Vorgestern hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine Klage Ungarns und der Slowakei gegen die mit Mehrheitsbeschluss der EU-Innenminister vereinbarte Flüchtlingsumverteilung zurückgewiesen. Ungarn und die Slowakei wollen, wie Polen, keine Flüchtlinge aufnehmen. Nun sind Gerichtsurteile bekanntlich nicht nur dann zu beachten, wenn sie einem Recht geben, sondern sie sprechen Recht und sind in jedem Fall zu beachten.
Der ungarische Ministerpräsident Orbán gehört zu der Riege neoautoritärer Politiker, die von Indiens Modi über Erdogan bis zu Trump mit forschen Sprüchen und forschen Taten ein Rechtsstaatsverständnis pflegen, das Recht nur als Instrument zur Umsetzung der eigenen Ziele betrachtet, d.h. Recht zum bloß politischen Organisationsinstrument degradiert.
In Deutschland sprang ihm Alexander Gauland zur Seite, er rief zur Missachtung des Urteils auf: „Ungarn und die Slowakei müssen jetzt standhaft bleiben und dürfen sich dem Brüsseler Diktat nicht beugen”, so Gauland. “Es kann nicht sein, dass diese kleinen Länder nun massenhaft Flüchtlinge aufnehmen müssen, die sie nie eingeladen haben.” Den miesen Spruch von der „Einladung“ von Flüchtlingen will ich nicht weiter kommentieren, man merke vielmehr auf: Der Spitzenkandidat einer Partei, die sonst so viel auf Recht und Ordnung macht, ruft ungeniert zum Rechtsbruch auf.
Für Gauland ist die Missachtung des Rechts übrigens nichts Neues. Als er noch Chef der Staatskanzlei unter Walter Wallmann in Hessen war, hatte er versucht, mit fadenscheinigen Gründen einen Beamten zu versetzen, um den Posten einem Parteifreund zuzuschanzen. Der Beamte klagte, das Ganze weitete sich zur Staatsaffäre aus – der „Gauland-Affäre“. Der Roman „Finks Krieg“ von Martin Walser, eine wunderbare Geschichte aus der Welt der Verwaltung, beschreibt den Fall. Auch damals nahm Gauland das Recht auf die leichte Schulter. Wikipedia zitiert den Hessischen Verwaltungsgerichtshof: „Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass diese Angabe [die Versicherung an Eides statt durch Alexander Gauland] unrichtig war.“ Für Recht-und-Ordnung-Fanatiker ist Recht eben das, was einem nützt, auch wenn es Unrecht ist.
Regt es noch jemanden auf, dass Gauland zum Rechtsbruch auffordert? Nein, er hat erreicht, was auch Trump in den USA erreicht hat: Durch seine ständigen Tabubrüche hat er einen Raum geschaffen, auch das zu sagen und zu tun, was sich nicht gehört. Wie formulierte Gaulands Kollegin, Alice Weidel, vor einiger Zeit: „Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte“. Man sieht, was das nach dem Verständnis von Recht und Ordnung der AfD alles einschließt. So erodieren zivilisatorische Standards.
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