Seit dem Psychotherapeutengesetz (PsychThG) vom 16.6.1998, am 1.1.1999 in Kraft getreten, gibt es die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (und die jeweiligen –innen). Sie sind berechtigt, Psychotherapie auszuüben. Das dürfen ansonsten nur noch entsprechend spezialisierte Ärzte – sowie die Heilpraktiker. Über letztere haben wir in den letzten Tagen auch hier auf Gesundheits-Check intensiv diskutiert. Mit dem PsychThG gab es zwei neue Psychotherapie-Berufe. Qua Approbation waren sie berufsrechtlich unabhängig von den Ärzten (das ging vorher nur über eine Heilpraktikererlaubnis) und sozialrechtlich wurde ihnen der Weg zur Kassenzulassung eröffnet.

Für die Approbation sieht § 5 (1) PsychThG eine drei- bzw. fünfjährige Ausbildung vor: „Die Ausbildungen zum Psychologischen Psychotherapeuten sowie zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten dauern in Vollzeitform jeweils mindestens drei Jahre, in Teilzeitform jeweils mindestens fünf Jahre. Sie bestehen aus einer praktischen Tätigkeit, die von theoretischer und praktischer Ausbildung begleitet wird, und schließen mit Bestehen der staatlichen Prüfung ab.“ Und in Absatz 2 steht, dass für den Zugang zur Ausbildung für Psychologische Psychotherapeuten ein abgeschlossenes Studium der Psychologie nötig ist, für die Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten eines der Psychologie, Pädagogik oder Sozialpädagogik.

Seit langem wird über eine Reform der Psychotherapieausbildung diskutiert. Ein Punkt dabei ist die sog. „Direktausbildung“. Damit ist gemeint, dass ein einschlägiges Studium mit klinischem Schwerpunkt direkt zur Approbation führt, analog dem Medizinstudium. Das sieht der nun vorgelegte „Arbeitsentwurf eines Gesetzes zur Reform der Psychotherapeutenausbildung“ vor, kurz Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz, noch kürzer PsychThGAusbRefG.

In einigen ärztlichen Kreisen nährt der Arbeitsentwurf einen unheimlichen Verdacht: Das neue Gesetz solle einen schlechter qualifizierten „Sprechberuf“ schaffen und das Sprechen aus der Medizin herausnehmen. „Ein basal ausgebildeter, neuer Arzt-paralleler Heilberuf soll das „Sprechen“, die Patienten-Kommunikation und die Steuerungsfunktion im Gesundheitssystem aus der ärztlichen Versorgung ausklammern und übernehmen“ heißt es etwa in einem namentlich nicht gekennzeichneten Beitrag auf DocCheck. Die Sache würde „vom BMG wie eine Verschlusssache behandelt: Öffentliche Diskussion sind nicht erwünscht. Kritische Auseinandersetzung mit Fachkreisen sollen vermieden werden.“

Der Grund für diese finstere Einschätzung ist § 1 Absatz 5 des Arbeitsentwurfs: „Ausübung von Psychotherapie im Sinne dieses Gesetzes ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist. Psychologische Tätigkeiten, die die Aufarbeitung oder Überwindung sozialer Konflikte oder sonstige Zwecke außerhalb der Heilkunde zum Gegenstand haben, gehören nicht zur Ausübung von Psychotherapie.“ Das sei, so der Beitrag auf DocCheck, der Freibrief für eine „Labermedizin“. Gesundheitsminister Gröhe wolle „jetzt einen neuen Mini-Heilberuf ins Rennen schicken, der ohne jede wissenschaftlich-psychotherapeutische Fundierung Patienten-Gepräche und die Kommunikation in der Medizin übernimmt.“

Ich glaube, das ist eine überzogene Interpretation. Dass das BMG das Patientengespräch „aus der ärztlichen Versorgung ausklammern“ und einem Sprechberuf übertragen will, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Das läuft allen Bemühungen um eine sprechende Medizin zuwider und wäre auch vom Behandlungsablauf in der somatischen Medizin gar nicht machbar. Der Onkologe kann ja nicht den Befund auf den Tisch schmeißen und sagen, Sie haben Krebs, den Rest macht mein Kollege vom sprechenden Fach. Und natürlich sieht auch der Arbeitsentwurf ein einschlägig qualifizierendes Studium auf Masterniveau vor. Nicht etwa ein Bachelor, sondern der Master führt zur Approbation. Dabei gibt § 7 (1) PsychThGAusbRefG vor: „Die Ausbildung (…) vermittelt entsprechend dem allgemein anerkannten Stand psychotherapiewissenschaftlicher, psychologischer, pädagogischer, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse die grundlegenden personalen, fachlich-methodischen, sozialen und umsetzungsorientierten Kompetenzen, die für eine eigenverantwortliche, selbständige und umfassende psychotherapeutische Versorgung von Patientinnen und Patienten aller Altersstufen im Sinne von § 1 Absatz 5 dieses Gesetzes mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren erforderlich sind.“

Was allerdings offen ist, ist die Frage, ob das in der Psychotherapie reicht. Dass im Rahmen eines Studiums diese Fähigkeiten wirklich zu vermitteln sind, ist nicht ausgemacht. Bei aller berechtigten Kritik am bisherigen System: die praxisnahe Ausbildung ist eine seiner Stärken.

Offen ist auch, was danach kommt. Für die Kassenzulassung im ärztlichen Bereich ist – mit bestimmten Ausnahmen – seit Jahren der Facharzt notwendig. Wird also auch für die neuen Psychotherapeuten nach der Approbation noch eine Fachausbildung dazu kommen, wenn man an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmen will? Das sollten die Psychotherapeuten anstreben, wenn sie auf gleicher Augenhöhe mit den Ärzten bleiben wollen.

Und was noch offen ist: Welche Folgen hat der Gesetzentwurf für die Psychotherapie-Heilpraktiker? Denn ein approbierter Psychotherapeut, der keine Kassenzulassung anstrebt und künftig mit der Approbation alleine privatärztlich tätig wird, was unterscheidet den noch vom sektoralen Heilpraktiker? Genauer, von Psychologen, die sich eine auf Psychotherapie eingeschränkte Heilpraktikererlaubnis geholt haben und einen erheblichen Anteil unter den Psychotherapie-Heilpraktikern ausmachen dürften? Da hätte man dann eine seltsame Doppelstruktur, die geradezu nach einer Bereinigung schreit.

Der Arbeitsentwurf für das Buchstabensammelgesetz PsychThGAusbRefG wird wohl noch zu einigen Diskussionen führen. Vielleicht kommen ja am Ende noch ein paar Buchstaben dazu, z.B. uHPPsychAG.

Kommentare (6)

  1. #1 Umami
    13. September 2017

    *Nixblick*

    Ich fasse mal zusammen, vielleicht habe ich ja doch irgend etwas geblickt….
    Seit Ende der 90er gibt es also eine Betriebserlaubnis für Therapeuten, für die sie ein Studium (3 sind möglich) brauchen, sowie eine praktische 3-jährige Ausbildung. (Und gerade die ist toll!)
    Vorher gabs eine “Betriebserlaubnis” nur als HP.

    Und nun wollen sie die Ausbildung wieder abschaffen (oder irgendwie ins Studium integrieren?)

    Braucht man aktuell für diesen sektoralen HP ein entsprechendes Studium? Oder darf das prinzipiell jeder?

    Ich verstehe das Problem der Arzte irgendwie nicht….

  2. #2 Umami
    13. September 2017

    Und warum zum Geier kriege ich auf dieser Seite p@r@ce£$¥$-Werbung?

  3. #3 Umami
    13. September 2017

    Und haben die psychologischen Psychotherapeuten aktuell eine Kassenzulassung?

  4. #4 Joseph Kuhn
    13. September 2017

    @ Umami:

    1. Für den sektoralen Heilpraktiker Psychotherapie braucht man kein Studium, aber nicht wenige haben eines.

    2. Approbierte Psychotherapeuten haben nicht automatisch eine Kassenzulassung, aber nur approbierte können eine bekommen.

  5. #5 anderer Michael
    14. September 2017

    Dürfen aktuell die sektoralen Heilpraktiker mit erfolgreichen Studienabschluss Psychologie , aber ohne Weiterbildung Psychotherapie, die Arbeitsweisen der approbierten Psychotherapeuten anwenden ?
    Falls nein, was machen die mit den Hilfesuchenden ( ich möchte im Zusammenhang mit Heilpraktikern jedes Wort aus dem Feld Ärztin/ Psychotherapeutin/Patientin vermeiden)? Schamanen , Obertonsingen bei Borderline?

    • #6 Joseph Kuhn
      14. September 2017

      @ anderer Michael:

      Alle Heilpraktiker dürfen alle Psychotherapieverfahren anwenden, nicht nur die Psychotherapie-Heilpraktiker (oder darunter gar nur die mit Psychologiestudium). Welche Verfahren die Heilpraktiker anwenden, weiß man nicht. Was sie gelernt haben, weiß man auch nicht. Die Ausbildungsinstitute, bei denen jetzt die Psychotherapieausbildung für die Approbation läuft, haben Zulassungsvoraussetzungen, was das vorherige Studium angeht, d.h. eine Krankenschwester oder ein Ingenieur könnte dort z.B. keine Verhaltenstherapieausbildung machen.

      Aber Kurse zur Verhaltenstherapie kann im Prinzip jeder anbieten, auch Heilpraktikerschulen haben das im Programm. Eine namens “Heilpraktiker Akademie Deutschland” vermittelt die kognitive Verhaltenstherapie z.B. an drei Wochenenden. Zulassungsvoraussetzungen gibt es keine. Die angeblich so komplexe ganzheitliche Betrachtungsweise des Menschen, zu der Ärzte nicht fähig sind, lässt sich im Heilpraktikerwesen schnell lernen. Aber diese Debatte gehört eigentlich in den Blog über die Psychotherapie-Heilpraktiker.