4. Versorgungsforschung durch Laien:
Auf Seite 61 sagt die AfD, dass sie beim Verbraucherschutz im 21. Jahrhundert ankommen will. Im Gesundheitswesen stellt sie sich die Qualitätssicherung so vor:
“Die Information der Verbraucher über die Leistungen von Ärzten, Medikamenten, Krankenhäusern, Pflegestationen und vieles mehr lässt sich über Bewertungssysteme erreichen. Solche Systeme halten wir in allen Gesundheitsbereichen für hilfreich und setzen uns dafür ein.“
Ich habe nichts gegen Bewertungsportale für Ärzte und Kliniken. Das gibt es ja auch schon. Aber ob die AfD ernsthaft glaubt, die Patienten könnten Transparenz im Gesundheitswesen über Bewertungsportale sicherstellen? IQWIG und IQTIG also auf den Müllhaufen? Die Idee, den Bürgern mehr Mitsprache zu verschaffen, ist auch Gesundheitswesen sinnvoll, aber nicht da, wo man sie überfordert, weil sie keine Versorgungsforschung treiben können.
5. Heterogene Positionen bei der Risikobewertung – sauberes Trinkwasser ja, Kernkraft ja, Gentechnik in der Landwirtschaft nein:
Unklar ist, welcher Linie insgesamt die Risikobewertungen der AfD folgen. Im eben angesprochen Abschnitt zum Verbraucherschutz gibt es auch eine ganz sinnvolle Forderung (Seite 61, Zeilen 4-8):
“Die in Deutschland im größeren Umfang in Verkehr gebrachten Lebensmittel müssen gekennzeichnete Inhaltsstoffe und Qualität haben. Lebensmittelkennzeichnung ist für jeden verständlich darzustellen. Chemisch angereicherte funktionelle Lebensmittel sowie Nahrungsergänzungsmittel sind unter pharmazeutische Prüfverfahren zu stellen. In Langzeitstudien ist die Unbedenklichkeit nachzuweisen.“
Das wäre vermutlich das Ende der meisten Nahrungsergänzungsmittel. Ein Schaden wäre es nicht.
Bei anderen Punkten rennt die AfD dagegen der Realität eher etwas hinterher:
„Risikobehaftete chemische Stoffe sind unverzüglich einem Prüfverfahren zu unterziehen. Dies gilt besonders für importierte Textilien. Kinderspielzeug ist vor der Vermarktung auf Schadstoffe zu prüfen und ihm bei Unbedenklichkeit eine Zulassung zu erteilen. Es muss frei sein von Kunststoffweichmachern, Gift und anderen schädigenden Substanzen.
Wasser ist lebensnotwendig, aber vom modernen Leben belastet. Detaillierte Analysen des Trinkwassers bilden die Probleme des 21. Jahrhunderts ab. Im Abwasser finden sich neben Nitraten immer mehr Medikamentenrückstände, Nanopartikel, Plastikfäden und Drogenrückstände. Die Analyse und Aufbereitung des Wassers zu Trinkwasser muss sich diesen neuen Herausforderungen stellen. Die Wasseraufbereitung ist zu modernisieren und zu verbessern, damit diese Stoffe für die Verbraucher nicht zu einer Gesundheitsgefahr werden.“
Dagegen kann man im Prinzip nichts sagen, aber offensichtlich kennen die, die das geschrieben haben, weder das System der Produktsicherheit noch das der Trinkwasserüberwachung in Deutschland gut genug, um etwas formulieren zu können, was dem Stand der Dinge entspricht. Zudem ist weniger die Überwachung das Problem, als die Risikoproduktion. Was sollte z.B. getan werden, damit nicht immer mehr Medikamentenrückstände oder Pestizide ins Trinkwasser kommen?
Auf Seite 50 fordert die AfD dann eine Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke. Die von der Kernkraftnutzung ausgehenden Risiken werden demnach implizit als vertretbar bewertet. Dagegen will sie, siehe Seite 63, die Gentechnik verbieten. Und zwar aus diesem Grund: „Da die Verwertung gentechnisch veränderter Pflanzen als Nahrung für Mensch oder Tier in Politik und Medien auf breite Ablehnung trifft, positioniert sich die AfD ebenso.“ So kann man keine Risikobewertung vornehmen. Und wenn schon, warum gilt der gleiche Grundsatz vox populi bei der Kernkraft nicht?
6. Staatliches Drogenmonopol:
Noch ein letzter Punkt: Eine eigenartige Linie verfolgt die AfD auch in der Drogenpolitik: Auf Seite 47, Zeilen 23-27 steht, dass sie die kontrollierte Abgabe von Drogen an Süchtige befürwortet. Das klingt erst einmal modern, da Studien zeigen, dass sich damit Drogentote vermeiden lassen. Fast möchte man meinen, dass die AfD hier weiter sei als die CSU. Aber direkt danach fordert sie scharfe Strafen für alle, die sich außerhalb dieses kontrollierten Systems Drogen beschaffen. Will die AfD den Drogenmarkt verstaatlichen?
7. Und ein schwarzes Loch:
Zu den großen Themen der Gesundheitspolitik – Zunahme chronischer Erkrankungen, Auswirkungen des demografischen Wandels, Ankommen der psychischen Störungen im Versorgungssystem, Patientenrechte, Finanzierung usw. – findet man im AfD-Programm: nichts.
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