Viele Menschen betrachten zurzeit das Phänomen Trump mit den unterschiedlichsten Gefühlen. Manche mit euphorischer Hingabe, andere mit Besorgnis, manche mit Verachtung, andere mit ratlosem Staunen, manche mit Vergnügen am humoristischen Unterhaltungswert seiner Auftritte. Bis auf das erste Gefühl kann ich das alles verstehen. Ich will jetzt auch nicht anfangen, doch noch Verständnis für das erste Gefühl zu wecken, aber mir ging in der letzten Zeit öfter ein Zitat durch den Kopf, bei dem ich mich frage, ob es der gängigen Interpretation der Wahl Trumps als Protestwahl eventuell noch eine Akzentuierung gibt, über es sich nachzudenken lohnt.
Das Zitat ist von Walter Benjamin und wird immer wieder mal bemüht, z.B. vom seligen Christian Graf von Krokow, einem Konservativen, in einem ZEIT-Artikel vor fast vierzig Jahren oder von Wolfgang Kraushaar, einem Linken, der in einem Buch eine ganze Sammlung von Protestäußerungen damit betitelt hatte. Das Zitat von Benjamin:
„Marx sagt, die Revolutionen sind die Lokomotiven der Weltgeschichte. Aber vielleicht ist dem gänzlich anders. Vielleicht sind die Revolutionen der Griff des in diesem Zuge reisenden Menschengeschlechts nach der Notbremse.“
Wäre die Wahl Trumps, die, wie gesagt, von vielen, auch von mir, als Protestwahl der weißen männlichen Globalisierungsverlierer gesehen wird, vielleicht in dieser Weise zu entschlüsseln, über die Motive seiner Wähler hinaus? Als Signal, dass es so insgesamt nicht weitergehen kann? Dass die Macrons, Merkels und Schulzes dieser Welt, die Weichensteller des Weiter-so, daher nicht die leuchtende Zukunft der Menschheit verkörpern? Aber wie dann weiter? Oder bringt die Notbremsenmetapher nur eine unnötige apokalyptische Grundstimmung ins Bild, was den normalen, trumpfreien Gang der Dinge angeht? Sozusagen eine Prise Stephen Hawking zu viel? Ich weiß, dass ich solche Fragen immer mal wieder stelle und vielleicht ist das nur die fragwürdige Endlosschleife fehlender Prognosesicherheit, was die Zukunft angeht: „Wird’s besser? Wird’s schlimmer? fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich!“ (Erich Kästner). Vielleicht aber auch nicht.
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