Diabetes mellitus ist eine der großen Volkskrankheiten. Ohne fachgerechte Behandlung kann er ernste Folgen haben, vom Herzinfarkt bis zur Fußamputation. Wie viele Menschen in Deutschland genau betroffen sind, weiß man nicht, Fachleute gehen von 5 bis 7 Millionen erkrankten Erwachsenen aus, manche noch von deutlich mehr. Das hängt mit unterschiedlichen Diagnosekriterien einerseits zusammen und mit einer erheblichen Zahl unerkannter Diabetesfälle andererseits: Diabetes tut erst einmal nicht weh.
Noch weniger klar ist, welche Kosten der Diabetes im Gesundheitssystem verursacht. Das Statistische Bundesamt, das Krankheitskosten leider nur bis zum Jahr 2008 ausweist, beziffert die Kosten des Diabetes für 2008 auf 6,3 Mrd. Euro. Dabei werden die Gesundheitsausgaben in einem recht aufwändigen Verfahren den einzelnen Krankheitsarten zugeordnet. Extrapoliert man den Trend der in der Gesundheitsberichterstattung des Bundes verfügbaren Jahre, käme man für 2010 auf ca. 6,9 Mrd. Euro, für 2012 auf ca. 7,5 Mrd. Euro und für 2014 auf ca. 8,1 Mrd. Euro.
Eine Studie von Korber et al. (2013) berechnet dagegen Kosten in Höhe von ca. 13,1 Mrd. Euro jährlich. Ausgangspunkte dieser Berechnung sind eine Prävalenzschätzung aus der GEDA-Studie des Robert Koch-Instituts für das Jahr 2009 und ein Kostenansatz aus einer anderen Studie, der „KoDiM-Studie“ von Köster et al. (2012). Die KoDiM-Studie selbst wiederum ermittelte Exzesskosten für diabeteserkrankte AOK-Versicherte, also die über die Versorgungskosten bei Nichtdiabetikern hinausgehenden Kosten und kam unter Hochrechnung der Diabetesprävalenz der AOK-Versicherten auf die Alters- und Geschlechtsstruktur der deutschen Bevölkerung auf ca. 21 Mrd. Euro jährlich.
Die Prävalenz der GEDA-Studie ist wohl zu niedrig, die der KoDiM-Studie trotz der Zugrundelegung der Alters- und Geschlechtsstruktur der deutschen Bevölkerung vermutlich eher etwas zu hoch. Würde man einfach den Mittelwert der beiden Schätzungen nehmen, käme man auf ca. 17 Mrd. Euro und liegt damit vielleicht gar nicht so schlecht.
Für den Bayerischen Diabetesbericht habe ich auch eine Schätzung der diabetesassoziierten Kosten vorgenommen. Grundlagen waren die Diagnosehäufigkeit in den Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (unter Zugrundelegung des sog. „M2Q-Kriteriums“, d.h. Fallzählung nur bei dokumentierter Diabetesdiagnose in mindestens zwei Quartalen), die Exzesskosten aus der KoDiM-Studie sowie Korrekturfaktoren für die Zahl der Privatversicherten und für Prävalenzunterschiede zwischen Bayern und Deutschland aus der GEDA-Studie des Robert Koch-Instituts. Heraus kam eine Summe von ca. 18,2 Mrd. Euro für das Jahr 2011, also recht nahe am Mittelwert der beiden anderen Studien.
Hätte ich übrigens wirklich Pi mal Daumen gerechnet, wäre bei meiner Daumenlänge (bis zum Daumengrundgelenk gemessen) ziemlich genau dasselbe Ergebnis herausgekommen. Dieser Befund ist nicht ohne Bedeutung für die Lage der Dinge. Etwa 7 Mrd. Euro beim Statistischen Bundesamt, etwa 13 Mrd. bei Korber et al, etwa 18 Mrd. beim Bayerischen Diabetesbericht und etwa 21 Mrd. in der KoDiM-Studie, das ist eine ordentliche Spannbreite. Die höchste Schätzung liegt dreimal so hoch wie die niedrigste. Die Krankheitskostenrechnung des Statistischen Bundesamtes beruht dabei allerdings auf einer grundlegend anderen Berechnungsweise, die Differenzen zwischen den anderen drei Berechnungen gehen im Wesentlichen auf unterschiedliche Prävalenzdaten zurück. Wenn man etwas googelt, findet man ohne Probleme noch mehr und wieder etwas andere Zahlen. Manchmal werden sogar Kosten von mehr als 40 Mrd. Euro genannt, aber das sind eher die Kosten für die Versorgung von Diabetikern insgesamt (also auch ihrer Erkältungen und Beinbrüche), statt der Exzesskosten. Wie auch immer: Eine gute Datenlage ist das nicht, aber eine bessere ist mir nicht bekannt.
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