Arbeit ist der gesellschaftliche Prozess, der unser ganzes Leben in Gang hält. Ohne Arbeit kein menschliches Dasein. Einerseits. Anderseits kann Arbeit auch Menschen zerstören, sie kann ausbeuterisch sein, sie kann krank machen. Es kommt eben darauf an, wie sie organisiert ist.

Arbeitsschutz ist ein Ansatz, Arbeit menschlich, menschengerecht, zu gestalten. So steht es auch in § 2 des Arbeitsschutzgesetzes. Verantwortlich dafür ist in erster Linie der Arbeitgeber. Er hat als Eigentümer die Verfügungsgewalt über Arbeitsstätten, Arbeitsplätze und Arbeitsabläufe und muss daher dafür sorgen, dass daraus möglichst keine Gefährdungen für die Gesundheit der Beschäftigten resultieren. Unterstützt – und kontrolliert – wird er dabei u.a. durch die staatlichen Arbeitsschutzbehörden und die Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaften und Unfallkassen).

Beide, die Arbeitsschutzbehörden und Unfallversicherungsträger, haben lange Zeit eher nebeneinander her als miteinander gewirkt. Seit einigen Jahren verpflichtet das Arbeitsschutzgesetz sie unter dem Dach der „Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie” zu einer systematischeren Zusammenarbeit als früher. Sie sollen auf gemeinsame Ziele hinarbeiten, ihr Vorschriftenwerk harmonisieren und auch ihre Überwachungspraxis so weit wie möglich an einheitlichen Bewertungsmaßstäben ausrichten.

Dieser Prozess wird evaluiert und seit kurzem sind vorläufige Daten aus einer Unternehmens- und einer Beschäftigtenbefragung dieser Evaluation freigegeben. Dabei sind ganz interessante Dinge herausgekommen. Der Arbeitsschutz wird nämlich von der Mehrheit der Unternehmen nicht als bürokratische Last gesehen, sondern als nützlich. 73 % der Großbetriebe meinen sogar, dass Arbeitsschutz hilft, Kosten zu senken. In den mittelgroßen Betrieben (50 bis 250 Beschäftigte) sind es immerhin noch 65 %. Selbst in Kleinbetrieben (10 bis 50 Mitarbeiter) waren es noch mehr als die Hälfte der Betriebe. Die meisten Unternehmen fühlen sich zudem von den Aufsichtsdiensten kompetent beraten. Diese positive Wahrnehmung war so nicht zu erwarten, vielleicht sollten manche Arbeitgeberfunktionäre ihre ideologischen Vorbehalte gegen den Arbeitsschutz einmal überdenken.

Allerdings gibt es auch ausgesprochen kritische Punkte. Die nach Arbeitsschutzgesetz für alle Unternehmen vorgeschriebene „Gefährdungsbeurteilung”, d.h. die Bestandsaufnahme der gesundheitlichen Belastungen an den Arbeitsplätzen, wird zwar praktisch von allen Großbetrieben durchgeführt, bei der Mehrzahl der Kleinbetriebe aber nicht bzw. nicht ordnungsgemäß. Das ist zwar nichts Neues, das wusste man im Prinzip auch schon vorher, aber das macht die Sache nicht besser und jetzt hat man dazu recht differenzierte Daten. 85 % der Betriebe, die keine bzw. keine ordnungsgemäße Gefährdungsbeurteilung durchgeführt haben, gaben als Grund dafür an, es gäbe keinen Bedarf, weil keine nennenswerte Gefährdung gesehen werde. Das festzustellen, wäre aber gerade die Funktion der Gefährdungsbeurteilung und oft gibt es auch in den Kleinbetrieben erhebliche Gefährdungspotentiale, sie werden aber häufig nicht ernst genommen oder einfach als „branchentypisch” akzeptiert. Bei den Kleinbetrieben muss man sich offensichtlich noch etwas einfallen lassen. Ganz davon abgesehen, dass man auch sonst nicht selbst entscheiden darf, ob man sich an ein Gesetz hält oder nicht.

Die Evaluation der ersten Phase der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (2008-2012) besteht im Wesentlichen aus einer „Nullmessung” – aus der Beschreibung des Ist-Zustands zu Beginn der koordinierten Interventionen. In der zweiten Phase (2013-2018) wird es dann stärker auch darum gehen, ob die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie ihrem Auftrag gerecht wird und die Arbeitsbedingungen menschengerechter werden. Ein Schwerpunktthema der zweiten Phase wird übrigens die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz sein.

Die Evaluationsergebnisse werden in absehbarer Zeit veröffentlicht und es dann hoffentlich auch der Bundesregierung erschweren, zu sagen, man habe keine Kenntnisse über die Zahl durchgeführter Gefährdungsbeurteilungen, wie vor kurzem noch in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zu lesen war.

Kommentare (33)

  1. #1 Dr. Webbaer
    26. Mai 2012

    Allerdings gibt es auch ausgesprochen kritische Punkte. Die nach Arbeitsschutzgesetz für alle Unternehmen vorgeschriebene „Gefährdungsbeurteilung”, d.h. die Bestandsaufnahme der gesundheitlichen Belastungen an den Arbeitsplätzen, wird zwar praktisch von allen Großbetrieben durchgeführt, bei der Mehrzahl der Kleinbetriebe aber nicht bzw. nicht ordnungsgemäß.

    Was man hier wissen darf, ist dass der Aufwand der durch die Restrisikovermeidung und entsprechende Dokumentation entsteht, Kleinbetrieben derart zusetzen kann, dass wirtschaftliches Handeln unprofitabel wird.

    Je mehr Regulierung, desto weniger Kleinwirtschaft und desto mehr Konzentration. – Das nur als Gedankenbeilage für die wirtschaftlich Unverständigen.

    MFG
    Dr. Webbaer

  2. #2 Joseph Kuhn
    26. Mai 2012

    @ Dr. Webbär: Erstens ist an einer Gefährdungsbeurteilung noch kein Betrieb zugrunde gegangen, der Aufwand ist im Vergleich zu einer Steuererklärung wirklich überschaubar, zweitens müssen Betriebe bis zu 10 Mitarbeitern die Gefährdungsbeurteilung nicht einmal dokumentieren. Das nur als Gedankenbeilage für die wirtschaftlich und arbeitsschutzrechtlich Unverständigen.

  3. #3 WolfgangK
    26. Mai 2012

    Als ehemaliger Inhaber eines Kleinbetriebes mit vier Mitarbeitern kann ich Joseph Kuhns Angaben nur bestätigen. Zwar war mein Betrieb nicht sonderlich gefährlich, dennoch habe ich es mit der möglichen Gefährdung meiner Mitarbeiter sehr genau genommen. Ein wegen Krankheit ausgefallener Mitarbeiter war ja nicht nur teuer, sondern verursachte auch Engpässe im laufenden Betrieb. Ich weiss aber durchaus, dass einige meiner damaligen Geschäftskollegen, die sich häufig über durch Arbeitsunfälle ausgefallene Mitarbeiter beschwerten, ansonsten aber am Arbeitsschutz nichts änderten.
    Heutzutage bin ich ohne Mitarbeiter selbständig und niemand kontrolliert mehr meinen Betrieb auf Gefährlichkeit. Ob sich der Inhaber den Hals bricht, interessiert keinen…

  4. #4 Dagda
    26. Mai 2012

    Und es ist ja nicht so dass es einfache Vorlagen für eine Gefährdungsbeurteilung:
    https://www.stbg.de/html/sich_ges/gefbet/gefbet.pdf

  5. #5 Dr. Webbaer
    27. Mai 2012

    Halten wir einfach fest, dass bestimmte Verordnungen, es muss keine vom Aufwand her entstehende Überforderung vorliegen, es kann auch i.p. Verordnungsverständnis zu Problemen kommen – niemand muss das Niveau von Dr. Kuhn und einigen anderen hier Kommentierenden haben – rein praktisch in Kleinbetrieben nicht so befolgt werden, wie gewünscht.

    Ob dadurch Betriebe eingingen oder gar nicht erst entstanden sind? – Jomei!, das lässt sich nie so klar feststellen, abär, es gilt eben diesbezüglich ein wenig nachzudenken.

    MFG
    Dr. Webbaer (der hier nur eines der vielen I-Tüpfelchen sieht in dem allgemeinen Bemühen darum privatwirtschaftliches Handeln in D möglichst zu beschweren)

  6. #6 Dagda
    27. Mai 2012

    @ Webbär

    Ob dadurch Betriebe eingingen oder gar nicht erst entstanden sind? – Jomei!, das lässt sich nie so klar feststellen, abär, es gilt eben diesbezüglich ein wenig nachzudenken.

    Ich weiß mit ihnen zu diskutieren ist Sinnlos aber was soll das überhaupt bedeuten? Das was sie da von sich geben sind Gemeinplätze.

  7. #7 Dr. Webbaer
    27. Mai 2012

    @dagdda
    Sie haben sich doch weiter oben erhoben auf eine Handreichung [1] Eurer Behörden zu verweisen, versuchen Sie bitte bestmöglich dieses Niveau zu halten.

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1] die alles andere als verständlich ist, einen Kleinunternehmer, vielleicht sogar mit einem migrantischen Hintergrund, annehmend

  8. #8 Dr. Webbaer
    27. Mai 2012

    Ob dadurch Betriebe eingingen oder gar nicht erst entstanden sind? – Jomei!, das lässt sich nie so klar feststellen, abär, es gilt eben diesbezüglich ein wenig nachzudenken.

    Erläuternd, falls Sie es wirklich nicht verstehen: Der Selbstständige in D mit einigen Arbeitskräften, vielleicht können Sie sich in so eine Person hineinversetzen, hat es mit etlichen Widrigkeiten zu tun. Es kann durchaus sein, dass eine Verordnung dieser oder jener Art ihn veranlassen wird die Brocken, also vielleicht ein ohnehin nicht sehr profitables, aber mit beträchtlichen Risiken behaftetes kleines Unternehmen, hinzuwerfen. – Wobei der Grund für dieses Hinwerfen statistisch nie derart erfasst werden kann. Es sind eben die kleinen Bonbons staatlicherseits, die es dem Kleinunternehmer in D schwer machen.

  9. #9 michael
    27. Mai 2012

    > Der Selbstständige in D mit einigen Arbeitskräften, vielleicht können Sie sich in so eine Person hineinversetzen, hat es mit etlichen Widrigkeiten zu tun. Es kann durchaus sein, dass eine Verordnung dieser oder jener Art ihn veranlassen wird die Brocken, …

    Kann! Kann auch sein, dass uns der Himmel auf den Kopf fällt.

  10. #10 Dr. Webbaer
    27. Mai 2012

    @michael
    Das war halt die Gegenposition zum Bürokratismus – wie er sich hier offenbart:

    Das festzustellen, wäre aber gerade die Funktion der Gefährdungsbeurteilung und oft gibt es auch in den Kleinbetrieben erhebliche Gefährdungspotentiale, sie werden aber häufig nicht ernst genommen oder einfach als „branchentypisch” akzeptiert. Bei den Kleinbetrieben muss man sich offensichtlich noch etwas einfallen lassen. Ganz davon abgesehen, dass man auch sonst nicht selbst entscheiden darf, ob man sich an ein Gesetz hält oder nicht. (Artikeltext)

    (D.h. die Sache ist aus bürokratischer Sicht kein Selbstläufer und müsste noch ausgebaut werden.)

    Hier prallen halt Administrationismus und liberale Gegenmeinung aufeinander, dennoch war das nur eine kleine (aber keineswegs triviale 🙂 Einschätzung aus dem Off, no prob,

    MFG
    Dr. Webbaer

  11. #11 Joseph Kuhn
    27. Mai 2012

    @ Dr. Webbär:

    “Bei den Kleinbetrieben muss man sich offensichtlich noch etwas einfallen lassen.”

    Es geht dabei nicht darum, wie von Ihnen suggeriert, sich mehr Bürokratie oder mehr Vorschriften einfallen zu lassen, sondern darum, wie man das Problem löst, dass in vielen Kleinbetrieben die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung im Argen liegt. Wohlgemerkt: in vielen Kleinbetrieben, bei weitem nicht in allen, es geht also. Einfach zu sagen, lassen wir es doch bleiben, Kleinbetriebe haben es schwer genug und Bürokratie gibt es auch schon reichlich (was so allgemein formuliert ja stimmt), ist keine Lösung. Mit dem Argument kann man auch die TÜV-Pflicht für Kleinbetriebe mit Fahrzeugen kritisieren. Für die mit dem Betrieb verbundenen Gefährdungen hat der Unternehmer nun einmal die Verantwortung, die Gefährdungsbeurteilung soll ihn dabei unterstützen, herauszufinden, was er tun muss, um ihr gerecht zu werden. Wenn man ihn von dieser Verantwortung befreien würde, würde man de facto die Allgemeinheit für die gesundheitlichen Folgen des Wirtschaftens in Kleinbetrieben verantwortlich machen, dass könnte man natürlich tun, aber gerade sich liberal gebende Geister sollten sich gründlich überlegen, ob sie das ordnungspolitisch wollen und was daraus gesellschaftspolitisch sonst noch folgen müsste.

    Unter den Akteuren des Arbeitsschutzes, die ich kennengelernt habe, hat niemand ein Interesse, kleinen Betrieben das Leben bürokratisch zu erschweren. Im Gegenteil. Auch im Arbeitsschutzrecht trägt man bewusst der schwierigen Situation in Kleinbetrieben Rechnung, es gibt z.B. das “Unternehmermodell”, mit dem die Organisation des Arbeitsschutzes in Betrieben bis zu 50 Mitarbeitern stärker als in größeren Betrieben in die unmittelbare Selbstverantwortung des Unternehmers gelegt wird (er muss dann z.B. keine betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Einsatzzeiten einkaufen) und Kleinbetriebe sind je nach Größe auch von einer Reihe anderer Arbeitsschutzstandards entlastet. Dass die Gewährleistung eines guten Arbeitsschutzes in Kleinbetrieben trotzdem schwierig bleibt, zeigt die zitierte Befragung, sie zeigt es einmal mehr, wie gesagt, neu ist das nicht. Und darüber muss man sich Gedanken machen, nur ist dabei nicht mit oberflächlichen liberal klingenden Phrasen gedient, sondern es braucht Ideen, die in der Praxis weiterhelfen.

  12. #12 WolfgangK
    27. Mai 2012

    @Dagda
    “Und es ist ja nicht so dass es einfache Vorlagen für eine Gefährdungsbeurteilung”

    Naja, so schlimm ist das ja auch nicht für einen Durchgang im Betrieb. Den macht man nicht jeden Tag. Und wie Joseph Kuhn schon sagte sind Betriebe unter 10 Mitarbeitern ja davon ausgenommen. Da erscheint nur ab und an mal die Berufsgenossenschaft oder Gewerbeaufsicht und schaut sich um.
    Mir hat eben auch damals schon mißfallen, dass die Geschäftskollegen sich um Arbeitsschutz wenige geschert haben. In vielen Betrieben scheint es meiner Erfahrung nach üblich zu sein, sich nicht um das zu kümmern, was nötig ist, sondern nur um das, was behördlich vorgegeben ist. Und selbst das wird oft nicht eingehalten.
    Die BG EHEM hat für Kleinbetriebe ein 40seitiges Unternehmerhandbuch herausgegeben. Wo also besteht das Problem für einen solchen Unternehmer, mit seinen Mitarbeitern einmal durch den Betrieb zu gehen und Gefahrenschwerpunkte festzustellen und zu beseitigen?

  13. #13 Dr. Webbaer
    27. Mai 2012

    @Kuhn

    85 % der Betriebe, die keine bzw. keine ordnungsgemäße Gefährdungsbeurteilung durchgeführt haben, gaben als Grund dafür an, es gäbe keinen Bedarf, weil keine nennenswerte Gefährdung gesehen werde. Das festzustellen, wäre aber gerade die Funktion der Gefährdungsbeurteilung (…)

    Ein Schwerpunktthema der zweiten Phase wird übrigens die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz sein.

    Danke für Ihr ausführliches Eingehen, aber so richtig gut liest sich das nicht. Was genau soll denn ‘psychische Gesundheit am Arbeitsplatz’ sein? Und was denken Sie wie fremd ein außenstehender Gutachter oder Bürokrat sein kann, wenn er Kleinunternehmen mit maximal einer Handvoll Angesteller diesbezüglich zu begutachten hat, einen Dönerbetrieb beispielsweise (Ja, dann kann vi-iel passieren…)?

    Ein zu großer Überbau belastet Kleinunternehmungen massiv, lassen Sie sich mal was von Praktikern erzählen, der Webbaer selbst bleibt bekanntlich weitgehend unanekdotisch. – ‘Heutzutage bin ich ohne Mitarbeiter selbständig und niemand kontrolliert mehr meinen Betrieb auf Gefährlichkeit.’ war nicht unwitzig.

    MFG
    Dr. Webbaer

  14. #14 Joseph Kuhn
    27. Mai 2012

    @ WolfgangK: Nur zur Klarstellung, weil das leicht verwechselt wird: Betriebe bis zu 10 Beschäftigten sind nicht verpflichtet, eine Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung vorzulegen, die Gefährdungsbeurteilung selbst müssen sie durchführen, sie ist ja, wie gesagt, die Voraussetzung dafür, zu wissen, was zu tun ist. Aber die Bürokratie ist hier praktisch gleich Null. Danke auch für den Link auf das Unternehmerhandbuch der BG ETEM, ähnliche Materialien gibt es auch von anderen Institutionen, reiche Auswahl also.

  15. #15 Joseph Kuhn
    27. Mai 2012

    @ Dr. Webbär: Was alles unter die Überschrift “psychische Gesundheit am Arbeitsplatz” fällt, bitte ich selbst zu recherieren. Es gibt dazu jede Menge Literatur und auch im Internet wird man ohne Probleme fündig. Das Spektrum der Themen unter dieser Überschrift reicht von der Ergonomie bei der Gestaltung von Anforderungen an die Sinnesorgane über die Taktung von Arbeitsabläufen bis hin zu den derzeit so mediengängigen Themen wie Mobbing und Burnout.

    Und was die Belastungen von Kleinbetrieben durch Vorschriften geht: Dass man hier vernünftig vorgehen muss, bezweifelt doch niemand, darum habe ich oben noch einmal betont, dass es um praktikable Lösungen geht. Den Kleinbetrieben aber anheimzustellen, sich gar nicht um Fragen des Arbeitsschutzes zu kümmern, ist eben keine praktikable Lösung.

  16. #16 WolfgangK
    27. Mai 2012

    @Joseph Kuhn
    “Betriebe bis zu 10 Beschäftigten sind nicht verpflichtet, eine Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung vorzulegen, die Gefährdungsbeurteilung selbst müssen sie durchführen”
    Ja, das ist schon klar. Auch ich habe damals ja den (wirklich leichten) BG-Fernlehrlehrgang für betriebliche Sicherheit absolviert, ansonsten hätte ich einen Sicherheitsbeauftragten bezahlen müssen (was dann wirklich utopisch wird, auch von den Kosten her).
    Um dem Bürokratievorwurf entgegenzusteuern: weder der Sicherheitslehrgang noch die Formulare zur Betriebsbegehung empfand ich als sonderlich bürokratisch, eher als sinnvoll, und selbst in meinem gefährdungsharmlosen Betrieb fand man das eine oder andere, was man hat besser machen können.

  17. #17 Joseph Kuhn
    27. Mai 2012

    @ WolfgangK: War nicht als Kritik Ihres Kommentars gemeint.

    @ Dr. Webbär: Noch ein Nachtrag: Sie scheinen davon auszugehen, dass es zwischen einem vernünftigen Arbeitsschutz und der Wirtschaftlichkeit der Betriebe einen prinzipiellen Gegensatz gibt. Das ist nicht der Fall, zur Wirtschaftlichkeit des Arbeitsschutzes gibt es inzwischen eine Reihe von Studien. Im Einzelfall mag es natürlich so sein, dass sich eine extrem gesundheitsgefährdende Produktion nicht lohnt, wenn man die Gesundheitsgefährdungen abstellt. Aber soll jede Art von Produktion unter allen Bedingungen möglich sein? Auch manch andere Produktion, z.B. auf der Basis von Sklavenarbeit, wird ja gesellschaftlich nicht akzeptiert. Im Allgemeinen besteht der Gegensatz von Arbeitsschutz und Wirtschaftlichkeit jedenfalls nicht, auch nicht in den Augen der Unternehmer, darauf weist die zitierte Befragung ebenfalls hin. Dass es eine der Wirtschaftlichkeit abträgliche formalistische Handhabung des Arbeitsschutzes gibt, ist eine andere Frage, eine des “wie”, nicht des “ob”.

  18. #18 WolfgangK
    27. Mai 2012

    @Joseph Kuhn
    “War nicht als Kritik Ihres Kommentars gemeint.”
    Hatte ich auch nicht so aufgefasst. Sorry, wenn das so “rüber” kam.

  19. #19 Dagda
    27. Mai 2012

    @ WolfgangK
    Ich sollte korrekturlesen.
    Worauf ich eigentlich sagen wollte, ist dass es einfache gut strukturierte Anleitungen zur Gefährdungsbeurteilung gibt. Und gerade bei kleineren (Handwerks-)Betrieben, sollte diese Gefahrenbeurteilung eigentlich nicht langwierig sein.

  20. #20 WolfgangK
    27. Mai 2012

    @Dagda
    Dann hatte ich Dich mißverstanden. Das ist aber nicht weiter tragisch; ich habe ja dann eher Deine Meinung bestätigt 😉

  21. #21 Dagda
    27. Mai 2012

    @ WolfgangK
    Eben

  22. #22 Dr. Webbaer
    28. Mai 2012

    @Kuhn

    Sie scheinen davon auszugehen, dass es zwischen einem vernünftigen Arbeitsschutz und der Wirtschaftlichkeit der Betriebe einen prinzipiellen Gegensatz gibt.

    Nein, nein, das wäre ein Missverständnis; selbstverständlich kann und wird es in vielen Fällen auch Sinn machen, beispielsweise wenn ein Betrieb ab einer bestimmten Größe auf ein behördlicherseits angebotenes Framework zurückgreifen kann (das ansonsten jeweils entwickelt werden müsste), was den Schutz der Arbeitnehmer während ihrer Arbeitszeit betrifft. Hier würden dann Verwaltung und Unternehmensinteressen Hand in Hand gehen, der Artikel berichtete dementsprechend.

    Dem Schreiber dieser Zeilen ging es hauptsächlich um die Grenzen der Verwaltbarkeit. Irgendwie schien ihm der Artikel zu “fröhlich” verwalterisch unterwegs.

    Hier haben Sie ja präzisiert, es ist also für Kleinbetriebe mit sehr wenigen Mitarbeitern nicht ganz so schlimm in D, wie vermutet. Und zu “Mobbing” und “Burnout” (Warten wir noch ein paar Jahre und es werden weitere Syndrome entwickelt werden.) muss man sich aus Sicht des Arbeitnehmers/Arbeitgebers auch nicht wie ins Auge gefasst verwalten lassen. Der Arbeitnehmer kann kündigen.

    MFG
    Dr. Webbaer

  23. #23 michael
    28. Mai 2012

    > Der Arbeitnehmer kann kündigen.

    Sicher, Bärchen. Macht sich auch gut in der Bewerbung:

    Meine letzte Stelle hab ich gekündigt, weil die Firma mich überforderte.

    LoL, wie schnell man damit wohl einen neuen Job bekommt.

  24. #24 michael
    28. Mai 2012

    Oder hab ich den Bären missverstanden ? Meinte er vielleicht:

    Es ist die moralische Pflicht des Arbeitnehmers nach drei Tagen (oder so) Krankheit zu kündigen, damit der Unternehmer (hier darf man sich auch Bären vorstellen) die freie Stelle schnell durch einen gesunden, möglicherweise auch preiswerteren Arbeiter, Angestellten etc. besetzen kann.

    Kommt der erkrankte Arbeitnehmer dieser Pflicht nicht nach, darf man ihm fristlos kündigen und der Arbeitnehmer muss die Kosten für die Neueinstellung seines Nachfolgers tragen.

    Das wär doch was, Herr Bär, dass würde den Unternehmer wohl kaum in seiner unternehmerischen Freiheit einschränken.

  25. #25 Dr. Webbaer
    28. Mai 2012

    Jaja, Michael, jaja, zur Sache kam wieder mal nichts; sind Sie eigentlich Taxifahrer? – Aber noch mal zum Verständnis: Wenn DU [1] irgendwo angestellt bist und es kommt zu “Mobbing” oder “Burnout”, dann kannst DU [1] kündigen. (Vermutlich gibt’s beim d. A-Amt auch sofort Frisches, wenn DU [1] als Kündigungsgrund “Mobbing” angibst.) – Andererseits kannst DU [1] DEINEN [1] wenig profitablen Callcenter mit den vielleicht 30 Damen und 2 männlichen Kollegen ebenfalls abwickeln, wenn DIR [1] der Heckmeck zu groß wird. (Wir stellen uns hier ausführlich dokumentierten Arbeitsschutz vor, auch oder gerade Telefonieren ist aus Sicht des idealtypischen Verwalters keineswegs ungefährlich.)

    [1] im Sinne des amerikanischen You, im Sinne von Man.

  26. #26 Joseph Kuhn
    28. Mai 2012

    Die Stelle kündigen oder die Firma auflösen ist in aller Regel nichts, was man als ganz “freie Entscheidung” mal einfach so machen kann, um Probleme zu lösen. An der Existenz der Stelle wie der Firma hängen ja Verpflichtungen verschiedenster Art. Da stellt sich schon die Frage, wie “frei” oder “verantwortungslos” man im wirklichen Leben agieren kann. Falls Sie das tatsächlich so gemeint haben.

  27. #27 Dr. Webbaer
    28. Mai 2012

    Die Stelle kündigen oder die Firma auflösen ist in aller Regel nichts, was man als ganz “freie Entscheidung” mal einfach so machen kann, um Probleme zu lösen. An der Existenz der Stelle wie der Firma hängen ja Verpflichtungen verschiedenster Art.

    Es gibt hier schon eine gewisse Flexibilität in D, auch die Arbeitnehmerseite wird mobiler. Zu beachten vielleicht auch die Internationalisierung/Globalisierung. – Womit wir die Artikel-Thematik aber zu verlassen drohen – was nicht geschehen soll, MFG, Dr. Webbaer

  28. #28 Joseph Kuhn
    28. Mai 2012

    Als Nachtrag anbei eine kleine Statistik zu Arbeitsunfällen im Jahr 2009 (Arbeitsunfälle im Betrieb pro 1.000 Vollarbeiter):

    Bis 9 Vollarbeiter: 22,4
    10 bis 49 Vollarbeiter: 28,9
    50 bis 249 Vollarbeiter: 27,5
    250 bis 499 Vollarbeiter: 24,0
    ab 500 Vollarbeiter: 19,8

    Quelle: https://www.dguv.de/inhalt/zahlen/documents/dguvstatistiken2010d.pdf
    (dort Seite 17).

    Von den Kleinstbetrieben einmal abgesehen, die mit ihrer Quote von 22,4 Unfällen pro 1.000 Vollarbeitern etwas unter dem Gesamtdurchschnitt von 23,9 pro 1.000 lagen (bedingt u.a. durch die Branchenstruktur), sinkt das Unfallrisiko mit der Unternehmensgröße. Auch manche andere Gefährdungen folgen diesem Muster. Das verdeutlicht, warum die Defizite der Gefährdungsbeurteilung bei den Kleinbetrieben nicht belanglos sind und dass die oben genannte Begründung der Kleinbetriebe, warum sie sie nicht durchführen (es seien keine nennenswerten Gefährdungen zu sehen), eine Verkennung der realen Gefährdungslage beinhaltet. Im einzelnen Kleinbetrieb ist ein Unfall ein recht seltenes Ereignis, daher wird das Risiko subjektiv als gering empfunden, obwohl es das in Wirklichkeit gar nicht ist.

  29. #29 michael
    18. Juni 2012

    > Quelle: https://www.dguv.de/inhalt/zahlen/documents/dguvstatistiken2010d.pdf, dort Seite 17.

    Leider ist diese Seite nicht mehr verfügbar. Frag ich also: “Was ist ein Vollarbeiter?” Zählt da die Verwaltung, Marketing, Management et al auch zu ?

  30. #30 Joseph Kuhn
    18. Juni 2012

    @ michael: Seltsamerweise funktioniert der neu eingefügte, äußerlich gleiche Link:
    https://www.dguv.de/inhalt/zahlen/documents/dguvstatistiken2010d.pdf.

    “Vollarbeiter” ist eine Rechengröße, die sicherstellen soll, dass das für die Raten zugrunde gelegte personenbezogene Arbeitsvolumen zwischen Betriebsgrößen oder Branchen vergleichbar ist. Dazu werden Teilzeitbeschäftigungen, Überstunden etc. entsprechend umgerechnet. Ein “Vollarbeiter” ist also so etwas wie eine “genormt vollzeitbeschäftigte” Person.

  31. #31 Karl Mistelberger
    18. Juni 2012

    > Seltsamerweise funktioniert der neu eingefügte, äußerlich gleiche Link:

    Nein, die LInks sind verschieden:
    https://www.dguv.de/inhalt/zahlen/documents/dguvstatistiken2010d.pdf

    Der erste endet mit einem Komma, der zweite mit einem Punkt.

  32. #32 Joseph Kuhn
    18. Juni 2012

    @ Mistelberger: Danke für das genaue Hinsehen. Das Komma war´s, das hat den Link zerstört; ich habe das Komma bei der Quellenangabe im Kommentar mit den Daten gelöscht, der Link funktioniert jetzt auch dort wieder.

  33. #33 Tom
    16. August 2012

    Ich denke, dass die Größe des Unternehmens nichts damit zu tun hat, ob der Arbeitsschutz eingehalten wird oder nicht.

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