Gerade sind die Geschichten mit der PR-Wissenschaft der EUGT, den Affenversuchen in den USA sowie der Stickoxidstudie in Aachen hochgekocht, einschließlich der Frage, wie blauäugig die Aachener Forscher gegenüber den heimlichen und unheimlichen Absichten der EUGT wohl waren. Oder auch nicht. Da dürfte sich mancher verwundert die Augen reiben, wenn in vier Wochen in München bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin, also der wissenschaftlichen Fachgesellschaft der Arbeits- und Umweltmediziner, ein Forum der AG Umweltmedizin prominent aus dem Umfeld eben dieser EUGT bestückt wird:

Aus dem Programm für Mittwoch, 7.3.2018:

09:00 Fragen an die Zukunft der Mobilität aus umweltmedizinischer Sicht (K. Schmid)
09:15 Stickstoffdioxid – Indikator für Luftqualität oder Gesundheit? (M. Spallek, P. Wiedemann)
09:30 NOx-Risikokommunikation. Klärung eines Vexierbildes. (P. Wiedemann, M. Spallek)
09:45 Perspektiven der weiteren Reduktion gesundheitsrelevanter Dieselabgase (J. Bünger)
10:15 Perspektiven für eine Reduzierung gesundheitsrelevanter Schadstoff-Emissionen im Straßenverkehr (A. Friedrich)
10:45 Diskussion
11:00 Sitzungsende

Im Vortrag „NOx-Risikokommunikation. Klärung eines Vexierbildes“ geht es dem abstract zufolge um die Bewertung von acht Studien zu vorzeitigen Sterbefällen infolge von Stickoxidbelastungen. Herr Spallek war Geschäftsführer der EUGT, er war auch leitender Werksarzt bei Volkswagen Nutzfahrzeuge und ist jetzt beim Institut für Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Uni Frankfurt. Herr Wiedemann hat eine Professur an der GoeSchool of Psychology, University of Wollongong in Australien und arbeitet zum Thema Risikokommunikation.

Die Referenten sind mit der öffentlichen Diskussion zum Thema Dieselabgase unzufrieden, explizit wird im abstract auch die Arbeit des deutschen Science Media Centers genannt (das als „Media Science Center“ bezeichnet wird, auch eine interpretierbare Variante). Das Vortragsabstract ist für eine wissenschaftliche Fachtagung vom Stil her „gewöhnungsbedürftig“, für die Schlussfolgerung müsste man wohl noch ein anderes Adjektiv finden:

„‘Vorzeitige Todesfälle‘ durch NOx-Emissionen sind nur ein theoretisches Konstrukt und ohne praktische oder reale Bedeutung für das Individuum. Die Risikokommunikation zu verkehrsbedingten NOx-Immissionen in der Umwelt erfordert besondere Aufmerksamkeit bei der Datendarstellung. Inhaltliche Behauptungen einer Vermeidung von Todesfällen durch Vermeiden erhöhter NOx-Emissionen halten kritischer wissenschaftlicher Reflexion nicht stand. Der Fehler eines Modellplatonismus ist zu vermeiden und es ist konkret zwischen Realitätsbezug, Informationsgehalt und Wahrheit zu unterscheiden.“

Über die Bedeutung des Satzes, es sei „zwischen Realitätsbezug, Informationsgehalt und Wahrheit zu unterscheiden“, werde ich am Wochenende meditieren. Den Angriff auf die „vorzeitigen Sterbefälle“ dagegen verstehe ich auch so. Die Denunziation epidemiologischer Effektschätzungen als bloß „theoretisches Konstrukt“ hat in den Verharmlosungsdebatten um Risikofaktoren eine lange Tradition. Sie unterstützt individuelle Verdrängungs- und Distanzierungsprozesse nach dem Motto, das hat mit mir nichts zu tun, da haben ein paar Wissenschaftler etwas ausgerechnet, aber keine echten Toten gezählt und am besten glaubt man sowieso nur der Statistik, die man selbst gefälscht hat. So wird Wissenschaft zerstört.

Ich will nicht missverstanden werden: Eine kritische Diskussion zur Belastbarkeit von Studien, die vorzeitige Sterbefälle durch Dieselabgase oder speziell durch NOx auf Bevölkerungsebene abschätzen, ist notwendig. In die Modellrechnungen gehen viele Unsicherheiten ein, die man identifizieren und bewerten sollte. Ebenso wie man die Aussagekraft von „vorzeitigen Sterbefällen“ und anderen Konstrukten in diesem Zusammenhang kritisch reflektieren darf und soll. Aber die Schlussfolgerungen der beiden Referenten klingen nach den aktuellen Debatten doch zu sehr nach abgestandener Luft aus der PR-Stube EUGT. Eine Altlast.

——————————
Update 3.2.2018

Panta rhei. Das Forum der AG Umweltmedizin sieht heute so aus – EUGT-entlastet:

09:00 Fragen an die Zukunft der Mobilität aus umweltmedizinischer Sicht (K. Schmid)
09:15 Forschungsethik und Forschungsdesigns: Was können wir aus der Debatte um Forschungsvorhaben zu Schadstoff-Emissionen am Arbeitsplatz und im Straßenverkehr lernen? (H. Drexler)
09:30 Die Aachener NO2-Studie: Anlass, Durchführung und Forschungsergebnisse (T. Kraus)
09:45 Perspektiven der weiteren Reduktion gesundheitsrelevanter Dieselabgase (J. Bünger)
10:15 Perspektiven für eine Reduzierung gesundheitsrelevanter Schadstoff-Emissionen im Straßenverkehr (A. Friedrich)
10:45 Diskussion
11:00 Sitzungsende

—————————–
Update 5.3.2018

Panta rhei. Im Forum der AG Umweltmedizin gab es noch eine Änderung:

09:00 Fragen an die Zukunft der Mobilität aus umweltmedizinischer Sicht (K. Schmid)
09:15 Forschungsethik und Forschungsdesigns: Was können wir aus der Debatte um Forschungsvorhaben zu Schadstoff-Emissionen am Arbeitsplatz und im Straßenverkehr lernen? (H. Drexler)
09:30 Die Aachener NO2-Studie: Anlass, Durchführung und Forschungsergebnisse (T. Kraus)
09:45 Perspektiven der weiteren Reduktion gesundheitsrelevanter Dieselabgase (J. Bünger)
10:15 Gesundheitliche Risiken von Stickstoffdioxid im Vergleich zu Feinstaub und anderen verkehrsabhängigen Luftschadstoffen (H.-E. Wichmann)
10:45 Diskussion
11:00 Sitzungsende

Kommentare (46)

  1. #1 Mars
    31. Januar 2018

    WOW!

  2. #2 DH
    31. Januar 2018

    PR-Altlast, in der Tat. Aufgesetzte Komplexitätsrhetorik zum Zweck der Verschleierung.
    Aber sollen sie ruhig, der beispiellose Imageverlust, der mit Verzögerung daraus folgen wird, dürfte umso nachhaltiger sein und die unweigerliche Verkehrswende sogar beschleunigen. Mit oder ohne die deutsche Auto-Camorra.

  3. #3 Beobachter
    31. Januar 2018

    ” … So wird Wissenschaft zerstört. … ”

    Allerdings – und vor allem das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit deren Vertreter.

    Was sagen denn die Kollegen aus der Klinischen Umweltmedizin dazu – zu diesen “Dieselgeschichten”?
    Die werden offenbar bei der anstehenden DGAUM-Jahrestagung nicht geladen und nicht gehört.
    “In Kooperation” mit ihnen befindet man sich offenbar auch nicht, wenn ich nichts überlesen haben sollte.

    Und gerade dort in der täglichen klinischen Praxis müsste man doch konkrete Erfahrungen und Daten/Studien zu den Folgen von Atemluft-Schadstoffexpositionen (hier: Stickoxide und Feinstäube) haben.
    Und zwar schon bzgl. (chronisch daran) Erkrankter und nicht erst bzgl. “geschätzter vorzeitiger Sterbefälle”.
    Denn dann könnte und müsste man rechtzeitig “Präventionsmaßnahmen” ergreifen – und die würden vor allem der Autoindustrie gar nicht gefallen …

  4. #4 Beobachter
    1. Februar 2018

    Es sind nicht “nur” “Dieselgeschichten” …

    https://www.spiegel.de/auto/aktuell/auto-abgase-feinstaubproblem-bei-benzinern-die-verharmloste-gefahr-a-1186937.html

    Zitate, Auszüge:

    “Feinstaub
    Benziner sind die neuen Diesel
    Vom Umweltsünder Diesel flüchten Autokäufer zu Benzinmotoren. Die aber verpesten die Luft mit gefährlichem Feinstaub. Nun drohen auch hier Fahrverbote…. ”

    ” … Schadstoffprobleme der Benziner lange ignoriert

    Im Gegensatz zu bereits verkauften Benzinern dürfen neue Autos mit direkteinspritzendem Ottomotor nach den neuen Regeln lediglich ein Zehntel der bisher erlaubten Partikel ausstoßen – sie liegen damit gleichauf mit den Vorgaben für Diesel, bei denen die sogenannten Partikelfilter schon seit Jahren vorgeschrieben sind. Die immense Differenz zum zuvor jahrelang geduldeten Feinstaubausstoß demonstriert erneut die Ignoranz der Bundesverkehrsminister. Sie sahen über alle früheren Warnungen hinweg. … ”

    ” … “Die Grenzwerte sind zu locker”

    Dass angesichts der Bedrohung nicht längst mehr geschieht, ist Ingenieur Mayer ein Rätsel. Bei den Eidgenossen hat der Rußfilterexperte eine in vielen Ländern anerkannte Prüfnorm für Feinstaubfilter entwickelt. “Man weiß schon lange um die Gesundheitsgefahr der Partikel. Ich sehe hier einen gefährlichen Konsens der Industrie mit den Behörden, die zu lange nicht eingegriffen haben”, sagt Mayer. “Es ist ein bisschen wie beim Asbest, da waren die Risiken 1936 bekannt und erst ab 1986 gab es erste Vorschriften” … “

  5. #5 stone1
    1. Februar 2018

    @Joseph Kuhn

    Über die Bedeutung des Satzes, es sei „zwischen Realitätsbezug, Informationsgehalt und Wahrheit zu unterscheiden“, werde ich am Wochenende meditieren.

    Strafe muss sein, dafür dass wir diesen Schmerz verursachenden Satz hier lesen mussten. Also schönes Meditieren. ; )

  6. #6 roel
    https://scienceblogs.de/10jahrescienceblogs/author/roel/
    1. Februar 2018

    Zusätzlich zu dem Forum der AG Umweltmedizin gibt es noch weitere, z.B das Forum der AG Gefahrstoffe. Die AG Gefahrstoffe hat sich ein top-aktuelles Thema heraus gesucht:

    Dieselruß/Stickoxid-Emissionen

    Aus dem Vortrag von Herrn Dr. Dirk Pallapies (Id 291: Gesundheitliche Gefährdung durch Dieselmotor-/ Stickoxidemissionen (Dirk Pallapies)):

    “Human- und tierexperimentelle Daten liefern eine wesentlich bessere Datengrundlage für den Arbeitsplatzgrenzwert als sie die epidemiologischen Studien darstellen, die zur Ableitung des Außenluftgrenzwertes dienten.”

    und etwas weiter im Text:

    “Bei der Ableitung des o.g. Arbeitsplatzgrenzwerts für Dieselmotoremissionen wurden auch die tierexperimentellen Daten zu krebserzeugenden Wirkungen berücksichtigt.”

    Es bleibt zu hoffen, dass bei den Tierexperimenten, die er meint, keine Schummelsoftware zum Einsatz kam, die das Experiment mit den Affen (siehe z.B. hier https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2018/01/29/vom-diesel-umnebelte-tier-und-menschenversuche/) wertlos gemacht hat.

    Wie dem auch sei hier: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK294254/ ist über Herrn Dr. Dirk Pallapies folgendes zu lesen:

    “Dirk Pallapies holds small amounts of stock of Daimler-Benz AG and was employed until 2008 by BASF, a chemical company with business in trap technology, catalysts and additives for diesel and gasoline engines.”

  7. #7 Beobachter
    1. Februar 2018

    Auf Seiten der deutschen Klinischen (und kurativen) Umweltmedizin scheint man von der “universitären, theoretischen, wissenschaftlichen Arbeits- und Umweltmedizin” und Prävention nicht viel zu halten:

    ” … Leider ist es so, dass viele Mediziner aber auch Behörden und Versicherungsträger unter Umweltmedizin noch immer die eher theoretisch geprägten Fächer Arbeitsmedizin und Hygiene verstehen. Das ist aber nur die präventive Umweltmedizin. … ”

    ” … Wer kurative Umweltmedizin betreibt oder lehrt, der muss eben auch über den Tellerrand blicken.

    Der Spagat zwischen Grundlagenwissenschaft und Praxis ist den Machern des Programmes und den Referenten wie schon in den Vorjahren bestens gelungen. Viele aus der Praxis kommende Referenten konnten den Ball der universitären Vortragenden aufnehmen und verdeutlichen, dass es durchaus diagnostische und therapeutische Möglichkeiten gibt.
    … ”

    aus:
    https://www.dbu-online.de/jahrestagung/jahrestagung-2017.html
    (mit “Industrieausstellung”)
    – lesenswerter Artikel ! –

    Deshalb wird wohl in umweltmedizinischen Praxen/von klinischen Umweltmedizinern z. B. mit “Bioresonanzverfahren” “diagnostiziert” und mit “lebendigem Wasser” “therapiert/vorgebeugt”.
    Man schafft wahrlich jeden “Spagat” …

    Und die DGAUM ihrerseits scheint Risikofaktoren zu verharmlosen und Präventionsmaßnahmen wie die Absenkung von Grenzwerten bekannter Schadstoffe (hier: Stickoxide) für überflüssig zu halten –
    denn sie sind (selbst mit vorzeitigen Todesfällen) “ohne praktische oder reale Bedeutung für das Individuum”.

    Offensichtlich streiten sich die “Experten” – sowohl in der Praxis wie auch in der Theorie und je nach Interessenlage.
    Auf der Strecke bleiben die Untersuchung der tatsächlichen Ursachen und deren Folgen und die erkrankten Betroffenen.

    Interessant:
    https://www.umweltmedizin.de/was-ist-umweltmedizin/

  8. #8 Joseph Kuhn
    1. Februar 2018

    @ Beobachter:

    Dass “die DGAUM” Risikofaktoren verharmlost, ist eine Unterstellung, die eine ganze Fachgesellschaft in Sippenhaft für einzelne problematische Vorträge nimmt. Schauen Sie sich das Programm insgesamt einmal an, dann werden Sie sehen, dass Ihre Unterstellung nicht stimmt. Wenn Sie nicht immer so pauschale Rundumvorwürfe machen würden, wären Ihre Kommentare bessser.

  9. #9 Beobachter
    1. Februar 2018

    @ Joseph Kuhn, # 8:

    Vielleicht habe ich mich etwas missverständlich ausgedrückt – es sollte kein “Rundumschlag” im Sinne einer “Sippenhaft” gegen eine ganze Fachgesellschaft sein.
    Und ich habe mich nur auf Risikofaktoren bzw. Schadstoffe in Autoabgasen (besonders Stickoxide und Feinstäube; letztere kommen bei der Tagung als Programm-Thema gar nicht vor, zumindest nicht explizit aufgeführt) bezogen.

    Ich finde es jedoch bedenklich (um es freundlich zu formulieren), wenn sozusagen unter dem Dach einer großen medizinischen Fachgesellschaft sich Experten/Referenten mit Nähe zur Autoindustrie in Vortrags-Abstracts so (wie von Ihnen oben im Beitrag zitiert und beschrieben) äußern.

    Solche fragwürdigen zentralen Äußerungen (und die dahinterstehende “wissenschaftliche Haltung”) innerhalb einer medizinischen Fachgesellschaft untergraben m. E. die wissenschaftliche Reputation eines ganzen medizinischen Fachbereiches, nämlich die der Umweltmedizin.
    Ebenso schadet es ihr, wenn führende Vertreter anderer Umweltmedizin-Fachgesellschaften den Rahmen der Wissenschaftlichkeit häufig teilweise oder ganz verlassen.

    Und all das findet letztendlich auf dem Rücken und auf Kosten der Patienten statt –
    die zunehmend das Vertrauen auch in die medizinischen Experten verlieren.

  10. #10 pelacani
    2. Februar 2018

    Den Angriff auf die „vorzeitige Sterbefälle“ dagegen verstehe ich auch so. Die Denunziation epidemiologischer Effektschätzungen als bloß „theoretisches Konstrukt“ hat in den Verharmlosungsdebatten um Risikofaktoren eine lange Tradition.

    Mich dagegen machen solche Meldungen immer ratlos. Ich begreife einfach nicht, wie diese Zahlen über die Toten ermittelt werden. Ich glaube nicht einmal, dass epidemiologische Effektschätzungen mehr sind als ein theoretisches Konstrukt, sofern sie nicht gewisse Kriterien erfüllen.

    Der Versuch, eine Berechnung (für Feinstaub) beispielhaft nachzuvollziehen, findet sich im Psiram-Forum, hier
    https://forum.psiram.com/index.php?topic=16020.0
    Er war nicht sonderlich erfolgreich.

  11. #11 Joseph Kuhn
    3. Februar 2018

    @ pelacani:

    Natürlich ist es ein Konstrukt, aber eben nicht ohne Bedeutung für die Betroffenen, wenn es nicht ganz vermurkst ist. Wie alles in der Wissenschaft kann man solche Schätzungen und auch die benutzten Kennziffern kritisieren, aber man soll sie nicht so billig abtun, wie es der EUGT-Vortrag getan hat. Das war das Niveau der Tabakindustrie, Weißwäscherei.

    Die DGAUM hat übrigens sehr schnell reagiert, die EUGT-Vorträge sind aus dem Forum entfernt worden, siehe den Nachtrag oben im Blogbeitrag.

    Ergänzung 4.2.2018:
    Vielleicht hilft bei der Einordnung der Debatte dieser Artikel “The Brave New World of Lives Sacrificed and Saved, Deaths Attributed and Avoided” von Brunekreef et al. in Epidemiology 18: 785-788. Er geht verständlich auf ein paar immer wieder diskutierte Fragen ein (wie kommen “vorzeitige Sterbefälle” zustande, wären “verlorene Lebensjahre” nicht informativer, wie verteilen sich solche Verluste in der Bevölkerung usw.). In der umweltepidemiologischen Literatur gibt es auch andernorts einiges dazu.

  12. #12 shader
    5. Februar 2018

    „‘Vorzeitige Todesfälle‘ durch NOx-Emissionen sind nur ein theoretisches Konstrukt und ohne praktische oder reale Bedeutung für das Individuum.”

    Ersetze “‘Vorzeitige Todesfälle‘ durch NOx-Emissionen” durch “Klimaänderungen”, schon hat man die politische Agenda der Klima”skeptiker”. Ich finde es erschreckend, wie baugleich die Verharmlosungsversuche so einiger Zeitgenossen doch sind.

    “Die Denunziation epidemiologischer Effektschätzungen als bloß „theoretisches Konstrukt“ hat in den Verharmlosungsdebatten um Risikofaktoren eine lange Tradition. Sie unterstützt individuelle Verdrängungs- und Distanzierungsprozesse nach dem Motto, das hat mit mir nichts zu tun, da haben ein paar Wissenschaftler etwas ausgerechnet, aber keine echten Toten gezählt und am besten glaubt man sowieso nur der Statistik, die man selbst gefälscht hat. So wird Wissenschaft zerstört.”

    Diese Einschätzung kann ich nur unterschreiben, Herr Kuhn.

  13. #13 shader
    5. Februar 2018

    @pelacani: “Ich begreife einfach nicht, wie diese Zahlen über die Toten ermittelt werden.”

    Wie haben Sie sich bisher über das Thema informiert?

  14. #14 pelacani
    5. Februar 2018

    @shader

    Wie haben Sie sich bisher über das Thema informiert?

    Ich habe den angegebenen Psiram-Faden und die darin verlinkten Dokumente gelesen.

  15. #15 shader
    5. Februar 2018

    Hmm, wenn jemand schreiben würde, dass er die Relativitätstheorie nicht versteht und auf die Frage wie er sich darüber informiert hat, mit “habe da einen Thread im Internet gelesen” antwortet, dann würde einen das nicht sonderlich überraschen.

    Eine große Selbstüberschätzung bei einem wissenschaftlichen Thema besteht darin, dass man glaubt die Sache innerhalb von einer Stunde verstehen zu können. Bitte nicht falsch verstehen, es ist kein Zeichen von Dummheit oder geringer Intelligenz, wenn man wissenschaftliche Methoden nicht auf Anhieb versteht. Das ist völlig normal, für mindestens 99,8% der Menschen. Nur unsinnig ist es daraus die Behauptung abzuleiten, dass etwas mit der Methode nicht stimmt, wenn man sie nicht versteht.

  16. #16 pelacani
    5. Februar 2018

    Vielen Dank für die Aufklärung, shader. Das hatte ich bisher so noch gar nicht gesehen :-D. Aber … um ehrlich zu sein, mit dem Verweis auf eine beispielhaften Studie, die die Sache erklärt, wäre mir mehr geholfen. Mein Problem, gewiss.

  17. #18 Thomas Nesseler
    Geschäftsstelle DGAUM, München
    5. Februar 2018

    Sehr verehrte Leserinnen und Leser dieses Blogs,
    vor dem Hintergrund der öffentlichen Debatte um Forschungsarbeiten zu Schadstoff-Emissionen am Arbeitsplatz und im Straßenverkehr haben wir uns dafür entschieden, im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung bei der DGAUM Jahrestagung 2018 einige wichtige Aspekte eingehender zu reflektieren und zu diskutieren.
    Unter dem Vorsitz des Präsidenten, Professor Hans Drexler, sowie des Vorsitzenden der AG Umweltmedizin, Professor Klaus Schmid, bieten wir am Mittwoch, 7. März 2019, 9-11 Uhr im Hörsaal 3, Klinikum der LMU in Großhadern, Marchioninistr. 15, 81337 München, eine Veranstaltung beim Forum der AG Umweltmedizin an.
    Auf dem Programm stehen Vorträge u.a. zu folgenden Themen: „Fragen an die Zukunft der Mobilität aus umweltmedizinischer Sicht“, „Forschungsethik und Forschungsdesigns: Was können wir aus der Debatte um Forschungsvorhaben zu Schadstoff-Emissionen am Arbeitsplatz und im Straßenverkehr lernen?“ oder zur „Aachener NO2-Studie: Anlass, Durchführung und Forschungsergebnisse“. Detailinformationen finden Sie im Anhang oder Online unter: http://www.dgaum.de/dgaum-jahrestagung/
    Bereits heute danken wir Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Kommen.
    Mit freundlichen Grüßen
    bin ich Ihr
    Dr. Thomas Nesseler
    Hauptgeschäftsführer DGAUM

    • #19 Joseph Kuhn
      6. Februar 2018

      @ Thomas Nesseler:

      Leider ist die Teilnahme an diesem Forum vom Preis her (Tageskarte 150 Euro, Studierende 50 Euro) nicht attraktiv. Sonst wären vielleicht sogar Public Health-Studierende der LMU München zu gewinnen gewesen (sie hatten die Abgasproblematik und ein Dieselfahrverbot als möglicher Intervention vor kurzem im Rahmen einer Hausarbeit als Health Impact Assessement bearbeitet, samt prominent besetzter Podiumsdiskussion).

      Das Thema lohnt auf jeden Fall die Diskussion, viel Erfolg bei der Tagung!

      • #20 Thomas Nesseler
        GS DGAUM, München
        6. Februar 2018

        Kurz zur Klarstellung: Diese Veranstaltung ist allgemein öffentlich und damit auch kostenfrei! Das haben wir heute im Rahmen einer TelKo des Orga.Teams zur Vorbereitung der DGAUM-Jahrestagung 2018 nochmals bestätigt. Das Kommen lohnt sich also!

        • #21 Joseph Kuhn
          6. Februar 2018

          @ Thomas Nesseler:

          Das sollte auch den Studierenden gefallen. Prima.

  18. #22 pelacani
    5. Februar 2018

    @roel, #17
    Danke. Aber hast Du sie selber gelesen, bevor Du so großzügig warst, auf diese Links zu verweisen? Wie adressieren sie die grundsätzlichen Probleme epidemiologischer Untersuchungen, wie z. B. die prinzipbedingt mangelnde Kontrolle konfundierender Variablen, die mangelnde Beachtung der schlichten Tatsache, dass Korrelationen noch keine Kausalitäten sind (vgl. Bradford-Hill-Kriterien), die fehlenden Aufwand-Nutzen-Analysen? Oder sind das nur industriegesteuerte Luxuseinwände, die an der Rettung der Bevölkerung hindern sollen?

  19. #23 roel
    5. Februar 2018

    @pelacani Ich habe mir das angesehen, habe aber nicht soviel Zeit es ausführlich zu diskutieren, dachte nur es könnte für dich hilfreich sein. Ehrlicherweise halten mich zusätzlich solche Sätze “Oder sind das nur industriegesteuerte Luxuseinwände, die an der Rettung der Bevölkerung hindern sollen?” ebenfalls von Diskussionen ab. Die signalisieren zusätzlichen Zeitaufwand.

  20. #24 pelacani
    5. Februar 2018

    @roel, ach, ich bin nicht immer laserfokussiert. Du kannst ja die despektierlichen Bemerkungen einfach ignorieren (oder sie dankbar nutzen, um dem sachlichen Gehalt auszuweichen 😉 ).

  21. #25 shader
    5. Februar 2018

    @pelacani, die Kausalität beispielsweise zwischen Stickoxiden und Atemerkrankungen ist ja bestens bekannt. Es ist nicht nur so, dass wir Korrelationen beobachten, sondern die Pathologie der Krankheiten kennen.

  22. #26 pelacani
    5. Februar 2018

    @shader

    @pelacani, die Kausalität beispielsweise zwischen Stickoxiden und Atemerkrankungen ist ja bestens bekannt.

    Das ist jetzt ein bisschen schwierig. Natürlich kann es ein Problem sein, “Zweifel” an gewissen allgemein akzeptierten und unstrittigen Tatsachen mit einem einfachen Literaturhinweis zu widerlegen – Lankas Virenwette war auf diesem Umstand aufgebaut. Ein wenig mehr Genauigkeit müsste doch trotzdem möglich sein. Ist es aber nicht. Ich mach mal Cherry-Picking, WP → WHO (ein etwas älterer Bericht):
    https://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0005/112199/E79097.pdf

    Short-term chamber studies with humans (384, 385) as well as in animal exposure studies continue to support the view that at the levels encountered in the ambient outdoor air, direct effects of NO2 alone on the lungs (or any other system) are minimal or undetectable.
    […]

    So direkt scheint es also nicht giftig zu sein. Dennoch:

    A meta-analysis on mortality showed consistent associations with NO2 (391). […]

    Doch gleich wird es wieder kompliziert (das ist das Schicksal der Epidemiologie):

    While such studies have supported an association between ambient NO2 concentrations in relation to multiple respiratory and cardiovascular health outcome measures, these cannot establish causality for an NO2 effect. It is likely that many health effects observed occur as a result of exposure to confounding traffic related pollutants and/or secondary pollutants that include O3, acid aerosol and particles. In a significant proportion of the epidemiological studies increased risks of adverse health outcomes diminish considerably or become non-significant when other pollutants are considered in the statistical models. In others, however, NO2 enhances the magnitude of effects observed with other pollutants (29, 349).
    Recent epidemiological studies have shown consistent associations between long term exposure to NO2 and lung function in children (22, 23, 236) as well as with lung function and respiratory symptoms in adults. These effects cannot be attributed to NO2 exposure per se.
    [S. 48]

    Danach haben Stickoxide eher so etwas wie eine Indikatorfunktion. Welcher Aufwand wäre gerechtfertigt für eine isolierte Reduktion, z. B. durch technische Maßnahmen an Fahrzeugen?

  23. #27 Joseph Kuhn
    5. Februar 2018

    @ pelacani:

    Ich würde mal über das Wort “Short-term” nachdenken und ansonsten einfach nachlesen, was man über NOx weiß. Dass es nur eine Indikatorfunktion hat, sagt nicht einmal der notorisch industriefreudliche Herr Greim.

    Zum Einlesen hilfreich ist die Zusammenstellung des SMC zur Gesundheitsrelevanz von Stickoxiden vom Juni 2017.

    Der Bericht des Bundestagsuntersuchungsausschusses, der Anlass für die kleine Sammlung des SMC war, war hier auf Gesundheitscheck übrigens auch schon Diskussionsthema.

  24. #28 rolak
    5. Februar 2018

    über das Wort “Short-term” nachdenken

    Well, a short term is a term with max three operator-nodes, when treed up.

  25. #29 pelacani
    5. Februar 2018

    Dass es nur eine Indikatorfunktion hat, sagt nicht einmal der

    Ich sagte vielleicht schon, dass es kompliziert werden könnte; vor allem, wenn man ungenau zitiert. Meine Worten waren “eher eine Indikatorfunktion”, abgeleitet aus einem alten WHO-Bericht, und nicht “nur”, womit ich mich in schöner Übereinstimmung mit dem von Dir soeben angeführten Prof. Nino Künzli, PhD etc. etc. befinde:

    Wie für andere Indikatoren der Außenluft-Verschmutzung … Da sowohl NO2 als auch Feinstaub Indikatoren für das komplexe, aus Hunderten von Schadstoffen bestehenden Gemisches ‚Luftverschmutzung’ sind … die Zusammenhänge zwischen NO2 als Indikator des Gemischs

    Der Anlass für meine unschuldige Bemühung war der Satz in #22 über die “bestens bekannte” Kausalität, die offenbar nicht überall bestens bekannt ist. Aber vielleicht irrt auch Prof. Künzli, denn der weiter unten verlinkte EPA-Bericht (1148 Seiten) ist doch einigermaßen umfassend, aktuell, differenziert, gut strukturiert und bequellt. Die These von Künzli wird dort übrigens gründlich behandelt (und nach meinem vorläufigen Eindruck ad acta gelegt). Insofern also danke für den Literaturhinweis. Er scheint das zu sein, was ich gesucht hatte. Du sieht es mir sicher nach, dass ich mit dem noch nicht ganz durch bin. Vielleicht melde ich mich später nochmal.

    Ich würde mal über das Wort “Short-term” nachdenken

    Wer sollte Dich daran hindern.

    Auf Wiedersehen, Joseph!

    • #30 Joseph Kuhn
      5. Februar 2018

      @ pelacani:

      “Wer sollte Dich daran hindern.”

      Die Vernunft, weil ich nicht wie Du mit den Befunden aus alten short term-Studien gegen den Zusammenhang von NOx und Atemwegserkrankungen, von dem shader sprach, argumentieren wollte. Nicht alles, was man zusammengoogelt, ist ein Argument.

      “Da sowohl NO2 als auch Feinstaub Indikatoren für das komplexe, aus Hunderten von Schadstoffen bestehenden Gemisches ‚Luftverschmutzung’ sind”

      Ja, klar, aber eben nicht nur. In epidemiologischen Studien lässt sich die Wirkung einzelner Komponenten der Abgase natürlich nicht gut trennen, zu einigen gibt es jedoch auch toxikologische Studien. Dass eine kurzfristige NOx-Exposition die Leute nicht gleich umbringt, ist keine Neuigkeit. Da sieht man mit bloßem Auge täglich auf der Straße und das ist bekanntlich beim Rauchen auch nicht anders. Vielleicht haben kurzfristige Expositionen bei gesunden Probanden auch sonst keine relevanten Effekte – darum ging es z.B. bei der Aachener Studie. Für das Abgasthema folgt daraus nicht viel, es sei denn, NOx hat jedwede Indikatorfunktion für die Gesamtbelastung verloren und es hat auch langfristig keine eigenständige Schadwirkung, auch nicht auf vulnerable Personen, z.B. solche mit Atemwegserkrankungen. Beim Feinstaub sieht es eh anders aus, da spielt die Indikatorfunktion eine nachrangige Rolle, ich wüsste nicht, dass Zweifel daran bestehen, dass Feinstaub an sich gesundheitsschädlich ist.

  26. #31 Beobachter
    8. Februar 2018

    Etwas OT:

    Anmerkung:
    Was sonst noch so an Münchener Unis los ist:

    https://www.sueddeutsche.de/muenchen/stiftungs-professuren-ein-discounter-macht-hochschulgeschichte-1.3857836

    “Ein Discounter schreibt Hochschulgeschichte

    Die Dieter-Schwarz-Stiftung des gleichnamigen Gründers von Lidl und Kaufland finanziert vom Wintersemester 2018/19 an 20 Lehrstühle der TU.
    13 davon werden in Heilbronn an einer neuen Außenstelle der TU angesiedelt sein, sieben Professoren werden in München unterrichten.
    Die Professoren, ihre Assistenten und die Studierenden werden sich mit dem Wandel durch Digitalisierung, mit Unternehmensgründung und mit Familienunternehmen beschäftigen.
    … ”

    ” … Um das Ausmaß der Stiftung zu verdeutlichen: Die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der TU wird nun schlagartig von bisher 34 auf 54 Professuren wachsen. Während Herrmann begeistert über diese “einmalige Chance” ist, befürchten Kritiker eine unzulässige Einflussnahme der Spender auf Lehre und Forschung der staatlichen Universität. … ”

    “Überblick”:
    https://www.sueddeutsche.de/muenchen/tu-lmu-und-hochschule-so-fliesst-das-geld-der-wirtschaft-in-die-muenchner-unis-1.3800009

  27. #32 Beobachter
    8. Februar 2018

    Nachtrag zu # 31:

    … dazu ein Kommentar aus der SZ:

    https://www.sueddeutsche.de/muenchen/tu-muenchen-wenn-lidl-professuren-noetig-sind-ist-das-ein-armutszeugnis-fuer-die-politik-1.3857844

    Zitat, Auszug:

    ” … Es ist bezeichnend, dass die Stiftung selbst mit einer Art von Subsidiaritätsprinzip argumentiert. Sie wolle dort tätig werden, “wo Wirtschaft und Gesellschaft Anforderungen stellen, die staatliche Organe nicht oder nicht ausreichend erfüllen können”, sagte ihr Geschäftsführer Reinhold Geilsdörfer am Mittwoch. Das bedeutet, dass der Staat offensichtlich nicht ausreichend in der Lage ist, Forschung und Lehre zu bezahlen.

    Dass mit der Dieter-Schwarz-Stiftung dann ausgerechnet eine gemeinnützige Stiftung einspringt, also ein Geldgeber, der selbst von der Ertragssteuer befreit ist und so seinen Teil dazu beiträgt, dass der Staat seinen Aufgaben nicht gerecht wird, das macht den Vorgang zusätzlich pikant.

    Wenn solche Stiftungen wirklich notwendig sind, dann ist das ein Armutszeugnis für die Hochschulpolitik. Und die neuen 20 Professuren umweht bei allen redlichen Absichten ein Geschmäckle.”

  28. #33 Joseph Kuhn
    16. Februar 2018

    Update:

    Die EUGT-Referenten sind aus dem Programm verschwunden, dafür referiert der amtierende Präsident der DGAUM, Prof. Drexler. Er hat am vergangenen Dienstag ein Interview für Focus online gegeben, in dem er einerseits zurecht vor Panikmache bei Grenzwertüberschreitungen warnt, andererseits mit manchen Sätzen irritiert:

    “Durch Berechnungen von NOx auf Tote zu schließen, ist wissenschaftlich unseriös. Feinstaub ist ein Killer, das bleibt in den Zellen hängen, schadet der Lunge, verursacht Herzinfarkte. Aber NO2 ist kein Vorläufer von Feinstaub. Stickoxide kann man dem Diesel anlasten – Feinstaub nicht.”

    Dass man nicht “durch Berechnungen von NOx” auf Tote schließen könne, erscheint mir ebenso mutig wie die Behauptung, Feinstaub könne man dem Diesel nicht anlasten. Schließlich fahren nicht nur moderne Dieselautos auf unseren Straßen, bei denen wohl der Feinstaub wirklich kein relevantes Problem mehr darstellt. Und ob man so definitiv sagen kann, dass NO2 kein Vorläufer von Feinstaub sei? Da gibt es zumindest auch andere Stimmen aus der Wissenschaft.

  29. #34 Joseph Kuhn
    23. Februar 2018

    Update:

    Das Umweltbundesamt nimmt auch noch einmal Stellung: https://www.umweltbundesamt.de/themen/stickstoffdioxid-belastung-hintergrund-zu-eu – mit Links zu den dort zitierten Übersichtsarbeiten.

    Medien weisen außerdem auf eine noch unveröffentlichte Studie des Umweltbundesamtes hin, die mit dem outcome “vorzeitige Sterbefälle” arbeitet: https://www.wiwo.de/technologie/umwelt/dieselabgase-tausende-vorzeitige-todesfaelle-durch-stickoxide/20987516.html.

  30. #35 Beobachter
    auf dem Boden der Realität
    24. Februar 2018

    Aktuell:
    Lesenswerter und interessanter Artikel in der SZ
    zur Forschungspolitik
    von Prof. Ch. Kreiß (Hochschule Aalen):

    https://www.sueddeutsche.de/wissen/forschungspolitik-die-gekaufte-wissenschaft-1.3875533

    “Forschungspolitik
    Die gekaufte Wissenschaft

    Unternehmen bestellen Studien, engagieren Professoren und finanzieren ganze Institute, die in ihrem Sinne forschen. Das muss sich ändern. … ”

    ” … Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, dass in den vergangenen Jahren Kooperationen von Automobilherstellern mit Universitäten bei Doktorarbeiten sprunghaft gestiegen sind. Allein Audi finanzierte im Jahr 2012 rund 130 Doktoranden an deutschen Universitäten. Das hat nichts mit Korruption oder unethischem Verhalten zu tun. Junge, vielversprechende Nachwuchswissenschaftler beschäftigen sich einfach gern mit Fragestellungen rund ums Auto. Das Problem ist nur: Wer beschäftigt sich mit den nachteiligen Folgen des Autoverkehrs? Durch die vielen Industriekooperationen verschiebt sich das Kräfteverhältnis in der Hochschulforschung zugunsten industrienaher Themen. Dagegen tritt Forschung über Umwelt, Soziales und andere gesellschaftlich relevante Themen in den Hintergrund. … ”

    https://menschengerechtewirtschaft.de/dr-christian-kreiss-2

    M. E. wird da ein ganz wichtiger und ausschlaggebender Sachverhalt angesprochen, nämlich der, dass zunehmend die Industrie bestimmt, über was überhaupt geforscht wird.

    Für junge, aufstrebende, technikbegeisterte Wissenschaftler ist es “cooler”, für die Autoindustrie oder in der Luft- und Raumfahrttechnik zu forschen als z. B. daran, wie sich die Schadstoff-Kombination von Stickoxiden plus Feinstaub auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirkt.
    Und z. B. ob es eine Rolle spielt, in welcher Messhöhe und wo sich die Messstationen befinden.

    Im autoaffinen Schwabenländle misst man in Höhen ab 2,5 Metern aufwärts –
    wie wären die Messergebnisse in “bürgerfreundlichen” Höhen von z. B. 1,70 Metern und in Kinderwagenhöhe?

    https://www.stadtklima-stuttgart.de/index.php?luft_messdaten_stationeninstuttgart

  31. #36 Beobachter
    1. März 2018

    Nachfrage/Nachtrag zu # 35:

    Kann mir jemand das mit den Messhöhen der Messstationen erklären?
    Siehe letzter Abschnitt # 35 am Beispiel Stuttgart.

    Bin nur zufällig überhaupt auf diesen fragwürdigen Umstand gestoßen (Radiomeldung/-beitrag) –
    und gerade Feinstaub-Konzentrationen, die auch gemessen werden, müssten in niedrigeren Messhöhen (Kinderwagenhöhe!) ja höher sein, weil die Partikel absinken.

  32. #37 roel
    https://scienceblogs.de/10jahrescienceblogs/author/roel/
    1. März 2018

    @Beobachter “Kann mir jemand das mit den Messhöhen der Messstationen erklären?”

    Das steht in der TA Luft http://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Luft/taluft.pdf

    “4.6.2.3 Messhöhe
    Die Immissionen sind in der Regel in 1,5 m bis 4 m Höhe über Flur sowie in mehr als 1,5 m seitlichem Abstand von Bauwerken zu messen. In Waldbeständen kann es erforderlich sein, höhere Messpunkte entsprechend der Höhe der Bestockung festzulegen.”

  33. #38 Beobachter
    1. März 2018

    @ roel, # 37:

    Danke für die Info und den Link.

    Diese “Allgemeine Verwaltungsvorschrift” ist aus dem Jahre 2002.
    Danach könnte man schon in Höhen ab 1,5 m messen, aber nicht darunter.
    In Stuttgart z. B. gibt es aber (wenn ich nichts übersehen habe) keine Messtation mit Messhöhe unter 2,5 m (2 5 m und 3,5 m und viel höher):
    https://www.stadtklima-stuttgart.de/index.php?luft_messdaten_stationeninstuttgart

    Wie will man so bzw. in dieser Höhe die Atemluft-Schadstoffbelastung z. B. an viel befahrenen innerstädtischen Kreuzungen messen, an denen Leute mit Säuglingen/Kleinkindern im Kinderwagen, Radfahrer, Fußgänger, Kinder, Rollstuhlfahrer etc. wartend vor Ampelanlagen stehen?

    Oder:
    Gemessen werden soll “in mehr als 1,5 m seitlichem Abstand von Bauwerken”:
    Niemand, der in einem Wohnblock an viel befahrenen Straßen und/oder Kreuzungen wohnt, wird sich jemals (mindestens) 1,5 m weit aus seinen geöffneten Wohnungsfenstern lehnen –
    wie er es nach “Mess-Vorschrift” tun müsste, damit er die Messbedingungen zu seiner Atemluft-Schadstoffbelastung-Bestimmung erfüllt … 🙂

    Wenn schon die Voraussetzung zu Daten-/Messwerterhebungen realitätsfern/”schief” sind, können die Ergebnisse und dann die Statistiken daraus es ja nur auch sein, oder?

  34. #39 Beobachter
    in luftiger Höhe
    1. März 2018

    Berichtigung, in # 38:

    Bei ” 2 5 m” fehlt das Komma … 🙂

  35. #40 luftikus
    4. März 2018

    Zu Prof. Drexler: “Aber NO2 ist kein Vorläufer von Feinstaub.”

    J.K. hat diese ungewöhnliche These zurecht in #33 kritisiert. Hier eine ausführlichere Untersuchung samt Grafiken: Laut dieser bei der US-EPA abrufbaren Untersuchung werden in den USA 4% bis 37% des PM2.5 Feinstaubs durch die Vorläufersubstanz NOx gebildet.

    www3.epa.gov/ttnchie1/conference/ei13/mobile/hodan.pdf

    Erstaunlich auch, dass Prof. Drexler im Focus Artikel auf die Frage des 40 Mikrogramm Grenzwertes bei “100 Mikrogramm NO2 […] noch keinen Effekt” sehe. Fand er doch kurz zuvor im Oktober 2017 den 40 Mikrogramm Grenzwert für NO2 “zur Vermeidung von chronischen Gesundheitsschäden für die Allgemeinbevölkerung durchaus plausibel und sinnvoll.”

    https://www.asu-arbeitsmedizin.com/gentner.dll/0706-0707-ASU-1710_Nzg1MjMw.PDF?

    • #41 Joseph Kuhn
      4. März 2018

      @ luftikus:

      Im Saarländischen Rundfunk hat sich Herr Drexler schon etwas differenzierter geäußert und spricht auch den Unterschied zwischen Arbeitsplatzbelastungen und Umweltbelastungen an: “Selbstverständlich müssen Alte und Kranke und Kinder, die 24 Stunden exponiert sind, anders geschützt werden als Arbeitnehmer”. Wobei man natürlich fragen könnte, warum eigentlich, bzw. unter welchen Bedingungen sind Arbeitnehmern höhere Belastungen zumutbar? Aber das führt in ein weites Feld.

      Eine scharfe Kritik gibt es vom Bremer Arbeitswissenschaftler Wolfgang Hien bei Telepolis: “Wissenschaftsethisch halte ich diesen ganzen Verharmlosungsdiskurs für eine Katastrophe.”

      • #42 luftikus
        5. März 2018

        Hoffentlich hat sich die Programmkomission bei J.K. für die inhaltliche Kontrolle der Abstracts bedankt. Falls nicht: Herzlichen Dank für das Hochhalten der wissenschaftlichen Fahne!

        Die Programmkomission der DGAUM adelte die EUGT zweimal mit der Möglichkeit eines Satellitensymposiums: Einmal 2010 unter Präsident Prof. Letzel. Max Angermaier kritisierte damals die Risikodiskussion in der EUGT Sitzung.

        https://www.forum-bg.de/_die_propaganda_fur_die_industrie.html

        Das zweite Mal 2015 unter Präsident Prof. Drexler. Inwieweit Prof. Drexler mit der Qualität der gebotenen Vorträge zufrieden war, ist nicht bekannt.

        Ich schätze wissenschaftliche Beiträge zur Stickoxidproblematik sehr. Beispielsweise hat Erich Wichman eine aktuelle und gründlich recherchierte Expertise für das Land BW verfasst:

        https://vm.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-mvi/intern/Dateien/PDF/PM_Anhang/Wichmann_2018_Gesundheitliche_Risiken_durch_Stickstoffdioxid_Expertise_1.pdf

        Hätte Prof. Wichmann anlässlich des Stuttgarter Prozesses um Luftreinhaltung nach verrichteter Arbeit ein Interview im Focus, Merkur oder Saarländischem Rundfunk gegeben, wäre er meinen Ansprüchen an einen Wissenschaftler gerecht geworden.

        Bei Prof. Drexler empfand ich die Interviews angesichts des BVG Verfahrens in Leipzig als irritierend, zum einen, da es in diesem Verfahren überhaupt nicht mehr um Stickoxidgrenzwerte ging, sondern darum, ob Dieselfahrverbote verwaltungsrechtlich grundsätzlich zulässig sind. Zweitens irritiert Drexlers Fokus auf Feinstaub beim Thema Stickoxide.

        Grundsätzlich gebe ich Prof. Drexler Recht, dass Feinstaub vergleichsweise gesundheitsschädlicher ist. Aber was ist die “richtige Konsequenz” daraus? Wird Prof. Drexler auf der DGAUM Tagung fordern, dass der PM2.5 EU Jahresgrenzwert von 25 µg/m3 abgesenkt wird Richtung der von der WHO vorgeschlagenen 10µg/m3?

  36. #43 Thomas Nesseler
    Geschäftsstelle DGAUM, München
    5. März 2018

    Kurzes Update: Vor dem Hintergrund der öffentlichen Debatte um Forschungsarbeiten zu Schadstoff-Emissionen am Arbeitsplatz und im Straßenverkehr bietet die DGAUM im Rahmen der 58. Wissenschaftlichen Jahrestagung vom 07.-09. März 2018 in München eine öffentliche Veranstaltung des Forums der AG Umweltmedizin an, um einige wichtige Aspekte eingehender zu reflektieren und zu diskutieren. Nachfolgend das aktualisierte Programm:

    Termin Forum der AG Umweltmedizin
    Datum
    Uhrzeit
    Ort Mittwoch, 7. März 2018
    9:00 – 11:00 Uhr
    Klinikum der LMU München, Hörsaalgebäude Großhadern, Hörsaal 3
    Marchioninistr. 15, 81337 München
    Themen 1. Fragen an die Zukunft der Mobilität aus umweltmedizinischer Sicht (K. Schmid)
    2. Forschungsethik und Forschungsdesigns: Was können wir aus der Debatte um Forschungsvorhaben zu Schadstoff-Emissionen am Arbeitsplatz und im Straßenverkehr lernen? (H. Drexler)
    3. Die Aachener NO2-Studie: Anlass, Durchführung und Forschungsergebnisse (T.Kraus)
    5. Perspektiven der weiteren Reduktion gesundheitsrelevanter Dieselabgase (J.Bünger)
    6. Gesundheitliche Risiken von Stickstoffdioxid im Vergleich zu Feinstaub und anderen verkehrsabhängigen Luftschadstoffen (H.-E.Wichmann)
    Vorsitz Prof. Dr. med. Hans Drexler (Präsident DGAUM) und
    Prof. Dr. med. Klaus Schmid (Vorsitz AG Umweltmedizin)

    Das detaillierte Tagungsprogramm und weiterführende Informationen finden Sie online unter https://www.dgaum.de/dgaum-jahrestagung/.

    • #44 Joseph Kuhn
      5. März 2018

      @ Thomas Nesseler:

      Vielen Dank für das Update.

  37. #45 Thomas Nesseler
    Geschäftsstelle DGAUM, München
    5. März 2018

    Für die Veränderungen im Programm war allein die Tatsache ausschlaggebend, dass wir im Laufe der Vorbereitszeit Absagen von drei ursprünglich vorgesehenen Referenten akzeptieren mussten. Insofern hatten wir als Veranstalter gar keine andere Wahl als hier qualifizierten Ersatz zu suchen. Freuen wir uns also auf eine interessante Veranstaltung!

  38. #46 Joseph Kuhn
    7. März 2018

    Update:

    Heute hat das Forum stattgefunden. Daraus drei Mitbringsel:

    1. Insgesamt war der Tenor für mein Empfinden zu apologetisch, das Thema Interessenkonflikte hätte man doch offener und selbstkritischer angehen sollen. Prof. Baur, ein Arbeitsmediziner, hat das zurecht auch angemahnt.

    2. Prof. Wichmann gab eine kompakte Darstellung des wissenschaftlichen Sachstands rund um Feinstaub und NO2: Demnach ist die Evidenz für Mortalitätseffekte durch NO2 schwach. Prof. Wichmann hält die Möglichkeiten, solche Effekte speziell für NO2 zu identifizieren und von anderen Faktoren abzugrenzen, für begrenzt (weil das mit epidemiologischen Methoden bei kleinen Effekten schwierig ist). Dagegen ist die Evidenz für kurzfristige Effekte von NO2 z.B. auf die Atemwege gut (hier kann man mit Expositionsstudien arbeiten). Beim Feinstaub gibt es dagegen Konsens bei allen relevanten Stellen (WHO, EPA, EEA) sowohl mit Blick auf kurzfristige Effekte als auch langfristige Effekte, auch hinsichtlich Mortalität.

    3. Prof. Kraus, der Leiter der Aachener Studie, hat auf verschiedene Dokumente zur Einordnung der Studie auf der Internetseite des Klinikums hingewiesen, ich habe sie nebenan im Thread zur Studie verlinkt. Inhaltlich ergibt sich daraus aber nichts Neues.