Schwangerschaft ist längst ein Fall für die Medizin, nicht nur, weil es eine ICD-Hauptgruppe „Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett“ gibt. Bei ca. 40 % der Schwangeren ist im Mutterpass eine Risikoschwangerschaft dokumentiert – z.B. weil die Mutter über 35 Jahre alt oder adipös ist oder früher einen Kaiserschnitt hatte. Ein Drittel der Entbindungen in Deutschland erfolgt inzwischen durch Kaiserschnitt. In der Klinik werden dann sogar bei ca. 70 % der Frauen bestimmte anamnestische Schwangerschaftsrisiken festgestellt. Dass den Schwangeren hierzulande eine gute medizinische Betreuung zur Verfügung steht, ist ein wesentlicher Grund dafür, dass die Säuglingssterblichkeit in Deutschland heute fast um den Faktor 100 (!) niedriger liegt als Ende des 19. Jahrhunderts. Ob wirklich alle Leistungen, die den Schwangeren angeboten werden, notwendig sind, darüber kann man natürlich streiten – und man tut es gerade auch wieder einmal anlässlich einer Studie des Gesundheitsmonitors der Bertelsmann-Stiftung zur Häufigkeit der Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft.
Trotz aller medizinischer Aspekte: Die Schwangerschaft ist bekanntlich keine Krankheit, sondern eine besondere Lebenslage. Auf diesen Unterschied machen die Hebammen zu Recht immer wieder aufmerksam. Den Hebammen kommt in einer achtsamen Begleitung der Schwangeren, der Nachsorge und neuerdings auch (wieder) in der Betreuung von Familien in schwierigen Verhältnissen („Familienhebammen“) eine kaum zu überschätzende Bedeutung zu. Dass manche Hebammen einer unangemessenen Medikalisierung der Schwangerschaft mit einem ebenso unangemessenen esoterischen Brimborium begegnen wollen, ist bekannt, aber das spricht nicht gegen die Rolle der Hebammen an sich, schließlich kommt auch niemand auf die Idee, die Kinderärzte als Berufsstand zu diskreditieren, nur weil viele Kinderärzte homöopathisch orientiert sind. Noch ein Satz zur laufenden Diskussion um die steigenden Haftpflichtprämien für freiberuflich tätige Hebammen: Das geht nicht etwa darauf zurück, dass fahrlässige Hebammen immer mehr oder ganz viele Schäden verursachen würden. Zwischen 2006 und 2011 gab es nach Auskunft der Versicherungswirtschaft insgesamt nur etwa 100 Personenschäden, mit jährlich im Durchschnitt 12 schweren Personenschäden (Schadenssumme über 100.000 Euro). Aber die Schadenssummen steigen.
Soviel zur Vorrede. Hebammen sind also ein wichtiger Berufsstand, wenn es um die Gesundheit „rund um die Geburt“ geht. Vor einiger Zeit hatten wir hier auf Gesundheits-Check über die Zahl der Heilpraktiker in Bayern und Deutschland diskutiert, weil es eine Diskrepanz zwischen den Meldedaten der bayerischen Gesundheitsämter und den aus der Gesundheitspersonalrechnung des Statistischen Bundesamtes für Bayern zu schätzenden Zahlen gibt. Warum, ist nach wie vor nicht wirklich klar. Bei den Hebammen sind die Daten dagegen stimmig. Der Gesundheitspersonalrechnung des Statistischen Bundesamtes zufolge gab es 2011 in Deutschland ca. 21.000 Hebammen. Korrekt müsste man sagen: und Entbindungspfleger. Das ist die Berufsbezeichnung für die männlichen Hebammen. Ich weiß nicht, ob es welche gibt, wenn ja, sind es rare Exemplare. In der Satzung des Bundes freiberuflicher Hebammen heißt es daher: “Der Begriff ‚Hebamme‘ schließt sein männliches Pendant, den ‚Entbindungspfleger‘, gedanklich mit ein. Lediglich wegen seiner zahlenmäßig geringen Bedeutung und aufgrund besserer Lesbarkeit wird auf seine ausdrückliche Nennung verzichtet.”
Die 21.000 Hebammen für Deutschland passen in der Größenordnung gut zu den Zahlen aus anderen Datenquellen, dürften also Pi mal Daumen ganz brauchbar sein. Auf Bayern übertragen kommt man auf gut 3.000 Hebammen, das entspricht den Meldedaten der Gesundheitsämter. Insofern kein Aufreger. Interessant ist aber die zeitliche Entwicklung der Zahl der Hebammen. Sie ging in Bayern im 20. Jahrhundert bis etwa 1980 zurück, seitdem steigt sie.
Was die letzten Jahre angeht, zeigt sich der Anstieg analog auch in der Gesundheitspersonalrechnung des Statistischen Bundesamtes, die Zahl hat bundesweit von ca. 16.000 im Jahr 2000 auf die genannten ca. 21.000 im Jahr 2011 stetig zugenommen. Ob es früher bis 1980 wie in Bayern einen Rückgang gab, weiß ich nicht. Aber dass die Entwicklung in Deutschland gänzlich anders verlief als in Bayern ist nicht anzunehmen. Für die Wende 1980 dürfte ohnehin eine starke strukturelle Veränderung verantwortlich sein, z.B. in Vorwegnahme der Neufassung des Hebammengesetzes 1985. Ich habe dazu aber beim Googeln auf die Schnelle nichts gefunden. Wer weiß mehr?
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