Nebenan bei Astrodicticum Simplex ist vor ein paar Tagen das Wissenschaftsbarometer 2016 vorgestellt worden. Inhaltlich wird diese Befragung von einer gemeinnützigen GmbH namens Wissenschaft im Dialog (WiD) verantwortet. Dahinter steht die Crème de la Crème der deutschen Wissenschaftsorganisationen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft über die Helmholtz-Gesellschaft bis zum Wissenschaftsrat. Vornehmer geht nicht mehr.
Ein Ergebnis der Wissenschaftsbarometer-Befragung 2016 ist der Befund, dass nur 32 % der Befragten die Aussage ablehnen, die Menschen würden zu sehr der Wissenschaft vertrauen und nicht genug ihren Gefühlen oder dem Glauben. Ich will nicht darüber streiten, wie klug diese oder andere Fragen gestellt sind. Manchmal hat man den Eindruck, das kleine 1×1 der Fragebogenkonstruktion gerät auch in hehren demoskopischen Sphären immer mal wieder in Vergessenheit, z.B. dass man in einer Frage nicht zwei Sachverhalte verknüpfen soll und schon gar nicht beides in einer mehrdeutigen Weise. Aber gut, nehmen wir die Antwort mal einfach so, wie sie auch bei Astrodicticum Simplex gelesen wurde: Nur 32 % der Befragten vertrauen der Wissenschaft.
Ich weiß nicht, ob das viel oder wenig ist, ob man der Wissenschaft allgemein mehr als den eigenen Gefühlen vertrauen sollte, z.B. im Restaurant oder bei der Partnerwahl, aber das war ja sicher nicht gemeint und bestimmt hat das auch jeder so verstanden. Ich habe mit der Befragung ein ganz anderes Problem: Das Wissenschaftsbarometer 2016 wurde von der Philip Morris Stiftung gefördert, also aus dem engsten Umfeld der Tabakindustrie. Ausgerechnet die Industrie, die jahrzehntelang Wissenschaft in perfidester Art und Weise manipuliert und Vertrauen in die Wissenschaft zersetzt hat, wird von den Spitzenorganisationen der deutschen Wissenschaft als Förderer für eine Befragung zum Vertrauen in die Wissenschaft akzeptiert. War das schwarzer Humor? Haben die alle noch nichts von der Framework Convention on Tobacco Control gehört? In diesem völkerrechtlichen Vertrag geht es unter anderem darum, Aktivitäten der Tabakindustrie, die gesellschaftliche Reputation sichern sollen (und damit politischen Einfluss), zurückzudrängen. Was mag wohl das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg dazu sagen, das sich sonst in dieser Angelegenheit so lautstark engagiert? Es ist Mitglied der Helmholtz-Gesellschaft.
Den Ergebnissen zufolge stufen die Befragten „Gesundheit und Ernährung“ als wichtigsten Forschungsbereich für die Zukunft ein. Ein Befund, der wohl keine Chance mehr hat, in einem guten peer reviewten Medical Journal abgedruckt zu werden, denn die haben vor einiger Zeit schon vereinbart, nichts mehr zu drucken, was mit Geld der Tabakindustrie gefördert wurde. Und ich glaube, ich vertraue mal vorsichtshalber den Ergebnissen dieser Art Wissenschaft weniger als meinen Gefühlen: Das war – hoffentlich – gut gemeint, gut gemacht war es nicht.
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