Gestern, am 22.2.2013, war in der Süddeutschen auf Seite 2 ein Kommentar von Philipp Tingler zu lesen: „Rettet den Liberalismus!“. Ausweislich der Süddeutschen ist Philipp Tingler Schriftsteller, Philosoph und Ökonom, ein allseitig gebildetes Individuum also. Das macht sich in seinem Kommentar auch überall bemerkbar, durch tiefe, zu tiefe Bemerkungen zum Liberalismus in unserer Gesellschaft.

Tingler stellt fest, der Liberalismus würde heutzutage geringgeschätzt, natürlich, weil die Kritiker des Liberalismus keine Ahnung haben: „Die meisten dieser Kreuzritter gegen den vermeintlichen Neoliberalismus wissen gar nicht, was Liberalismus bedeutet“. Er weiß es dafür ganz genau: „Der Liberalismus ist die Philosophie des freien Individuums, der rechtlichen Freiheit und der politischen Institutionen der Freiheitsverwirklichung.“ Mit diesen politischen Institutionen meint er vermutlich nicht den Verbraucherschutz oder den Arbeitsschutz, also Institutionen, die davor schützen, dass unsere Freiheit von den wirtschaftlich Mächtigen zu sehr eingeschränkt wird. Schließlich ist er keiner von diesen „bleeding heart libertarians“, die da meinen, ein Staat, der dafür sorgt, dass der Mensch dem Menschen nicht zum Wolf wird, hätte irgendetwas mit liberalem Denken zu tun. Lächerlich: „Es gibt keine Freiheit ohne den freien Markt.“ Der Staat ist bei ihm eher eine eingebildete Krankheit: „Der Staat besteht aus Individuen (…).“ Damit toppt er sogar noch die eiserne Lady Thatcher mit ihrer eigenwillig positivistischen Feststellung, so etwas wie Gesellschaft gebe es nicht, nur Individuen. Dass der Staat, also Behörden oder Gesetze, aus Individuen bestehen, ist schon eine selten steile These. Bei Hegel war der Staat noch der Ausdruck der allgemeinen Vernunft, zwar etwas idealistisch gedacht, aber mit der Betonung des Allgemeinen statt des Individuellen war das, was das Gesetz, den Staat, ausmacht, ganz richtig getroffen.

Also, nicht Hobbes Leviathan garantiert die Freiheit, sondern der freie Markt. Eine klare Ansage. Der freie Markt scheint bei Tingler geradezu anthropologisch höhere Weihen zu haben. Im Markt sieht er sozusagen das Fundament menschlicher Zivilisation. Über die Schweiz schreibt er z.B.: „Sie ist eine vielgestaltige Willensnation, zusammengehalten durch die Kraft des Marktes, der zugleich Ort der Kommunikation und Verständigung ist.“ Aha. Die Eidgenossenschaft als gesamtgesellschaftlicher Krämerladen, nun gut. Folglich hat auch die neoklassische Wirtschaftstheorie für ihn Offenbarungscharakter: “Sie ist (…) jene Disziplin, die menschliches Verhalten mit einem Minimum an ideologischer Untermauerung erklären kann.“ Menschliches Verhalten – nicht Marktprozesse, wohlgemerkt. Da ist man in der Denkwelt eines Gary Becker, der für so etwas 1992 den Wirtschaftsnobelpreis bekommen hat. Ökonomischer Imperialismus heißt das, inzwischen sehen selbst eingefleischte Marktwirtschaftsadepten wie Frank Schirrmacher das ziemlich kritisch, man lese sein neues Buch „Ego“. Der Mensch ist eben nicht nur ein individueller Chancenoptimierer, sondern ein soziales Wesen, das gerne mit anderen gemeinsam an einem Strang zieht, manchmal sogar mitfühlend solidarisch mit den Schwächeren. Wenn man die wertezersetzende Wirkung des homo oeconomicus auf höherem Niveau als bei Schirrmacher studieren will, lese man z.B. Nida-Rümelins Buch „Die Optimierungsfalle“ – oder Michael Sandels „Was man für Geld nicht kaufen kann“, über das wir hier erst kürzlich diskutiert haben.

Aber zurück zum Liberalismus, dessen Werte auf dem Markt entstehen. „Der Markt ist ein Entdeckungsverfahren“, betet Tingler den alten Hayek nach. Ja, irgendwie schon. Aber manches übersieht der Markt dabei auch, dass der Markt z.B. die Menschenwürde entdeckt hätte, wäre mir neu. Die Freiheit, die mit dem freien Markt einhergeht, wird für die Menschen, die sich seiner unsichtbaren Hand unterwerfen müssen, nur allzu oft zur harten Hand der Unfreiheit: die Arbeitssklaven bei Amazon, die chinesischen Verhältnisse bei Apple, die Frauen in den indischen Textilfabriken unserer Markenfirmen, die von Schleckers Managementmethoden nun für eine „geeignete Anschlussverwendung“ (Rösler) befreiten Frauen – dieser Preis der Freiheit ist von den Betroffenen aus Tinglers Sicht eben mit stoischer Gelassenheit hinzunehmen. Schließlich „(…) entspringt der Liberalismus jener Ironie der Reserve, dieser kardinalen englischen Tugend, den Qualitäten der ‚stiff upper lip‘. Die steife, feste Oberlippe – das ist das Leitbild eines Stoizismus, der angesichts von Widrigkeiten und Unwägbarkeiten eine gewisse Unerschütterlichkeit bewahrt (…).“. Man kann sich ja nicht um alles in der Welt kümmern. Oberlippe Unterkante, bei solchen Sprüchen reicht es mir wirklich.

Statements wie das Tinglers hört man in letzter Zeit wieder häufiger. Offensichtlich ist die Schamfrist nach der Finanzkrise, als solche Leute ihre kesse Oberlippe etwas im Zaume gehalten haben, verstrichen. Vielleicht denken sie, bevor jetzt wirklich noch die Finanzmärkte reguliert werden, oder Lebensmittel besser gekennzeichnet, oder die Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit der modernen Arbeitssklaven eingeschränkt wird, müsse man wieder ideologisch in die Offensive gehen. Die ungute Wirklichkeit der freien Marktwirtschaft soll wieder ideologisch übertüncht werden. Kein Anstieg der Reallöhne in Deutschland im letzten Jahrzehnt? Die Hälfte aller neuen Arbeitsverträge befristet? Eine in der Welt fast schon unübertroffene Ungleichheit der Vermögen in Deutschland? Ach, diese langweilige Wirklichkeit.

Wie schreibt der liberale Denker Tingler so schön über „Fundamentalisten“ (damit meint er nicht al-Qaida, sondern die, die glauben, der Liberalismus hätte etwas mit den Irrationalitäten der Finanzmärkte oder der Leistungsverdichtung in der Arbeit zu tun): „Sie kennen nicht die essentiell moderne Unterscheidung zwischen dem, was wir empirisch wissen, und dem, was wir normativ glauben.“ Was soll man da noch sagen?

Kommentare (102)

  1. #1 Dr. Webbaer
    23. Februar 2013

    Aber zurück zum Liberalismus, dessen Werte auf dem Markt entstehen.

    Es ist wohl so, dass der Liberalismus (ein auf die individuelle Freiheitlichkeit bezogenes politisches Lehrsystem – seinerzeit zu den üblichen Hierarchien revolutionär-kontradiktisch stehend) zuerst immer das Sapere Aude meint, dann die persönlichen Freiheiten, die immer auch unternehmerische sein müssen, und zwingend auch die Herrschaftsform Demokratie.

    Um in der Folge den allgemeinen Wirtschaftsbetrieb dementsprechend zu systematisieren. (Wobei sich an diesen Systemen dann viele reiben und Negativbeispiele finden. Meist ohne klar zu sagen, wie sie sich eine bessere Planwirtschaft vorstellen.)

    Der Liberalismus hat sich aber durchgesetzt, die wichtigen Systeme sind liberal und auch Parteien haben in Grundzügen liberal zu sein, um nicht verboten zu werden.
    Ein möglichst freies Wirtschaftssystem ist aus liberaler Sicht genau so notwendig wie ein funktionierendes Staatswesen, auch weil dieses garantiert wie beschrieben.
    Es ist zwar essentiell, aber keinesfalls das Kernstück liberaler Wertebildung.

    MFG
    Dr. W

  2. #2 Dr. Webbaer
    23. Februar 2013

    Eine in der Welt fast schon unübertroffene Ungleichheit der Vermögen in Deutschland? Ach, diese langweilige Wirklichkeit.

    Zur ‘langweiligen Wirklichkeit’ kann hier der sogenannte Gini-Koeffizient ein wenig erklären helfen – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gini_Coefficient_World_CIA_Report_2009-1.png -, wir beachten hier gerade den Wert für Doitschland.

  3. #3 nihil jie
    23. Februar 2013

    bei den Kirchen gibt es nicht nur Niedriglöhne sondern sogar Gotteslohn *gg

    😉

  4. #4 Joseph Kuhn
    23. Februar 2013

    @ Dr. Webbär: Die von Ihnen verlinkte Grafik zeigt die Einkommensungleichheit, nicht die Vermögensungleichheit. Davon abgesehen, wäre zu klären, welche Ausgangsdaten herangezogen werden. Falls es die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Stat. Bundesamtes war: dort werden Nettoeinkommen über 18.000 Euro monatlich nicht mehr erfasst. War es die Einkommenssteuerstatistik? Deren Präzision im oberen Bereich hängt davon ab, wie ehrlich die Besserverdiener ihre Einkommen versteuern. Ich fürchte, was die wirklich hohen Einkommen angeht (und bei den Vermögen ist das nicht anders), ist die Datenlage nicht besonders gut. Da wissen wir mehr über die Zahl der Schweinemastbetriebe in Mecklenburg-Vorpommern oder die Buchbestände in deutschen Bibliotheken.

    @ nihil jie: … der Gotteslohn wird ja in Ewigkeit ausgezahlt, da kommt schon was zusammen 😉

  5. #5 Ludger
    23. Februar 2013

    Typisch für einen freien Markt ist es, dass dort viele Anbieter von Waren und Dienstleistungen auf viele Nachfragende dafür treffen und miteinander einen fairen Preis aushandeln. Insofern sind marktbeherrschende Großunternehmen (z.B. das erwähnte Amazon) eine Gefahr für den freien Markt. Schulden von subprime Immobilienbesitzern in versicherte Derivate zu packen und die als Wertpapiere zu handeln hat mehr mit Betrug als mit einem freien Markt zu tun. Deswegen ist die Finanzkrise kein Gegenargument gegen den freien Markt. Wenn man den ehemaligen Mitarbeiterinnen von Schlecker eine staatliche Beschäftigungsgarantie geben will, sollte man konsequenterweise das Recht auf Arbeit ins Grundgesetz aufnehmen. Ob es dem Gemeinwesen durch solche gerechten aber antiliberalen Maßnahmen langfristig besser geht, sei dahingestellt. Den richtigen Weg muss die demokratische Gesellschaft in der Mitte finden.

  6. #6 Dr. Webbaer
    23. Februar 2013

    @Kuhn
    Sie bleiben gebeten die behaupteten ‘in der Welt fast schon unübertroffene Ungleichheit der Vermögen in Deutschland’ zu belegen.

    Es ist klar, dass die globale Erfassung letztlich nicht für eine dementsprechende Einordung ausreichen wird, dennoch stört es “ein wenig” wenn dbzgl. behauptet wird. Zum Vergleich: https://de.wikipedia.org/wiki/Verm%C3%B6gensverteilung_in_Deutschland#Entwicklung_der_Verm.C3.B6gensverteilung_1973_bis_1998_.28Westdeutschland.29 (wie betrachten das reichste Quintil, das in den letzten 40 Jahren von 78% auf 63% anteilsmäßig nachgelassen hat)

    War aber nicht der Knackpunkt, der eigentliche Kritikpunkt und warum sich Ihr Kommentatorenfreund gemeldet hat, war die Stereotypisierung bestimmter Liberaler, sollte diese denn vorgelegen haben.

    MFG
    Dr. W

  7. #7 Joseph Kuhn
    23. Februar 2013

    @ Dr. Webbär: Dem Sozioökonomischen Panel zufolge besitzt in Deutschland eine verschwindende Minderheit praktisch das gesamte Betriebsvermögen: Grabka/Frick: Gestiegene Vermögensungleichheit in Deutschland. DIW-Wochenbericht 4/2009. Steht im Netz. Viel schlimmer kann es andernorts also auch nicht mehr sein.

    @ Ludger: Die Sache mit Amazon und den Derivaten klingt ein wenig nach dem berühmten falschen Schotten. 😉

  8. #8 naturundwirtschaft
    24. Februar 2013

    Wieso wird denn hier schon wieder über Vermögensverteilung geredet. Ist doch völlig egal wie viel die reichsten 0,1% im Vergleich zu den anderen besitzen. Relative Armut kann von mir aus riesig sein. Das nervt mich und es schwingt immer das Wort “Neid” mit.
    Es sollte endlich mal mehr auf die absolute Armut eingegangen werden.

  9. #9 WolfStark
    24. Februar 2013

    Hach, Amazon wieder, alles nur wegen einer ziemlich unseriösen Fernsehreportage, die schon in an den Grundprinzipien einer Dokumentation scheitert.

    Nichts desto trotz, die Kritik ist nötig, vor allem in Zeiten in denen Marktliberale nicht mal mehr die Gesetze der Marktwirtschaft kapieren. Dazu zählt zum Beispiel, dass jemand der ein Produkt kauft, dieses auch sein Eigentum nennt. Das Urheberrecht und wie es genutzt wird, ist gar nicht kapitalistisch. Viel mehr erlebt man hier und da geradezu Kapitalkommunismus. Man verkauft etwas, behält sich aber noch alle Rechte daran vor. Es herrscht ein Ungleichgewicht zwischen Hersteller und Konsument, das so einfach nichts mehr mit dem Markt zutun hat. Verbraucherrechte jedenfalls sind immer noch etwas, das man sich hart erkämpfen muss und die Kämpfer sind sicher nicht Marktliberale (ja ich nenn die ungern Liberal, das sind für mich eher die Menschenrechtskämpfer).

    Und dann kommt hinzu ja auch noch das Ungleichgewicht zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Es ist verboten sich die Mittel für die Dienstleistung oder das Produkt zu klauen. Wenn man das Geld nicht hat, kann man eben kein Shampoo oder Stahl kaufen. Aber wenn man sich den Arbeitnehmer nicht leisten kann? Dann lässt man einfach den Staat den Rest bezahlen oder noch besser, niemand bezahlt irgendwas, der Arbeitnehmer muss einfach diesen niedrigen Lohn nehmen.
    Man stelle sich mal vor, ich geh in ein Geschäft, sehe das Produkt kostet 1000 Euro, ich bezahl an der Kasse einen Bruchteil davon und sag einfach “ach, wenden sie sich an das Finanzamt, das zahlt den Rest für mich”. Die würden mir zu Recht den Vogel zeigen.

    Der Markt hatte schon immer Regeln und die wurden schon immer ergänzt, weil ohne Regeln nun mal jeder tun kann was er will und diese Möglichkeit auch wahrnimmt. Die Unterhaltungsindustrie ist das beste Beispiel. Die Regeln sind kaum vorhanden, Zuwiderhandlungen werden kaum geahndet oder sogar abgesegnet. Die Mechanismen selbst funktionieren kaum noch, Konsumenten waren im Falle der Musikindustrie sogar gezwungen auszuweichen, bevor man mal kapiert hat, dass man eine CD nicht in einen MP3-Player stecken kann.
    Oder anderes Beispiel 9Live und Call-in Sendungen. Hier ist noch immer ein weiter Weg zu gehen aber bevor man überhaupt etwas regelte, machte man fröhlich was man will und zockte die Leute ab.

    Soetwas wie den freien Markt kann es schlichtweg nicht geben, er ist wie alle anderen utopischen Vorstellungen zusehen.

  10. #10 Joseph Kuhn
    24. Februar 2013

    @ naturundwirtschaft: Es sollte niemandem egal sein, ob die relative Armut riesig ist, nachzulesen bei Richard Wilkinson und Kate Pickett: „Gleichheit ist Glück. Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind.” Anders als der Titel vielleicht erwarten lässt, argumentiert das Buch auf guter empirischer Grundlage.

  11. #11 Dr. Webbaer
    24. Februar 2013

    “Relative Armut” meint natürlich keine Armut, sondern den individuellen oder gesellschaftlichen Anspruch auch bei nicht vorliegender Bedürftigkeit pekuniär Vermögenden etwas abknapsen zu können und sich ethisch dabei erhaben zu wühlen, statt den nackten Neid offen einzuräumen.

    MFG
    Dr. W (der gerne auf bestehende und historische Kollektivismen verweist, die trotz relativer Gleichheit keine glücklichen Leute produziert haben – und der auch beim hiesigen talentierten wie pointierten Inhalteträger den Hang Ungleichheit gut zu finden oder ungleich zu sein feststellt)

  12. #12 Joseph Kuhn
    24. Februar 2013

    @ Dr. Webbär: Auf gewisse Unterschiede lege ich in der Tat wert. Aber was soziale Ungleichheit angeht, sehe ich nicht, wie man die empirischen Befunde von Wilkinson/Prickett oder sozialphilosophische Argumente wie die Sandels einfach mit dem alten “Neid”-Spruch beiseite schieben kann. Mit Blick auf Wilkinson/Prickett ist das sogar selbstschädigend. Ob das die neoliberale Sprücheklopferei wert ist?

  13. #13 Ludger
    24. Februar 2013

    https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2013/02/23/rettet-den-liberalismus-vor-seinen-niedriglohndenkern/#comment-4800 @ Joseph Kuhn:
    Falscher Schotte? Ich habe beschrieben, was ein Markt ist und leisten soll. Wenn ich feststelle, dass Monopole das genau nicht leisten, ist das Schlagwort mit dem “falschen Schotten” nicht zutreffend. Vielmehr scheinen Sie eine völlig andere Vorstellung von den Eigenschaften eines Marktes zu haben als ich. Ich halte zum Beispiel ein starkes Kartellamt für das Funktionieren eines freien Marktes für unabdingbar – insbesondere auch im Hinblick auf Amazon.

  14. #14 Dr. Webbaer
    24. Februar 2013

    @Kuhn
    Ihre Argumentationen gehen ja erfahrungsgemäß in die Richtung, dass nicht nur die Bedürftigkeit staatlicherseits bearbeitet werden soll, hier gehen Ordoliberale grundsätzlich konform, die Soziale Marktwirtschaft ist ordoliberal inspiriert, sondern staatlicherseits auch eine Vermögensangleichung eingeleitet soll, und als Erklärung für dieses Vorhaben taugen Neid auf der einen Seite und Gerechtigkeit, gar allgemeines Glück auf der anderen, wobei Sie die zweite Erklärung bevorzugen.

    Diesbezüglich sind Sie richtig verstanden, gell?

    Und hier ließe sich weiter ausbauen, warum soll man beispielsweise nicht auch Talente zurechtstutzen (gibt es schon) oder andere individuelle Merkmale?

    Wenn Sie es schaffen würden hier eine Grenze der Gleichmacherei zu ziehen und zu benennen, wäre das für Ihren Kommentatorenfreund, Dr. Webbaer, von Interesse.

    MFG
    Dr. W (der die Gleichmacherei im Sinne einer “Sozialen Gerechtigkeit” auf lange Sicht für nicht verwaltbar, also systemgefährdend, hält)

  15. #15 Ludger
    24. Februar 2013

    @ Joseph Kuhn
    Leider sind Sie auf das Gegenargument des WB. auf Ihre Behauptung :

    Eine in der Welt fast schon unübertroffene Ungleichheit der Vermögen in Deutschland?

    nicht eingegangen, nämlich den Ihnen widersprechenden Daten des World CIA Report 2009 hinsichtlich des Gini Coefficienten. In dieser https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_Einkommensverteilung Liste steht Deutschland im internationalen Vergleichganz weit oben bei den Ländern mit besonders geringer Ungleichverteilung der Vermögen. Nehmen Sie nun Ihre Formulierung zurück, oder streben Sie Verhältnisse wie in Schweden oder Belgien an?

  16. #16 Dr. Webbaer
    24. Februar 2013

    @Ludger
    Dr. Kuhn meinte die Vermögensverteilung, die in D besonders sozial ungerecht wäre, nicht die Einkommensverteilung.

    Die Vermögensverteilung ist schwieriger zu bestimmen, auch wegen den Assets, die zu schätzen wären, auch wegen des “Geheimvermögens” und den allgemeinen Grenzen der Vollziehbarkeit (bspw. der Vermögenssteuer).

    Auf die Schnelle gefunden, scheint aber diese Statistik – https://www.wider.unu.edu/publications/working-papers/discussion-papers/2008/en_GB/dp2008-03/_files/78918010772127840/default/dp2008-03.pdf (Seite 4, Tabelle) – die Behauptung mit der besonders ungerechten doitschen Vermögensverteilung ebenfalls zu widerlegen.

    MFG
    Dr. W

  17. #17 Karl
    24. Februar 2013

    Wer eine gesunde Skepsis gegen linke Ideologien hat, und andererseits nicht die Augen vor den Abgründen des Kapitalismus verschließen will, dem sei die Idee vom bedingungslosen Grundeinkommen ans Herz gelegt.

  18. #18 Joseph Kuhn
    24. Februar 2013

    @ Ludger: In den Kommentaren 4 und 7 bin ich auf des Webbären Frage eingegangen. Insofern wüsste ich nicht, was ich zurückzunehmen hätte. Aber da Ihnen so viel daran liegt: Meine Formulierung hat wie die Tinglers, dass es keine Freiheit ohne freien Markt gibt, einen gewissen polemischen Überschuss, das will ich gerne zugestehen. Deutschland ist insgesamt ein reiches Land, mit einer noch ganz passablen, wenn auch schrumpfenden Mittelschicht, und es gibt vermutlich viele Länder, in denen die Vermögen noch ungleicher verteilt sind. Aber wie gesagt, so ungleich, wie sie bei uns verteilt sind, können uns diese Länder dabei auch nicht mehr so toll übertreffen.

    Was des Webbären neue Daten angeht: Interessant, je nach Spalte kann man zu ganz verschiedenen Urteilen kommen. In dieser Tabelle irritieren mich allerdings die Werte der skandinavischen Länder. Kann es sein, dass dort einfach nur die großen Vermögen besser erfasst sind? Ob ich jedenfalls angesichts dieser Tabelle “Verhältnisse wie in Schweden” anstreben sollte? Ich weiß nicht.

    Von der mangels guter Daten vielleicht nicht klärbaren Frage, wie es mit der Vermögensungleichheit im internationalen Vergleich aussieht, einmal abgesehen: Wäre an Tinglers Kommentar irgendetwas besser, wenn bei uns die Vermögen so ungleich verteilt wären, wie sonst auch? Und wäre die Vermögensverteilung dann, weil “international durchschnittlich”, in Ordnung?

  19. #19 Sunmind
    24. Februar 2013

    Auch sei es angebracht sich mal näher mit der Thematik Kapitalismus auseinderzusetzen: der Wirtschaftsprofessor Bernd Senf hat das Thema Kapitalismus mit seinen inhärenten und systembedingten Grundfehlern sehr anschaulich zusammengefasst:

    https://www.youtube.com/watch?v=GnEqS4TwCfE
    https://www.youtube.com/watch?v=wq_lav0mc10

    Auch möchte ich zur Lektüre von Silvio Gesells (nachgewiesenermaßen sehr erfolgreichen) wirtschaftstheorien anregen.

    Damit verbunden möchte ich an dieser Stelle die (für mich Logisch kaum nachvollziehbare) große Grundfrage einwerfen: Warum erschafft nicht der Staat selbst das Geld, sondern überlässt die Geldschöpfung den Banken, mit den riesigen damit verbundenen nachteilen ( z.B. Staatsschulden). Bei diesem Thema scheinen die meisten Wirtschaftswissenschaftler Scheuklappen zu haben, das wird nur äußerst selten überhaupt angesprochen.

    Ich persönlich finde die Idee mit dem bedingungslosen Grundeinkommen in Verbindung mit der Geldschöpfung in Staatshand einer der besten Lösungsansätze (auch im Hinblick auf Durchführbarkeit) darstellt…

  20. #20 Joseph Kuhn
    24. Februar 2013

    @ Sunmind: Bernd Senf, ist das nicht der mit dem Reichschen Orgon? Ob Esoterik zur besseren Wirtschaftstheorie verhilft – oder sie damit auf den Pudels Kern gebracht ist – möge sich jeder selbst beantworten.

  21. #21 Sunmind
    24. Februar 2013

    @Kuhn:
    Bernd Senf ist zunächst einmal ein anerkannter wirtschaftsprofessor und hat sich mehrere Jahrzehnte mit der Thematik intensiv auseinandergesetzt. Was er darüber hinaus noch macht, ist in diesem Zusammenhang vollkommen belanglos. Ich wage mal die Behauptung, er weis wesendlich mehr über das Thema als wir beide…
    Ich bin jedenfalls geneigt seinen Ausführungen zu folgen. Nehmen Sie sich doch mal die Zeit sich das mal in Ruhe anzuschauen… Dann geht vielleicht auch Ihnen ein Licht auf, was so alles mit dem kapitalistischen System im Argen liegt.
    Extra für Sie: noch ein weiterer Literaturtipp zum Thema:
    https://www.berndsenf.de/pdf/Und%20sie%20gibt%20es%20doch%20Die%20Geldschoepfung%20der%20Banken%20aus%20dem%20Nichts.pdf

  22. #22 rolak
    24. Februar 2013

    ist zunächst einmal ein anerkannter wirtschaftsprofessor

    Quatsch. Bestenfalls war er.

    der mit dem Reichschen Orgon?

    Ua, Joseph, doch neben seinen Ausgangspunkten bei Reich, Schauberger, Lanka, Tolzin, Rath etc pp ist in diesem thread imho insbesondere der bei Gesell und seiner Freiwirtschaft interessant.

  23. #23 Volker Birk
    https://blog.fdik.org
    24. Februar 2013

    @Joseph Kuhn: Du redest mir aus der Seele.

    Statt dass die Ordoliberalen nun ihr Totalversagen wenigstens zur Kenntnis nehmen würden, lassen sich diese Fundamentalisten durch Fakten keinen Millimeter von ihrem festen Glauben abbringen.

    Müssten sie ja nicht. Es würde völlig genügen, wenn wir der Vernunft wie der Aufklärung wieder genügend Raum verschaffen würden. Dass der Mensch sich nicht wie ein daherphantasierter Homo Oeconomicus verhält, ist empirisch feststellbar. Dass die wirtschaftswissenschaftlichen Thesen des Ordoliberalismus empirisch falsch sind, ebenso.

    Nur hört ja kaum einer mehr zu.

    Und dafür gibt es einen Grund: Ordoliberalismus als Perversion des Liberalismus endet aufgrund seines mechanizistischen Weltbildes in einer technokratisch geführten feudalistischen Gesellschaft.

    Es ist die schlechte, alte Gegenaufklärung, die Reaktion, die ihn favorisiert und an der Macht stützt. Denn so schnell sind die Reichen noch nie reicher geworden, nichts hat sie in kürzerer Zeit mehr befördert als die Ordoliberalen Spinner mit ihrem Unfug.

    Es ist deshalb kein Zufall, wenn Bertelsmann gleichzeitig hinter RTL2, Avarto und der INSM steckt.

    “Marktkonforme Demokratie” bedeutet, die Demokratie nicht nur zu zähmen, sondern damit de facto zu vernichten (das Primat der Politik wird ja so entfernt). Es bedeutet letztlich, durch das Vorspielen von Demokratie und die Deutungshoheit in den Medien eine Demokratie quasi als Unterhaltungsshow zu präsentieren, als Teil der Circenses, während dessen ausserhalb des öffentlichen Spotlights die Reichen sich an den Fleischtöpfen bedienen, und alle anderen immer mehr versklavt werden. Da wie immer Familien und Dynastien hier im Spiel sind, ist der Schritt zum Feudalismus von Anfang an Teil desselben.

    Es ist ja die mit Abstand häufigste Methode reich zu werden, das Erben.

    Und genau diese Ergebnisse stellen wir ja auch fest: noch nie “fiel” das Geld so schnell “nach oben”, noch nie mehrte sich das Vermögen der Reichsten in so kurzer Zeit um so viel, während gleichzeitig das Vermögen der Masse schwindet.

    Angela denkt eben an alle ihre Freunde*. Und die Kirche des Geldes** wacht darüber, dass niemand abweicht.

    Man könnte sagen, den Fehler, wieder so einen österreichischen Spinner zu nehmen, um die Demokratie zu beseitigen, wird die Reaktion sicher nicht noch einmal machen. Schliesslich hat sie ja aus dem Desaster letztes Mal gelernt, als wir 1929 schon einmal die Situation hatten, und sich jener Braunauer dann doch nicht als ganz so kontrollierbar herausstellte, wie ihn seine politischen Unterstützer und Finanziers zunächst eingeschätzt hatten.

    * https://www.auchdieserschwachsinnmussinsinternet.de/2011-04/s1303631556.html
    ** https://www.youtube.com/watch?v=c1qoVEsWs_s

  24. #24 Statistiker
    24. Februar 2013

    Naja, der wie üblich anwesende Braunbär und der sich “naturundwirtschaft” nennende Dummbatzen verwechseln wohl Kartoffeln und Menschen.

    Jegliche Anerkennung einer Menschenwürde geht diesen Menschen so am A**** vorbei, da diese Kreaturen so in ihrem neoliberalen Gefängnis gefangen sind, alles als asozial zu bezeichn en, was nicht REICH ist, ohne zu bemerken, dass sie selbst asozial sind.

  25. #25 Dr. Webbaer
    24. Februar 2013

    @Kuhn

    Was des Webbären neue Daten angeht: Interessant, je nach Spalte kann man zu ganz verschiedenen Urteilen kommen.

    Oho. Diese Tabelle ist so-o schwer aber nicht zu lesen und zu interpretieren. Räumen Sie einfach ein, dass die Vermögensverteilung – sollte die oben verlinkte tabellarische Zusammenfassung aller Länder, die dementsprechend erfassen, valid sein – in D homogener ist als im Durchschnitt der Ländern und dass sie mit ‘Eine in der Welt fast schon unübertroffene Ungleichheit der Vermögen in Deutschland? Ach, diese langweilige Wirklichkeit.’ zuvörderst Befindlichkeit transportieren.

    MFG
    Dr. W

  26. #26 Joseph Kuhn
    24. Februar 2013

    @ Dr. Webbär:

    Na, bin ich froh, dass wenigstens Ihre Kommentare oder der SZ-Beitrag Tinglers keine “Befindlichkeit transportieren”.

    Ein- und Ausräumen: Heute wird nichts mehr eingeräumt, in Kommentar #18 steht, was ich zur Vermögensverteilung zu sagen habe. Trotzdem ist Ihre Tabelle interessant. Schauen Sie sich mal die 80%-Spalte und dann die 90%-Spalte an, und wie die Länder da jeweils dastehen, besonders auch die skandinavischen Länder. Ein wenig komisch ist das schon.

    Und zurück zu Tingler: Eigenartig, dass die Freiheit des Marktes soviel Zwänge mit sich bringt. Die Staaten sind den Märkten ausgeliefert, heißt es, die Unternehmer müssen sich dem Konkurrenzzwang stellen, die Beschäftigten (“wir sitzen alle in einem Boot”) auch, und noch zusätzlich ein paar Zwängen, wie sie für “freie Lohnarbeiter” üblich sind, die liberalen Denker beklagen den Widerstand und die Uneinsichtigkeit derer, die nicht vom Markt befreit sein wollen – soviele Zwänge, da muss man wirklich die Zähne zusammenbeißen, stiff upper lip eben, im Reich der Freiheit (Verbraucherschutzhinweis: Dieser Absatz enthält 20 % Befindlichkeit und kann bei Neoliberalen allergische Beschwerden auslösen).

  27. #27 Dr. Webbaer
    24. Februar 2013

    @Kuhn
    Die 90%-Spalte bzw. die 10%-Spalte ist die interessanteste.
    In D besitzen die Top-10% 44% des Gesamtvermögens, in Skandinavien sieht es wesentlich draller aus.

    Zynisch könnte man anmerken wollen, dass in den besonders um die Soziale Gerechtigkeit bemühten skandinavischen Staaten die Schaffung von Vermögen über nichtselbstständige Arbeit unmöglich ist, dass die Kohle also von Unternehmern gemacht wird, die sich anzunehmenderweise einen lachen über die Neiddebatten die Gehaltshöhen betreffend.

    MFG
    Dr. W (der der verlinkten Datenlage aber auch nicht ganz traut – es ging aber mehr darum nachzuweisen, dass die im Artikel behauptete Vernögensverteilung für D nicht zu belegen ist)

  28. #28 Joseph Kuhn
    24. Februar 2013

    “es ging aber mehr darum nachzuweisen, dass die im Artikel behauptete Vernögensverteilung für D nicht zu belegen ist.”

    Naja, Sie haben die Tabelle ausgesucht, ich suche mir dafür die Spalte aus: In der 80%-Spalte gibt es 8 Länder, bei denen das Vermögen gerechter verteilt ist als in Deutschland, nur 5, bei denen es noch ungerechter verteilt ist als hierzulande. Und darunter sind noch Länder, die man eher auf der anderen Seite vermuten würde, mit teilweise gar nicht nachvollziehbaren Daten, wie Dänemark.

  29. #29 Dr. Webbaer
    24. Februar 2013

    Aja, die Vermögen der Top-20% sind in D für Ihre Position günstiger. Schwierig, Ihr Kommentatorenfreund, der Webbaer, hat nur auf die Top-10% geschaut, denn dieses Dezil schien am aussagefähigsten.

    Aber das mit Skandinavien könnten Sie mal prüfen. Kann es sein, dass die Mittelschicht dort “wg. Sozialstaat” nicht mehr durch nackte Arbeit aufsteigen kann? Dass Unternehmer und Superreiche die Umverteilung aber zu umgehen verstehen?

    MFG
    Dr. W

  30. #30 Ludger
    24. Februar 2013

    Joseph Kuhn: “Aber da Ihnen so viel daran liegt: Meine Formulierung hat wie die Tinglers, dass es keine Freiheit ohne freien Markt gibt, einen gewissen polemischen Überschuss, das will ich gerne zugestehen.”

    Hinter Ihrem Blogpost scheint eine Intention zu stecken, die ich noch nicht ganz entschlüsseln konnte. Sie finden offenbar den “Markt” problematisch, geben aber nicht an, was Sie genau darunter verstehen und was Sie an seine Stelle setzen wollen.

  31. #31 Karl
    24. Februar 2013

    ein kleiner Einblick in den Alptraum unserer Arbeitswelt, zum schreien:

    https://www.youtube.com/watch?v=9wQHfJOFAss

    Fazit: Ideologien gibt es überall, sie sind einfach nicht totzukriegen. Man sollte sich halt vor ihnen in acht nehmen.

  32. #32 Itoto Hamey
    24. Februar 2013

    Herr Kuhn, sich nacheinander einige Stellen aus einem offline-Beitrag herauszupicken, um diese dann der Reihe nach zu auseinanderzunehmen, ist journalistisch ein bemerkenswert schlechter Stil. Wie kann sich da der Leser ein eigenes Bild machen, ob Sie Recht haben mit Ihrer Kritik?

    Nun mache ich es genau so wie Sie. Mit dem Vorteil Ihrer Leser, dass sie sich durch Nachlesen schnell überzeugen können, woran sich meine Kritik entzündet.

    1) Was haben Sie gegen “Die meisten dieser Kreuzritter gegen den vermeintlichen Neoliberalismus wissen gar nicht, was Liberalismus bedeutet” vorzubringen?
    Haben Sie irgendwas Inhaltliches beizutragen? Konnten Sie Tingler Lügen strafen? Ich habe nichts dergleichen gefunden. Stattdessen bauen Sie mit der Erwähnung von Verbraucherschutz und Arbeitsschutz einen Popanz auf, als würde ein Eintreten für einen freien Warenverkehr direkt die Abschaffung solcher Errungenschaften bedeuten.
    Lesen Sie doch einmal die Diskussionsseite der deutschen wikipedia zur Begriffswandlung von “Neoliberalismus”. Die wikipedia schreibt (https://de.wikipedia.org/wiki/Neoliberalismus): “Heute wird das Wort Neoliberalismus von Wissenschaftlern vorwiegend als negative Fremdbezeichnung von Marktfundamentalismus verwendet, nicht selten im Zusammenhang mit der New Right und der damit verbundenen Wirtschaftspolitik Ronald Reagans und Margaret Thatchers.” Welches Argument hätten Sie denn, wenn sich bspw. Kulturwissenschaftler einfallen ließen, den Median als Herrschaftsinstrument zu brandmarken? Oder die Addition? Würden Sie Ihnen nicht anraten, das Denken in Kampfbegriffen durch Sachkenntnis zu ersetzen?
    Zusammengefasst: Mit ihrer strohmannorientierten und begriffsignoranten Kritik geben Sie Tingler recht.

    2) Sie schreiben zum Zitat “Es gibt keine Freiheit ohne den freien Markt” den Kommentar “lächerlich”. Nichts sonst. Meinen Sie nicht, dass das eine Lehre darstellt, die man aus dem Sozialismus ziehen kann? Sagen Sie das mal Joachim Gauck, dem bekannten marktradikalen Menschenschinder!

    3) “Sie ist (…) jene Disziplin, die menschliches Verhalten mit einem Minimum an ideologischer Untermauerung erklären kann” so zitieren Sie Tingler. Wenn auch mit einem fehlenden Anführungszeichen. Offenbar finden Sie die Minimierung von ideologischer Untermauerung nicht gut. Stattdessen ziehen Sie sich am Begriff “menschliches Verhalten” hoch, wo vielleicht “Verhalten von Menschen als Marktteilnehmer” genauer gewesen wäre.

    4) Ihnen wäre neu, dass der Markt die Menschenwürde entdeckt hätte. Ist deswegen ein Eintreten für die Marktwirtschaft falsch?
    Tingler mag ja den Markt verherrlichen, doch daraus eine Opposition zur Menschenwürde zu konstruieren, halte ich für etwas gewagt. Können Sie sich eventuell vorstellen, dass es in einem zivilisierten Land gar nicht mehr notwendig ist, Menschenwürde als sine qua non zu erwähnen? Unterstellen Sie Tingler wirklich, in seiner intellektuellen Beschränktheit durch sein Eintreten für einen freien Markt ein System von Arbeitssklaven, Unterdrückung und Ausbeutung zu propagieren? Das wirft wohl eher ein Licht auf Sie als auf die intellektuellen Fähigkeiten Tinglers.

    5) Sie schreiben “Eine in der Welt fast schon unübertroffene Ungleichheit der Vermögen in Deutschland? Ach, diese langweilige Wirklichkeit.”
    wikipedia schreibt dagegen: “Im internationalen Vergleich nimmt Deutschland eine mittlere Position bei der Vermögensungleichheit ein. Nach der Jahrtausendwende verstärkte sich die Ungleichheit. (https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Verm%C3%B6gensverteilung und https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_Verm%C3%B6gensverteilung – nur 10 Länder besitzen weltweit einen niedrigeren Gini-Koeffizienten). Leben Sie in einer interessanteren Wirklichkeit als die Zahlen bei wikipedia? Was nicht passt, wird passend gemacht?

    6) “Solche Leute”, wie Tingler, glauben – Ihnen folgend -, bevor “die Finanzmärkte reguliert werden”, “müsse man wieder ideologisch mehr in die Offensive gehen”. Ja klar, Tingler ist von DENEN bezahlt. Finden Sie doch einmal zur Übung heraus, welche drei Aufsichtsbehörden die Bankenregulierung in Deutschland jeden Bankarbeitstag betreiben. Dann dürfen Sie sich gerne weiter in Verschwörungstheorien ergehen.

    Sie bemühen die gute alte Verschwörung, skandalisieren mit passend gemachten Fakten, stellen Tingler als Befürworter unmenschlicher Arbeitsbedingungen hin, beschäftigen sich nicht mit den tatsächlich geschriebenen Inhalten von Tinglers Beitrag und klassifizieren sich damit selbst als “Kreuzritter gegen den vermeintlichen Neoliberalismus”.
    Alles in allem: Ihr Blogbeitrag ist nicht so gut gelungen.

  33. #33 Dr. Webbaer
    24. Februar 2013

    Jaja, man sollte schon traditionslinke Meinungen gewöhnt sein, um derartige Texte aushalten zu können. [1]
    Dennoch: gefühlslinke Meinungen sind in der Regel gar nicht auszuhalten

    Auf ein näheres Eingehen auf den Artikel hat der Schreiber dieser Zeilen denn auch verzichtet, zumal nicht einmal der rezensierte Text im Web verfügbar ist.

    MFG
    Dr. W

    [1] Klischeeliberale und Klischeeliberalismus werden hier regelmäßig bearbeitet.

  34. #34 Joseph Kuhn
    25. Februar 2013

    @ Itoto Hamey: Das fehlende Anführungszeichen bei Tinglers Becker-Anleihe habe ich eingefügt. Danke für den wertvollen Hinweis.

    @ Ludger: Ich finde “den Markt” nicht problematisch, ich halte Märkte für effiziente Allokations- und Distributionsverfahren. Man muss nur sehen, wo sie ihre Funktion erfüllen und wo nicht. In der Wochenend-Ausgabe hat die Süddeutsche übrigens noch einmal nachgelegt. Diesmal Marc Beise, Wirtschaftsredakteur der SZ, unter der Überschrift “Rettet den Markt!”. In geradezu elegischen Worten warnt er davor, dass jetzt zuviel Staat kommen könnte: “Mehr Staat! Der Ruf schallt durchs Land einen neuen Kreuzzug in Gang zu setzen. (…) Also wird ‘mehr Staat’ bald eine allgemeine Forderung sein, und so wird´s nach der Bundestagswahl kommen. (…) Die Zeit ist deshalb reif für einen neuen Anlauf, den wunderbaren Markt wieder zu entdecken, dem vor allem Kreativität, Effizienz und Produktivität innewohnen.” Es wohnt ihm halt nicht alles inne, dem Markt, was das Leben lebenswert macht.

  35. #35 Adent
    25. Februar 2013

    Ich möchte mal eine simple Frage stellen, sie richtet sich an die “freie Marktwirtschaft über alles” Fraktion. Ist der Markt bisher zu unfrei, also zu sehr reguliert und ist dadurch zum Beispiel die Wirtschafts- und Bankenkrise ausgelöst worden?
    Oder waren es einfach nur zuviele falsche Schotten unter den Immobilienschotten, die das Desaster verursacht haben und ist jetzt alles gut?
    Ich wage es mir kaum zu denken, wo wir heute bei einem völlig freien Markt wohl wären…

  36. #36 Ludger
    25. Februar 2013

    Joseph Kuhn unterstellt gerne der FDP z.B. hier: https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2012/12/29/philip-roslers-weihnachtsmarktbotschaft/ , sie strebe in der Wirtschaftspolitik eine Abschaffung aller Regulierungen an [so habe ich ihn verstanden]. Ich habe ihn dort schon darauf hingewiesen, dass das so im Kommentar Nr. 9. Wer gegen die “freie Marktwirtschaft über alles” Fraktion [Adent] kämpft, bekriegt einen Geist, den es in den Parteiprogrammen der Bundestagsparteien nicht gibt. Nur zur Erinnerung: Die Freistellung der Erlöse beim Verkauf von Kapitalgesellschaften von der Steuer kam von der SPD unter Schröder/Eichler. Das hat erst die “Heuschrecken” nach Deutschland eingeladen. Die Verzockerei bei Subprimederivaten war wesentlich bei Staatsbanken angesiedelt (WestLB und andere Landesbanken). Die kriminellen Machenschaften bei der BayernLB im Zusammenhang mit der der österreichischen Bank Hypo Group Alpe Adria ist ein Versagen von CSU-Politik und hat mit liberalen Vorstellungen gar nichts zu tun. Oder kam der Antrieb zum Kauf der Bank von Liberalen? Der Umgang der Griechen mit ihren Staatsschulden ist sicher nicht des Liberalismus verdächtig. Die Wirtschafts- und Bankenkrise </b< hat weniger mit der Politik der Liberalen in Deutschland zu tun als mit Fehlern bei staatlichen Eingriffen.

  37. #37 Ludger
    25. Februar 2013

    Leider keine Edit-Funktion
    Ich habe ihn dort schon darauf hingewiesen, dass das nicht zutrifft, so im Kommentar Nr. 9.
    und
    Die Wirtschafts- und Bankenkrise hat weniger mit der Politik der Liberalen in Deutschland zu tun als mit Fehlern bei staatlichen Eingriffen.

  38. #38 Karl
    25. Februar 2013

    Vieles bleibt schwammig und lässt sich oft auch gar nicht exakt definieren (zahlen die Reichen genug Steuern? Ist die Gesellschaft egalitär genug? Wie stehts mit der Gerechtigkeit im Lande?)

    Wenn man erst mal nur nach den _gesicherten Aussagen sucht, dann lässt sich feststellen, das Angst und Stress den Menschen zuverlässig unglücklich machen.
    Schon bei Neid sieht das anders aus: wenn ich neidisch bin, weil mein Nachbar ein größeres Auto hat, ist das ein Zeichen von charakterlicher Schwäche, denn immerhin habe ich ja auch ein Auto. Neid ist also kein Maßstab.
    Genauso wenig ist die Gier an sich ein Problem. Solange man niemandem schadet, ist sie in Ordnung.

    D.h. man kann sichere Aussagen eigentlich nur nach unten abgeben. Armut lässt sich ziemlich exakt definieren (bis auf ein paar Euro), Reichtum lässt sich eben _nicht genau definieren. Also vergesst den Reichtum, der ist nicht das Problem. Armut erzeugt Angst und Stress (auch bei den Nicht-Armen). Will man das nicht, ließe sich das mittels Grundeinkommens oberhalb der Armutsgrenze einfach erledigen. Man bräuchte dann keinerlei weitere Maßnahmen zur Herstellung einer egalitären Gesellschaft mehr.

    Noch etwas zur Gier. Wenn Manager als gierig bezeichnet werden, ist das mMn eine Täuschung. Viele von denen sind von Angst Getriebene und machen deshalb Sachen, die sie unter anderen Umständen nicht tun würden. (Gier bedeutet, das jemand in Kontrolle ist)

  39. #39 Adent
    25. Februar 2013

    @Ludger
    Ich dachte da eher an diejenigen die diese Derivate verkauft haben, in den USA und so, waren das auch Staatsbanken?

  40. #40 Adent
    25. Februar 2013

    @Ludger
    Also ich halte fest, die Liberalen (FDP) sind vollkommen unschuldig an der jetzigen Wirtschaftspolitik und haben keinerlei Klientel bedient, richtig?
    Achso, es sei noch kurz die Frage gestattet in welcher Welt lebst du?

  41. #41 Spoing
    25. Februar 2013

    Da ich die SZ nicht gelesen habe kann ich auf den Bezug genommenen Artikel leider nicht eingehen.(Ich schätze mal der Online gar nicht oder nur hinter einer Paywall aufrufbar sein) Aber ich hoffe einfach mal, dass ich nichts aus dem Zusammenhang reißen werde.
    Den Kritikpunkt, das viele Liberalismuskritiker keine Ahnung haben was Liberalismus eigentlich bedeutet teile ich aber vollkommen. Bei einer Umfrage was Neoliberal ist würde die mit Abstand häufigste Antwort unter Garantie die Bankenrettung sein.
    Das so wenig staatliche Intervention wie nötig eine starke Auslegung zulässt was denn nun nötig ist, da muss ich dir wiederum recht geben. Freiheit ist grundsätzlich immer die Freiheit zum negativen. Je mehr Freiheiten man zu lässt desto mehr Kontrolle gibt man natürlich ab. Der (klassische) Liberalismus hielt die Kontrollen unter aufgeklärten Individuen für Überflüssig. Was natürlich ein Fehler war. In heutigen liberalen Strömungen erkennt man die Notwendigkeit der Kontrollen an, stellt jedoch die berechtigte Frage, ob einzig und allein der Staat alles kontrollieren muss und kann. So ist die Kontrolle durch die Konkurrenz und die Kontrolle durch den Wert des Images in vielen Spaten weit effektiver als der Staat je kontrollieren könnte. Auch haben die Gewerkschaften meist weit mehr erreicht als eine staatliche es schaffen könnte. Der Staat hat in diesem Fall lediglich die Aufgabe die Rahmenbedingungen ab zu stecken. Sprich Kartelle verhindern und Gewerkschaften zur Not auch zu erzwingen.
    So wäre eine liberale Lösung des Mindestlohnproblemes einfach das schaffen von Gewerkschaften für die Friseure etc.. Da die etablierten Gewerkschaften jedoch so weit mit der Politik verwoben sind, wundert es mich nicht diesen Vorschlag seitens Liberaler noch nicht vernommen zu haben.

    Dann gibt es noch einen Wiederspruch indem du dich zum einen auf Hobbes beziehst und im nächsten Abschnitt dann den Mensch als soziales Wesen siehst. Mir ist zwar in beiden Fällen klar was gemeint ist. Aber die Sätze sollte man so nicht einfach hinschreiben und für gültig erklären, da sie ja verschiedene Grundannahmen haben.
    “homo homini lupus” bezieht sich ja gerade auf den egoistischen Menschen.

    Des weiteren stört mich, dass du dem Satz “Der Staat besteht aus Individuen” wohl geistig noch ein “ausschließlich” hinzu gefügt hast. Da ich den Originalkontext nicht kenne weiß ich nicht, was da gemeint war.

    Aus dem Zitat ” „Es gibt keine Freiheit ohne den freien Markt.“” dann zu Unterstellen Tingler würde den Markt als Garant der Freiheit sehen ist gelinde gesagt frech. Er sieht ihn als Notwendig für die Freiheit an. Wenn du letzteres nicht so siehst würde ich mich fragen, wie frei du eine Gesellschaft siehst in der keine Vertragsfreiheit gegeben ist. Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit sind auch alle Notwendig für eine freie Gesellschaft. Diese Rechte garantieren sich jedoch keineswegs selbst. Sonst müsste man sich ja keine sorgen darum machen, da sie ja Zwangsläufig nach der Einführung bis in alle Ewigkeit bestünden.

    Bei den dann gewählten Beispielen kann ich mich nur Beitrag #32 anschließen. Das sind zwar alles Skandale (Außer das mit den Schleckerfrauen, hier hat jeder Ökonom gesagt, dass eine “Rettung” nicht zu rechtfertigen ist) aber keiner dieser Skandale hat im Liberalismus seinen Ursprung. Maximal die Auslagerung von Arbeitsplätzen kann man dem Anlasten. Die Frage nach den Vorteilen des Protektionismusses wird dafür im Artikel gar nicht gestellt.

  42. #42 Spoing
    25. Februar 2013

    @Adent:
    Beitrag 40 ist ja wohl nichts als ein Strohmann. Niemand hat behauptet, die FDP hätte keinen Anteil an der Wirtschaftspolitik.
    Es wurde lediglich gesagt sie haben keinen starken Anteil an der Wirtschaftskrise. Die genannten Beispiele können das auch definitiv nicht anders belegen.
    Der Krisenumgang ist alles andere als durch Liberales Denken geprägt. Höchstens die Kettenreaktion der Lehmanpleite kann man dem noch zu rechnen. Aber die Schaffung von “To Big to Fail Unternehmen” ist ja gerade eine Kartellbildung die es zu verhindern gilt. Und zwar in allen nicht reine Staatswirtschaft betreibenden Wirtschaftsformen.

  43. #43 Ludger
    25. Februar 2013

    Adent 25. Februar 2013
    […]haben keinerlei Klientel bedient[…]

    Damit meinst Du wahrscheinlich die Mövenpick-Steuererleichterung. Das ging von der CSU aus, und die FDP hat sich nur an der Koalitionsvertrag gehalten. Auch Grüne und SPD waren dafür: https://www.prosiebenprozent.de/cms/upload/pdf/PM_Martin_Runge090511.pdf
    https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP15/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000002500/0000002702.pdf

  44. #44 Joseph Kuhn
    25. Februar 2013

    @ Ludger:

    “Joseph Kuhn unterstellt gerne der FDP (…)”

    Ich wusste doch, dass sich auch bei den Anhängern dieser Partei manchmal das Gerechtigkeitsgefühl regt. Aber da sie hier so viele engagierte Fürsprecher hat, muss ich mir wohl keine allzu großen Vorwürfe wegen einer Ungleichbehandlung machen, zumal ich versuche, den anderen Parteien wenistens ab und zu auch Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Aber auf dem Spottmarkt hat die FDP im Moment einfach mehr zu bieten, ein echter Wettbewerbsvorteil.

    “Die Wirtschafts- und Bankenkrise hat weniger mit der Politik der Liberalen in Deutschland zu tun als mit Fehlern bei staatlichen Eingriffen.”

    Hm. Ich dachte immer, die FDP wird von ihren Anhängern genau deswegen gewählt, damit sie gewisse staatliche Eingriffe vornimmt, z.B. dereguliert, privatisiert, Steuern senkt, den Kündigungsschutz lockert, Ärzte und Apotheker vor dem rauhen Markt schützt usw. – aber wenn das gar nicht stimmt, wer soll sie dann eigentlich noch wählen?

    Zu den Artikeln in der Süddeutschen: Ein Tag Tinglers “Rettet den Liberalismus!”, am nächsten Tag Beises “Rettet den Markt!”. Beide in einem Alarmismus, als ob der Untergang des Abendlandes bevorsteht. Das macht eben nachdenklich. Wo ist der aktuelle Anlass? Vielleicht doch die drohende Finanzmarktregulation, die die FDP erst bekämpft hat, dann dafür war und jetzt, wo es ernst werden könnte, wieder dagegen ist?

    Nachtrag 26.2.2013: Ich vergaß – der Mindestlohn wird ja gerade auch noch mehrheitsfähig, also doch Untergang des Abendlandes.

  45. #45 Ludger
    25. Februar 2013

    Joseph Kuhn: Aber auf dem Spottmarkt hat die FDP im Moment einfach mehr zu bieten, ein echter Wettbewerbsvorteil.

    Eine gewisse Gruppendynamik lässt sich bei den Gegnern der FDP durchaus feststellen. Da kommt es dann auf sachliche Genauigkeiten gar nicht mehr so an. Siehe Links vom Kommentar 43.

  46. #46 Joseph Kuhn
    26. Februar 2013

    @ Ludger: Sie erwarten jetzt aber nicht von mir, dass ich die Grünen oder die SPD dafür verteidige (oder beschimpfe, je nachdem), dass sie 2006 bzw. 2009 in Bayern die Mehrwertsteuerreduzierung für die Gastronomie gefordert haben, die die FDP mit der CSU dann 2009/2010 im Bund durchgesetzt hat…

    … die aber angeblich schon seit 2007 Beschlusslage der FDP war:
    https://www.liberale.de/Umsatzsteuerdebatte/4339c8017i1p7/index.html

    … und mindestens seit 2005 (weiter zurück habe ich nicht gegoogelt) auch schon von der FDP gefordert wurde:
    https://www.verbaende.com/news.php?m=32515

    … und die dann 2011 von der gleichen Partei wieder kassiert werden sollte:
    https://www.sueddeutsche.de/politik/fdp-mehrwertsteuer-vorteil-fuer-hotels-steuergeschenk-auf-abruf-1.1064387

    … was aber bis heute nicht geschehen ist.

    Die Sache haben Sie mit dem unfeinen Satz versehen: “Da kommt es dann auf sachliche Genauigkeiten gar nicht mehr so an.” Dabei hatte ich mich überhaupt nicht zur Mehrwertsteuersache geäußert.

  47. #47 MJ
    26. Februar 2013

    Ich weiss nicht, mich stoert dieses Durcheinanderwerfen von Wirtschaft und Liberalismus auch ein wenig. Zuerst hat irgendein FDPler oder ein Medien-Poseur etwas gesagt, und dann kommt ein schleichender Uebergang mit einem generellen Aushauen gegen alles, was irgendwie nach Wirtschaft klingt (“invisible hand”, Hayek, “ein” Gary Becker – letzterer hat mich ueberrascht, darf ich fragen, was Sie von ihm gelesen haben, das Sie so irritiert hat?), ohne dass so wirklich und konkret der Bezug klar waere.

    Dabei – ich habe das letztens schon gesagt – diskutieren Sie dann eine Art Primitiv-Version als waeren die Wirtschaftswissenschaften irgendwann nach Veroeffentlichung von “The Road to Serfdom” stehengeblieben. Alles, was hier and Themen aufgegriffen wird, wird in jedem modernen Eifnuehrungslehrbuch diskutiert.

    Unter Joseph Stiglitz’ juengsten Veroeffentlichungen findet sich das Buch “The Price of Inequality: How Today’s Divided Society Endangers Our Future”. Krugman diskutiert die steigende Ungleichheit im Kontrast zu schwaecherem Wirtschaftsachstum in seinem Buch “The Conscience of a Liberal” ausfuehrlich (wenn er auch, kontra Stiglitz, nicht glaubt, dass Ungleichheit etwas mit der fehlenden Erholung aus der Krise zu tun hat) – und thematisiert die Relevanz des Themas als Mitursache fuer die Wirtschaftskrise permanent auf seinem Blog. Edumund Phelps diskutiert das Thema heute (!) in der NYT:

    https://opinionator.blogs.nytimes.com/2013/02/24/less-innovation-more-inequality/

    Unter Peter Diamonds juengeren Veroeffentlichungen findet sich ein Paper, dass den idealen Spitzensteuersatz auf 75 Prozent berechnet (ein Fehlen von “loop holes” ausgenoimmen, mit sind es noch immer ueber 50 Prozent). Etc etc etc

    Das sind vier Nobelpreistraeger in Wirtschaftswissenschaften post-2000. Und dennoch kommt alle zwei Wochen irgendwo und schlecht kaschiert die Breitseite gegen Wirtschaft durch, weil Hayek. Oder sonst irgendeiner schlecht verdauten poltischen Auseinandersetzung von Vorgestern. Gut moeglich, dass die ganze Sparte einen marktfundamentalistischen Hang gehabt hat vor 30 Jahren, what shall’s? Muessen wir deswegen jedes mal, wenn ein Maennlein etwas in einer Zeitung sagt, Grundsatzdiskussionen von vor ein paar Jahrzehnten fuehren und alles, was mit “Bis Business” im Argen ist mit Wirtschaft verwechseln. (Und warum haengen sich alle immer an Hayek auf als haette er eine Zeit lang die Welt regiert, als haette es nicht zeitgleich – und laenger – auch Samuelson oder Solow gegebn?).

    Zum Thema passend und annlaesslich seines kuerzlichen Todes sind vielleicht Ronald Dworkins zweiteiliger Essai (leicht ueber google zu finden) “What is Equality?” Im Gegensatz zu Sandel hoert sich da auch nicht der in der Wolle gewaschene Wirtschaftsskeptiker selber beim Denken zu.

  48. #48 michael
    26. Februar 2013

    @mj
    > …mit einem generellen Aushauen gegen alles, was irgendwie nach Wirtschaft klingt…

    Kann gar nicht sein: gegen Gastwirtschaften z.B. hat hier noch niemand (m.w.n.) was gehabt.

    Und etwa FDP-bashing erheitert numal das Gemüt und befreit den Geist von trüben Gedanken.

  49. #49 MJ
    26. Februar 2013

    @ michael

    https://www.quickmeme.com/meme/3p643w/

    Und ich bin kein Deutscher, mir ist die FDP egal – wo ich lebe, legt man sich fuer die Effekte, die Sie offenbar ueber FDP-bashing erreichen, ein Sexleben zu.

  50. #50 Dr. Webbaer
    26. Februar 2013

    Herr Kuhn scheint schon “ein wenig” FDP-getrieben. Wobei sich aber auch dann nicht klar ergibt, wie diese zurzeit semiliberale Partei, die in den vom Schreiber dieser Zeilen wie von Herrn Kuhn selbst erlebten Siebzigern sogar pseudoliberal war mit einer eigenen linksradikalen Nachwuchsorganisation (den “JuDos”, die mussten 1982 mühsam abgestoßen werden, auch der Verfassungsschutz hatte da ein Auge drauf, lol), derart motivieren kann.

    Zudem fragt man sich: Wenn Herr Kuhn schon derart schwungvoll liberalismuskritisch ist, was wird dem Mann dann erst zum Islam einfallen?

    MFG
    Dr. W

  51. #51 Joseph Kuhn
    26. Februar 2013

    @ MJ:

    “Ich weiss nicht, mich stoert dieses Durcheinanderwerfen von Wirtschaft und Liberalismus auch ein wenig.”

    Mich auch. Aber das machen jetzt eher Sie, den Schuh ziehe ich mir nun wirklich nicht an. Habe ich mich oben gegen “die Wirtschaft” geäußert? Das würde ich schon wegen “michaels” Hinweis mit den Gastwirtschaften nicht machen. Aber ich bin auch sonst nicht der Meinung, dass “die Welt” schlecht ist, oder “die Wirtschaft”. Das gilt in gleicher Weise für “die Wirtschaftswissenschaftler”. Jemanden wie Stiglitz will ich mir daher nicht vorhalten lassen, er hätte genausogut als Referenz in meinen Blogbeitrag gepasst. Auch “den Liberalismus” habe ich nicht auf die Anklagebank gesetzt, die Überschrift des Blogs ist durchaus ernst gemeint, der Hinweis auf freiheitliche Richtungen liberalen Denkens (ein pleonasmusfrei gemeintes Wortspiel!) wie die bleeding heart libertarians ebenso. So etwas soll es sogar noch irgendwo in der FDP geben, man muss halt etwas suchen.

    “wenn ein Maennlein etwas in einer Zeitung sagt”

    Das mag für Tingler gelten, von dem habe ich bisher noch nichts gehört, aber Marc Beise ist durchaus ein Meinungsmacher, und ein Seismograph für die Befindlichkeiten bestimmter Kreise.

    Gary Becker: Worauf ich mit ihm hinaus wollte, sollte verständlich gewesen sein: Ich glaube nicht, dass die individuelle Nutzenmaximierung ein gutes Modell für die Erklärung menschlichen Verhaltens ist, zumindest nicht, wenn das normative Züge bekommt. Mit dem Hinweis auf Nida-Rümelins Buch habe ich angedeutet, warum ich das so sehe: Beziehungen wie “Freundschaften” bekommen dann z.B. etwas ziemlich Instrumentelles. So funktioniert unser Zusammenleben auch nicht, exemplarisch siehe den gerade so aktuellen Michael Tomasello, um nicht liberale Reizthemen wie die katholische Soziallehre oder die Feuerbachthesen zitieren zu müssen.

    @ Dr. Webbär: “Der Islam”: Siehe Kommentaranfang. Und zu al-Qaida habe ich sogar in diesem Blog, der damit wirklich nichts zu tun hat, eine Bemerkung fallen lassen. Falls Sie es aber schwarz auf weiß lesen müssen: Al Qaida finde ich nicht gut, ich hoffe, das überrascht Sie nicht. Die Pius-Brüder finde ich auch nicht gut, falls das die nächste Frage gewesen wäre, die NPD auch nicht, die Tabaklobby nicht, und dass es schon wieder schneit, geht mir langsam auch auf die Nerven.

    Zu meiner Beziehung zur FDP: Auf scienceblogs wird eben gerne gegen homöopathische Mittel angeschrieben. Der FDP wird ein eigenes Wählerreservoir in homöopathischer Konzentration nachgesagt, gewählt wird sie, siehe NRW oder Niedersachsen, trotzdem. Und bevor das noch als Wirksamkeitsnachweis für die Homöopathie ausgelegt wird …

  52. #52 Ludger
    26. Februar 2013

    Joseph Kuhn: “Die Sache haben Sie mit dem unfeinen Satz versehen: “Da kommt es dann auf sachliche Genauigkeiten gar nicht mehr so an.”

    Das ging zwar an Adent (mit Verweis auf Kommentar 43), aber wenn Sie sich den Schuh anziehen. Ihre Formulierungen sind natürlich ungleich feiner:

    #44 Joseph Kuhn 25. Februar 2013 @ Ludger:
    […]Ärzte und Apotheker vor dem rauhen Markt schützt usw.

    Ich reduziere übrigens die Politik der Parteien inklusive FDP nicht auf die Wirtschaftspolitik. Bei der PID-Debatte ( https://scienceblogs.de/bloodnacid/2011/11/11/eine-zygote-ist-keine-person/#comment-3215 ) ist mir sehr deutlich geworden, dass wir eine liberale Partei brauchen.

  53. #53 Joseph Kuhn
    26. Februar 2013

    @ Ludger: Die FDP sollte sich selbst nicht auf Wirtschaftspolitik reduzieren und in der Wirtschaftspolitik wiederum weder auf die ideologische Einfachheit, auf die sie Leute wie Tingler oder Beise festlegen wollen, noch auf eine prinzipienlose Klientelpolitik, die ihr – sei es je nach Anlass nun zu Recht oder zu Unrecht – ja immer wieder mal vorgeworfen wird:
    https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-29527508.html

    Gerechtigkeits-Disclaimer: Das gilt analog auch für alle anderen Parteien.

  54. #54 Dr. Webbaer
    26. Februar 2013

    @Kuhn
    Schon klar. Es stellt sich halt immer die Frage nach dem Maßstab, wenn sich welche bspw. über Rechte (vs. Rechtsradikale, die Rechte ist im Internationalen eine in etwa so übliche politische Ergänzung wie die Sozialdemokraten oder jetzt auch die Ökologisten), über Vermögende, über die FDP (was immer das auch genau sein mag in D), über den Liberalismus und über der Katholizismus (über die Evangelische Kirche regt sich ja kaum einer mehr auf, denn die ist in der Regel schneller oder flexibler als die Empörung, die kommen könnte) aufregen, dann hätte man gerne den Maßstab.

    Und weil Sie es mit der Europäischen Aufklärung auch nicht so zu haben scheinen, fragt man dann oft gerne nach dem Islam, damit was rauskommt.

    Beim Redaktionschef und dem hiesigen Politologen, die auch gerne wie oben beschrieben kritisch sind, kam dann sozusagen alles raus. Den Maßstab betreffend.

    MFG
    Dr. W (der es eigentlich immer gut findet, wenn der Maßstab beschrieben und benannt wird, kritisieren kann jeder, so wie die Frankfurter Schule, aber was will oder wollte die eigentlich?)

  55. #55 Spoing
    26. Februar 2013

    Da es gerade Aktuell ist: Ich lese das Wort Neoliberal in der aktuellen Italienwahl in den Kommentaren der größeren Zeitungen gerade ausschließlich zu Angela Merkel, Mario Monti und Silvio Berlusconi.
    Mario Monti wird meist so genannt mit dem Verweiß er wäre mal bei Goldman Sachs gewesen.
    Die genaue Einstellung Montis ist mir unbekannt. Aber er könnte der einzige der dreien seien mit wirklich Neoliberalen Weltbild. Das Neoliberal bezieht sich allerdings nur auf Banker.
    Aber fassen wir mal zusammen:
    Banker = Neoliberal
    Konservative Politikerin die abwartend auf Stimmungen reagiert = Neoliberal
    Vermögender alter krimineller Medienmogul und Lustmolch = Neoliberal

    Man muss weder mögen was die FDP macht noch was sie immer ankündigt zu machen. Auch kann man sich streiten in wie fern das überhaupt Liberal ist. Welche Liberalen Strömungen zum scheitern verurteilt sind kann man auch unterschiedlicher Ansicht sein. Sogar kann man Liberalität an sich ablehnen, da man der Meinung ist Gleichheit ist das Ziel und Freiheit nur hinderlich.

    Aber: Die Aussage „Die meisten dieser Kreuzritter gegen den vermeintlichen Neoliberalismus wissen gar nicht, was Liberalismus bedeutet“ ist definitiv nicht aus der Luft gegriffen.
    Neoliberalismus wurde einfach erfolgreich als Schimpfwort von der Seite der Kapitalismusgegner erfolgreich etabliert. In diesen Bereichen ist er ein Synonym für alles was in der Wirtschaft schlecht läuft.

  56. #56 Dr. Webbaer
    26. Februar 2013

    @Spoing
    Die Linken haben halt begriffen, dass es ein politischer Fehler war den traditionellen Liberalismus, der irgendwann an die mittlerweile grundsätzlich vermögenden Gesellschaften angepasst werden musste, er war ja zuerst eine Geisteshaltung ohne besondere Neigung Wirtschaftssysteme zu gießen, er war lange Zeit sozusagen Laissez-Faire das Wirtschaftliche betreffend, auch weil schlichtweg keine Kohle da war sozial zu versorgen, mit ‘Neo’ zu präfizieren.

    Die Linken haben nie viel verstanden, aber sie witterten immer recht gut, wenn Bürgerliche einen Fehler im Verkauf bzw. in der politischen Werbung machten.

    Die Ahnungslosigkeit der Linken den Liberalismus betreffend wirkt aber authentisch, der Schreiber dieser Zeilen würde beim geschätzten hiesigen Inhaltegeber nichts anderes annehmen wollen, hat aber auch andere geschätzte Inhaltegeber in wissenschaftsnahen Blogs geprüft, die ähnlich liberalismusfeindlich unterwegs waren oder sind, trotz ansonsten allgemeiner Kompetenz.

    Einzig mögliche Erklärung: Es ist ausgesprochen schwierig die jetzigen liberalen Systeme anzunehmen und ihren Wert zu verstehen. Es ist eine schwierige Aufgabe auch für die Besten der Besten der Besten.

    MFG
    Dr. W

  57. #57 Adent
    26. Februar 2013

    @Spoing Kom42
    Das war kein Strohmann sondern Ironie.
    Was ich nicht verstehe ist, daß immer mehr Freiheit für den Markt gefordert wird, dieser aber offensichtlich so frei schon war die ganze Chose in den Dreck zu fahren. Oder war es die Schuld von zuviel Regulierung, daß die Banken in solchen Massen faule Immobilienkreditpakete verkauften? Wenn dem so war hätte ich gern einen Beleg dafür. Das dann staatskontrollierte Banken zu dämlich waren die Blase hinter diesen faulen Eiern zu erkennen ist wieder ein andere Thema.
    Meine Meinung dazu ist, es gibt zuwenige bzw. ineffiziente Kontrollsysteme des Marktes. Ob nun mehr Kontrolle oder eine effizientere ist mir eigentlich egal.

  58. #58 Ludger
    26. Februar 2013

    @Adent
    Wo wir gerade dabei sind: War das
    https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2013/02/23/rettet-den-liberalismus-vor-seinen-niedriglohndenkern/#comment-4834
    Strohmann oder Ironie? Oder glaubst Du wirklich, dass bei Lehman Brothers besonders viele FDP Anhänger tätig waren?

  59. #59 MJ
    26. Februar 2013

    @ Joseph Kuhn

    In einem Absatz werfen Sie mehr Schlagworte und Namen aus den Wirtschaftswissenschaften, als die gesamten Scienceblogs im Rahmen Ihrer Existenz (lange moegen Sie leben) abarbeiten koennten, selbst wenn sie wollten. Kein einziger Begriff oder Name ist auch nur im Ansatz eroertert. Der Kontext ist klar negativ. Und irgendwie soll das aber kein Aushau gegen Wirtschaftswissenschaften gewesen sein? Ich bitte Sie.

    Gary Becker hat die Annahmen zur individuellen Nutzenmaximierung um soziale Kategorien erweitert. Das Modell ist ziemlich sicher falsch, aber das ist eine Binsenweisheit fuer jedes Modell, egal ob in Wirtschaftswissenschaften oder sonstwo. Entweder das Modell hat dazu beigetragen, Erkenntnisse ueber die Welt zu erweitern, oder nicht. Ueber bekannt falsche Mikrofundierungen, mit denen die Erkenntnis erweitert wird, siehe Krugman ueber seine Arbeit mit dem, oh the irony, Dixit-Stiglitz-Modell fuer monopolistische Kompetition in seiner Handeltheorie (fuer “sowas” hat sowohl “ein Siglitz”, als auch “ein Krugman” einen Nobelpreis bekommen). Wird dagegen ihre naechste Kritik gerichtet sein, oder hat die Kritik bei Becker doch eher einen politischen Hintergrund (oder ist die These nun, das Becker den Nobelpreis fuer normatiove Aussagen bekommen hat?)? In der Profession war man offenbar der Meinung, dass Beckers Beitraege einen Nobelpreis verdienen (sein momentanes Ranking sagt mir, dass sie noch immer recht angetan von ihm ist; ebenso die bleibende Bedeutung von Konzepten wie dem Humankapital) – im Gegensatz zu Ihnen, der offenbar nicht sehr davon begeistert ist, dass “ein” Gary Becker fuer “sowas” einen bekommen hat (wobei eine Herabwuerdigung der Person und seines Lebenswerk in einem Satz schon eine gewisse Listung darstellt). Ist sein Beitrag also nutzlos? Irren Leute wie James Heckman, die auf seiner Arbeit aufbauen, sinnlos durch die Welt? Und stuetzt sich Ihre Kritik nun auf Wiedergabe einer Kritik, oder haben Sie konkret etwas auszusetzen?

    Und mit so einer Kritik an zentralen Beitraegen in den Wirtschaftswissenschaften aber wollen Sie sich dennoch den Schuh nicht anziehen, “die Wirtschaft” kritisiert zu haben, wohl weil Sie nicht gesagt haben:”Hiermit kritisiere ich die Wirtschaft.” Und ausserdem war da dieser grandiose Witz.

  60. #60 Adent
    26. Februar 2013

    @Ludger
    Ja das mit der Ironie hier ist so eine Sache 😉
    Also Klartext, es geht mir eigentlich weniger um die FDP an sich als her um das Geschrei nach freier Marktwirtschaft egal von wem. Die FDP ist nun mal eine der Parteien, die am lautesten nach noch freieren Märkten schreit, deshalb bashe ich sie hier (Achtung das bashe war Ironie).
    Die Frage die sich mir stellt ist, haben wir jetzt (bzw. 2007 folgende) eine zu stark reglementierte also zu unfreie Marktwirtschaft und hat das zu dem Immobilienfonddesaster geführt oder hat eine “relativ” freie Marktwirtschaft uns dieses beschert?
    Was meinst du dazu?
    Ich für mich als Nichtexperte habe wenig von marktwirtschaftlichen Kontrollmechanismen während dieser Krise gesehen oder gehört, was nicht heißt, das es diese nicht gibt, aber wenn es sie gibt haben sie kläglich versagt.

  61. #61 Spoing
    26. Februar 2013

    @Adent: Meiner Meinung nach war auch die ironische Aussage ein Strohmann aber egal, das tut ja nichts zum Thema.

    Die Finanzkrise, zumindest der von den Banken verursachte Teil (Den auch der größte Teil aus gemacht hat) basierte größtenteils auf mangelnder Kontrolle. Diese geschah aufgrund der gutgläubigkeit vieler Bankangestellter oder Aufgrund ihrer kriminellen Energie.
    Das entwickeln der meisten Anlagestrategien an sich war kriminell. Vieles davon weißt sogar Schneeballsystemcharakter auf. Dann gab es den anderen wichtigen Faktor, das verketten der Banken. Das hätte durch Kartellämter verhindert werden müssen.
    Es handelt sich als beides mal um schwere Fehler/Verstöße.
    Bei beiden würde ein unfreierer Markt genau so versagen. Hier wird glaube ich der Fehler begangen, dass frei = unkontrolliert gesetzt wird.
    Die “unsichtbare Hand des Marktes” verliert ihre komplette Wirkung bei unentdeckten kriminellen Handlungen oder Monopolisierung. Das ist in allen (Wirtschafts)Liberalen Denkströmungen (mittlerweile, spätestens seit 1930) anerkannt und muss deshalb auch in diesen effektiv verhindert werden.
    Jetzt kann sich der Liberalismus natürlich nicht raus reden, er habe damit nichts zu schaffen. Genauso wie reine Staatswirtschaft zu Zwangsarbeit etc. neigt, birgt freie Marktwirtschaft immer das Potential bei Fehlern Blasen zu entwickeln.
    Viele fordern jetzt Verbote und das ist aus liberaler Sicht eher weniger Notwendig als das gewährleisten von funktionierenden Kontrollen.

    Mein Mindestlohnbeispiel zeigt das recht gut. Liberal wäre es, anstelle von einem Verbot von Arbeit unter 8,50€ einfach dafür zu sorgen, dass die entsprechenden Branchen vernünftige Arbeitnehmerverbände gründen.
    Im letzteren Fall gibt es viel mehr Möglichkeiten wie es im Einzelfall dann doch noch zu niedrigen Löhnen kommen kann. (Zum Beispiel durch das besitzen des Machtmonopols seitens eines Arbeitgeber in der Branche)
    Dafür kann jedoch der Markt weit schneller und Flexibler auf geänderte Anforderungen reagieren als der Staat.

  62. #62 Spoing
    26. Februar 2013

    Da ich gerade Zeit und Lust habe mal etwas allgemeines zum Liberalismus.

    Dieser ist ja im Zuge der Aufklärung entstanden und hat ja die Freiheit des Individuums als oberstes erklärtes Ziel. In dieser Zeit hat sich die Säkularisierung entwickelt. Sie ist zum Teil aus den liberalen Strömungen hervorgegangen, hat selbige aber auch stark beeinflusst.
    In vielen Bereichen kann man wirtschaftsliberales Denken so nämlich ganz gut verstehen. Es geht um die Trennung von Staat und Wirtschaft wie früher die von Staat und Religion.
    Die Wirtschaft wird dann eher als (Teil der) die Gesellschaft mit all dem zwischenmenschlichen Handeln angesehen. Der Staat hat somit auch in der Wirtschaft nicht mehr Rechte einem etwas auf zu zwingen oder zu verbieten, als er dies in anderen Zwischenmenschlichen Bereichen machen darf. Je nach Menschenbild ergibt das dann verschiedene Ausprägungen des Liberalismuses. Während aus dem Humanismus hervorgegangene Strömungen den Mensch noch als durchweg edles Wesen ansehen und ihm somit unbegrenzte Freiheit gewähren wollen. Das ganze hat als Ziel dann sogar fast die Anarchie. Später kommt aufgrund der Kriege und der Wirtschaftskrise das Menschenbild “der Mensch ist des Menschen Wolf” oder auch dem des “Homo Ökonomicus” (wieder) in den Vordergrund. Daraus ergeben sich dann eher Strömungen wie dem Ordoliberalismus und der daraus resultierenden sozialen Marktwirtschaft.

    Abgrenzend zu den anderen Formen die es so gibt dürfte ein liberaler Staat dem Bürger keine Drogen verbieten (solange wie sie ihn noch Entscheidungsfreiheit lassen). Er darf nur aufklären und nach bestehenden Recht bestrafen. Er darf aber nicht seine Bürger daran hindern Straftaten begehen zu können, sondern nur selbige bestrafen oder zu unterbinden wenn sie gerade ausgeführt werden. In dem Bereich Freiheit gegen Sicherheit steht der Liberalismus also als Gegenstück zu autoritären Staaten. Im Links/Rechtsspektrum ist es hingegen nicht ein zu Ordnen. Ab und an wird das ganze recht praktisch in einem Dreieck dargestellt mit Liberalismus an einer Links an der anderen und Rechts bei der dritten Ecke. Die gemeinsame Seite von Links/Rechts ist dann autoritär.

    Deshalb finde ich den Artikel auch unpassend, da er hier ausufernde Extrembeispiele (die zudem noch unpassend zu geordnet) einer sehr breiten Strömung aufgedrückt werden. Ähnlich skurril mutet es sich auch immer an, wenn in Amerika manche schon eine Krankenversicherung mit Sozialismus gleich setzen.

  63. #63 Adent
    26. Februar 2013

    @Spoing
    Merci!
    Also, um es klarzustellen ich entschuldige mich hiermit öffentlich für FDP-Bashing!
    Wir sind uns anscheinend größtenteils einig, daß besser funktionierende Kontrollen wünschenswert sind.

  64. #64 Spoing
    26. Februar 2013

    @Adent: Och, FDP-Bashing ist gar nicht mal so falsch, die haben genug Blödsinn gemacht und zu wenig von dem gehalten was sie versprochen haben.
    Nur die Mövenpick”affäre” und der Wiedereinstieg in die Kernenergie kann man der FDP nicht als Lobbyismus vorwerfen, da sie dieses von Anfang an im Wahlprogramm hatten (und das auch nicht alleine)
    Und die Schleckerfrauen aus dem Artikel rechne ich der FDP da sogar noch an, da sie die Einzigen waren die hier eben vernünftig (kein Experte sah es anders)
    Das Boykottieren beim Schließen von Schlupflöchern und die Unfähigkeit eines der Zentralen Versprechen (Vereinfachung des Steuersystems) ohne Populismus (Verringerung der Steuern) kann man hingegen als “Lobby getrieben” kritisieren. Auch in Ökofragen stehen die nicht gut da (wollen das aber auch glaube ich nicht).
    Die meisten FDP-Wähler sind enttäuscht von der Partei und wählen nur um Rot/Grün zu verhindern, oder der Partei den Rücken für eine Selbstfindung zu stärken.
    Mit Samthandschuhen sind die somit auch nicht zu behandeln. Nur das das Bashing an Sexismusvorwürfen, verdrehten Nazivorwürfen oder sogar an das Umsetzen des Wahlprogramms auf gehangen wird stört.

    Dabei, und das hätte auch Joseph Kuhn hier weit besser als das Schleckerbeispiel nehmen können, hat zum Beispiel Rösler auf einer seiner letzten Grundsatzreden (glaube 3 Königstreffen) davon geredet die FDP müsse wieder Libertär werden, also zum extremen Liberalismus zurück finden. Sprich er hatte das gefordert, was den SZlern hier unterstellt wird und Kuhn kritisiert. (Wobei natürlich die Frage ist in wie weit in solchen Reden Übertreibungen vorhanden sind.)

  65. #65 Dr. Webbaer
    26. Februar 2013

    Er darf aber nicht seine Bürger daran hindern Straftaten begehen zu können, sondern nur selbige bestrafen oder zu unterbinden wenn sie gerade ausgeführt werden.

    Hüstel. – Law & Order ist keineswegs, wie einige Liberale zu denken scheinen, illiberal. Im Gegenteil, der Staat soll schlank sein, aber möglichst effizient – wenn es mal etwas zu tun gibt, Stichwort: Gefahrenabwehr, die, huch!, sogar per se verdachtsunabhängig zu handhaben ist.

    Der Staat darf im liberalen Sinne auch Drogen und deren Verkauf verbieten, auch wenn einige nicht dieser Meinung sind, so lassen sich hinreichend Gedankenexperimente entwickeln, die dies nahelegen.
    Der Staat darf auch das Autofahren unter dem Einfluss von Drogen verbieten, als präventive Strafe, es gibt ja noch keine eigentliche Tat und noch keinen eigentlich Geschädigten.
    Aber Sie haben natürlich recht, hier ist jeweils in der Debatte eine Lösung zu suchen, man muss vor allem auch aufpassen, dass sich auch alles (im Sinne von L&O) vollziehen lässt, wie geplant.

  66. #66 Dr. Webbaer
    26. Februar 2013

    (…) die FDP müsse wieder Libertär werden, also zum extremen Liberalismus zurück finden (…)

    Der Libertarismus ist kein ‘extremer Liberalismus’. – BTW, die Liberalen in den Staaten haben sich das Adjektiv ‘liberal’ von den Linken mopsen lassen, sie nennen sich jetzt sozusagen notgedrungen ‘libertär’.

    Es gibt übrigens auch in D seit langer Zeit linke Bemühung ähnlich das Adjektiv zu mopsen, Vertreter des sogeannten demokratischen (vs. totalitaristischen) Sozialismus wie Wagenknecht und Anhänger nennen sich gerne auch schon mal linksliberal. Die XXXX (JoDos) waren strenge Linke und bildeten in den Siebzigern den Nachwuchs der FDP, lol. Aber da gibt’s viele andere Beispiele. Der Traditionslinke will in der Regel nicht liberal sein, der Gefühlslinke will oft den Begriff des Liberalismus kapern.


    Dieser Kommentar wurde an der Stelle mit den XXXX moderiert. Bei der nächsten Entgleisung dieser Art wird der ganze Kommentar gelöscht. JK.

  67. #67 Dr. Webbaer
    26. Februar 2013
  68. #68 Joseph Kuhn
    26. Februar 2013

    @ MJ: Also, ich weiß ja nicht, welche Brocken Ihnen in den Kaffee gefallen sind. Erst werfen Sie mir ein “generelles Aushauen gegen alles, was irgendwie nach Wirtschaft klingt” vor und ich frage mich, wie Sie darauf kommen. Ich bin nicht gegen “die Wirtschaft”, ich wüsste auch gar nicht, wie ich das machen sollte, schließlich bin ich auch nicht gegen das Wetter.

    Und dann hauen Sie noch mal in diese Strohmann-Kerbe und schreiben: “In einem Absatz werfen Sie mehr Schlagworte und Namen aus den Wirtschaftswissenschaften, als die gesamten Scienceblogs im Rahmen Ihrer Existenz (…) abarbeiten koennten, selbst wenn sie wollten.”

    Ich habe im Blogbeitrag nachgezählt: Da kommen genau zwei Ökonomen vor. Becker, weil Tingler einen Satz formuliert, der auch von Becker stammen könnte, und Hayek, weil Tingler einen Satz formuliert, der von Hayek stammt. Auf beides gehe ich inhaltlich ein. Man könnte mehr dazu sagen, differenzierter argumentieren, aber das hätte die ideologisch oberflächliche Die-Liberalen-werden-missachtet-Jammerei Tinglers nun wirklich nicht verdient.

    Dafür kommen in Ihrem ersten Kommentar mit Stiglitz, Krugman, Phelps, Diamonds, Samuelson und Solow gleich 6 Wirtschaftswissenschaftler vor, dazu die beiden schon genannten Hayek und Becker, und noch der Philosoph Dworkin. Ein gutes name dropping. Die damit anskizzierten Hinweise finde ich auch alle richtig oder zumindest diskussionswürdig. Ich werde deshalb auch nicht zurückfragen, ob Sie all die Leute “im Rahmen Ihrer Existenz abarbeiten könnten”, ein selten blöder Satz, wenn ich das so direkt sagen darf, aber Sie haben ja auch nicht mit groben Klötzern gespart.

    Weiter: Auch wenn ich meinen Blogbeitrag noch einmal lese, kann ich nicht sehen, dass ich darin die Wirtschaftswissenschaften als solche angegriffen hätte (obwohl es dafür in bestimmten Hinsichten durchaus Anlass gäbe, das von Me´M initiierte Memorandum kennen Sie ja), gegen manche der genannten Leute möchte ich mich auch gar nicht positionieren. Was halten Sie mir da also vor? Dass ich Gary Becker nicht zustimme, wenn er versucht, alle möglichen menschlichen Verhaltensweisen über die Nutzenmaximierung zu erklären? Ist das schon Majestätsbeleidigung? In Kommentar 51 habe ich die schon im Blogbeitrag angedeutete Begründung für meine Sichtweise noch etwas konkretisiert. War das zu knapp? Es war mindestens so ausführlich, wie Sie Ihre Kritikpunkte erläutert haben.

    Wenn ich einem Ihrer wissenschaftlichen Idole zu nahe getreten bin, werden Sie wohl damit leben müssen. Falls Ihr Furor aber eventuell so motiviert ist, dass Tingler aus Ihrem persönlichen Umfeld kommt, sollten Sie das vielleicht sagen. Dann weiß man wenigstens, worum es geht. Anwürfe hinter dem Schutz eines Pseudonyms machen die Diskussion auch so schon seltsam genug.

  69. #69 Spoing
    26. Februar 2013

    “Der Libertarismus ist kein ‘extremer Liberalismus”

    Hmm, wo ist dann genau der Libertarismus einzuordnen?
    Ich hatte den immer innerhalb des Liberalismuses als Gegenstück zum Ordoliberalimus gesehen. (Natürlich ist extremer Liberalismus dann schlecht formuliert, da dieser ja die Obergruppe bildet).
    Während der Ordoliberalismus den Staat zwar klein aber möglichst stark halten will. (Damit er in seinen Kernaufgaben auch das letzte Wort hat.) will der Libertarismus den Staat möglichst ganz ab schaffen.

    Er ist somit das extrem des liberalen Gedankenganges.
    Also in ähnlicher Form wie man den Kommunismus als extremen Sozialismus bezeichnen könnte. Da dieser das Extrem des Gleicheitsgedanken darstellt.

    Habe ich mich somit nur schlecht aus gedrückt, oder hat der Bär noch eine ganz andere Unterscheidung?

    Nebenbei: Weiß jemand etwas dazu, ob Sprachforscher sich dem schon einmal angenommen haben? Das Wort Liberal ist ja sehr in Verruf momentan, da er mit den Krisen assoziiert wird. Das Wort Sozial komischer weise nicht obwohl der Sozialismus und der Nationalsozialismus ja eigentlich dazu führen müssten, dass dieses Wort aufgegeben und durch ein anderes ersetzt werden müsste. Wurde vll. die Negativkonnotation nur durch das National erzeugt, bzw. beim Sozialismus gar nicht, da dieser immer als Kommunismus bezeichnet wurde, sofern negativ davon gesprochen wurde? Gerade die Wahrnehmung der Auslegung der “Kernbegriffe” der politischen Ausrichtungen sollte ja für Sprachforscher interessant sein. (Öko, Konservativ etc. wären da auch interessant)

  70. #70 Dr. Webbaer
    26. Februar 2013

    @Spoing
    Lesen Sie selbst. Haha. – Sich selbst als liberal Einstufende, die ‘extrem’ oder gefährlich werden können, gehen Richtung Anarchismus, wobei es so Köstlichkeiten wie den Anarchokapitalismus gibt.

    Ja-ah, warten Sie mal ab – ‘Das Wort Liberal ist ja sehr in Verruf momentan, da er mit den Krisen assoziiert wird.’ – die Bürger werden zwar desinformiert von den Qualitätsmedien, aber sie wissen letztlich schon, dass es die eigenen Politiker sind, die die Staatsschuldenkrise bereiten.
    Für doitsche Bürger wird die Sache zukünftig noch wesentlich klarer werden, wenn die Transfer-Euro-Union wie geplant in großen Stil Steuergelder exportieren wird.

    Und fragen Sie bloß nie in der Regel linke Sprachfroscher.

    MFG
    Dr. W

  71. #71 Statistiker
    26. Februar 2013

    Herr Webbär, ich zitiere mal:

    “Die Linken haben nie viel verstanden”

    “Vertreter des sogeannten demokratischen (vs. totalitaristischen) Sozialismus wie Wagenknecht und Anhänger nennen sich gerne auch schon mal linksliberal. Die XXXX (JoDos) waren strenge Linke und bildeten in den Siebzigern den Nachwuchs der FDP, ”

    “Für doitsche Bürger wird die Sache zukünftig noch wesentlich klarer werden, wenn die Transfer-Euro-Union wie geplant in großen Stil Steuergelder exportieren wird.”

    Können Sie noch etwas anders als beleidigen und diffamieren? Offensichtlich nicht. Diskussionsunfähig sind sie ja, das wissen hier alle, und wo sie die Dreistigkeit hernehmen, sich auch noch “dr” zu nennen, schavant jedes Menschenverstandes (dies ist ein Genitiv, nur zur Verständnis, damit auch sie mal etwas lernen).


    Das Zitat des Webbären wurde hier ebenfalls moderiert. JK.

  72. #72 Dr. Webbaer
    26. Februar 2013

    @Statistiker
    Ja, sorry, wenn der Liberalismus billig attackiert wird und wenn Verteidiger wie Angreifer aus dem “Sprachraum D” irgendwie desinformiert scheinen oder sind, dann gehen Ihrem Kommentatorenfreund, dem Webbaeren, manchmal ein wenig die Gäule durch…

    Hat aber das allgemeine Niveau nicht stark gesenkt, oder?

    • #73 Joseph Kuhn
      26. Februar 2013

      Doch, der Kommentar oben hatte das Niveau erheblich gesenkt. Wie gesagt, so was wird im Wiederholungsfall gelöscht.

  73. #74 MJ
    26. Februar 2013

    @ Joseph Kuhn

    Ja, Tingler ist mein bester Freund, Hayek mein Grossvater, und Becker das, was Gott fuer den Papst ist. Geben Sie’s zu, Sie haben mich schon nach dem ersten Satz durchschaut. Es tut mir so leid, dass ich das alles nicht gleich gesagt habe!

    Sie haben direkt Beckers Beitrag zu den Wirtschaftswissenschaften angegriffen. Der Kommentar bringt dann irgendwelche normativen Ansichten ein – das war keine Spezifikation, sondern ein Ausweichen. Ich lese zwar seinen Blog – und politisch ist er meine Sache sicher nicht – aber von seinen wirtschaftswissenschaftlichen Beitraegen kenne ich direkt nichts. D.h. ich kann mich nicht erinnern, diesbezueglich etwas von ihm gelesen zu haben, und ich vermute, das haben wir gemeinsam. Ja, mein name dropping – nur bin ich ja auch nicht derjenige, der da in einem kurzen Satz die Arbeit eines Nobelpreistraegers herabmindert auf Basis einer Schlagwortkritik. Ich beurteile nicht Krugman, Solow, Samuelson, Stiglitz etc – Sie urteilen Becker so im Vorbeigehen ab.

    Was, konkret, die Kritik an Beckers wirtschaftswissenschaftlichen Beitraegen ist – abseits vom diffusen Gefuehl, dass ein Zitat von ihm stammen koennte, wuerde mich nach wie vor interessieren. Ich haette ja geschaetzt, dass er nicht ueber “neoklassische Wirtschaftstheorie” menschliches Verhalten erklaert (die Behauptung Tinglers, die sie ihm zuschreiben), sondern dass er eher versucht hat, ueber ein paar gestylte Annahmen menschlichen Verhaltens Praeferenz-Relationen abzuleiten, oder so – und dass es sich hier um eine Methode handelt, Mikrofundierungen zu erlangen, nicht um eine Theorie menschlichen Verhaltens. (Ganz ehrlich: er sagt es so in seiner Nobelpreisrede). Sie ordnen es Becker zu und bringen seinen Nobelpreis ein: es ist eine direkte Anspielung auf seinen akademischen Beitrag, also muss er es da ja irgendwo gesagt haben. – Wo?

    An dieser Stelle sage ich irgendwas mit “bloed” und haenge eine Pseudo-Rechtfertigung an.

  74. #75 Spoing
    26. Februar 2013

    @Webbär
    “wobei es so Köstlichkeiten wie den Anarchokapitalismus gibt”

    und die kann der Libertarist genau so wenig leugnen, wie die Anhänger der Sozialisten sagen können die DDR hätte nichts mit dem eignen Weltbild zu tun oder der Christ die Kreuzzüge wegwischen kann oder der Kommunist die SU relativieren kann. Das alles sind gescheiterte Extreme oder krude Auslegungen einer Form. Man selbst kann sich nur davon Distanzieren und sagen, dass das mit der eigenen Interpretation und Auslegung der Grundwerte nicht zu rechtfertigen ist.

    Wie würde man den Anarchokapitalismus denn sonst am besten einordnen? Für mich ist er eine krude, “romantische” Form des Libertarismus. Welcher wiederum eine strenge Auslegung des liberalen Gedankens ist.
    Vll. Kathegorisiere ich auch einfach zu viel und unnütz, da selbige Formen höchstens ein paar kiffenden Studenten geläufig seien wird. (Von selbigen habe ich zumindest das erste mal gehört).

    Anarchokapitalismus würde ich aus meiner Sicht als extrem Links einstufen und würde sie auch nicht mehr als Liberal anerkennen. Bei einer objektiven Einordnung würde ich ihre Grundideale jedoch eher dem liberalen als den sozialistischen Gedanken zuordnen.

    Ansonsten hätte ich gerne mal die Definition des Webbären von Libertär. Gehört der Liberalismus der Freiburger Schule schon zum “von den Linken geklauten” liberalen. Oder gehört diese auch zu der Schiene derer die sich notgedrungen Libertär nennenden.Wo ist dann die Chicagoer Schule ein zu ordnen? Irgendwie bleiben mir Ihre Ausführungen immer zu wage damit ich mir sicher seien kann Sie richtig zu verstehen.

    Zum Beispiel die Verdachtsunabhängige Gefahrenabwehr aus Beitrag #65. Wie ist so etwas auf den liberalen Grundprinzip zu legitimieren? Sicherlich möglich, aber nur durch zur Hilfename weiterer moralischer Aspekte. Die Mehrheit aller liberalen Strömungen würden das individuelle Freiheitsrecht höher gewichten als das Recht auf Sicherheit. Eine Verdachtsunabhängige Hausduchsuchung wäre da schwer zu legitimieren.
    Damit der Staat Drogen Verbieten darf muss man aus liberaler Sicht einen von zwei Standpunkten heranziehen. Entweder leitet man aus dem Recht auf Freiheit weitere Pflichten ab, oder man sieht Bewusstseinverändernde Stoffe per se als Freiheitsgefärdent an. Beides durchaus machbar, aber dann schon sehr spezielle liberale Auslegungen.
    Das Verbieten von Autofahren unter Drogeneinfluss ist jedoch für fast keine Liberale Denkrichtung Problematisch, da hier ja die Person nicht mehr ausschließen kann, dritte zu gefährden. Somit ist das Fahren unter Drogen an sich schon die Straftat. Und keine “präventive Strafe”.
    Außerdem sagte ich “präventive Bestrafungen” und nicht “Gesetze zur Prävention” erlassen.
    So kann ein liberaler Staat zwar Waffen verbieten oder reglementieren, er darf aber keine unbegründeten Kontrollen auf Waffen durchführen.

  75. #76 Joseph Kuhn
    26. Februar 2013

    @ MJ: Das Durchschauen ist eher das Metier der Radiologen. Damit kann ich nicht dienen. Aber ich wundere mich, dass Sie in diesem Thread so persönlich werden und mir ständig Sachen unterstellen, die ich schlicht nicht gesagt habe, Ihre früheren Kommentare waren anders. Da wird man eben nachdenklich.

    Zu Gary Becker: Sie fangen an, mir ein Stöckchen hinzuhalten, damit ich noch mal und noch mal drüber springe. Einmal noch:

    Es geht um Beckers Anspruch, menschliches Verhalten grundsätzlich aus individuellen Kosten-Nutzenkalkülen heraus analysieren zu können: Becker G (1982) Der ökonomische Ansatz zur Erklärung menschlichen Verhaltens. Tübingen. Eine Art kurzer Rezension gibt es z.B. hier: https://www.zeit.de/2000/03/200003.becker35_.xml, es ist auch sonst genug Material dazu online.

    Das halte ich für einen Ansatz, dessen normative Grundlagen hoch problematisch sind, vom methodischen Individualismus angefangen bis dahin, dass so alles eine Frage der Nutzenabwägung wird. Auch jede Freundschaft. Sie hält, solange sie nützlich ist. Dass das in der Wirklichkeit nur zu oft der Fall ist, weiß ich auch. Dass damit menschliches Verhalten als Modell gut abgebildet ist, ist nach allem, was man über die phylogenetische, ontogenetische und sozialisatorische Entwicklung des Sozialverhaltens weiß, falsch. Exemplarisch hatte ich auf Tomasello verwiesen, über dessen Bücher findet man genug im Internet, aber Sie können statt dessen gerne auch die gesamte Entwicklungspsychologie nehmen und sich von Piaget bis zum Ende durchlesen. Sofern das “im Rahmen Ihrer Existenz abzuarbeiten ist”. Es ist auch normativ heikel, eben weil es alle Beziehungen als Nutzenoptimierungsgegenstände erscheinen lässt. Dazu hatte ich auf Nida-Rümelin verwiesen, weil dessen Buch “Die Optimierungsfalle” sich mit fast nichts anderem beschäftigt. Jetzt kann man sagen, Becker wollte doch gar keine psychologische Theorie oder keinen gesellschaftsethischen Beitrag formulieren. Aber die Methode modelliert eben – implizit oder explizit – den Gegenstand, über den man forscht, bzw. genauer gesagt, sie beinhaltet – implizit oder explizit – Annahmen über ihren Gegenstand.

    Vieles was Becker geschrieben hat, mag trotzdem gute Wissenschaft sein, der Kritik enthoben ist er deswegen aber noch lange nicht. Trotz Nobelpreis. Es soll Leute geben, die sogar den Papst kritisieren.

    Hätten Tingler oder Beise in ihren SZ-Beiträgen über das und die anderen Punkte auch nur ansatzweise Nachdenklichkeit erkennen lassen, hätte ich den Blogbeitrag nicht geschrieben. Aber ihre Texte sind nur ideologische Pamphlete. Ich nehme an, Sie haben keinen gelesen, weder den Tinglers noch den Beises?

  76. #77 Dr. Webbaer
    26. Februar 2013

    @Kuhn
    FYI: Das war ein Schreibfehler, der wegen der bekannten Abkürzung für die Jungen Demokraten passierte – und der umgehend korrigiert worden ist:
    -> https://www.duden.de/rechtschreibung/Judo_Person_Jungdemokrat

    Es war KEINE Entgleisung.

    • #78 Joseph Kuhn
      26. Februar 2013

      … hoffen wir es.

  77. #79 Dr. Webbaer
    26. Februar 2013

    @Spoing
    Die Semantik ‘libertas’ = ‘Freiheit’, ‘liber’ = ‘frei’ sollte klar sein. Ansonsten soll an dieser Stelle auf die üblichen Quellen verwiesen werden, der Libertarismus ist in keiner Hinsicht ‘extrem’.

    Der Anarchismus ist halt anarchistisch, der der Aufklärung verpflichtete Liberale, der den Staat benötigt, sollte nicht anarchistisch werden, schwierig zu sagen, was das mit dem Anarchokapitalismus soll. – Ansonsten können beliebige Gruppen, also auch Linke, anarchistische Tendenzen entwickeln. Man kennt ja die sogenannten Autonomen aus diesem Spektrum.

    Die Gefahrenabwehr ist auch deshalb mit dem ‘liberalen Grundprinzip’ zu vereinbaren, weil es in diesem Sinne kein Grundprinzip gibt. Außer vielleicht: Der Liberale sollte nie dumm werden und das Geplante muss auch funktionieren, also die Stakeholderinteressen berücksichtigen, also auch Sicherheitskräfte.

    Dass das mit der aktuell d-gegebenen Justizministerin nicht direkt zu machen ist, scheint klar. Die hat früher auch bei den Judos rumgemischt, wenn die Erinnerung des Schreibers dieser Zeilen nicht trügt, sie ist linksliberal, deckt zumindest diesen noch existierenden FDP-Flügel ab.

    MFG
    Dr. W (der allerdings schon mal ein besserer FDPologe war, das Interesse nimmt ab – und der sich nach der Enttäuschung mit Dr. Kuhn nun ausklinkt – abär: Weiterhin viel Erfolg, gute Anlagen!)

  78. #80 MJ
    27. Februar 2013

    @ Joseph Kuhn

    Ja, ich habe eine Quecksilbervergiftung, das schlaegt aufs Gemuet, und vor allem aufs Hirn. Das waeren dann aber Zusammenhange, die ich dann selbst eventuell nicht beurteilen kann.

    Natuerlich ist Becker nicht von Kritik ausgenommen. Aber die Kritik sollte auch tatsaechlich getaetigt werden. Sie verdrehen hier einfach nur mehrmals die Augen (zuert mit Becker, dann mit dem “alten Hayek”, dann mit dem einfach eingeworfenen, nicht auseinandergesetzten, aber klar negativ gemeinten “oekonomischen Imperialismus” – ehrlich: wenn interessiert’s, was jetzt “selbst” Schirrmacher zu was auch immer sagt? Entweder, ein Modell ist brauchbar oder nicht, und ich hoffe, Schirrmacher hat dabei nichts mitzureden, sondern eher der Erfolg oder Misserfolg des Modells).

    Das Mikrofundierungen falsch sind, ist generell eine nachgerade banale Feststellung. Nehmen Sie sich den Waelzer “Microeconomic Theory” her, da wird ab Seite 7 (Kapitel 1 “Preference and Choice”) darauf hingewiesen. Warum verweisen Sie mich dauernd auf irgendwelche Buecher, als ob sich das unter Okeonomen nicht schon bis ins mieseste Lehrbuch rumgesproechen haette? Gilt es nicht, solange ich es nicht in der Optimiersungsfalle gelesen haette? Nicht einmal grundsaetzlichste Aussagen – naemlich der Art, dass ein Individuum ueberhaupt eindeutige Preferenz-Relationen taetigen kann, ist aufrechtzuerhalten – und das brauchen wir, um sinnvoll individuelle Nutzenfunktionen zu definieren. Ihre Arbeitshypothese ist, Leute wie Becker wuessten das nicht? Was Sie kritisieren, ist eine Art von “wertneutraler” Wirtschaftstheorie, wie sie Samuelson in den 50ern vorangetrieben hat. In einer Zeit, in der Hayek eine Profession, die grossteils meinte, effiziente Zentralplanung richtig gemacht sei moeglich, vom Gegenteil ueberzeugen musste. Zum Teufel, in einer Zeit, in der Marxismus noch als vollgueltige Wirtschaftstheorie aufrecht war. All das ist vorbei, lange schon.

    Und es ist weder neu, noch wirtschaftsspezifisch. Wir wissen auch, dass die Modelle chemischer Bindung, wie sie von Synthetikern in der Regel verwendet werden, falsch sind (aber praktisch fuer ihre Zwecke, und sie kriegen super Molekule damit hin). Bei primaklima koennen sie ueber die Falschheit von Klimamodellen nachlesen (und der Unsinnigkeit diverser Schlussfolgerungen daraus in Skeptikerkreisen). Und wie gesagt, bei Krugman koennen sie nachlesen, wie er im vollen Bewusstsein seiner Falschheit ein bestimmtes Wettbewerbsmodell als Grundlage seiner Arbeit hergenommen hat. Die Frage ist, ob mit dem Modell richtige, oder zumindest pruefbare Aussagen hinzubekommen sind im Kontext des Problems, das man loesen will. Kann man soziales Mitgefuehl mit Schwaecheren mit “inequality aversion” erklaeren? Sicher nicht. Kann man das Verhalten damit abbilden? Das wollte Becker u.a.wissen – die Frage, ob er das Verhalten “richtig erklaert”, ist schlicht eine Themenverfehlung. Voellig unabhaengig davon, ob er nun falsch oder richtig liegt. Es geht um ein paar gestylte Annahmen, was Menschen wollen – und die relevante Frage ist, ob er damit zu richtigen Aussagen kommt. (Das alles natuerlich ueberschattet von der Tatsache, dass jede Theorie sich im Laufe der Zeit ueberlebt – das wir heute weissen, was er falsch gemacht hat, immerhin in den 60ern und 70ern, gibt uns kaum eine relevante Information ueber die Nuetzlichkeit seiner Arbeit, Newton laesst gruessen).

    All dies sind ernstzunehmende Themen, und weder Hayek noch Becker sind Clowns. Sie haben es nicht verdient so nebenher unter den Bus geschmissen zu werden, nur weil irgendwer einen schlechten Artikel geschrieben hat. Und zwar sicher nicht, weil ich so verliebt in die beiden oder irgendein Konzept waere. Sie nehmen die “ideologischen Pamphlete” von Tingler oder Beise (wer auch immer die sind) als Anlass, ueber Becker drueberzufahren, Hayek alt aussehen zu lassen, und ein paar Schlagworte unergruendet in einen negativen Kontext stehen zu lassen. Das Problem ist nicht die Kritik an Tingler – es ist die nahtlose Ueberleitung zu Becker, der dann als dieselbe Art Pausenclown abgekanzelt wird.

    Und nein, ich habe den Artikel nicht gelesen (wo ich bin, gibt’s nicht einmal eine Sueddeutsche) – und die Kritik am Aritkel per se selbst habe ich foglerichtig ja auch gar nicht angegriffen. Sie nehmen also goldrichtig an.

    Tomasello und/oder Piaget kriege ich im Rahmen meiner Existenz sicher nicht mehr hin, aber wie gesagt: ich habe die beiden ja auch nicht ungelesen als Unsinn abgekanzelt – und schon gar nicht die verwandten Fachbereiche, uber deren Grundlagen ich einfach nicht aufgeklaert bin.

  79. #81 Itoto Hamey
    27. Februar 2013

    Den Artikel der SZ habe ich zu Herrn Kuhns Pech noch immer vorliegen und kann bei Bedarf daraus zitieren. Bspw. hat sich Tingler deutlich auf Großbritannien und die Schweiz als zivilisierte Länder bezogen. Deutschland hatte er nicht erwähnt: wahrscheinlich Joseph Kuhns Zitatpicking und das Quantilpicking in Sachen Vermögensungleichheit vorausahnend.
    Einen zentralen Satz hatte Herr Kuhn verblüffenderweise nicht kritisiert: “Doch Freiheit scheint gegenwärtig nicht hoch im Kurs zu stehen, jedenfalls in den großen, immer noch überbürokratisierten und paternalistisch orientierten Staatswesen Mitteleuropas, vor allem in Deutschland und Frankreich”. Schade um einen diskussionswürdigen Satz. Denn Herr Kuhn bestätigt mit seinem Blog diese Einschätzung aufs höchstquantiligste.

    Doch tatsächlich regt sich Herr Kuhn ja nur über die “stiff upper lip” auf, von der er irrigerweise glaubt, Tingler fordere sie von den Unterprivilegierten. Da kommt dann halt so ein unterirdischer rant heraus, der lediglich linke Folklore bedient und in einem Blog, das mit “science” zu tun hat, so rein gar nichts verloren hat.

  80. #82 MJ
    27. Februar 2013

    @ Itoto Hamey

    Ich kann Ihnen versichern, dass sich die franzoesischen Buerger seit Jahrzehnten aus freien Stuecken fuer ihr überbürokratisiertes und paternalistisch orientiertes Staatswesen entscheiden. Und ich glaube, in Deutschland ist es ganz aehnlich. Wenn eine liberale Idee von Freiheit partout nicht mit der Idee des Wahlviehs uebereinstimmt, dann ist vielleicht mit der liberalen Idee etwas nicht ganz korrekt. Vielleicht haben Waehler gar keinen so schlechten Reflex, wenn es um paternalistische Ideen geht.

    A propos Leviathan, Ta-Nehisi Coates bespricht gerade (im Zuge des “effete liberal book club”), uhm, Leviathan auf seinem Blog. Ein Kapitel pro Woche, und die Kapitel sind kurz – wird etwa ein Jahr dauern. Er selbst ist Laie fuer… das, und alle anderen (Kommentarteil) auch. Alle koennen sich blamieren, keiner muss sich schaemen, Coates macht es vor. Letzte Woche war Kapitel 2 dran. Voilà:

    https://www.theatlantic.com/personal/archive/2013/02/western-thought-for-avid-atheists-and-sucker-mcs/273427/

  81. #83 MJ
    27. Februar 2013

    Oh, und Leviathan, wer die Details nicht mehr im Kopf hat (aehaem…):

    https://www.gutenberg.org/files/3207/3207-h/3207-h.htm

  82. #84 Joseph Kuhn
    27. Februar 2013

    @ MJ: Wie gesagt, nochmal springe ich nicht über das Becker-Stöckchen. Die Sache betrachte ich als abgehakt.

    Ihr anderer Punkt: Dass Modelle Modelle sind und auch dass es Probleme mit konsistenten Präferenzen gibt (Arrow, den Namen darf ich sicher mal fallen lassen, unabhängig vom “Rahmen meiner Existenz”), ist mir nicht ganz fremd, etwas Wirtschaftswissenschaft habe ich – zugegeben vor vielen Jahren – auch mal gehört. Sogar die Tatsache, dass Zentralplanungsideen nicht sehr erfolgreich waren, ist nicht an mir vorbeigegangen, 1989 habe ich noch in Berlin gelebt. Aber Modelle können in verschiedener Weise davon abweichen, wie ihr Gegenstand beschaffen ist. Sie können “Idealtypen” darstellen, sie können selektiv bestimmte Aspekte herausheben, oder auf heuristische Funktionen getrimmt sein etc. – all das ist kein Beinbruch. Das ist in der Epidemiologie nicht anders. Kein Regressionsmodell zum Zusammenhang von Lebensstilfaktoren und Herzinfarkten gibt die kausalen Zusammenhänge hier “medizinisch richtig” wieder, trotzdem liefern diese Modelle gute Erkenntnisse. Modelle können aber auch Implikationen enthalten, die ihren Gegenstand in wichtigen Aspekten (wichtig in Relation zu einem konkreten Bestimmungsmoment) regelrecht deformieren, darauf muss man aufmerksam machen dürfen. Für Becker mag es vor dem Hintergrund aufklärbarer Varianz in empirischen Befunden vernachlässigbar sein, welche psychologischen und ethischen Implikationen sein Modell hat, unter psychologischen und ethischen Gesichtspunkten ist es das nicht. Dazu “Themaverfehlung” zu sagen, stellt schlicht eine solche dar.

    Und nein, ich nehme nicht die Pamphlete von Tingler und Beise, um Hayek und Becker “nebenher aus dem Bus zu schmeißen”, umgekehrt wird ein Schuh draus.

    Vielleicht können wir es dabei belassen und wieder zu einer sachlicheren Diskussion zurückkehren. Ich habe, wie gesagt, Ihre Anregungen im letzten Thread (übrigens auch Ihre Hinweise hier) sehr geschätzt, gerade weil Sie eine andere Sichtweise mit guten Referenzstellen einbringen und zum Nachdenken über eigene “Selbstverständlichkeiten” anregen. Es muss ja nicht immer Konsens am Ende herauskommen.

    @ Itoto Hamey: Was Tingler mit der stiff upper lip gemeint hat, ist mir schon klar, ich glaube, da ist Ihnen einfach entgangen, was ich meine. Macht nichts. Wird schon noch. Fangen Sie einmal damit an, die Überschrift meines Blogs noch einmal zu lesen und auch noch einmal den Hinweis, dass diese Überschrift ernst gemeint war. So wenig wie ich “gegen die Wirtschaft” oder “gegen das Wetter” bin, bin ich “gegen die Freiheit”. Gehen Sie einfach einmal davon aus, dass ich selbst gerne “frei” bin. Aber nur weil der freie Lohnarbeiter so heißt, verkörpert er in seiner realen Gegebenheit, bei Amazon oder bei Schlecker, noch lange nicht die Freiheit, die ich meine. Und ersparen Sie mir bitte die nochmalige Wiederholung, dass Tingler das auch nicht so gemeint hat. Dann hätte er seinen Text eben anders schreiben sollen.

  83. #85 Realistischer
    27. Februar 2013

    Wenn fast alle nur noch geliehenes Kapital haben, und kein eigenes mehr, dann besteht der Unterschied zum Kommunismus nur noch in den Bezeichnungen.

  84. #86 MJ
    27. Februar 2013

    Das tut mir leid, dass ich Sie da enttaeuscht habe, Sie sind nicht der erste, und Sie werden nicht der letzte sein. Wenn Sie meinen Kommentarstil abusiv finden, noch dazu, wo ich pseudonym unterwegs bin, dann sperren Sie mich einfach. Ich mache wegen sowas auch kein Theater, es ist Ihr Blog.

    Und ich halte Ihnen auch kein Stoeckchen hin. Becker habe ich gewaehlt, weil Sie da einfach am herabwuerdigsten sind. Sie schreiben:”Da ist man in der Denkwelt eines Gary Becker, der für so etwas 1992 den Wirtschaftsnobelpreis bekommen hat.” An sich wuerde es schon reichen, wenn cih zeigen koennte, dass er a) nicht kleinen Kindern die Suessigkeiten stiehlt uind b) seine Beitraege nicht total laecherlich sind. Dahingegen hat nichts in Ihren Kommentaren durchblicken lassen, dass Sie mit seiner Methodik und der empirischen Belastbarkeit seiner Ergebnisse ausreichend vertraut sind, um zu einem derart steilen Urteil zu gelangen – es ist eine Kritik an irgendwelchen Schlagworten: Becker-Kritik ohne Becker. Und die Frage, wie sein Werk unabhaengig von seiner Zeitgemaessheit im historischen Kontexrt aussieht, wurde dabei noch gar nicht angeschnitten.

    Aehnliches gilt auch fuer den nicht weiter eroerterten “alten Hayek”; den oekonomischen Imperialismus; die unsichtbare Hand, die zur harten Hand wird.

    Ich glaube nach wie vor, dass es jemandem, der sich nicht hauptberuflich damit beschaeftigt, unmoeglich ist, all diese Themen in der Zeit eines Lebens abzuarbeiten – vor allem, wenn so starke Schlussfolgerungen gezogen werden sollen. Sie finden diese Ansicht derartig unterirdisch bloed, dass Sie sie darauf herumreiten, als wuerde dies nicht eher ein, gelinde gesagt, uebermaessiges Selbstvertrauen in Ihre Wissen zur Schau stellen, von dem sich bis auf Querverweise, was irgendwer irgendwo ueber irgendetwas vage Definiertes gesagt hat, bisher nicht wirklich etwas materialisiert hat.

  85. #87 MJ
    27. Februar 2013

    Und jetzt das. Stéphane Hessel ueber Werte, Lehren aus seinem Leben, und Occupy Wallstreet:

    https://www.democracynow.org/blog/2011/10/10/stphane_hessel_on_occupy_wall_street_find_the_time_for_outrage_when_your_values_are_not_respected

  86. #88 Joseph Kuhn
    27. Februar 2013

    @ MJ: Tja, schade. Auf dieses Niveau kann ich mich nicht herunterlassen, das macht mein Rücken nicht mehr mit. Da wird mir die Diskussion mit der spätpubertären Generation dann doch zu anstrengend.

  87. #89 MJ
    27. Februar 2013

    Ja, whatever, weiter oben waren meine Anwandlungen noch die Rechtfertigung, ganz un-spaetpubertaer einen “selten bloeden Satz” von mir zu identifizieren, mit dem Sie dann in jedem einzelnen darauffolgenden Kommentar in wachsender Abwandlung herumgestichelt haben. Jetzt sind sie erwachsen, Gandalf der Weisse, mein Niveau zu niedrig, und bei meinen Stoeckchen habe ich mich auch verkalkuliert. Sie stehen drueber, ich leider noch nicht.

    Deswegen habe ich mir letzte Nacht ein paar Papers von Becker um die Ohren gehauen, vielleicht schaffe ich ja ein bisschen in meiner Lebenszeit. Denn Sie haben ja ein Zitat mit ihm identifiziert, wonach er menschliches Verhalten qua Wirtschaftstheorie erklaert. Das koennte zweierlei bedeuten: a) er hat ein Modell, mit dem er Daten ueber bestimmte soziale Muster abbilden kann, b) er kann erklaeren, wie soziale Relationen funktionieren. Ich dachte es ist a), einfach weil das nach mikrooekonomischen Ansatz klingt, und dass b) hauptsaechlich eine Fehlinerpretation eines Buchtitels oder irgendwelcher Schlagworte ist. Also, stellvertretend, hier eine Passage aus “A Theorie of Marriage”:

    “Household-produced commodities are numerous and include the quality of meals, the quality and quantity of children, prestige, recreation, companionship, love, and health status. Consequently, they cannot be identified with consumption or output as usually measured: they cover a much broader range of human activities and aims. I assume, however, that all commodities can be combined into a single aggregate, denoted by Z. A sufficient condition to justify aggregation with fixed weights is that all commodities have constant returns to scale, use factors in the same proportion, and are affected in the same way by productivity-augmenting variables, such as education. Then different commodities could be converted into their equivalent in terms of any single commodity by using the fixed relative commodity prices as weights.5 These weights would be independent of the scale of commodity outputs, the prices of goods and the time of different members, and the level of productivity.

    Maximizing utility thus becomes equivalent for each person to maximizing the amount of Z that he or she receives.”

    Wie diese Beziehungen aussehen, ist Becker voellig egal. Was er feststellt ist einfach, dass es neben Profit andere Faktoren gibt, die offenbar eine Rolle spielen (das war vorher nicht in den Modellen enthalten). Er sagt explizit, dass er da keine Theorie ueber die angefuehrten Begriffe (die nominellen “household-produced commodities”) macht, die sich eben genau NICHT wie uebliche “commodities” verhalten. Also macht er eine Liste, nur um sie dann sofort zu schmeissen und so lange voellig absurde Annahmen zu machen (single aggregate, constant returns to scale, use factors in same proportions, die Konversion dieser commodities, etc.) bis er sie in ein bestimmtes Modell zwaengen kann, das mathematisch handhabbar ist. Und, interessant genug, er kriegt Ergebnisse, die mit empirischen Befunden ueberein stimmen. Ist IRGENDwas an seinen Annahmen realistisch? Kaum:

    “If M and F are married, their household is assumed to contain only the two time inputs tm and t1; for simplicity, the time of children and others living in the same household is ignored.”

    Das geht die ganze Zeit so dahin. Folgt jetzt irgendwie, dass er “falsch” gelegen hat, was die Zeitallokation in einer wirklichen Familie betrifft? Das waere absurd: das ist einfach nicht sein Thema! Warum dann also Aussagen wie “Beziehungen wie “Freundschaften” bekommen dann z.B. etwas ziemlich Instrumentelles. So funktioniert unser Zusammenleben auch nicht (…)”? Klar haben solche Begriffe bei Becker etwas Instrumentelles – das das Zusammenleben so nicht funktioniert ist dagagen eine voellig irrelevante Feststellung. Becker behauptet es gar nicht, im Gegenteil: er macht nicht die geringste Aussage darueber, wie Freundschaften (oder sonstige soziale Relationen) funktionieren (siehe etwa “A Theory of Social Interactions”). Die Kritik, die dann noch uebrig bleibt, ist, dass Becker sich mit etwas anderem beschaeftigt hat, als Sie interessiert. Auch das ist nicht sonderlich relevant. Dahingegen kriegt er empirische Befunde und trends richtig hin: etwa die wachsende Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt; Unterschiede in Heiratsraten zwischen arm und reich etc. Oder warum Beziehungen im Westen meist monogam sind: es ist am effizientesten! Es versteht sich von selbst, wuerde man meinen, dass damit nicht eine Erklaerung gemeint ist im Sinne eines Individuums, das sagt:”Ich heirate eine Person, und nur eine, weil das ist am effizientesten.”

    Nochmals, da oben steht:”Da ist man in der Denkwelt eines Gary Becker, der für so etwas 1992 den Wirtschaftsnobelpreis bekommen hat.” Das ist ziemlich starker Tobak gegenuber einem der meistzitierten Oekonomen uberhaupt – und das ihm zugeschriebene Zitat ziemlich offensichtlich nicht seine “Denkwelt”. Ich haette gedacht, dass diese Aussage irgendwie konkret untermauert werden kann, d.h. ueber kaum umstrittene Schlagworte à la ‘Aber Nutzenmaximierung kann nicht alles sein!’ hinaus. Offenbar nicht.

    Die Sache ist, wie gesagt, nicht, dass ich von Becker so angetan waere (obwohl ich beeindruckt bin, dass ein einzelnes, so primitves Modell mit absurd simplistischen Inputs solche Voraussagen machen kann, zumindest auf den ersten Blick! Gab es in den 70ern irgendwas Vergleichbares?). Aber ich denke, bei jedem herrscht eine gewisse Praedisposition, die peroenliche Weltsicht mit moeglichst vielen Argumenten auszustatten. Das ist ja an sich auch gut. Aber wenn es falsch laeuft, dann hat man einen Katalog an Argumenten gegen vermeintliche Positionen in der Hand, die man ueberhaupt nicht kennt. Man kennt die Kritik, aber nicht das Objekt der Kritik. Und dann kritisiert man Becker, weil angeblich soziale Interaktionen wirtschaftlich erklaert, und meint damit eine Karikatur, die nicht viel mit Beckers Werk zu tun hat.

    Das war die Kritik, von Anfang an: da spuken ein Haufen Begriffe und Namen mit negativen Labels versehen herum, deren Rechtfertigung weder einzeln, noch im Kontext eroertert wird. Spezifisch bei Becker glaube ich mittlerweile, dass Sie ihn wirklich falsch rezipiert haben, und zwar darstellbar falsch. Ob mich ein spaetpubertaeres Beduerfnis dazu getrieben hat, sei dahingestellt, vielleicht ist es einfach nur mein niedriges Niveau, oder ich schreibe einfach generell nur selten bloede Saetze, wenn ich das so sagen darf – ich sehe nicht ein, warum die Liste hier schon enden sollte. Am Ende durschauen Sie mich vielleicht nicht, haben aber neben meiner Freundschaft mit Tingler und meiner Idolisierung Beckers genuegend Qualifikatoren gefunden um mich mit Bart Simpson zu identifizieren. Dass ich am Ende irgendwie ein Idiot bin ist auch das wichtigste.

  88. #90 MJ
    28. Februar 2013

    Um nochmals kurz auf Hessel zurueckzukommen, weil er fuer das Thema Ungleichheit ja relevant ist: in europaeischen Medien findet sich anlaesslich seines Todes offenbar wesentlich mehr als in amerikanischen. Ich bin immer vage davon ausgegangen, dass die von ihm ausgehende Bewegung und die Occupy-Bewegung zwei Manifestationen sehr verwandter Ideen sind. Nun stelle ich fest, dass ich abgesehen von ein paar Trivialitaeten da eigentlich kaum etwas darueber weiss.

    Kennt jemand fuer mich eine Darstellung, etwa in Form eines Essais, die Hessel in den breiteren Kontext der weltweiten diesbezueglichen Protestbewegungen stellt?

    Nicht wirklich eine Antwort darauf hier ein Artikel von Claire Tancons (englisch) ueber Occupy, Graeber, und Hessel – und vor allem die unvermutete Bedeutung von Karneval als Protestform, den ich recht interessant fand:

    https://www.e-flux.com/journal/occupy-wall-street-carnival-against-capital-carnivalesque-as-protest-sensibility/

  89. #91 Joseph Kuhn
    28. Februar 2013

    @ MJ:

    “Spezifisch bei Becker glaube ich mittlerweile, dass Sie ihn wirklich falsch rezipiert haben, und zwar darstellbar falsch.”

    Nein. Siehe Kommentar #84.

    “Dass ich am Ende irgendwie ein Idiot bin ist auch das wichtigste.”

    Was für ein Unsinn. Die Argumentationsfigur der “beleidigten Leberwurst” endet meist im Selbstgespräch. Was soll man denn darauf noch antworten?

  90. #92 MJ
    28. Februar 2013

    “Was soll man denn darauf noch antworten?”

    Naja, vielleicht noch ein paar Kommentare wie Ihnen das jetzt aber wirklich zu niveaulos und dem allen nichts mehr hinzuzufuegen ist, etwa so:”Was soll man denn darauf noch antworten?”

  91. #93 Joseph Kuhn
    1. März 2013

    Die Freiheit muss gerade wirklich in großer Gefahr sein. Heute ist in der FAZ ein Artikel von Karen Horn, “Sklavenhalter der Zukunft” überschrieben. Der Artikel ist zumindest im Moment auf der Internetseite der von Karen Horn geleiteten “Wert der Freiheit gGmbH” online zugänglich:
    https://www.wertderfreiheit.net/images/Sklavenhalter2013.pdf

    Der Artikel ist durchaus lesenswert. Er kritisiert eine auf verhaltensökonomische Befunde gestützte Politik als “libertären Paternalismus”. Eine solche Politik kann man heute in vielen Bereichen beobachten, auch Teile von Public Health stützen sich (mehr oder weniger bewusst) darauf. “Make the healthy choice the easier choice” – ein klassischer Leitsatz, dem dieses Denken zugrunde liegt. Karen Horn sieht in den Vertretern solcher Konzepte, der Titel ihres Artikels sagt es, die “Sklavenhalter der Zukunft”. Eine solche Politik sei nur eine andere Form der Manipulation. Zur Veranschaulichung zieht sie die Organspende heran, die in Österreich anders organisiert ist, dort muss man sich gegen die Organspende entscheiden, nicht dafür. Dies sei zwar effektiver: in Deutschland trügen nur 12 % der Leute einen Organspenderausweis, in Österreich hätten sich gerade einmal 0,2 % gegen die Organspende entschieden. In Österreich sei damit aber der Körper quasi zum Kollektiveigentum worden und Horn sieht dies als Einbuße individueller Freiheit. Sie plädiert dafür, lieber auf kollektive Effizienzgewinne als auf individuelle Rechte zu verzichten. Auch dieses Dilemma zwischen individuellen Rechten und kollektivem Nutzen ist bei Public Health-Maßnahmen übrigens gang und gäbe. Die Frage, die sich jedoch stellt und die bei Karen Horn m.E. zur kurz kommt, ist die der Alternative. Was tritt an die Stelle der klug gesetzten Anreize, wenn man das nicht will?

    Während man bei Tingler und – zumindest streckenweise – auch bei Beise fast nur eine appellative Aneinanderreihung von liberalen Erkennungsmelodien findet, kaum Argumente, nicht mal falsche, ist der Artikel von Karen Horn zwar ein Dokument einer Weltsicht, die insgesamt nicht die meine ist, aber gegenüber den “Jetzt geht die Welt zugrunde”-Beiträgen von Beise und Tingler geradezu von einer akademischen Gelassenheit und argumentativ aufgebaut. Ihre gGmbH wird übrigens von Theo Müller (Müller-Milch) finanziert. Was immer man daraus schließen darf.

  92. #94 Ludger
    2. März 2013

    Bemerkenswert ist der letzte Satz aus dem verlinkten Artikel, ein Zitat von Wilhelm von Humboldt (zitiert von hier):
    https://www02.us.archive.org/stream/wilhelmvonhumbo01brangoog/wilhelmvonhumbo01brangoog_djvu.txt

    In einer völlig allgemeinen Formel ausgedrückt, könnte man
    den wahren Umfang der Wirksamkeit des Staats alles dasjenige
    nennen, was er zum Wohl der Gesellschaft zu tbun vermöchte,
    ohne jenen oben ausgeführten Grundsatz zu verletzen; und es
    würde sich unmittelbar hieraus auch die nähere Bestimmung er-
    geben, dass jedes Bemühen des Staats verwerflich sei, sich in
    die Privatangelegenheiten der Bürger überall da einzumischen, wo
    dieselbe nicht unmittelbaren Bezug auf die Kränkung der Rechte
    des einen durch den andern haben
    . Indess ist es doch, um die
    vorgelegte Frage ganz zu erschöpfen, nothwendig, die einzelnen
    Theile der gewöhnlichen oder möglichen Wirksamkeit der Staaten
    genau durchzugehen. [Hervorhebung durch mich]

  93. #95 Dr. Webbaer
    2. März 2013

    Ihre [Karen Horns] gGmbH wird übrigens von Theo Müller (Müller-Milch) finanziert. Was immer man daraus schließen darf.

    Wobei Sie offensichtlich von der ganz großen “Müller-Milch” finanziert werden.

    Die Frage, die sich jedoch stellt und die bei Karen Horn m.E. zur kurz kommt, ist die der Alternative. Was tritt an die Stelle der [im Sinne von K. Horn] klug gesetzten Anreize, wenn man das nicht will?

    Was ist denn Ihr Leitbild? Sie sind doch hier das Subjekt der Erörterung, auch wenn Sie vorerst noch einen nicht publiken Text eines weniger bekannten Schriftsteller, Philosophen und Ökonoms vorschieben.

    Sie sind also derjenige, der sich reibt und im Subtext erörtern will. Erörtern Sie doch gerne vollständig, lassen Sie es gerne raus. Wie soll es denn I.E. funktionieren das Gesellschaftssystem?

    MFG
    Dr. W

  94. #96 Joseph Kuhn
    2. März 2013

    @ Dr. Webbär:

    “auch wenn Sie vorerst noch einen nicht publiken Text eines weniger bekannten Schriftsteller, Philosophen und Ökonoms vorschieben”

    Beschweren Sie sich bei der Süddeutschen. Ich tippe den Tingler-Text jedenfalls nicht für Sie ab. Wenn Sie meinen, ich hätte ihn falsch wiedergegeben oder manipulativ montiert, dürfen Sie gerne mit dieser Annahme alt und glücklich werden.

    “Wie soll es denn I.E. funktionieren das Gesellschaftssystem?”

    Empfehle als Einstiegslektüre das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Mir scheint, das ist nicht der schlechteste Vorschlag, wie eine Gesellschaft “funktionieren” soll.

  95. #97 Dr. Webbaer
    2. März 2013

    “Wie soll es denn I.E. funktionieren das Gesellschaftssystem?” (Dr. Webbaer)

    Empfehle als Einstiegslektüre das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Mir scheint, das ist nicht der schlechteste Vorschlag, wie eine Gesellschaft “funktionieren” soll. (Dr. Kuhn)

    Das liest sich jetzt ganz klar so als ob Sie zwar theoretisieren wollten, dass Sie sich aber möglicherweise aus Gründen der Eingebundeheit und des persönlichen Fortkommens nicht in der Lage sehen konkret zu werden.

    MFG
    Dr. W (der Ihnen in diesem Fall nur zur Nutzung einer Anonymisierung oder Pseudonymisierung raten kann – klar, das ist im Rahmen der “großen Müller-Milch” nachvollziehbar, Ihr Kommentatorenfreund pflegt ebenfalls Dienstmeinung wie allgemeine Meinung diskret)

    • #98 Joseph Kuhn
      2. März 2013

      “dass Sie sich aber möglicherweise aus Gründen der Eingebundeheit und des persönlichen Fortkommens nicht in der Lage sehen konkret zu werden.”

      Nein, ich finde das, was da in den Grundrechten und den folgenden Bestimmungen zum Staatsaufbau steht, wirklich tragfähig. Dass die Würde des Menschen unantastbar ist (eine übrigens höchst antikollektivistische Bestimmung), dass die Rechte auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, auf Leben, körperliche Unversehrtheit, Eigentum, Gewerkschaften usw., als Grundrechte unabdingbar sind, oder, siehe Art 20 GG, dass mit freien Wahlen ein Regierungswechsel ohne Blutvergießen sichergestellt ist – all das halte ich für zivilisatorische Errungenschaften ersten Ranges. Ebenso, dass sich die Bundesrepublik als Sozialstaat versteht, das soziale Miteinander also auch aktiv gestaltet – anders als es Karen Horn wohl vorschwebt. Im Konkreten muss dann eben vieles austariert werden, in der Diskussion und auch im Streit miteinander. Die “Formel für alles” hat bekanntlich niemand.

  96. #99 Joseph Kuhn
    2. März 2013

    Noch ein aktueller Medienbeitrag zum Thema, leider wiederum nicht öffentlich im Netz, wenn ich es recht sehe: Im Wirtschaftsteil der Süddeutschen ist heute ein Artikel von Nikolaus Piper, vor Marc Beise Leiter der Wirtschaftsredaktion der SZ, inzwischen einer der Leitenden Redakteure der SZ. Er kritisiert unter der Überschrift “Die große Verschwörung” das oben schon einmal angesprochene Buch “Ego” von Frank Schirrmacher. Zu Beginn stellt Piper fest, die Ökonomen hätten “die Lufthoheit über Stammtischen und Talkshows verloren. Angesagt ist ein – mal marktschreierischer, mal raunender – Antikapitalismus. Verschwörungstheorien haben Konjunktur”. Als Verschwörungstheorie ordnet er auch Schirrmachers These ein, gegenwärtig würde der homo oeconomicus die Wirklichkeit überwältigen, ihr seinen Stempel aufdrücken. Pipers Artikel ist nicht uninteressant zu lesen, man könnte an seinen Ausführungen zum homo oeconomicus einiges an Modelltheorie diskutieren, wie es im Thread hier ansatzweise auch schon geschehen ist. Aber interessanter fand ich seine Lufthoheitsdiagnose. Das scheint im Moment ein echter “Brenner” zu sein, mit durchaus praktischen Auswirkungen, siehe die Debatten um Mindestlohn, Transaktionssteuer, Lebensmittelüberwachung und andere drohende “markteingrenzende” Eingriffe. Wenn dann auch noch Leute wie Schirrmacher abtrünnig werden und nicht mehr uneingeschränkt für eine möglichst freie Marktwirtschaft eintreten, muss es wirklich schlimm um diese “Lufthoheit” stehen.

  97. #100 Dr. Webbaer
    2. März 2013

    @Kuhn
    Aha. Danke. Dann liegt man ja nicht weit auseinander, den Liberalen und Ihre Person betreffend. Man streitet sich über das Wie und nicht über das Ob, bleibt aber sozusagen auf einer Achse.

    Schwierig, zurzeit beforscht der Schreiber dieser Zeilen ein wenig den Antiliberalismus, der zurzeit auch bei Verständigen, gar im wissenschaftsnahen Bloggerbereich, hervorlugt; an sich kannte man den aggressiven Antiliberalismus eher aus zum Totalitarismus neigenden Kreisen und aus speziellen rechten (vs. rechtsradikal, vs. Nationale Sozialisten) Kreisen, der Liberalismus würde keine Werte schaffen, führe ins Verderben durch seine Relativität etc. hieß es da.

    Aber egal, nächstes Mal bitte etwas netter und verständnisvoller sein zu Ihren liberalen Brüdern.

    MFG
    Dr. W

  98. #101 MJ
    2. März 2013
  99. #102 Joseph Kuhn
    3. März 2013

    @ MJ: Ja, das ist er. Danke für den Link, ich habe ihn heute nachmittag nicht gefunden.