In diesem Blog wurde in den letzten zwei Jahren mehrfach das exotische Treiben am Institut für Transkulturelle Gesundheitswissenschaften (INTRAG) an der Viadrina in Frankfurt/Oder diskutiert. Auslöser war eine etwas eigenartige Masterarbeit, die von Prof. Walach unter anderem mit dem Argument verteidigt wurde, eine Masterarbeit sei eine Qualifizierungsarbeit und noch keine richtige wissenschaftliche Arbeit.
Jetzt darf man eine Dissertation aus Frankfurt zur Kenntnis nehmen, also ganz sicher eine richtige wissenschaftliche Arbeit, betreut von Prof. Schmidt und Prof. Walach: Manuela Pietza (2014) “Kontrollierte Studien zur Wirksamkeit der Quantenheilung”.
Als Anreiz zum Selberlesen hier ein paar Geschmacksproben:
Seite 14: „Obwohl der Quanten-Ansatz derzeitig bei Alternativmedizinern (König, 2012), Gesundheitsberatern (Model, 2012) und Seminaranbietern verstärkt in den Blickpunkt rückt, entspricht die Quantenheilung nicht der offiziellen schulmedizinischen Lehre.“
Seite 21: „Der Begriff Quantenheilung entlehnt sich aus dem Wort der Quantenphysik.“
Seite 22: “Im Rahmen dieser Dissertation bestand das Bestreben, auf die Spur dieser Erkenntnisse zu kommen, um einen eventuellen Bezug zur Wortschöpfung der Quantenheilung aufzudecken. Nachdem ich die fachspezifische physikalische Literatur gesichtet hatte, wurde aufgrund der wissenschaftlichen Komplexität von mir entschieden davon abzusehen.“
Seite 26: „In der Unermesslichkeit der quantenphysikalischen Erkenntnisse und der terminologischen Anlehnung der Quantenheilungsvertreter erscheint zum Abschluss dieses Kapitels folgende Textstelle aus dem Lied ‚All things change‘ passend (…)“
In diesem Stil geht es die ganze Zeit weiter. Es gibt auch einen medizinhistorischen Rückblick mit hohem Unterhaltungswert und eine Einbettung des Themas in die aktuelle Diskussion um Wartezeiten auf einen Therapieplatz. Quantenheilung als Option für die, die sonst keinen Therapieplatz bekommen? Das könnte man für untergründigen Humor halten, aber ich fürchte, es ist ernst gemeint.
Der empirische Teil der Dissertation ist „eine prospektive, randomisierte, kontrollierte Interventionsstudie mit freiwilliger Teilnahme der Patienten“ (Seite 42). Verglichen wurde eine Interventionsgruppe mit einer Wartegruppe, dabei gab es eine Vorstudie und eine Hauptstudie, den Grund dafür habe ich nicht verstanden, auch nicht, warum es eine zusätzliche Interventionsgruppe ohne Kontrollgruppe gab, vielleicht einfach, weil sie da war. Die Behandlung war, falls ich das richtig verstanden habe, eine 20-minütige Sitzung mit Berührung und der Aufforderung, sich die Heilung bereits als erfolgt vorzustellen. Das erinnert an hypnotherapeutische Verfahren, so etwas kann in der Tat helfen. Herausgekommen ist, so die Autorin, dass die Behandlung erfolgreich sei, dazu gibt es allerhand Statistik, und eine Diskussion, in der für die Wirkung immerhin nicht die Quantenphysik, sondern Placeboeffekt, therapeutische Zuwendung und Ähnliches bemüht werden. Sogar unser Bloggerkollege Florian Aigner wird mit seiner Kritik an der Quantenschwurbelei in der Heilerszene zustimmend zitiert. Das muss man der Arbeit wohl zugute halten. Ob sonst noch etwas, mag jeder selbst beurteilen.
Ich frage mich, was man am Frankfurter Institut aus der Kritik an der Masterarbeit gelernt hat. Und welche medizinische Fakultät demnächst mit dieser Speerspitze der Aufklärung zusammenarbeiten soll, eine solche Kooperation war ja das Versprechen der Viadrina damals, um der von der Brandenburgischen Hochschulstrukturkommission empfohlenen Auflösung des Instituts aus dem Weg zu gehen. Da wäre wohl zum Abschluss das Lied „Nothing changed“ passend.
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