Im aktuellen SZ-Magazin berichtet Johannes Boie über die tragischen Folgen einer Gentherapie bei einer seltenen Erkrankung, dem Wiskott-Aldrich-Syndrom. Seltene Krankheiten sind Erkrankungen, von denen weniger als einer von 2.000 Menschen betroffen ist. Zusammengenommen sind seltene Erkrankungen allerdings nicht mehr selten: NAMSE, das Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen, schätzt, dass in Deutschland ca. 4 Mio. Menschen an einer der 7.000 bis 8.000 seltenen Erkrankungen leiden. Auch die „Neuronale Ceroid Lipofuszinose Typ 2“, eine Form kindlicher Demenz, über die ich hier vor einem Jahr im Zusammenhang mit der Petition für Hannah Vogel berichtet habe, ist eine solche „seltene Erkrankung“. Für die industriefinanzierte Forschung sind seltene Erkrankungen kein lohnendes Geschäftsfeld, weil die Entwicklung von Medikamenten sehr teuer sein kann und sich dann bei wenigen Patienten nicht oder nur schwer refinanziert. Oft gibt es daher keine guten Therapien. Dass in Deutschland jährlich rund 3.000 Kinder an seltenen Erkrankungen sterben, wie Johannes Boie schreibt, stimmt aber nicht, es sterben insgesamt jährlich ca. 3.000 Kinder (3.255 Sterbefälle unter 15 Jahren gab es 2014).

Für das Wiskott-Aldrich-Syndrom sind in der Todesursachenstatistik 2014 vier Sterbefälle dokumentiert. Die Krankenhausstatistik verzeichnete im gleichen Jahr 22 stationäre Behandlungen für diese Erkrankung (wobei unklar ist, wie viele Patienten dahinter stehen), darunter 14 im Kindesalter. Es ist eine genetische Erkrankung, die X-chromosomal rezessiv vererbt wird, d.h. Jungen, die das defekte Gen erben, erkranken, Mädchen können mit einem gesunden zweiten X-Chromosom ausgleichen. Sowohl die Krankenhaus- als auch die Todesursachenstatistik verzeichnen aber einige wenige weibliche Fälle. Charakteristisch für die Erkrankung sind wiederkehrende Infektionen, eine erhöhte Blutungsneigung und Hautausschläge. Unbehandelt sterben die Patienten im Jugendalter. Die Standard-Behandlung besteht in einer Stammzelltransplantation, die, wenn sie erfolgreich ist, einer Heilung gleichkommt. Die Stammzelltransplantation ist jedoch mit einer sehr belastenden Chemotherapie verbunden.

Als Alternative hat Prof. Christoph Klein eine Gentherapie entwickelt. Christoph Klein ist ein renommierter und vielfach ausgezeichneter Forscher. Seine Studie zur Entwicklung der Gentherapie für das Wiskott-Aldrich-Syndrom hat er an der Medizinischen Hochschule Hannover begonnen. Heute ist er Leiter des Haunerschen Kinderspitals in München. Diese Gentherapie ist zunächst schonender, aber in der Studie kamen Gen-Vektoren (zum Transport der Gene in die Zellen) zum Einsatz, die, wie man heute weiß, Leukämie verursachen können. Von den zehn in der Studie behandelten Kindern sind dem Artikel von Johannes Boie zufolge sieben an Leukämie erkrankt und drei inzwischen verstorben. Kleins Studie war sorgfältig vorbereitet, sie ging durch die Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover, der Verlauf wurde sowohl vom Hannover Clinical Trial Center als auch vom Paul-Ehrlich-Institut beobachtet.

Die Frage, die Johannes Boie aufwirft: Hätte Christoph Klein nach frühen Hinweisen aus anderen Studien zu Krebsrisiken im Zusammenhang mit den verwendeten Vektoren warten müssen, bis bessere Vektoren verfügbar gewesen wären? Hätte er zumindest die Kinder, bei denen eine Stammzelltransplantation mit guten Erfolgsaussichten möglich gewesen wäre, aus der Studie ausschließen müssen? War er also zu ehrgeizig, ein „Arzt ohne Grenzen“, wie Boie seinen Artikel im SZ-Magazin betitelt hat? Oder hat er einen vielversprechenden Weg beschritten, der sich im Nachhinein als zu riskant darstellt?

Die „Helsinki-Deklaration“ des Weltärztebundes gibt vor: „Medical research involving human subjects may only be conducted if the importance of the objective outweighs the risks and burdens to the research subjects” – und weiter: “Physicians may not be involved in a research study involving human subjects unless they are confident that the risks have been adequately assessed and can be satisfactorily managed.” Zur Not muss eine Studie auch abgebrochen werden: “When the risks are found to outweigh the potential benefits (…), physicians must assess whether to continue, modify or immediately stop the study.”

Ich kann den konkreten Fall nicht bewerten, dazu müsste man den Ablauf der Dinge im Detail gemeinsam mit medizinisch einschlägig bewanderten Fachleuten durchgehen. Aber der Fall zeigt, dass die Forschung zu seltenen Erkrankungen, gerade weil sie oft neue Wege auf unbekanntem Terrain gehen muss, mit besonderen Risiken verbunden ist. Die Leukämierisiken sind hier schnell manifest geworden, in anderen Fällen muss das nicht so sein, d.h. dann sieht man die Risiken aufgrund der kleinen Fallzahlen in der Studienphase womöglich erst viel später und nachdem schon „viele“ (soweit man davon bei seltenen Erkrankungen sprechen kann) Patienten behandelt wurden. Der qualifizierten Beratung in den Ethikkommissionen kommt daher hier ein besonderer Stellenwert zu – und man wird vielleicht auch noch einmal über neue Formen des Risikomanagements insgesamt in der Forschung zu seltenen Erkrankungen nachdenken müssen.

Kommentare (22)

  1. #1 Alisier
    24. April 2016

    Schwieriges Thema bei dem ich erstmal passe und dafür danke, dass es hier auftaucht.
    Gibt es eigentlich Anzeichen dafür, dass Leukämie in sehr vielen Fällen von Viren verursacht sein könnte? Wäre dies unter Umständen ein Anlass dieser Hypothese verstärkt nachzugehen?
    Ich meine jenseits der onkogenen Viren, die schon bekannt sind. Weiß da jemand was Genaueres?

    • #2 Joseph Kuhn
      24. April 2016

      “in sehr vielen Fällen”

      Meines Wissens nicht, aber ich bin kein Fachmann. Das Zentrum für Krebsregisterdaten beim RKI fasst den Stand der Dinge so zusammen: “Zu den bekannten Risikofaktoren, die akute Leukämien auslösen können, gehören ionisierende Strahlen (zum Beispiel auch bei einer Strahlentherapie), Zytostatika im Rahmen einer Chemotherapie und mit Wahrscheinlichkeit auch verschiedene Chemikalien. Bei den meisten Patienten findet sich in der Vorgeschichte jedoch keiner dieser Risikofaktoren. Insbesondere die Ursachen chronischer Leukämien sind weitgehend ungeklärt.” Mit anderen Worten: Man weiß nicht sehr viel.

  2. #3 Alisier
    25. April 2016

    Das war auch mein Wissensstand. Und weil man immer noch nicht sehr viel weiß und im Laufe der Zeit immer mehr onkogene Viren im Zusammenhang mit verschiedensten Krebserkrankungen bekannt wurden, ist es sicher nicht verkehrt nach dieser Erfahrung verstärkt nach weiterem Viruseinfluss zu suchen.
    So weit ich das sehe beschäftigt sich die Forschung in viel größerem Maße mit der Therapie als den Ursachen für Krebs. Nicht dass wir irgendwann erkennen müssen, dass wir uns schon wieder in falschen Denkmustern bewegen.
    Ich erinnere kurz an Helicobacter pylori, und wie schwer es war, die klassischen Interpretationen über Ursachen von Magengeschwüren in Frage zu stellen.

  3. #4 Joseph Kuhn
    25. April 2016

    Update

    Nachdem im Gefolge des SZ-Beitrags auch andere Medien – von SPON bis zur Münchner Abendzeitung – den Verlauf der Gentherapiestudie noch einmal neu aufgegriffen haben, hat heute auch das Klinikum der Uni München Stellung genommen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Vorwürfe gegen Christoph Klein, er hätte einen Teil der Kinder mit der Standardtherapie behandeln müssen. Die Fakten über den Verlauf der Gentherapie an sich sind unstrittig und seit Jahren bekannt, neu sind die persönlichen Vorwürfe gegen Christoph Klein.

    Seitens der Klinik wird dazu zu Recht darauf verwiesen, dass die Studie extern geprüft und begleitet wurde. Das ist ein wichtiger Punkt, weil Christoph Klein ja nicht als individueller Therapeut entschieden hat und man daher auch danach fragen muss, ob das Risikomanagement bei solchen Studien insgesamt optimiert werden kann – nur nach einer eventuell persönlichen Schuld zu fragen, würde der Sachlage nicht gerecht. Des Weiteren wird betont, dass auch die Standardtherapie nicht risikofrei sei und die Eltern über Nutzen und Risiken der Therapiealternativen informiert wurden. Auch das ist ein wichtiger Punkt. Wie die Risiken der Standardtherapie und der Gentherapie zum Zeitpunkt des Studienbeginns konkret einzustufen waren, müssen Fachleute bewerten, dazu kann ich nichts sagen. Inwiefern die Eltern wirklich eine informierte Entscheidung im Bewusstsein von Nutzen und Risiken der Therapiealternativen treffen konnten, wird sich vermutlich nie mehr ganz klären lassen – dazu hätte man die Gespräche aufnehmen müssen.

    Die LMU München prüft nun den Vorgang. Ich bin gespannt, zu welchem Ergebnis man kommt, sowohl was den konkreten Fall angeht als auch mit Blick auf allgemeinere Schlussfolgerungen für solche Studien.

  4. #5 Beate Blättner
    25. April 2016

    Zweifellos eine schwierige Entscheidung. Ich bedauere alle Eltern, die in der Situation stehen, diese treffen zu müssen – das Kind selbst dürfte ja wohl kaum entscheiden können. Nichts tun? Kaum eine realistische Alternative für Eltern! Da gibt es den Vorschlag einer möglichen Heilung – bei einer sehr belastenden Therapie. Dem steht eine neue Therapie gegenüber, deren Risiken unbekannt sind, die aber zunächst mal schonend klingt. Wer würde sich dagegen entscheiden? Selbst heute, wo das Risiko der Leukämie bekannt ist, weiß ich nicht, ob sich alle Eltern, über alle Risiken aufgeklärt, für die Stammzelltherapie entscheiden würden. Mein behandelnder Arzt würde dazu sagen: “Wenn es schief geht, mit welcher Entscheidung könnten Sie im Nachhinein besser leben?”
    Und mit welcher könnten behandelnde Ärzte besser leben?
    Was die Forschung betrifft, ist dies aus meiner Sicht zunächst leichter zu beantworten: Regeln für den Abbruch von Studien könnten eindeutiger formuliert und strenger befolgt werden. Aber kann man hier Christoph Klein den Vorwurf machen, er hätte zu spät reagiert? Da müssten wir wahrscheinlich alle mehr Informationen haben, um dazu Aussagen machen zu können.

  5. #6 Anderer Michael
    26. April 2016

    Alisier
    “Gibt es eigentlich Anzeichen dafür, dass Leukämie in sehr vielen Fällen von Viren verursacht sein könnte?”
    Der Gedanke ist durchaus nachvollziehbar. Es gibt eine Leukämie durch HTL-Viren
    Alte Quelle dazu von 1998:
    https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/AK_Blut/Stellungnahmen/download/st01.pdf?__blob=publicationFile
    Übersichtlicher entsprechender Wikipedia Beitrag.

    Zu erwähnen ist noch das Burkitt- Lymphom, keine Leukämie im eigentlichen Sinn, sondern ein Non-Hodgkin-Lymphom. Ursächlich ist der Epstein-Barr-Virus.

    Wenn man sich die bisherigen Erkenntnisse über onkogene Viren vor Augen führt und diesen Artikel im Spektrum liest,
    https://www.spektrum.de/news/gentherapie-zweiter-anlauf/1328627
    dann erscheint es logisch, dass Viren auch bei Leukämien in der Genese eine sehr wichtige Rolle spielen können..

    Aber !, das/der postulierte Leukämie Virus (den HTL-Virus jetzt ausgenommen)braucht wohl noch Cofaktoren um Leukämie zu verursachen. Unser Genom verfügt über vielfältige Reparaturmechnismen.Sind diese genetisch eingeschränkt (oder erworben), wie bei Trisomie 21, treten häufiger Leukämkien auf.
    Quelle dazu:
    https://www.kompetenznetz-leukaemie.de/content/patienten/leukaemien/ursachen/risikofaktoren/

    Bitte beachten. Ich bin zwar Arzt, aber kein Wissenschaftler. Was ich geschrieben habe, ist keine verlässliche Expertenmeinung, sondern nur ein paar Gedanken von mir dazu.

  6. #7 Anderer Michael
    26. April 2016

    Alisier:
    “Ich erinnere kurz an Helicobacter pylori, und wie schwer es war, die klassischen Interpretationen über Ursachen von Magengeschwüren in Frage zu stellen.”
    Vollkommen richtig Alisier. Im Studium habe ich noch irgendetwas von “Pseudounabhängigen Typ” bei Ulcera duodeni sive ventriculi gelenrnt.Dann kam die Wiederentdeckung des Campylobacter pylori,Umbennung in Helicobacter.
    Und auch dieser ist onkogen. Neben Magenkarzinom noch das MALT-Lymphom.

  7. #8 Anderer Michael
    26. April 2016

    Zum eigentlichen Thema:
    Liest man die Stellungsnahme der Uni München (bereits beim Wikipedia-Artikel verlinkt), kommt der Verdacht auf, die SZ habe sich einen Schnellschuß erlaubt.
    Nun lautet der wenig schmeichelhafte Kosename für die SZ “Alpenprawda”, und es leistete sich die SZ schon ein paar Fehlgriffe, wie Sebnitz oder Zorneding.
    Aber zur Kronenzeitung oder Bild sind trotzalledem noch himmelweite Unterschiede.
    Den kompletten SZ- Artikel konnte ich nicht einsehen.
    Prof.Klein hatte bereits vorher von den Leukämiefällen berichtet.
    Quelle dazu:
    https://stm.sciencemag.org/content/6/227/227ra33
    Die SZ hat also nichts aufgedeckt.

    Andererseits Leukämie als unerwünschte Wirkung einer Gentherapie ist seit längerem bekannt.
    Quelle Deutsche Forschungsgemeinschaft 2006
    https://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/geschaeftsstelle/publikationen/entwicklung_gentherapie_0612_dt.pdf
    In seinem Orginalartikel https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3064520/#SD1 berichtet Prof Klein von zwei Fällen einer Gentherapie bei WAS, veröffentlicht 2010. Die anderen 8 Fälle, wann fanden diese statt ? Vermutlich nach Veröffentlichung seiner Orginalarbeit.
    So gesehen ist die kritische Nachfrage von J. Boie schon berechtigt.
    Die Uni München schreibt in ihrer Stellungsnahme
    Zitat:”……Die WAS-GT Studie nutzte ebenso wie alle anderen Stammzellgentherapiestudien jener Epoche einen sogenannten retroviralen Vektor der ersten Generation. Diese sogenannte Experten-Meinung muss allerdings vor dem Hintergrund der Tatsache beleuchtet werden, dass nicht alle Stammzell-Gentherapiestudien zu Leukämien bei den behandelten Kindern führten. Angesichts der Verschiedenheit der Erkrankungen ließen sich also keine belastbaren Rückschlüsse von den Erfahrungen der SCID-X1 Studie auf das Risiko bei der WAS Erkrankung ziehen. ”
    Also mit aller Vorsicht, so wie ich es verstanden habe , ist durchaus der Vektor das Problem und dazu ein Zitat aus dem verlinkte DFG-Beitrag von 2006:
    ” Bisher trat bei drei der insgesamt 28 behandelten Patienten mit X-SCID eine Leukämie als Nebenwirkung der verwendeten Vektoren auf, woran einer der Patienten verstarb. ”

    Festzuhalten ist: Zum Zeitpunkt der Gentherapie war das Risiko der Vektoren und der Leukämie bekannt.
    Welche Gründe gab es anzunehmen, die Ursächlichkeit Vektor zur Entstehung Leukämie bei der WAS- Gentherapie vernachlässigen zu können ?

    Es gab eine Alternativoption, die Stammzelltransplantation, sehr belastend (nicht nur Chemotherapie in der Konditionierungsphase, häufig auch zusätzlich Hochdosisganzkörperbestrahlung). Wieviele der Kinder waren für diese Therapie tatsächlich oder vermeintlich ungeeignet ?

    Herr Kuhn: Ein sehr schwieriges Thema, meinen Horizont deutlich übersteigend, aber sehr interessant.
    Leider konnte ich nicht mehr beitragen.

  8. #9 Joseph Kuhn
    26. April 2016

    @ Anderer Michael:

    Kommentar #6: HTLV-1-Infektionen spielen als Leukämieursache hierzulande – so die Literatur – keine Rolle.

    Kommentar #8: Neu ist nicht das Leukämierisiko, neu ist der Vorwurf, Christoph Klein hätte manche der Kinder nicht in die Studie einbeziehen dürfen (sondern mit der Standardtherapie behandeln müssen, wobei unklar ist, inwiefern nach geeigneten Stammzellspendern gesucht wurde), und dass er auf die Hinweise auf die Risiken durch die verwendeten Vektoren nicht angemessen reagiert habe. Es ist in der Tat ein schwieriges Thema und man muss aufpassen, dass man nicht auf der Basis unzureichender Informationen Christoph Klein vorschnell als zu ehrgeizigen Arzt oder Johannes Boie vorschnell als zu ehrgeizigen Journalisten abstempelt.

  9. #10 Anderer Michael
    28. April 2016

    Herr Kuhn

    – “HTLV-1-Infektionen spielen als Leukämieursache hierzulande – so die Literatur – keine Rolle.”
    Zum Glück, die Prognose ist nämlich sehr schlecht, laut Literatur. Und auch hier ist festzustellen, nur ein geringer Anteil der Träger von HTLV erkrankt an Leukämie, d.h. irgendetwas muss als Cofaktor dazutreten.

    – Ich stimme vollkommen mit Ihnen überein, (Ihr Zitat) “…dass man nicht auf der Basis unzureichender Informationen Christoph Klein vorschnell als zu ehrgeizigen Arzt oder Johannes Boie vorschnell als zu ehrgeizigen Journalisten abstempelt.” Sofern ich den gegenteiligen Eindruck erweckt habe, entschuldige ich mich in aller Form und bin für jede Kritik dahingehend offen.
    Wie gesagt, den SZ-Bericht dazu konnte ich nicht lesen, nur die Kurzfassung, ansonsten wurde man auf die kostenpflichtige SZ-plus Seite verwiesen.

    Darum ging ich davon aus (auch aufgrund der Antwort der Uni-München),dass die Frage derArt der Vektoren durchaus eine Rolle spielt.Im Supplement der Orginalarbeit ist der Vektor näher beschrieben, ein Retrovirus. Inzwischen gibt es andere Arten von Vektoren, Lentiviren als Beispiel. Modifizierte Retroviren werden auch verwendet.
    Quelle:https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/15306/

    Zur Frage der alternativen Therapieoption wird Prof Klein im SPON-Artikel wie folgt zitiert:
    ” Der Münchner Professor sagt dazu, in Anbetracht vieler ethischer Argumente habe man sich in Bezug auf die Studie entschlossen, “die Frage der Verfügbarkeit eines allogenen Stammzellenspenders nicht in die Einschlusskriterien aufzunehmen.” ”

    Dann wäre es bestimmt sinnig, wenn Prof. Klein die ethischen Argumente klar darlegt. Diese sind nicht selbstherrlich von ihm verfasst worden, es gab doch Ethikkomissionen.

    In meinen Kommentar habe ich die Frage gestellt, wann die Kinder behandelt wurden. Die vermutliche Antwort habe ich hier gefunden, und zwar in den Jahren 2006-2009.
    https://www.gesundheitsstadt-berlin.de/rueckschlag-bei-therapie-des-wiskott-aldrich-syndroms-3381/

  10. #11 Joseph Kuhn
    30. April 2016

    Update

    1. Christoph Klein hat bei einer Tagung Stellung zu den Vorwürfen genommen, dabei auch zum Risiko der Standardbehandlung zum Studienzeitpunkt:
    https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/seltene-erkrankungen/article/910293/gentherapie-defekte-gene-besser-reparieren-statt-ersetzen.html

    2. Johannes Boie hatte sich vor ein paar Tagen in der Süddeutschen auch noch einmal geäußert:
    https://www.sueddeutsche.de/muenchen/studie-lmu-weitet-untersuchung-zu-vorwuerfen-gegen-klinik-direktor-aus-1.2970039

  11. […] ein paar Tagen war hier schon einmal das Wiskott-Aldrich-Syndrom Thema. Die Erkrankung wird X-chromosomal rezessiv vererbt und ist sehr […]

  12. #13 Joseph Kuhn
    24. Mai 2016

    Update:

    Das Landgericht Hamburg hat mit Beschluss vom 20.05.2016 (Aktenzeichen 324 O 268/16) eine Einstweilige Verfügung gegen eine Reihe von Aussagen im SZ-Magazin-Beitrag von Johannes Boie erlassen, u.a. was den Vorwurf unzureichender Aufklärung der Eltern und unzureichender Konsequenzen angesichts von Informationen über das Risiko durch die benutzen Vektoren aus Studien in Frankreich und England betrifft. Inwiefern die vom Gericht für unterlassungspflichtig erklärten Aussagen die Darstellung von Johannes Boie insgesamt fragwürdig machen, kann ich nicht beurteilen, der Vorgang ist, wie bereits gesagt, kompliziert und ich bin bei den sich in diesem Zusammenhang stellenden Fragen kein Fachmann. Ich gehe einmal davon aus, dass man die Untersuchung des Vorgangs durch die LMU München abwarten muss.

  13. #14 Joseph Kuhn
    28. Mai 2016

    Update:

    In der aktuellen Ausgabe der ZEIT fragen Ulrich Schnabel und Jan Schweitzer “Hat dieser Arzt … alles versucht? … zu viel gewollt?” Die Frage bleibt allerdings auch in diesem Versuch zu verstehen, was da passiert ist, welche Risiken da gegeneinander abzuwägen waren und was man eventuell hätte anders machen sollen, letztlich offen.

    Interessant ist, dass die Autoren am Ende das System der ethischen Beratung und Begleitung von Therapiestudien in Deutschland ansprechen – darüber lohnt es sich unabhängig von dem konkreten Fall nachzudenken.

  14. #15 Joseph Kuhn
    31. Dezember 2016

    Update:

    Heute weist das Recherchekollektiv Correktiv in seinem Jahresrückblick-Newsletter noch einmal auf den Beitrag von Johannes Boie hin.

    Links zum Stand der Dinge:

    1. Der Artikel im SZ-Magazin mit den durch die Einstweilige Verfügung erwirkten Änderungen. Dass nur Jungen die Krankheit haben können und dass in Deutschland jährlich 3.000 Kinder an seltenen Erkrankungen insgesamt sterben würden (beides stimmt nicht), wurde übrigens nicht geändert.

    2. Internetseite der LMU mit verschiedenen Dokumenten zum Artikel

    3. Ein Interview auf meedia.de mit dem Chefredakteur des SZ-Magazins zum Umgang mit dem Artikel.

    4. Bundestagsdrucksache 18/9941 (Antwort der Bundesregierung zur Aufsichtsfunktion des PEI bei dieser Studie)

  15. #16 rolak
    31. Dezember 2016

    LMU mit verschiedenen..

    ..Titeln. Als <h1> sichtbar im Text “Informationen zur Gentherapie-Berichterstattung”, als <title> bestenfalls im Reiter lesbar “Rufmordkampagne gegen Christoph Klein”. Bei sämtlichen anderen, dort verlinkten Artikeln ist in beiden tags derselbe Text eingetragen.

    Unabhängig vom Inhaltlichen imho ziemlich dreist; als Kirsche auf der Sahne dann noch der Blödsinn, einen Artikel als Kampagne zu bezeichnen. Erinnert mich an eine Betriebsversammlung vor längerer Zeit, in der der jeglicher argumentativen Grundlage beraubte Chef nurmehr ein ‘Alles Rädelsführer hier!” herausstürzend herausbrachte.

    • #17 Joseph Kuhn
      31. Dezember 2016

      @ rolak:

      “in beiden tags derselbe Text eingetragen”

      Ich glaube, ich verstehe nicht, was Du meinst. Wenn ich den Link anklicke, komme ich auf eine Seite der LMU mit weiterführenden Links, beginnend mit “Grundlagen der WAS Gentherapie-Studie” und endend mit “Detaillierte Stellungnahme zu den Vorwürfen”. Und wenn ich die anklicke, komme ich zu den jeweiligen Inhalten.

    • #18 rolak
      31. Dezember 2016

      VerdeutlichungsVersuch in mehr als 2000 Worten:
       - Sammeltext: Titel in Text und Tab unterschiedlich
       - Einzeltext: Titel in Text und Tab gleich

      (Tabtitel reinkopiert, da verkürzt angezeigt ohne MausDrüber+keineTaste)

  16. #19 anderer Michael
    31. Dezember 2016

    Herr Kuhn
    Ich habe mir die vier Links durchgelesen.Etwas ist mir aufgefallen und ich verstehe es nicht.
    In meinem Kommentar 8 verwies ich auf eine Veröffentlichung der DFG aus dem Jahre 2006. Ich zitiere daraus.
    “….Etwa drei Jahre nach der ersten erfolgreichen Behandlung von zehn Patienten mit X-SCID in der
    Studie des Pariser Necker-Hospitals haben drei dieser Patienten akute T-Zell-Leukämien als
    Nebenwirkung der Gentherapie entwickelt und einer der Patienten ist an dieser Erkrankung
    verstorben. ”

    Dann Link 4 , Anfrage der Grünen diese Frage und die folgende Antwort:

    “Wie war nach Kenntnis der Bundesregierung zu Beginn der Studie im Jahr
    2006 der Erkenntnisstand über das Leukämierisiko durch den Einsatz sog.
    retroviraler Vektoren in vergleichbaren Studien mit autologen, gentechnisch veränderten Stammzelltransplantationen?
    b)
    Wie war nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2008 der Erkenntnisstand über das Leukämierisiko durch den Einsatz sog. retroviraler Vek-
    toren in vergleichbaren Studien mit autologen, gentechnisch veränderten
    Stammzelltransplantationen?
    Die Fragen 8a und 8b werden gemeinsam beantwortet.
    Nach Information des PEI konnten weder im Jahr 2006 noch im Jahr 2008 eindeutige Aussagen zum Risiko auftretender Leukämien getroffen werden. ”

    Also das Leukämierisiko war bekannt. Geht es um “eindeutige” Aussagen im Vergleich Gentherapie zu Stammzelltransplantationen oder geht es um die Kenntnis des Leukämierisikos? Ein Vergleich zwischen Gentherapie und Stammzelltransplantation erscheint mir nicht logisch. Eine weitere Leukämie oder bei Behandlung eines Lymphoms nach Stammzelltransplantation ist keine regelhafte unerwünschte Wirkung. Theoretisch denkbar wenn man beim Spender die Leukämie übersieht. Zweittumore entstehen als Folge der myeloablativen Vorbehandlung, nicht durch die Stammzelltransplantation , anders wie bei der Gentherapie.

    Wo ist mein Denkfehler? Dass ich schlauer bin als Bundesregierung und Paul-Ehrlich -Institut , ist abwegig.

    • #20 Joseph Kuhn
      31. Dezember 2016

      @ rolak: Jetzt ist der Groschen gefallen. Jahresendverständnisverlangsamung.

      @ anderer Michael: Unabhängig von der Jahresendverständnisverlangsamung: Ich habe auch keine Ahnung, wie das mit der Stammzelltransplantation einzuordnen ist. Habe die Antwort spontan so gelesen, dass man das Leukämierisiko der Gentherapie zwar kannte, aber nicht gut beziffern konnte.

      Guten Rutsch allerseits!

  17. #21 Joseph Kuhn
    23. Juli 2017

    Update:

    Der Untersuchungsbericht der Uni München liegt nun vor (eine Untersuchung an der Uni Hannover läuft noch). In den Medien wurde daraufhin der Fall wieder aufgegriffen:

    Die ZEIT:
    https://www.zeit.de/2017/30/gentherapie-christoph-klein-kinderarzt-universitaet-muenchen-votum

    Der Spiegel:
    https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/muenchen-kinder-sterben-nach-neuer-therapie-arzt-entlastet-a-1158369.html

    Die Süddeutsche Zeitung:
    https://www.sueddeutsche.de/muenchen/medizinethik-uni-kommission-entlastet-kinderarzt-klein-1.3591195

  18. #22 anderer Michael
    12. September 2017

    Die Nord-West-Zeitung schrieb ebenfalls darüber. Dort ist auch zu lesen, WAS betreffe nur Jungs. Kritisiert wird, dass die Gegen/ Zusatz/Kontroll/Gutachter der Kommission nicht genannt werden, wobei ich den Sinn der Anonymität schon nachvollziehen kann.

    https://mobil.nwzonline.de/panorama/drei-kinder-sterben-nach-neuer-therapie_a_32,0,357604441.html

    Übrigens auch bei Achgut existiert ein längerer Beitrag dazu von einer jungen Dame mit Namen Kurz, sie ist Biochemikerin, hat zusätzlich Philosophie studiert und aktuell Medizin, 26 Jahre alt.Ihr Beitrag ist eine Kritik an Prof . Klein, der von der dortigen Kommentatorenschaft zur Hälfte nicht geteilt wird.

    https://www.achgut.com/artikel/ein_medizinisches_experiment_in_deutschland/P5#section_leserpost