… gehen oft nicht Hand in Hand. Das war hier auf Gesundheits-Check immer wieder einmal Thema und es gibt auch einige Studien, die zeigen, dass die Inanspruchnahme alternativmedizinischer Behandlungen und Impfquoten negativ korrelieren.

Seit gestern gibt es eine mehr. Da ist der „Barmer Arzneimittelreport 2019“ erschienen. Mit Krankenkassendaten werden seit Jahren interessante Analysen der Versorgungsforschung erstellt, gerade erst hatte ich auf den neuen Pflegereport des WidO hingewiesen.

Der Schwerpunkt des aktuellen Barmer-Reports sind Impfungen. Der Report kommt zu dem Befund, dass die jährlich vom Robert Koch-Institut auf der Basis der Schuleingangsuntersuchungen der Gesundheitsämter berichteten Impfquoten wohl zu hoch sind. Das ist an sich nicht neu, diese Impfquoten werden auf der Basis vorgelegter Impfdokumente berechnet. Bei Kindern, für die kein Impfdokument vorgelegt wird, betritt man in Sachen Impfstatus ein Dunkelfeld. Darauf, dass sie mutmaßlich nicht so gut wie der Durchschnitt geimpft sind, wurde immer wieder hingewiesen. Das ist jetzt anhand von Versichertendaten der Barmer untersucht worden, mit dem Ergebnis, dass die Impfquoten wohl in der Tat etwas unter denen liegen, die auf der Basis vorgelegter Impfdokumente bei den Schuleingangsuntersuchungen berechnet werden.

Das vorsichtige „wohl“ baue ich mal ein, weil Barmer-Versicherte ein selektiertes Klientel sind, mit etwas mehr gutsituierten Versicherten wie z.B. bei der AOK. Das könnte dazu führen, dass die Barmer-Daten die durchschnittlichen Impfquoten wiederum etwas unterschätzen. Das RKI nutzt seit geraumer Zeit neben den Schuleingangsuntersuchungen der Gesundheitsämter auch Abrechnungsdaten der kassenärztlichen Vereinigungen (sog. „KV-Surveillance“). Die damit zuletzt berechneten Impfquoten liegen wiederum etwas höher, allerdings ist die Nennerberechnung hier schwierig, weil dem Arztkontakte zugrunde liegen. Geimpft wird aber immer beim Arzt, d.h. die Kinder, die in der KV-Surveillance fehlen, sind definitiv nicht geimpft. Mit dem Arztkontakt wird ein ähnlicher Bias wirksam wie beim Bezug auf vorgelegte Impfdokumente.

Es bleibt also spannend. Mir gefallen solche Daten-Triangulationen, d.h. das Vergleichen von unterschiedlichen Daten, weil man daraus meist ein besseres Gesamtbild erhält als von einer Datenquelle alleine. Insofern war die Barmer-Analyse verdienstvoll und noch verdienstvoller wäre es, das jetzt z.B. auch noch einmal mit AOK-Daten zu machen.

Nebenbei gibt es im Barmer-Report noch ein paar Daten dazu, dass Versicherte, die am Homöopathie-Vertrag der Barmer teilnehmen, schlechter geimpft sind als der Durchschnitt. Hier als Beispiel der Zusammenhang zwischen der Teilnahme am Homöopathie-Vertrag der Barmer und der HPV-Impfung. Die Homöopathie-Freunde sind deutlich schlechter geimpft, bei statistischer Kontrolle einer Vielzahl von Faktoren, die beides beeinflussen.

Kommentare (13)

  1. #1 Uli Schoppe
    10. August 2019

    Ob unser Gesundheitsminister gemerkt hat das der Binnenkonsens seine Impfpläne behindern könnte?
    Und ja Daten von der AOK wären interessant. Ich wäre mal gespannt ob das was über mein Vorurteil ergeben würde das sich Otto normal HP Anhänger tatsächlich trotzdem impfen lassen, ungebildete Schlafschafe die sie sind. Mein persönlicher Eindruck ist so. Aber belegen kann ich das nur anekdotisch ^^

  2. #2 Joseph Kuhn
    10. August 2019

    Nachträge:

    1. Stellungnahme des RKI zum Barmer-Report:
    https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Impfstatus/Stellungnahme_BARMER-Arzneimittelreport.html

    2. Beim Ärzteblatt ist die Kommentarspalte erwartungsgemäß vom sich dort zuhause fühlenden Impfgegnerinventar besetzt: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/105184/Barmer-Arzneimittelreport-sieht-grosse-Impfluecken-bei-Kindern

    3. Barmer-Chef Straub sieht den Zusammenhang zwischen Impfquoten und Homöopathie, will aber an der Homöopathie als Satzungsleistung der Barmer festhalten: https://www.gerechte-gesundheit.de/news/detail/barmer-impfluecken-groesser-als-angenommen.html. Zumindest in den Punkt will er die eigenen Daten offensichtlich nicht ganz so ernst nehmen.

  3. #3 Uli Schoppe
    10. August 2019

    Ich kann echt nicht begreifen das das Ärzteblatt das zulässt.

  4. #4 Uli Schoppe
    10. August 2019

    Nimmt die Barmer tatsächlich in Anspruch die tatsächlichen Impfquoten für Deutschland ermittelt zu haben? Ich lese das nicht so wie das RKI…

    • #5 Joseph Kuhn
      10. August 2019

      @ Uli Schoppe:

      “Nimmt die Barmer tatsächlich in Anspruch die tatsächlichen Impfquoten für Deutschland ermittelt zu haben?”

      Die Autoren des Reports wissen natürlich auch, dass die Barmer-Daten nicht ganz repräsentativ sind. Aber der Report formuliert trotzdem explizit den Anspruch, Erkenntnisse mit Relevanz für Deutschland insgesamt zu liefern. Ich denke, das tut er auch. Wie gesagt, dass die Impfquoten auf der Basis vorgelegter Impfdokumente vermutlich etwas zu hoch ausfallen, ist ja nicht neu, das steht praktisch in jedem Kommentar dazu, siehe exemplarisch die Antwort der bayerischen Staatsregierung auf eine entsprechende Landtagsanfrage (Frage 1b).

      Mit den Barmer-Daten hat man jetzt einmal eine Quantifizierung – unter der Annahme, die Impfquoten bei anderen Krankenkassen sehen nicht gravierend anders aus. Sie werden wohl ein wenig abweichen, aber ob’s viel ist? Man muss das wie ein Mosaik sehen, das sich schrittweise zu einem Bild zusammensetzen lässt, und die seit einiger Zeit zunehmend erschlossenen Daten der Krankenkassen aus dem Versorgungsgeschehen sind dabei ein Mosaikstein.

      Was man vielleicht auch noch dazu sagen sollte: Es geht bei all dem um die feinen Konturen des Bildes. Nimmt man z.B. die Masern: Dass die Impfquoten der Kinder im Vergleich zu den jungen Erwachsenen recht gut sind, dass sie im Zeitverlauf steigen oder dass es regionale Unterschiede gibt (übrigens mit begrenzter Relevanz für die Gesamtquote), daran ändert sich durch den Barmer-Report ja nichts.

  5. #6 Fo
    10. August 2019

    “immer mal wieder Thema”

    Ohne Worte.

  6. #7 Chemiker
    10. August 2019

    Geimpft wird aber immer beim Arzt

    Da bin ich mir aber auch nicht so sicher, im­mer­hin kann man das Se­rum in der Apo­theke frei kau­fen und und eine be­freun­de­te Ärztin, Medi­zin­stu­den­tin oder Kran­ken­schwes­ter bit­ten, die In­jek­tion vor­zu­neh­men.

    Das habe ich selbst oft so gemacht, und ein­mal sogar eine Impfung in einem Reise­bedarfs­geschäft in Berlin be­kom­men, wo ein Arzt Impf­bera­tung an­bot und nach Wunsch die Im­muni­sie­rung gleich ver­ab­reich­te, ganz an­onym gegen Cash.

    • #8 Joseph Kuhn
      10. August 2019

      @ Chemiker:

      Meines Wissens sind Impfstoffe nicht frei verkäuflich, sondern der Verschreibungspflicht unterstellt. Davon abgesehen dürften solche Praktiken bei den Kinderimpfungen keine relevante Rolle spielen.

  7. #9 Julia
    10. August 2019

    Da sollte aber auch bedacht werden, dass nicht jede Rechnung eingereicht wird, wenn man privat versichert ist. Die Rechnung vom Arzt geht ja nicht direkt an die Versicherung, sondern zuerst an den Patienten. Wenn Private Krankenkasse dann ein Belohnungssystem für möglichst wenige Arztbesuche haben, dann reicht man die Rechnungen erst ein, wenn die Rechnungsbeträge höher als die Rückzahlung sind.

    • #10 Joseph Kuhn
      10. August 2019

      @ Julia:

      Die Barmer Ersatzkasse ist eine gesetzliche Krankenversicherung. Dort gilt das Sachleistungsprinzip. Darüber, wie privat versicherte Kinder geimpft sind, weiß man aus dem Barmer-Report also nichts. Bei den Daten auf der Basis der Schuleingangsuntersuchungen sind privat Versicherte eingeschlossen, ebenso bei den Daten der KiGGS-Studie.

  8. #11 Uli Schoppe
    12. August 2019

    Irgendwie leuchtet mir die Bemerkung von Herrn Grandt:
    „Nach dem Sozialgesetzbuch sind wir ausdrücklich angehalten, nicht gegen alternative Therapieformen zu diskriminieren“ nicht ein. Warum ist das Einstellen der Bezahlung eine Diskriminierung?

  9. #12 roel
    12. August 2019

    @Joseph Kuhn Ich denke die von der Barmer (9,1 Mio Mitglieder) ermittelten Daten passen schon ziemlich genau. Gut, es gibt noch die mitgliederstärkere TK (10,4 Mio), die DAK (5,7 Mio), die diversen AOK (26,8 Mio) und die anderen gesetlichen Krankenkassen. Hinzu kommen die 8,7 Mio privat Versicherten. Auch wenn die Verteilung nach Einkommen, Bildung usw. nicht 100% repräsentativ ist.

    Homöopathische Mittel werden von Heilpraktikern oder von Ärzten verschrieben. Das heißt Personen, die diese Mittel anwenden sind oft bei Heilpraktikern oder Ärzten, mit homöopatischer Zusatzausbildung.

    Wenn man sich die Internetseiten der Heilpraktiker anschaut, so findet man dort häufig Aussagen wie diese zur Impfung gegen Tetanus und Masern:

    “Impfungen können für einzelne Menschen grundsätzlich eine wichtige Präventivmaßnahme zum Schutz vor einigen Infektionskrankheiten sein, wenn sie im rechten Maß und zum rechten Zeitpunkt angewendet werden. Pauschal empfohlene Impfungen für alle Menschen ab dem 3. Lebensmonat sind dagegen kritisch zu betrachten.”

    Diese Äusserungen gehen gegen den Herdenschutz, gegen einen frühen Impftermin und generell erstmal kritisch gegenüber Impfungen.

    Bei den Ärzten sieht es ähnlich aus. Hier gibt es z.B. den Verein “Ärzte für individuelle Impfentscheidung”, dessen Mitglieder oftmals die Fachrichtung Homöopathie angeben.

    Die Beratung dieser Ärzte läuft ebenfalls gegen Impfungen. Das sieht oftmals so oder ähnlich aus:

    “Impfkritische Informationen, die valide und zuverlässig sind, gibt es viele. Dennoch sind gute Beiträge im Internet weit verstreut. Einige Artikel stellen wir Ihnen auf dieser Seite als PDF-Datei oder Link zur Verfügung. Sie erhalten Informationen über die einzelnen Krankheiten, Erreger und Impfungen, aber auch politische und rechtliche Auskünfte.” (Thomas Quak)

    Die “validen und zuverlässigen” Beiträge sind dann z.B. diese:

    – Die Impfentscheidung – Dr. med. Friedrich Graf: “Eines ist klar: Impfen macht krank. Das ist auch beabsichtigt.

    – Gerhard Buchwald “Impfen: Das Geschäft mit der Angst”

    Ich denke es wird ziemlich klar, dass jemand, der homöopathisch behandelnde HeilpraktikerInnen oder ÄrztInnen nach Impfungen fragt von diesen eine negative Beratung erhält. Die PatientInnen, die Ihren Heilpraktikern und Ärzten bei der Homöopathie vertrauen, werden diesen auch beim Thema Impfen vertrauen und wenig, spät oder gar nicht Impfen lassen.

    Genau das zeigt der Barmer Arzneimittelreport 2019 auf.

    Ich habe auch nach Aussagen von Homöopathen pro Impfung gesucht, aber keine gefunden. Bei einer handvoll Ergebnissen kam ich allerdings aufgrund fehlender Registrierung nicht an die Aussagen heran.

  10. #13 Uli Schoppe
    12. August 2019

    @mich du hast Straub gemeint nicht Grandt du Dussel…