Ein Feingeist war der Schweizer Roger Köppel nie. Was Trump so unglaublich geschmacklos und menschenverachtend auf die Spitze getrieben hat – die Regelverletzung als politisches Stilmittel einzusetzen – hat Köppel schon immer gerne gemacht. Nur so viel getraut hat er sich nicht. In einem Focus-Beitrag vom letzten Donnerstag folgt er jetzt allerdings Trump auf’s Bahnhofsklo der politischen Auseinandersetzung. Da kann man solche Sätze lesen:
„Klar, die jüngsten Enthüllungen waren nicht gerade erbaulich für Trump. (… ) Die Aufnahmen waren daneben und peinlich, aber Trump hatte nur mit seinen Worten ausgedrückt, was der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger unter allgemeinem Applaus einst gepflegter so formuliert hatte: ‚Macht ist für Frauen das endgültige Aphrodisiakum.‘ “
Nein, da hat er nicht das Gleiche gesagt. Und selbst wenn: Darf man deswegen Frauen überall anfassen, wie Trump das für sich „als Star“ in Anspruch nimmt? Roger, Roger, was hätte deine Mutter dazu gesagt?
„Es war bizarr, dass ausgerechnet Hillary Clinton ihr angeblich grenzenloses Entsetzen über Trumps Sexismus in der TV-Debatte ausbreitete. (…) Hillary ließ ihrem Ehemann Bill bis heute die trübsten Seitensprünge und wildesten Affären durchgehen (…).“
Noch eine Entschuldigung nach dem perversen Muster, andere machen es auch. Sorry Frauen, nehmt es Trump nicht übel, es gibt noch mehr von der Sorte!
„Man hat den Immobilienmogul ja nicht dabei aufgenommen, wie er eine Vergewaltigung oder einen Raubmord plante. Er redete einfach so, wie viele Männer reden, wenn sie sich in Herrenrunden oder Umkleidekabinen unbeobachtet fühlen.“
Keine Angst Frauen, der Trump will nur grapschen. Teilen die sich die gleiche Umkleidekabine? In Köppels Herrenrunden möchte ich jedenfalls nicht sein, ist ja ekelhaft.
„Moralisch neutralisiert die Gemeinheit des Verräters die beschämende Schlüpfrigkeit der Aufzeichnungen.“
Nur noch irre. Und dann das noch irrere Fazit: Gerade weil der Trump so ist, weil er sich nicht an Regeln hält, weil er nicht politisch korrekt ist, genau das macht ihn zum besseren Kandidaten:
„Nach dem Brexit wäre eine Wahl Trumps der zweite Befreiungsschlag gegen jene polyglotte, selbstzufriedene, göttergleiche Polit-Elite (…) Allmählich verdichtet sich der Eindruck, dass eine Wahl des Krawallpolitikers Trump das geringere Übel sein könnte als die Fortführung dessen, was die verblüffend große Zahl seiner Anhänger überwinden möchte.“
Wäre für das, was man „überwinden möchte“ (was eigentlich?) nicht eine konstruktive, verantwortungsvolle Politik notwendig? Eine Politik, die versucht, für die – vielleicht ja zu Recht empörten – Menschen etwas besser zu machen? Früher hätte man wenigstens noch versucht, eine Bewertung von Kandidaten an ihren politischen Programmen festzumachen. Darauf verzichtet Köppel bei Trump wohl aus gutem Grund. Nur Regeln verletzen, die Welt, die einem nicht gefällt, kaputtzuhauen, wie ein wütendes Kind seine Lego-Burg, macht nichts besser. Solcherart „thymotische“ Befreiung (© Marc Jongen) ging 1933 schon mal ins Auge.
Köppel ist am Ende des anständigen Journalismus angekommen. Jetzt bleibt nur noch der Kopp-Verlag als Steigerung. Warum bringt Focus eigentlich so einen Mist?
Kommentare (409)