Gestern habe ich in München einen Vortrag von Harald zur Hausen gehört, dem Mann, der 2008 den Medizinnobelpreis erhalten hat. Thema: „Krebsprävention durch Impfung”. Zu hören war ein bescheiden auftretender älterer Herr, ohne Starallüren, allerdings mit viel Engagement für das Impfen im Allgemeinen und die HPV-Impfung im Besonderen.
Zur Hausens Forschung war grundlegend für unser heutiges Wissen über den Zusammenhang von Infektionen und Krebs und für die Entwicklung der HPV-Impfung. Die Umstände der Einführung der Impfung in Deutschland und die Preispolitik der Pharmaindustrie einmal dahingestellt, ist die HPV-Impfung eine durchaus vielversprechende Sache.
Etwa ein Fünftel aller Krebserkrankungen gehen auf Infektionen zurück, so zur Hausen, davon etwa zwei Drittel auf virale Infektionen, ein Drittel auf bakterielle Infektionen und ein paar auf Parasiten. Humane Papillomviren spielen bekanntlich eine maßgebliche Rolle bei der Entstehung des Zervixkarzinoms, verursachen aber auch Krebserkrankungen der Mundhöhle, des Rachens und des Analbereichs. Zur Hausen verwies darauf, dass in den Entwicklungsländern das Zervixkarzinom eine der häufigsten Krebsarten bei Frauen sei. Die Impfung sei sehr wirksam, mit einer Antikörperproduktion, die etwa 10 mal höher sei als bei einer natürlichen Infektion und viele Jahre anhalte. Zur Frage, ob es sinnvoll sei, auch Jungen und junge Männer gegen HPV zu impfen, gab es von ihm ein eindeutiges „ja”. Sie seien angesichts ihrer Überträgerrolle und der eigenen Betroffenheit bei Rachen- und Analkarzinomen eigentlich sogar vorrangig zu impfen. In den USA würden auch schon Jungen und junge Männer geimpft. Insgesamt müssten, so zur Hausen, die HPV-Impfraten in Deutschland gesteigert werden. Zurzeit seien es etwa 35 %, deutlich mehr seien es z.B. in Großbritannien und den Niederlanden, deutlich weniger z.B. in Österreich, wenn ich mich recht erinnere, sprach er von 5 % dort. Ganz interessant waren auch zur Hausens Überlegungen, ob das mit dem Verzehr von rotem Fleisch einhergehende Krebsrisiko teilweise auf Infektionen zurückgehen könnte – wenn Rindfleisch nicht durchgebraten wird. Als Indizien dafür sieht er Übereinstimmungen der Häufigkeit bestimmter Krebsarten mit der Häufigkeit des Rindfleischverzehrs im Ländervergleich, vor allem auch den Anstieg der Darmkrebsraten in Korea und Japan parallel zur Verbreitung des Rindfleischkonsums dort.
Impfungen gegen HPV und gegen Hepatitis B, das ist die zweite für die Krebsentstehung relevante impfpräventable Virusinfektion (gegen andere, z.B. gegen das Epstein-Barr-Virus, gibt es keine Impfung), könnten nach seiner Einschätzung 12-15 % der Krebsfälle bei Frauen und 4-5 % der Krebsfälle bei Männern verhindern. Das wäre in der Tat ein erhebliches präventives Potential.
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