„Helfen. Warum?“ war der Titel der heutigen Markt Schwabener Sonntagsbegegnungen, einer Veranstaltungsreihe, über die ich hier auf Gesundheits-Check schon zweimal berichtet habe: einmal zu einer Diskussion zwischen Christoph Süß und Werner Bartens über das „gute Leben“, einmal zu einer Diskussion zwischen Gerhard Schröder und Hans-Jochen Vogel um politische Lebenswege.
Über das Thema Helfen haben Bernhard Piendl, der bayerische Landescaritas-Direktor, und Thomas Beyer, der Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt, diskutiert. Gut, die Namen kennt man außerhalb Bayerns vielleicht nicht, aber Caritas und Arbeiterwohlfahrt sind sicher bekannt. Es sind zwei der sechs Verbände der freien Wohlfahrtspflege – sie gehören zu den größten Arbeitgebern im sozialen Bereich und organisieren auch in großem Umfang ehrenamtliche Arbeit. Das Helfen ist sozusagen ihr Geschäft. Die heutige Sonntagsbegegnung fand in der Orthopädischen Kinderklinik Aschau statt, ein Ort des professionellen medizinischen Helfens also.
Mit der Rolle der Medien begann die Diskussion über das Warum des Helfens. Medienberichte über Katastrophen wie Tsunamis oder Erdbeben lösen regelmäßig eine große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung aus, aber Medienaufmerksamkeit ist nie von Dauer und wenn sie nachlässt, so die Beobachtung der Diskutanden, lässt z.B. auch das Spendenaufkommen nach. Das sehe ich auch so. Nur auf individuelle Motivation lassen sich nachhaltige Hilfen nicht aufbauen, es braucht auch institutionelle Schienen. Institutionen entlasten die Motivation der Individuen.
Dessen ungeachtet waren sich die beiden Diskutanden einig, dass Helfen zum Menschsein gehört, „es sei uns in die Wiege gelegt“. Ohne hier in die Altruismusdebatte der Evolutionsbiologie einsteigen zu wollen: Der Mensch ist zweifellos ein soziales Wesen und eine Gemeinschaft funktioniert sicher nicht nur, indem staatlicher Zwang verhindert, dass der Mensch des Menschen Wolf ist. Außerdem tut man damit den Wölfen Unrecht, Wölfe sind bekanntlich ausgesprochen soziale Tiere. Ein interessanter Punkt, der leider nur kurz anklang, war der Gedanke, Helfen sei nicht nur etwas, was Menschen, denen es gut geht, für die tun, die in Not sind, sondern es sei – zumindest langfristig – ein reziprokes Verhältnis, eine Arbeit am gemeinsamen Haus der Gesellschaft.
Der aktuellen Situation geschuldet, waren die Flüchtlinge und ihr Hilfebedarf sowie die Leistung der Helferkreise immer wieder Thema des Gesprächs. Auch hier waren sich Piendl und Beyer einig darin, dass man unabhängig von der Herkunft und dem Glauben der Menschen helfen müsse, sei es, dass man als Christ davon ausgehe, dass jeder Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen sei , sei es, dass man vom Grundgesetz ausgehe, das jedem Menschen Menschenwürde zuspricht, egal woher er kommt und woran er glaubt. Dabei kam zwangsläufig auch der gerade vielkritisierte Satz des CSU-Generalsekretärs Andreas Scheuer zur Sprache: „Das Schlimmste ist ein fußballspielender, ministrierender Senegalese, der über drei Jahre da ist. Weil den wirst du nie wieder abschieben.“ Wehe dem, der sich an die Leitkultur anpasst! Eine Warnung an alle Flüchtlinge, nicht nur Ebenbild Gottes, sondern auch Ebenbild eines bayerischen Mannsbilds sein zu wollen. Schließlich sind schon Chinesen in Lederhose oder Landhaus-Dirndl auf dem Oktoberfest eine Zumutung. Scheuers Satz haben beide Sozialmanager verurteilt. Nur nebenbei: Interessant war ja auch die Entschuldigung Scheuers, das sei doch nur eine Zuspitzung gewesen: als ob das, was er da zugespitzt hat, besser wäre als die Zuspitzung. Ganz davon abgesehen sind Entschuldigungen nach dem Strickmuster „das war nicht so gemeint“ inzwischen durch Überbeanspruchung seitens der AfD eh ziemlich unglaubwürdig geworden.
Insgesamt war das Gespräch vor allem eine Erklärung der beiden Wohlfahrtsverbände, wie sie die moralischen Grundlagen unseres Miteinanders beurteilen und in welche Richtung sie gehen wollen. Auszudiskutieren war das weite Feld des Helfens an einem Sonntagvormittag natürlich nicht. Indem sich die beiden Diskutanden auf das Gemeinschaftsstiftende des Helfens konzentriert haben, kam die Brüchigkeit der Einstellungen in der Bevölkerung kaum zur Sprache, obwohl die Verweigerung des Helfens, das Augenverschließen vor der Not Anderer und das „Warum“ dessen eigentlich auch zum Bild gehört.
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