… lautet der Titel eines Beitrags im aktuellen SPIEGEL 43/2017 darüber, was Monsanto über die gesundheitlichen Risiken von Glyphosat wusste, oder nicht wissen wollte, oder nicht wollte, dass wir es wissen. Vielleicht muss der Streit um einen Stoff, der als „Pflanzenschutzmittel“ gilt, obwohl er Pflanzen zuverlässig vernichtet, zumindest die, die nicht gentechnisch dagegen geschützt sind oder sich selbst durch Resistenzbildung dagegen schützen, zwangsläufig absurde Züge entwickeln. Ist es nicht paradox? Da wurde seinerzeit unter der grünen Landwirtschaftsministerin Künast das Bundesinstitut für Risikobewertung errichtet, extra, um eine unabhängige Bewertung von Risiken für die Verbraucher vorzunehmen. Nun wird genau dieses Institut bei der Bewertung von Glyphosat durch die Grünen verdächtigt, nicht unabhängig gearbeitet zu haben. Die Munition für die Vorwürfe kam u.a. durch die Krebsagentur der Weltgesundheitsorganisation IARC, die Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend eingestuft hat. Einer der Frontmänner dabei, Christopher Portier, sieht sich jetzt Vorwürfen ausgesetzt, Interessenkonflikte nicht offengelegt zu haben, Glyphosatbefürworter stellen seine Unabhängigkeit infrage. Natürlich ist auch hier die Sachlage ziemlich unklar. So ziemlich alles ist im Glyphosat-Streit inzwischen unklar. Nicht einmal darüber besteht Einigkeit, ob das BfR kürzlich einen Auftritt vor dem Umweltausschuss des EU-Parlaments verweigert hat oder angeboten hat, zu kommen, falls nötig.
Ob sich die Tabakindustrie neidisch fragt, warum sie es nicht geschafft hat, die wissenschaftliche Evidenz zum Rauchen in so ein Desaster zu führen? Gut, das wäre ungleich schwerer gewesen, zu erdrückend war die Last der Studien gegen das Rauchen, nicht einmal beim Passivrauchen ging die Strategie „Doubt is our product“ gut. Und versucht hat sie es ja.
Eine neue Arabeske im Verwirrspiel um die Gesundheitsrisiken von Glyphosat ist ein Hinweis von Harald Walach, einem eigentlich versierten Methodiker, allerdings mit Neigung zu wissenschaftlichen Holzwegen, auf einen Artikel von Swanson et al, Genetically engineered crops, glyphosate and the deterioration of health in the United States of America. Der Artikel zeigt gleichläufige Trends bei der Glyphosatanwendung und der Entwicklung aller möglicher Krankheiten in den USA – von diversen Tumoren über Alzheimer, Diabetes bis hin zu Autismus. Walach ist, wie gesagt, ein versierter Methodiker. Natürlich weiß er, dass gleich verlaufende Kurven keine Ursächlichkeit belegen:
„Ein paar Worte der Vorsicht: Korrelationen sind keine Verursachung, das zeigt das klassische Beispiel vom gleichzeitigen Rückgang der Geburten und dem Anstieg der Verwendung von Kühlschränken in Schweden oder den USA. (…) Im Fall der Krankheiten und Glyphosat könnten in der Tat noch andere Variablen im Spiel sein, die wir nicht kennen oder an die wir nicht denken.“
Aber zu verführerisch ist es wohl, diesem unumgänglichen Hinweis, dass es sich um spurious correlations handeln könnte (und mit großer Wahrscheinlichkeit auch handelt, wie man hinzufügen sollte), doch ein „aber“ folgen zu lassen und der Geschichte des Verschwindens wissenschaftlicher Evidenz im Glyphosat-Sprühnebel noch eine kuriose Fußnote hinzufügen:
„Besonders einleuchtend scheint mir das Argument der Autoren, dass sie immerhin 22 Krankheiten untersucht haben und bei allen eine extrem hohe Korrelation gefunden haben. Außerdem benennen sie über die Blockade von CP450 und die Veränderung der Darmflora zwei plausible Mechanismen. Solche gibt es hier, nicht aber bei der Korrelation von Kühlschränken und Geburtenrückgang. Die Preisfrage bleibt also: wie giftig sind die Rückstände, mit denen wir Menschen am Ende der Nahrungskette in Kontakt kommen?“
Die Preisfrage bleibt. Damit auch die Aufgabenstellung für die Wissenschaft, Studien durchzuführen, die Aufgabenstellung für das BfR, eine unabhängige Bewertung der Studienlage vorzunehmen und die Aufgabenstellung für die Politik, sich auf der Basis der vorhandenen Evidenz, soweit sie noch sichtbar ist, und in Abwägung der gesellschaftlichen Interessen eine Meinung zu bilden, zu entscheiden und die gesellschaftlichen Akteure dabei mitzunehmen. Wilde Spekulationen leisten dazu keinen Beitrag. Obwohl, wenn ich es mir recht überlege, diese auffällige Korrelation zwischen der Glyphosatanwendung und der Verbreitung von Handys, das kann doch kein Zufall sein …
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