Über das Thema Krankenkassen und Homöopathie ist hier auf Scienceblogs oder nebenan bei den Skeptikern schon oft geschrieben worden, eigentlich ist dazu alles gesagt. Die Kassen werben mit der Homöopathie um junge, gesunde und gutverdienende Versicherte, der Gesetzgeber hat ihnen diese Möglichkeit gegeben und es gibt im Gesundheitswesen natürlich größere Probleme als die Schüttelmedizin. Man könnte es gut sein lassen.
Aber wenn man liest, wie manche Krankenkassen ihre Versicherten über die Homöopathie „aufklären“, dann treibt es einen doch wieder um. Bei den Krankenkassen wissen viele Leute, dass sie Schlangenöl verkaufen, aber den Krankenkassen-Betriebswirten ist das egal, der Wettbewerb ist hart und die Arzneimittelwirksamkeit keine betriebswirtschaftliche Kategorie. Interessant sind die daraus resultierenden Kompromisse in der Öffentlichkeitsarbeit. Da kann es dann dazu kommen, dass man homöopathische Behandlungen zwar erstattet, aber immerhin recht kritisch über die Frage der Wirksamkeit informiert. Diese Variante findet man zurzeit bei der Techniker-Krankenkasse. Da wird über die Bewertung von Studien gesprochen, vor Nebenwirkungen gewarnt und dazu aufgefordert, kritische Fragen zu stellen. Die offene Schizophrenie praktiziert die AOK, die zusammen mit Gerd Gigerenzer evidenzbasierte „Faktenboxen“ entwickelt hat und ins Netz stellt – konsequenterweise nicht zur Homöopathie, deren Kosten sie lieber evidenzbefreit erstattet. Und dann gibt es Fälle wie den der DAK, bei denen vermutlich ein Homöopathiefan den aktuellen Aufklärungstext im Netz geschrieben hat.
Es beginnt mit einer Feststellung: „Vielen Patienten ist nicht klar, worum es sich bei Homöopathie handelt.“ Das wäre eine gute Gelegenheit, ähnlich wie die TK zumindest die wichtigsten kritischen Punkte einmal anzusprechen. In dem Abschnitt „Wir erklären Ihnen, wie Homöopathie funktioniert“ hört man stattdessen nur die Stimme Hahnemanns aus dem Grabe: „Die Homöopathie beruht auf der Annahme, dass ein Mittel, das bei gesunden Menschen bestimmte Symptome hervorruft, in hoher Verdünnung die gleichen Symptome auch heilen kann.“
Das war Hahnemanns Annahme vor 200 Jahren. Dass nichts für diese Annahme spricht, dass das „Ähnlichkeitsprinzip“ keine wissenschaftliche Basis hat, erfährt man nicht. Weiter geht es mit dem Herstellungsprozess: „Die Mittel in der Homöopathie werden systematisch verdünnt, d.h. dem Mittel wird bei jedem Verdünnungsschritt Energie zugeführt und verschüttelt.“ Sprachlich nicht gut, falls man nicht wirklich sagen wollte, dass Energie verschüttelt wird. Aber immerhin, Verschütteln führt kinetische Energie zu, wenn auch in sehr geringer Menge, das stimmt. Daraus hätte allerdings nicht einmal Hahnemann ein Thema gemacht, wenn er zu seiner Zeit etwas über „Energie“ gewusst hätte. Gut, wenn man die kinetische Energie wieder verdünnen würde, könnte damit der Logik der Homöopathen zufolge vielleicht ADHS, das „Zappelphilippsyndrom“ behandelt werden, aber darum geht sicher nicht.
Die DAK kommt erst im nächsten Satz auf des Pudels Kern: „Was dabei genau passiert, ist wissenschaftlich nicht eindeutig belegt. Am populärsten ist jedoch die These, dass dabei Informationen der jeweiligen Substanz übertragen werden.“ Wissenschaftlich ist eindeutig belegt, dass „dabei“ gar nichts weiter passiert, außer dass verdünnt und verschüttelt wird. Da hilft es auch nicht, wenn auf einmal aus der „Energie“ die „Information“ wird. Hahnemann, der von Molekülen noch nichts wusste, sprach von „geistartigen Kräften“, aber das war der DAK wohl nicht modern genug. „Information“ klingt besser. Die DAK nutzt ja auch sonst moderne Informationstechnologie. Wie dem auch sei: „Information“ lässt sich weder durch Verdünnen noch durch Verschütteln übertragen, im gut durchgeschüttelten Bodensee ist informativ nicht viel drin. Sonst schon. Der Erklärbärsatz mit dem Verdünnen, Verschütteln, der Energie und der Information ist übrigens mindestens 8 Jahre alt, psiram hat ihn schon 2009 zitiert. Uraltes Wissen, sozusagen.
Dann gibt es noch konkrete Anwendungshilfen für den DAK-versicherten Homöopathienutzer, z.B.: „Homöopathische Mittel dürfen nicht mit Metall in Berührung kommen.“ Warum nicht? Egal, steht bestimmt bei Hahnemann, wie auch der Nachweis für das: „Zahnbehandlungen, ätherische Öle und Kaffee können die Wirkung stören.“
Wichtiger ist dann wieder die Sache mit den Kosten: „Wir als Ihre Krankenkasse beteiligen uns mit einem Zuschuss von bis zu 100 Euro an den Kosten für Naturarzneimittel der Homöopathie.“ Streng genommen würde die DAK also nichts bezahlen, weil es sich bei Homöopathika nicht um „Naturarzneimittel“ handelt, aber darauf kommt es dann auch nicht mehr an.
Und wo bleibt das Positive? Vielleicht das, die DAK formuliert zwei Ausschlüsse: „So kann diese Heilungsmethode nicht bei schweren oder akut lebensbedrohlichen Krankheiten wie zum Beispiel Krebs eingesetzt werden.” Warum eigentlich nicht? Auch egal. Die DAK weiter: “Auch bei Krankheiten, für die es spezielle und sichere Arzneien gibt, findet die Homöopathie keine Anwendung.“ Zu Deutsch: Die Homöopathie kann eingesetzt werden, wenn man nichts Ernstes hat oder wenn es eh keine wirksamen Mittel gibt. Und wenn der Wettbewerb es so will, natürlich.
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