Arbeit ist der gesellschaftliche Prozess, der unser ganzes Leben in Gang hält. Ohne Arbeit kein menschliches Dasein. Einerseits. Anderseits kann Arbeit auch Menschen zerstören, sie kann ausbeuterisch sein, sie kann krank machen. Es kommt eben darauf an, wie sie organisiert ist.
Arbeitsschutz ist ein Ansatz, Arbeit menschlich, menschengerecht, zu gestalten. So steht es auch in § 2 des Arbeitsschutzgesetzes. Verantwortlich dafür ist in erster Linie der Arbeitgeber. Er hat als Eigentümer die Verfügungsgewalt über Arbeitsstätten, Arbeitsplätze und Arbeitsabläufe und muss daher dafür sorgen, dass daraus möglichst keine Gefährdungen für die Gesundheit der Beschäftigten resultieren. Unterstützt – und kontrolliert – wird er dabei u.a. durch die staatlichen Arbeitsschutzbehörden und die Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaften und Unfallkassen).
Beide, die Arbeitsschutzbehörden und Unfallversicherungsträger, haben lange Zeit eher nebeneinander her als miteinander gewirkt. Seit einigen Jahren verpflichtet das Arbeitsschutzgesetz sie unter dem Dach der „Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie” zu einer systematischeren Zusammenarbeit als früher. Sie sollen auf gemeinsame Ziele hinarbeiten, ihr Vorschriftenwerk harmonisieren und auch ihre Überwachungspraxis so weit wie möglich an einheitlichen Bewertungsmaßstäben ausrichten.
Dieser Prozess wird evaluiert und seit kurzem sind vorläufige Daten aus einer Unternehmens- und einer Beschäftigtenbefragung dieser Evaluation freigegeben. Dabei sind ganz interessante Dinge herausgekommen. Der Arbeitsschutz wird nämlich von der Mehrheit der Unternehmen nicht als bürokratische Last gesehen, sondern als nützlich. 73 % der Großbetriebe meinen sogar, dass Arbeitsschutz hilft, Kosten zu senken. In den mittelgroßen Betrieben (50 bis 250 Beschäftigte) sind es immerhin noch 65 %. Selbst in Kleinbetrieben (10 bis 50 Mitarbeiter) waren es noch mehr als die Hälfte der Betriebe. Die meisten Unternehmen fühlen sich zudem von den Aufsichtsdiensten kompetent beraten. Diese positive Wahrnehmung war so nicht zu erwarten, vielleicht sollten manche Arbeitgeberfunktionäre ihre ideologischen Vorbehalte gegen den Arbeitsschutz einmal überdenken.
Allerdings gibt es auch ausgesprochen kritische Punkte. Die nach Arbeitsschutzgesetz für alle Unternehmen vorgeschriebene „Gefährdungsbeurteilung”, d.h. die Bestandsaufnahme der gesundheitlichen Belastungen an den Arbeitsplätzen, wird zwar praktisch von allen Großbetrieben durchgeführt, bei der Mehrzahl der Kleinbetriebe aber nicht bzw. nicht ordnungsgemäß. Das ist zwar nichts Neues, das wusste man im Prinzip auch schon vorher, aber das macht die Sache nicht besser und jetzt hat man dazu recht differenzierte Daten. 85 % der Betriebe, die keine bzw. keine ordnungsgemäße Gefährdungsbeurteilung durchgeführt haben, gaben als Grund dafür an, es gäbe keinen Bedarf, weil keine nennenswerte Gefährdung gesehen werde. Das festzustellen, wäre aber gerade die Funktion der Gefährdungsbeurteilung und oft gibt es auch in den Kleinbetrieben erhebliche Gefährdungspotentiale, sie werden aber häufig nicht ernst genommen oder einfach als „branchentypisch” akzeptiert. Bei den Kleinbetrieben muss man sich offensichtlich noch etwas einfallen lassen. Ganz davon abgesehen, dass man auch sonst nicht selbst entscheiden darf, ob man sich an ein Gesetz hält oder nicht.
Die Evaluation der ersten Phase der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (2008-2012) besteht im Wesentlichen aus einer „Nullmessung” – aus der Beschreibung des Ist-Zustands zu Beginn der koordinierten Interventionen. In der zweiten Phase (2013-2018) wird es dann stärker auch darum gehen, ob die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie ihrem Auftrag gerecht wird und die Arbeitsbedingungen menschengerechter werden. Ein Schwerpunktthema der zweiten Phase wird übrigens die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz sein.
Die Evaluationsergebnisse werden in absehbarer Zeit veröffentlicht und es dann hoffentlich auch der Bundesregierung erschweren, zu sagen, man habe keine Kenntnisse über die Zahl durchgeführter Gefährdungsbeurteilungen, wie vor kurzem noch in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zu lesen war.
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