Die Ringvorlesung Homöopathie an der Ludwig Maximilians-Universität München war vor einem dreiviertel Jahr hier schon einmal Gegenstand der verwunderten Betrachtung. Angeblich, so hieß es auf kritische Einwände damals, gehe es nicht um Werbung für ein zweifelhaftes Therapieangebot, sondern um die Diskussion wissenschaftlicher Aspekte der Homöopathie. Gestern war im Rahmen dieser Ringvorlesung eine Podiumsdiskussion mit Prof. Robert Hahn „und anderen Referenten“ angesetzt, das habe ich mir angesehen. Eine wissenschaftliche Debatte über die Evidenzbasis der Homöopathie – das klingt schließlich interessant.
Die Veranstaltung fand im Pharmaziehörsaal in der Münchner Schillerstraße statt, es kamen zwischen 100 und 150 Zuhörer, überwiegend im mittleren Erwachsenalter, die meisten wohl als Ärzte oder Heilpraktiker tätig. Studierende waren bestenfalls eine Handvoll im Publikum.
Das Podium
Auf dem Podium außer Prof. Hahn, Department of Anesthesiology, Linköping University: Dr. Werner Bartens, Wissenschaftsredakteur bei der Süddeutschen Zeitung und gelernter Arzt, er hatte seinerzeit auch über die Ringvorlesung berichtet; Prof. Dr. Rüdiger v. Kries, Leiter der Abteilung Epidemiologie am Institut für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin der LMU, u.a. langjähriges STIKO-Mitglied; Dr. Klaus von Ammon, Institut für Komplementärmedizin an der Universität Bern und Dr. Michael Schreiner, niedergelassener HNO-Arzt mit homöopathischer Ausrichtung. Moderatorin: Dr. Petra Thorbrietz, eine Journalistin, mit der Scienceblogs-Kollege Ulrich Berger vor einiger Zeit anlässlich eines Beitrag von ihr in der Zeitschrift GEO herumstritt. Die Ringvorlesung selbst wurde von Dr. Sigrid Kruse organisiert, homöopathisch tätige Ärztin an der Abteilung für Integrative und Rehabilitative Pädiatrie des Dr. von Haunerschen Kinderspitals der LMU.
Die Ringvorlesung stand unter keinem guten Stern. Podium und Moderation waren sichtlich nicht ausgesucht, um eine konstruktive Diskussion zu befördern. Das Publikum war daran ohnehin nicht interessiert, aber dazu später.
Grußwort der bayerischen Gesundheitsministerin
Zu Beginn wurde ein Grußwort der bayerischen Gesundheitsministerin verlesen. Sie verwies darin auf die Nachfrage nach alternativen Heilmethoden und der hohen Zufriedenheit der Menschen mit der Alternativmedizin und dass sie als Gesundheitsministerin dieses Bedürfnis ernstnehme. Gespräch und Zuwendung seien wichtige Elemente jeder ärztlichen Behandlung, das nutze auch die Homöopathie, die aber mehr Anstrengungen unternehmen müsse, was wissenschaftliche Belege für ihre Wirksamkeit angehe, diese sei „nicht zweifelsfrei nachgewiesen“. Sie beabsichtige, im bayerischen Gesundheitsministerium ein Referat für integrative Medizin einzurichten. Ich hoffe, ich habe das Grußwort aus dem Gedächtnis halbwegs korrekt wiedergegeben. Das meiste sind Floskeln, die man schon von den Gesundheitsministern kennt, die in den letzten Jahren Schirmherrschaften für Homöopathiekongresse übernommen haben. Wenn sich etwas in der Bevölkerung großer Beliebtheit erfreut, tut sich die Politik schwer, sich abzugrenzen. Im politischen Geschäft geht es nicht um wissenschaftliche Wahrheit, sondern um Mehrheiten, in Wahljahren ganz besonders. Ob das geplante Referat für integrative Medizin ein Anlass zur Freude für die Homöopathen wird oder ob sich dieses Referat am Ende doch eher der Qualitätssicherung von komplementärmedizinischen Angeboten, etwa in der Onkologie, widmen wird, bleibt abzuwarten. Letzteres wäre hochnotwendig. Dass sich die Ministerin ein alternativmedizinisch grundiertes Referat ins Haus holt, das z.B. ihre eigene Impfstrategie unterminiert, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Man wird sehen.
Die Podiumsdiskussion
Die Podiumsdiskussion eröffnete Dr. Bartens mit einem Vorschlag: Gerade weil so viele Menschen die Homöopathie nutzen und an sie glauben, solle man doch damit zufrieden sein. Die homöopathische Behandlung entfalte starke und wirksame Placeboeffekte, das sei nicht gering zu schätzen, aber die Frage nach der spezifischen Wirksamkeit der Homöopathika sei doch wissenschaftlich definitiv beantwortet, nämlich negativ. Warum also brauche der Glaube an die Homöopathie jetzt auch noch Hilfe durch die Wissenschaft?
Damit war eine Diskussionsrichtung mit interessanten Bruchlinien innerhalb der Homöopathen vorgezeichnet. Dr. v. Ammon hat dieser Position sofort widersprochen. Wer an der Wirksamkeit der Homöopathika über Placebo hinaus zweifle, sei schlicht nicht auf dem Stand der Wissenschaft. Gerade bei hochpotenzierten Mitteln sei das bestens und replizierbar nachgewiesen. Replizierbar betonte er extra noch einmal. Das Publikum klopfte enthusiastisch Beifall.
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