Gerade haben wir hier über wissenschaftliche Integrität und die moralische Dimension von Wissenschaft diskutiert. Eines der beiden Beispiele dabei war die aktuelle Debatte um eine nach Wernher von Braun benannte Schule. Gewöhnlich ehrt man mit Schulnamen Menschen, die als Vorbilder gelten können. Das war Wernher von Braun nicht, ungeachtet seiner technisch-wissenschaftlichen Leistungen.
Auch mit Ehre und Geschichte zu tun hat eine Sache, die ein paar moralische Nummern kleiner ist, aber ebenfalls lehrreich unter forschungsethischen Aspekten: ein “Forschungspreis für ein Plagiat“, wie die ZEIT ONLINE schreibt.
Es geht um das zweibändige Werk „Urologen im Nationalsozialismus“, 2011 erschienen und nun vor kurzem vom scheidenden Bundesgesundheitsminister Bahr, der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ausgezeichnet, wie die Deutsche Gesellschaft für Urologie und der Berufsverband der Deutschen Urologen auf ihrer Internetseite stolz verkünden. Eigentlich löblich, denn die Ärzteschaft hat ihre unseelige Vergangenheit erst spät und nicht immer vorbildlich (da ist es schon wieder, dieses Wort!) aufgearbeitet.
Dummerweise hat eine der Autor/innen, eine junge Historikerin, bei der Erstellung des Bandes Textteile von einer Kollegin, der Hamburger Medizinhistorikerin Rebecca Schwoch, übernommen, ohne dies zu kennzeichnen. Sie hat das bereits im April 2012 öffentlich eingeräumt, erst in einer Mailingliste der Historikerzunft, dann später auch im Fachblatt „Der Urologe“. Den noch nicht ausgelieferten Büchern wurde ein Hinweis beigelegt. Insofern ist das erledigt, vielleicht sogar – vorbildlich?
Man darf annehmen, dass die junge Historikerin dafür nicht geehrt werden möchte, ihr wird die ganze Sache vermutlich ziemlich peinlich sein. Geehrt wurde in diesem Fall das Werk. Das wiederum zeugt allerdings von einer ordentlichen Portion Chuzpe. Auf die Idee, ein plagiatorisch belastetes Werk ausgerechnet für einen Forschungspreis einzureichen, muss man erst einmal kommen. Und dass es dann auch noch als vorbildlich ausgezeichnet wird, hätte eigentlich einer guten Begründung bedurft, denn zumindest einem Teil der Jury wird der Plagiatsfall ja bekannt gewesen sein.
Es lohnt sich übrigens, zu dieser Geschichte auch die Kommentare auf ZEIT ONLINE zu lesen. Ein Argument fand ich besonders beeindruckend: Man könne doch nicht einen Plagiatsstreit auf dem Rücken von NS-Opfern austragen. Dieses Argument leidet nicht nur unter einer unappetitlichen Selbstreferentialität, es enthält auch eine ausgesprochen dumme Schlussfolgerung: Plagiate bzw. ihre Auszeichnung soll man demnach nicht mehr öffentlich kritisieren, wenn sie wichtige Texte betreffen? Nun denn, es gibt Zweckargumente mit mehr und weniger Niveau.
Wie soll man nun – vorbildlich oder auch nur vernünftig – mit so einer Sache umgehen?
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