Jeder, der hier oder in einem Skeptikerforum eine Zeitlang mitgelesen oder mitdiskutiert hat, kennt es: Man trifft auf meinungsstarke Diskutanten, die jedes Argument mit einem „Ja, aber bei den Eskimos ist das genauso“ parieren. Wenn man über die die Unwirksamkeit der Homöopathie diskutiert, wird man auf die Unwirksamkeit anderer Medikamente hingewiesen, wenn alternativmedizinische Scharlatanerie wieder einmal Menschenleben gekostet hat, wird man aufgefordert, sich doch einmal die tödlichen Krankenhausinfektionen anzusehen, wenn es um den Nichtraucherschutz geht, kommt ein fiktives Verbot des Schweinebratens als Einwand und wenn man ekelhafte tweets von AfD-Politikern kritisiert, wird zurückgefragt, ob man die Silvesternacht in Köln 2016 vergessen habe.
In der Auseinandersetzung mit den Meinungsstarken haben wir uns angewöhnt, das als „Whataboutism“ zu brandmarken, als Ablenkungsmanöver vom eigentlichen Thema. Auf der anderen Seite ist unstrittig, dass Vergleiche den Blick weiten können und ein probates Mittel gegen scheuklappenverengte Diskussionen sind. Wenn in der Diskussion über Glyphosat auf deutschen Feldern angeführt wird, dass es da ein erhebliches Krebsrisiko gäbe, warum nicht neben dem Verweis auf die Studienlage auch sagen, dass die relevanten Krebsrisiken sicher ganz andere sind, z.B. das Rauchen? Und wenn einem von Homöopathen vorgehalten wird, dass Kritik an homöopathischen Mitteln doch vor allem von der Pharmalobby käme, weil die Pharmaindustrie an ihren Medikamenten verdienen will, warum nicht darauf hinweisen, dass auch Homöopathika von Pharmafirmen hergestellt werden, die daran verdienen wollen und die gleichen Lobbyaktivitäten praktizieren?
Wann also sind Vergleiche legitim, wann nicht? Wann hat man es mit Whataboutism zu tun, wann mit einer Erweiterung des Blickwinkels? Und – ein spezieller Fall – ist man gut beraten, in der Diskussion mit AfD-Anhängen diese pauschal als „Nazis“ abzustempeln, oder umgekehrt, beim Vergleich mit den Nazis gleich „Godwin“ zu rufen? Schließlich haben nicht nur die Nazis aus ihrer Sicht „lebensunwerte“ Menschen ermordet, die Eskimos haben doch angeblich auch ihre Alten ausgesetzt, wenn die Nahrung knapp wurde.*
Kann man allein aus der Form des vergleichenden Einwands sehen, wie viel ein Vergleich taugt? Oder ist das, wenn es nicht um offenkundig hinkende Vergleiche geht, eher eine Frage der Motivforschung, d.h. des gesamten Kontextes, aus dem heraus etwas gesagt wird?** Bei Wikipedia kann man zum Thema Whataboutism nachlesen, dass er häufig als rhetorisches Mittel in der politischen Propaganda dient. Ich vermute, noch häufiger gibt es Whataboutism im Ehestreit. Aber was sagt uns nun dieser Vergleich?
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* Das Original sind die Indianer, die von den Amerikanern umgebracht wurden.
** Wie sicher lässt sich der Kontext eigentlich beurteilen?***
*** Oder ist das egal, weil wir ja auch sonst nichts mit Sicherheit beurteilen können?
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