Nein, keine Angst, ich bin nicht verrückt geworden. Die Überschrift ist natürlich ironisch gemeint. Ich hatte gerade eine hartnäckige Erkältung, die über Tage einfach nicht besser werden wollte und mit ein paar beunruhigenden Symptomen einherging. Also bin ich gegen meine Männerhaltung „da muss der Körper durch“ ausnahmsweise doch zum Arzt, mir wurden nach Abklärung einiger Dinge Antibiotika verschrieben, nach der zweiten Tablette ging es mir schon deutlich besser, nach der dritten noch etwas besser und heute sind die schlimmsten Beschwerden weg. Die Antibiotika haben geholfen, ganz klar.
Ganz klar? Dazu müsste ich wissen, wie es ohne Antibiotika gekommen wäre. Vielleicht war es ja doch nur eine Virusinfektion, die ihren Gipfel schon hinter sich hatte? Und falls mir das Medikament geholfen hat, würde es auch anderen Menschen in größerer Zahl helfen? Meine individuelle Erfahrung kann solche Fragen nicht beantworten. Ich bin zwar absolut überzeugt, dass die Antibiotika gewirkt haben, aber nachzuweisen ist das anhand meines Einzelfalls mit nur einem Behandlungsverlauf nicht. Dazu bräuchte man eine Interventionsgruppe, eine Kontrollgruppe, die zufällige Verteilung der Patienten auf beide Gruppen und die Sicherheit, dass weder Ärzte und Statistiker noch die Patienten wissen, wer als Patient der Interventions- oder Kontrollgruppe zugeteilt wurde.
Genau das macht ein RCT. Und genau so sehen die Zulassungsstudien meines Medikaments aus. Es wirkt bei vielen Menschen mit einer bakteriellen Infektion, daher habe ich gute Chancen, dass es auch bei mir auch wirkt, wenn ich schon das Pech einer bakteriellen Infektion habe und nicht auch noch zusätzlich das Pech, dass das Medikament im konkreten Fall bei mir trotzdem nicht anschlägt.
Mit solchen Trivialitäten hält sich die Homöopathielobby nicht auf. Sie macht es wie die Sonnenuhr und zählt die heitren Stunden nur, gerade wieder nachzulesen: „Im Streit um die Homöopathie sind die Fronten verhärtet. Björn Bendig, Sprecher des Deutschen Zentralvereins Homöopathischer Ärzte, widerspricht Kritikern und verweist darauf, dass der klinische Alltag sehr wohl die positive Wirkung von Globuli zeige.“ Der klinische Alltag zeigt vieles, aber die positive Wirkung von Globuli kann er nicht zeigen.
Nicht dass Herr Bendig es nicht besser wüsste, aber noch besser weiß er, dass das seinen Kunden egal ist. Sie wollen nichts von Randomisierung und Verblindung hören, sondern davon, dass man ihnen helfen kann. Und das zeigen die positiven Beispiele doch, oder nicht?
Und weiter: „Die Debatte um Sinn und Nutzen der Homöopathie werde deshalb so leidenschaftlich geführt, weil der Wirkmechanismus von Globuli im Körper nicht aufgeklärt sei.“ Nein, auch das stimmt nicht. Die Debatte wird so leidenschaftlich geführt, weil die Wirkung von Globuli über Placebo hinaus nicht nachgewiesen ist und die Homöopathie es trotzdem geschafft hat, dass ihre Alkohol- und Zuckerzubereitungen als Medikamente gelten und von den Krankenkassen erstattet werden. Das muss sich ändern.
Kommentare (92)