Fehler. Ganz anders ist die Frage zu beantworten, ob eine Untersuchung von den Krankenkassen bezahlt werden soll, deren nützliche Wirkung bisher nicht fassbar ist. Nach SGB-V müssen Leistungen ausreichend und wirtschaftlich sein. Das ist Babyfernsehen sicherlich nicht. Aber die Leute wollen es haben. Nun zu mir: Ich sehe beim CTG und Ultraschall in der Regel, wie es einem Kind jetzt geht und in absehbarer Zeit gehen wird. Ich schätze das Gewicht und beurteile die Menge des Fruchtwassers. Das lässt mich mit ein paar anderen Daten (Eiweiß im Urin und Blutdruck) den gesundheitlichen Zustand von Mutter und Kind abschätzen. Das ist nach den o.a. statistischen Ergebnissen überflüssig – aber für mich und die Frauen erwünscht. Und wenn etwas passiert, bin ich auf der sicheren Seite. Ich nehme übrigens dafür kein Geld.
    Zur Zahl der Hebammen: Als ich mich 1984 niederließ, gab es kaum niedergelassenen Hebammen. Das fing damals an, dass sich immer mehr Hebammen niederließen und parallel zu mir Schwangerenbetreuung machten. Wir haben uns ergänzt und kaum konkurriert. Hausgeburtshilfe war hier in der kleinstädtischen Umgebung eher die Ausnahme. Ich bin für solche Entbindungsrisiken auch nicht versichert. Die offenbar seit 1985 bessere Möglichkeit, als freiberufliche Hebamme zu arbeiten, hat offenbar dazu geführt, dass sich mehr junge Frauen für diesen Beruf entschieden haben. Hebammen scheinen auch eine besondere Sympathie seitens der Politik zu genießen. Über eine Beihilfe zur Haftpflichtversicherung für geburtshilflich tätige Belegärzte wurde jedenfalls nichts bekannt.

    • #17 Joseph Kuhn
      16. August 2015

      “Zur Häufigkeit der Ultraschalluntersuchungen: Die Frauen erwarten das.”

      Das müsste man einmal in Ruhe diskutieren, eine interessante Konstellation, weil man das “Babyfernsehen” gar nicht so einfach unter die Rubrik “Medikalisierung der Schwangerschaft” subsumieren kann. Ich habe dazu jedenfalls keine klare Meinung. Dass es eine andere Frage ist, ob Krankenkassen das zahlen müssen, sehe ich auch so.

      “Über eine Beihilfe zur Haftpflichtversicherung für geburtshilflich tätige Belegärzte wurde jedenfalls nichts bekannt.”

      Soweit ich das verfolgen konnte, eine schwierige Diskussion. Man könnte natürlich einwenden, dass Belegärzte auch viel mehr verdienen, andererseits zahlen sie auch viel höhere Versicherungsprämien, und sobald ein Arzt bei einer Geburt dabei ist, trägt er wohl ohnehin die Hauptverantwortung. Es wäre interessant, in welchem Umfang die den Hebammen zugerechneten Schadensfälle auf Hausgeburten und Geburten in Geburtshäusern ohne ärztliche Präsenz zurückzuführen sind, beim Querlesen habe ich dazu nichts gesehen, auch nicht im oben schon verlinkten IGES-Gutachten. Aber die Haftpflichtdiskussion will ich eigentlich hier gar nicht führen, mir geht es nur um die Entwicklung der Hebammenzahlen.

      “Als ich mich 1984 niederließ, gab es kaum niedergelassenen Hebammen.”

      Hast Du eine Idee, warum? Gab es damals bei den Frauen weniger Nachfrage nach Schwangerenbetreuung, Geburtsvorbereitung, Wochenbettbetreuung usw., etwa weil das damals eher über die Familie und die Nachbarschaft organisiert wurde? Diese “perinatalen” Leistungen sind ja das, was die Hebammen hauptsächlich machen.

  10. #18 Ludger
    16. August 2015

    Das Recht, im Wochenbett eine Hebamme zu konsultieren, gab es schon damals. Jetzt gibt es auch die niedergelassenen Hebammen und das Angebot wird dankbar angenommen. Die haben auch andere Skills als ich, und das ist eine gute Ergänzung. Wenn es eiin Angebot gibt, dann kommt auch die Nachfrage. Was früher die Familie oder Nachbarschaft kostenlos geleistet haben, dafür wird heute manchmal eine ärztliche Bescheinigung für eine “Haushaltshilfe” oder für unbezahlten Urlaub des Ehemannes mit finanziellem Ausgleich durch die Krankenkasse nachgefragt.

  11. #19 Beate Blättner
    17. August 2015

    Sorry, aber hier diskutieren jetzt doch einige über ein Thema, von dem sie vielleicht nicht ganz so viel verstehen – eine Hebamme ist wohl nicht dabei. Das bin ich auch nicht, aber ich rede schon mal mit welchen. Mit diesem Halbwissen ausgestattet, kann ich erstens mit der Frage aushelfen, wieviele männliche Hebammen es in Deutschland gibt: genau drei. Zweitens möchte ich sagen dass die Bemerkung über esoterischen Unsinn der Arbeit von Hebammen nicht gerecht wird. Zumindest in den Studiengängen wird strikt nach Evidenz gefragt. Dabei kommt schon mal heraus, dass die ein oder andere u.U. recht blutige ärztliche Intervention nichts mit Evidenz zu tun hat und in der Frage des Dammschutzes tatsächlich aufmerksames Beobachten die wirksamste Intervention ist. Drittens kann ich das statistische Problem vielleicht mit auflösen: Es gibt nicht ganz wenige Personen, die als Beleghebammen in Kliniken arbeiten und zusätzlich in ihrer eigenen Praxis. Die werden in der Statistik als zwei Hebammen gezählt. Da dieses Phänomen m.W. häufiger wird, steigt die statistische Zahl, aber nicht die reale Zahl. Aussagefähig wären nur Statistiken über Vollzeitäqivalente, aber die gibt es wohl nicht. Fest steht, dass es im Moment einen Mangel an aktiven Hebammen gibt. In unseren Kooperationskliniken muss schon mal der Kreißsaal geschlossen werden, weil keine Hebamme da ist. Und ich spreche nicht von den ländlichen Bereichen, sondern von Großstadtkliniken.

    • #20 Joseph Kuhn
      17. August 2015

      @ Beate Blättner:

      Danke für das Statement zur Esoterik und zu den Studiengängen – und den Hinweis darauf, dass es SIE wirklich immer noch gibt – die männlichen Hebammen. In den 1990er Jahren gab es dem Statistischen Bundesamt zufolge sogar ein paar mehr, aber viele waren es auch damals nicht.

      Was Doppelzählungen angeht: Die spielen eine gewisse, aber nachrangige Rolle bei den Daten in der Grafik im Blogbeitrag. Die Zahlen dort sind (ab 2003) die Summe aus den Meldedaten der bayerischen Gesundheitsämter über ambulant tätige Hebammen und den Daten aus der Krankenhausstatistik über in Krankenhäusern festangestellte Hebammen. Bei den in Krankenhäusern festangestellten Hebammen sind inzwischen etwas mehr als 70 % teilzeitbeschäftigt, d.h. es ist davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil von ihnen daneben auch freiberuflich arbeitet und dieser Teil ist in der Grafik in der Tat zweimal vorhanden. Allerdings besteht zwischen den beiden Gruppen ein Verhältnis von 4:1, d.h. die Festangestellten sind die weitaus kleinere Gruppe. Des Weiteren nehmen die Zahlen in beiden Gruppen zu, bei den ambulant tätigen Hebammen ebenso wie bei den festangestellten Hebammen im Krankenhaus. In der Gesundheitspersonalrechnung des Bundes beruhen die Daten zu den Hebammen im Wesentlichen auf dem Mikrozensus, hier gibt es gar keine Doppelzählungen, auch diese Zahlen nehmen, wie erwähnt, zu. Mit den Doppelzählungen lässt sich der Trend somit nicht erklären.

      Die Gesundheitspersonalrechnung des Bundes weist auch Vollzeitäquivalente aus. Danach waren es im Jahr 2000 14.000 Vollzeitkräfte, im Jahr 2011 17.000, d.h. auch diese Zahlen sind gestiegen. Dass es dennoch zu Engpässen in Krankenhäusern kommt, dürfte außer mit dem Haftpflichtprämienproblem bei den Beleghebammen mit der Entwicklung der Teilzeitbeschäftigung der festangestellten Hebammen zu tun haben: die Teilzeitquote lag Anfang der 1990er Jahre noch unter 30 % (!), diese Entwicklung ist durch den Anstieg der Kopfzahlen nicht ausgeglichen worden, die Zahl der Vollzeitäquivalente in Krankenhäusern lag im Jahr 2000 bei 9.000, im Jahr 2011 bei 8.000.

  12. #21 Rainhild Schäfers
    17. August 2015

    Ich schließe mich Frau Blättner in ihren Ausführungen an. Zudem ist aus meiner Sicht die Doppelnennung sehr wohl ein Problem und nur fraglich nachrangig. Unterschiedliche Forschungsaktivitäten zum Besipiel des Verbund Hebammenforschung an der Hochschule Osnabrück haben gezeigt, dass es nicht so einfach ist die reale Anzahl der Hebammen – unter anderem aufgrund der Doppelnennungen und des nicht einheitlich geregelten Meldewesens in den unteren Gesundheitsbehörden – zu benennen. Und – auch wenn eine Hebamme beim örtlichen Gesundheitsamt gemeldet ist, ist trotzdem nicht bekannt, ob und in welchem Umfang sie sich an der Versorgung der Bevölkerung beteiligt. Hier braucht es sicher eine genauere Analyse basierend auf aktuellen Bestandsaufnahmen zu den Tätigkeitsfeldern – und umfang von Hebammen. Nebenbei bemerkt stehen Hebammen, die in Kliniken festangestellt sind, nicht zwingend der Funktionseinheit Kreißsaal zur Verfügung, weshalb auch hier der Bezug zwischen der Anzahl Hebammen und der Anzahl Geburten nur bedingt hergestellt werden kann.

    • #22 Joseph Kuhn
      17. August 2015

      @ Rainhild Schäfers:

      “dass es nicht so einfach ist die reale Anzahl der Hebammen (…) zu benennen”

      Ja, je genauer man es wissen will, vor allem kleinräumig, desto schwieriger wird es. Auch der Hinweis darauf, dass Kopfzahlen an sich wenig Aufschluss über den realen Versorgungsbeitrag geben, ist natürlich völlig richtig, wobei hier das IGES-Gutachten oder die Münchner Hebammenstudien doch interessante Einblicke geben. Offen bleibt, darum ging es mir im Blogbeitrag ja, was die Trendwende der Hebammenzahl in Bayern um 1980 verursacht hat (und ob, wie ich vermute, das in Deutschland ingesamt auch so war).

  13. […] Hebammen keine Kinder, könnte man sagen. Zumindest möchte Frau sie nicht missen. Gesundheits-Check hat ein paar interessante Zahlen und die Frage, warum es immer mehr Hebammen […]

  14. #24 Hans-Werner Bertelsen
    4. September 2015

    Zur Haftpflichtversicherung: Es besteht für niedergelassene Hebammen die Möglichkeit eine Haftpflicht OHNE GEBURTSHILFE abzuschließen. Der jährliche Tarif liegt bei 362,95 Euro (Quelle: Deutscher Hebammenverband e.V.).

  15. #25 LilyT.
    2. Oktober 2015

    Hihi, habe diesen Blog per Zufall gefunden, bin freie Hebamme und online auf der Suche nach neuem Betätigungsfeld außerhalb der Geburtshilfe, so wie viele andere meiner Kolleginnen. Mich seid ihr jedenfalls ab nächstes Jahr los. Versuche meine esoterische Scharlatanerie einzustellen.
    Viel Spaß weiterhin beim evidenzbasierten Kinderkriegen.

    • #26 Joseph Kuhn
      2. Oktober 2015

      @ LilyT: Und warum versuchen Sie nicht, als Hebamme ohne esoterische Scharlatanerie zu arbeiten? Das eine hat mit dem anderen ja erst einmal nichts zu tun. Die Häme mit dem “Viel Spaß weiterhin beim evidenzbasierten Kinderkriegen” ist nicht angebracht und ich verstehe sie auch nicht – der Blogbeitrag betont doch die Bedeutung der Hebammen rund um die Geburt.

    • #27 rolak
      2. Oktober 2015

      verstehe sie auch nicht

      Kritik wird in manchen Umgebungen, von manchen Menschen, -äh- na sagen wir mal, Dein Beitrag wurde offensichtlich in Korrelation zum kürzlichen Blasphemietag koinzidiert, Joseph, NWO&so.

  16. #28 LilyT
    2. Oktober 2015

    Ich selbst habe mich nie als Esoterikerin betrachtet und das sollte mehr eine Antwort auf Aliser sein, da dessen Kommentare recht unbeantwortet stehen bleiben. Insgesmt glaube ich, dass unsere Anzahl, zumindest der freien Hebammen, in Zukunft zurückgehen wird. Sorry für die Häme, dass kommt davon, wenn man mit einem weinenden Auge geht.

    • #29 Joseph Kuhn
      2. Oktober 2015

      “eine Antwort auf Aliser sein, da dessen Kommentare recht unbeantwortet stehen bleiben”

      Auf Alisiers Kommentare habe ich in #7, 11, 9, 13 geantwortet, ich denke, das Esoterikthema kann in diesem Thread als ausdiskutiert betrachtet werden. Warum manche Hebammen (und Kinderärzte) esoterische Methoden für sanfte Medizin halten, wäre eine eigene Diskussion, die mit der Entwicklung der Zahl der berufstätigen Hebammen nichts zu tun hat. Was die Zahl der freien Hebammen in der Geburtshilfe angeht, teile ich Ihre Befürchtungen. Leider gehen, siehe Kommentar #20, auch die Vollzeitäquivalente der festangestellten Hebammen an den Krankenhäusern zurück. Selbst in an sich gut versorgten Regionen wie Nürnberg oder München kommt es zu Engpässen – obwohl die Kopfzahlen insgesamt zunehmen.

      Was mich interessieren würde: Warum wollen Sie mit dem Beruf aufhören, warum kommt für Sie eine Tätigkeit als angestellte Hebamme nicht infrage?

  17. #30 Svena Surmann
    Oxford UK
    19. Oktober 2015

    Guten Tag,

    Als Mutter von sechs Kindern und die Medizingeschichte erforschend, kann ich den – zu diesem Thema schreibenden – Herren nur wünschen, dass es ein Leben nach dem Tode gibt und sie mit etlichen Geburten in den “Genuß” der evidenzbasierten KH Behandlung kommen….
    Ich schwöre ihnen – sie werden nie wieder so locker flockig über KH Geburts”medizin” schreiben.
    In diesem Leben empfehle ich ihnen, sich Schlachtberichte – entschuldigung – Geburtsberichte von KH Geburten zu Gemüte zu führen. Alternativ einmal einen Blick auf die Zahl der traumatisierten Frauen nach KH Geburten zu werfen….
    Ich könnte ihnen sehr sehr viel erzählen.
    Vom Anfang des massenhaften Säuglingssterbens DANK medizinischer Interventionen, von elendig krepierten Massen an Frauen DANK medizinischer Neuerungen…
    Eigentlich sollten sie wissen, wovon ich rede, wenn ihre Bezeichnung hält, was er verspricht…
    Wenn sie die verdreht dargestellte Medizingeschichte jedoch nur geschönt nachplappern und ihre eigene Wahrnehmung erst im 20.JH anfängt, dann nenne ich ihnen gerne Quellen des Elends um ihr Bewußtsein zu erweitern.
    Kurzum: die Medizin hat die Frauen auf den Rücken gelegt, ihnen Geburt und Gesundheit massiv in Gefahr gebracht, massenweise Waisenkinder produziert, damit die Säuglingssterblichkeit gepusht und benutzt heute ihr eigenes Schlachtfeld an Leid und Kummer, um für sich zu werben – pfui!
    Ohne die esoterischen Hebammen, wird es nur weiter bergab gehen.
    Und btw wer die Homöopathie nicht ansatzweise versteht, möge sie erst intellektuell begreifen, bevor er sich dazu äußert. Im Gegensatz zur Schulmedizin kann diese nämlich den Körper ansprechen und bewegen – ein Umstand, den die Schulmedizin nie können wird….
    Eine “Medizin” die es nicht vermag, den Körper dazu zu bewegen, eine Blutung zurückzunehmen, verdient nicht die Bezeichnung des Heilens…
    Mein Rat:
    Erst kommt das Erleben und das intensive darüber nachdenken – DANN kommt das sich äußern.
    Mit freundlichen Grüßen
    S. Surmann

  18. #31 Joseph Kuhn
    19. Oktober 2015

    Das mit dem Nachdenken ist sicher eine gute Idee. Auch das sollte man ab und zu selbst erleben.

  19. #32 BreitSide
    Beim Deich
    19. Oktober 2015

    Autsch, da hat jemand ordentlich Hirndruck aufgebaut. Und der muss irgendwann rausgelassen werden. Sonst platzt man gerne.

    Insofern hat dieser Blog sicher eine heilsame Wirkung 🙂

  20. #33 Joseph Kuhn
    17. Januar 2016

    Als keiner Nachtrag: Heute ist in der “Welt am Sonntag” ein Kommentar “Zipperts Wort zum Sonntag”. Er beginnt mit dem Satz “Es gibt in Deutschland immer weniger freiberufliche Hebammen, und das ist gut so.” Das “gut so” begründet er damit, dass Geburten im Krankenhaus denen zuhause vorzuziehen seien. Am Ende kommt dann der unheimlich witzige Vorschlag, nicht nur die Hausgeburt, sondern auch die Hauszeugung zu bekämpfen. Besser wäre es gewesen, er hätte sich gegen die Ausgeburt hausgemachter Meinungen ohne Sachkenntnis ausgesprochen.