Die Wirksamkeit ist das goldene Kalb der Homöopathie. Werner Bartens, pharmakritischer Wissenschaftsredakteur bei der Süddeutschen Zeitung, hat auf die Homöopathie-Lobby schon lange die Wirkung eines roten Tuchs. Vor gut zwei Jahren beispielsweise, als er sich den Homöopathen bei einer als Ringvorlesung etikettierten Homöopathie-Fanmeile an der LMU München als Podiumsdiskutant stellte, haben sie ihn regelrecht mit Schaum vor dem Mund angegiftet, ein Hexenkessel, aber keine akademische Veranstaltung.
Jetzt haben sie sich über ihn beim Presserat beschwert. Warum? Vor ein paar Tagen hat er in der Süddeutschen Zeitung die „So okay“-Entscheidung von Gesundheitsminister Spahn kritisiert. Dazu gab es auch eine intensive Leser-Diskussion. Da die Süddeutsche Zeitung im gutsituierten Milieu gelesen wird, befürchtet die Lobby wohl, dass solche Kommentare zur Verunsicherung von Kunden führen könnten. Am Ende denkt noch einer nach, statt weiter gedankenlos teuren Zucker als Heilmittel zu kaufen.
An der Beschwerde gefällt mir vor allem diese Begründung:
„Bei einer gründlichen Recherche hätte Herr Bartens feststellen müssen, das homöopathische Arzneimittel in tiefen Potenzen eindeutig und nachgewiesen[d]er Maßen chemisch wirksam sind und u.U. bei fehlerhafter bzw. zu langer Anwendung auch toxische Wirkungen zur Folge haben können (wie bei Quecksilber, Arsen, oder pflanzlichen Giften wie Belladonna etc.). Die Aussage, Homöopathie sei unwirksam ist somit nicht nur falsch, sondern auch gefährlich für die Öffentlichkeit. Eine längere Einnahme von niedrig potenzierten Arzneimitteln ohne ärztliche Aufsicht kann zu unerwünschten Nebenwirkungen und (bleibenden) Schädigungen führen.“
Das ist doch mal eine Aussage. Hier wird nicht behauptet, dass Homöopathika therapeutisch wirksam sind, sondern dass sie „chemisch wirksam“ sind. Das steht völlig außer Zweifel. Selbst hochpotenzierte Mittel sind chemisch wirksam. Globuli bestehen schließlich aus Zucker, dem gleichen Zeug, dass besorgte alternativmedizinische Mütter sorgsam aus allen Getränken ihrer Kinder verbannen. Und in den Tropfen ist in der Regel Alkohol, bei manchen Mitteln nicht zu knapp. Gut, ein Schnäpschen in Ehren – aber für Kinder?
Der Beschwerdeführer geht sogar noch weiter. Er belegt die Wirksamkeit der Homöopathie mit ihren unerwünschten Wirkungen: Homöopathie – Vorsicht Gift! Endlich mal eine frische Verteidigungstrategie. Damit kann man bestimmt auch die Protagonisten des Informationsnetzwerks Homöopathie davon abbringen, den abmahnfreudigen Hersteller Hevert weiter mit der Feststellung zu ärgern, Homöopathie wirke nicht über Placebo hinaus. Jetzt ist schließlich klar: Homöopathie wirkt – und wie, sie gefährdet Ihre Gesundheit!
Eine unerwünschte Nebenwirkung dieser Argumentation könnte allerdings sein, dass sie auch gegen den Binnenkonsens wirkt, und dagegen spricht, das giftige Zeug in die Hände von Heilpraktikern zu geben, da es – ich zitiere nur einen erfahrenen Homöopathen – „gefährlich für die Öffentlichkeit“ ist.
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